Aktenzeichen M 17 K 16.31328
Leitsatz
Die Anfechtungsklage gegen die zeitliche Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 1 AufenthG ist mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig, da die schlichte Aufhebung der Befristungsentscheidung als solche zur Folge hätte, dass das unmittelbar kraft Gesetzes geltende Einreise- und Aufenthaltsverbot unbefristet gelten würde. (redaktioneller Leitsatz)
Verfassungs- oder europarechtliche Bedenken gegen die Einstufung Kosovos als sicherer Herkunftsstaat sind nicht ersichtlich. (redaktioneller Leitsatz)
Von einer Unwilligkeit oder Unfähigkeit der kosovarischen Behörden, ihre Staatsangehörigen vor strafbaren Handlungen zu schützen, ist nicht auszugehen; jedenfalls besteht offensichtlich die Möglichkeit, durch Verlegung des Wohnsitzes in andere Landesteile Kosovos, insbesondere urbane Zentren, eine etwaige Gefahr für Leib und Leben abzuwenden. (redaktioneller Leitsatz)
Psychische Erkrankungen können im Kosovo grundsätzlich behandelt werden. Ist eine Suizidgefahr auf die anstehende Abschiebung bzw. deren Vollzug zurückzuführen, handelt es sich um kein zielstaatsbezogenes, sondern allenfalls um ein inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis, das nur von der Ausländerbehörde berücksichtigt werden kann. (redaktioneller Leitsatz)
Gründe
Bayerisches Verwaltungsgericht München
Aktenzeichen: M 17 K 16.31328
Im Namen des Volkes
Gerichtsbescheid
vom 18. Juli 2016
17. Kammer
Sachgebiets-Nr. 710
Hauptpunkte: Asylrecht; Herkunftsland: Kosovo; Teilweise unzulässige Klage; Keine asylerhebliche Verfolgung dargetan; Bedrohung durch nichtstaatliche Akteure; Psychische Erkrankungen; Verweis auf Entscheidung des BAMF
Rechtsquellen:
In der Verwaltungsstreitsache
…
– Klägerin –
bevollmächtigt: …
gegen
…
vertreten durch Bundesamt für … Außenstelle M., B-Str. …, M.,
– Beklagte –
beteiligt: …, Vertreter des öffentlichen Interesses B1-str. …, M.
wegen Vollzugs des Asylgesetzes (AsylG)
erlässt das Bayerische Verwaltungsgericht München, 17. Kammer, durch die Richterin am Verwaltungsgericht … als Einzelrichterin am 18. Juli 2016 folgenden
Gerichtsbescheid:
I.
Die Klage wird als offensichtlich unbegründet abgewiesen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
Der Kläger ist Staatsangehöriger des Kosovo. Er reiste nach eigenen Angaben am … Februar 2015 auf dem Landweg in die … ein und stellte am … April 2015 Asylantrag.
Bei der Anhörung vor dem Bundesamt für … (Bundesamt) am …. März 2016 gab der Kläger im Wesentlichen an, dass sein Onkel in der … gewesen sei. Nachbarn und Bekannte hätten geglaubt, dass sie auch dazu gehörten und sie deswegen bedrängt und belästigt. Sie seien auch geschlagen und mit Steinen beworfen worden und er sei mit einem Messer angegriffen worden. Das sei schon so gewesen seit er in der ersten Klasse gewesen sei. Von 2001 bis 2006 habe man auch Schutzgeld von ihnen erpresst. Sein Vater sei zur Polizei und zum Gericht gegangen. Die Polizei habe aber nichts unternommen und danach sei es schlimmer geworden, weil ihre Peiniger davon erfahren hätten. Bevor sie ausgereist seien, hätten vier bis fünf unbekannte Personen vor der Tür gestanden, sie bedroht und versucht, in die Wohnung einzudringen.
Unter anderem wurden Berichte von … vom … Mai 2015 und … September 2015 vorgelegt, wonach beim Kläger Angst und depressive Störung sowie der Verdacht auf andauernde Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung bestehe. Zudem wurde ein Attest von … … vom … Februar 2016, in dem eine schwere depressive Episode und eine posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert werden, übermittelt. Eine neuerliche Exposition mit den traumatisierenden Bedingungen im Heimatland würde zu einer erheblichen Einschränkung des Gesundheitszustands führen. Aus psychiatrisch-psychotherapeutischer Sicht sei es unerlässlich, dass die Familienmitglieder nicht getrennt würden.
Mit Bescheid vom 26. Mai 2016, als Einschreiben am 7. Juni 2016 zur Post gegeben, lehnte das Bundesamt die Anträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1) und auf Asylanerkennung (Nr. 2) als offensichtlich unbegründet ab, lehnte den Antrag auf subsidiären Schutz ab (Nr. 3) und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen (Nr. 4). Es forderte den Kläger auf, die … innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen, anderenfalls wurde ihm die Abschiebung nach Kosovo oder in einen anderen Staat, in den er einreisen darf oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist, angedroht (Nr. 5). Zudem wurde das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 7 des Aufenthaltsgesetzes angeordnet und auf zehn Monate ab dem Tag der Ausreise befristet (Nr. 6) sowie das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 7).
Zur Begründung führte das Bundesamt insbesondere aus, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und die Anerkennung als Asylberechtigter offensichtlich nicht vorlägen. Der Kläger stamme aus einem sicheren Herkunftsstaat, so dass vermutet werde, dass er nicht verfolgt werde. Der Kläger habe nichts glaubhaft vorgetragen oder vorgelegt, was zu der Überzeugung gelangen ließe, dass, entgegen der Einschätzung der allgemeinen Lage in seinem Herkunftsstaat, in seinem Fall die Voraussetzungen für die Annahme einer begründeten Furcht vor Verfolgung erfüllt seien. Der Vater des Klägers habe in seinem Verfahren angegeben, dass es seit 2008 und nach der Klärung der Frage um einen Brunnen, der der Familie den Zugang zum Wasser sichere, ruhiger gewesen sei und es sich nur noch um Rechtsstreitigkeiten handele. Dabei sei es um Bauarbeiten der Kommune gegangen, die seine geschäftlichen Interessen torpediert hätten. Der Vater habe hinter alledem mafiöse Strukturen vermutet, um ihm wegen seiner Tätigkeit für das … in den Jahren 1999/2000 zu schaden. Der Kläger und sein Vater hätten Hintergründe und Ausgang des Anlasses für die Ausreise nicht erwähnt. Dass Hintergrund die Tatsache gewesen sein solle, dass der Vater nicht Mitglied der … geworden sei, erscheine angesichts des langen Zeitraums und der Tatsache, dass der Vater des Klägers ein ehemaliger Kämpfer der … gewesen sei, deren Einfluss heute noch weitreichend sei, unglaubhaft. Gegen rechtswidrige Übergriffe nichtstaatlicher Akteure stehe hinreichender staatlicher Schutz zur Verfügung, einen lückenlosen Schutz vor möglicher Gewaltanwendung durch Dritte vermöge aber letztlich kein Staatswesen zu gewährleisten. Die pauschale Behauptung, es sei immer schlimmer geworden, je öfter man die Polizei aufgesucht habe, sei angesichts ihrer Ungenauigkeit und Pauschalität wenig überzeugend. Im Übrigen könnte einer etwaigen regional bestehenden individuellen Gefährdung durch Wohnsitznahme in einem anderen Landesteil Kosovos oder auch in Serbien entgangen werden. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus lägen nicht vor, insbesondere sei weder von der kosovarischen Regierung noch durch nichtstaatliche Dritte eine unmenschliche Behandlung zu erwarten. Die nationalen und internationalen Sicherheitskräfte gewährleisteten grundsätzlich Schutz und Sicherheit. Der Vortrag des Klägers sei nicht geeignet, zu einem für ihn abweichenden Ergebnis einer dennoch bestehenden individuellen Gefährdung zu gelangen. Abschiebungsverbote lägen ebenfalls nicht vor. Die derzeitigen humanitären Bedingungen in Kosovo führten nicht zu der Annahme, dass bei Abschiebung des Klägers eine Verletzung des Art. 3 EMRK vorliege. Wohnraum, wenn auch mitunter auf niedrigem Standard, stehe ausreichend zur Verfügung. Rückkehrer könnten zudem die Unterstützungen der in jeder Gemeinde eingerichteten Büros für Gemeinschaften und Rückkehrer (MOCR) in Anspruch nehmen und bedürftige Personen erhielten Unterstützung in Form von Sozialhilfe. Eine allgemein schwierige soziale und wirtschaftliche Lage begründe kein Abschiebungsverbot, sie müsse und könne vom Kläger ebenso wie von vielen seiner Landsleute gegebenenfalls unter Aufbietung entsprechender Aktivitäten bewältigt werden. Eine Rückkehr sei für den Kläger insofern zumutbar. Diesem drohe auch keine individuelle Gefahr für Leib und Leben. Die vom Kläger bislang eingereichten medizinischen Unterlagen genügten nicht den Anforderungen, um gemäß der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts weitere Nachforschungen erforderlich zu machen. Hinzu komme, dass die pauschale Behauptung, bei einer Rückkehr drohe eine erhebliche Verschlechterung des Gesundheitszustands, nicht ausreichend sei. Dies gelte umso mehr, als sich der Kläger bereits in seinem Heimatstaat in entsprechender fachärztlicher Behandlung befunden habe. Ausgehend von der Erkenntnislage könnten psychische Erkrankungen und PTBS in Kosovo – wenn auch nicht optimal – grundsätzlich behandelt werden.
Hiergegen erhoben die Prozessbevollmächtigten des Klägers mit Schriftsatz vom 9. Juni 2016, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München eingegangen am selben Tag, Klage und beantragten zuletzt,
1. den Bescheid vom 26. Mai 2016 aufzuheben,
2. die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen und ihn als Asylberechtigten anzuerkennen,
3. die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger subsidiären Schutz zuzugestehen und festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.
Zur Begründung wurde in vollem Umfang Bezug genommen auf den vorgerichtlichen Vortrag, insbesondere den Inhalt der persönlichen Anhörung des Klägers beim Bundesamt sowie auf den Inhalt der in den Akten befindlichen Unterlagen, ärztlichen Atteste und Urkunden. Gerade der Arztbericht des Gesundheitsamts … vom …. Mai 2016 bestätige eindeutig und unzweifelhaft, dass Abschiebungsverbote vorlägen.
In dem auf Hinweis des Klägerbevollmächtigten vom Gericht angeforderten Gutachten des Gesundheitsamts der Stadt … vom … Mai 2016 wird u. a. ausgeführt, dass aufgrund der aktuell ausgeprägten depressiven Verstimmung mit lebensmüden Gedanken und den erheblichen psychosozialen Beeinträchtigungen die Fortführung der psychiatrischen Behandlung mit Kontrolle und Einstellung der Psychopharmakamedikation unerlässlich zur Sicherung der Gesundheit sei. Aufgrund des jungen Alters solle möglichst umgehend eine Behandlung veranlasst werden, um einer weiteren Chronifizierung entgegenzuwirken. Die Behandlung mit Psychotherapie sei notwendig, damit der Kläger lerne, mit seinen Verhaltensänderungen besser umgehen zu können, und damit eine soziale Integration gelingen könne. Die Ausprägung der psychischen Beschwerdesymptome sei erheblich und das Auftreten lebensmüder Gedanken stelle eine anhaltende Gefährdungssituation für den Kläger dar. Eine Rückführung in das Heimatland sei derzeit nicht verantwortbar aufgrund der Schwere der psychischen Beschwerdesymptome. Eine schwere depressive Verstimmung mit suizidalen Gedanken und erhebliche psychosoziale Beeinträchtigungen seien anzuführen und bei einer Abschiebung sei eine Suizidreaktion nicht auszuschließen.
Die Beklagte stellte keinen Antrag.
Ein gleichzeitig mit der Klage eingereichter Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage wurde mit Beschluss vom 29. Juni 2016 abgelehnt (M 17 S 16.31329).
Mit Schreiben vom 30. Juni 2016, zugestellt am 4. Juli 2016, wurde die Klägerseite zu einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört; der Klägerbevollmächtigte erteilte daraufhin mit Schreiben vom 11. Juli 2016 das Einverständnis zu einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte in diesem Verfahren und im Verfahren M 17 S 16.31329 sowie auf die vorgelegte Behördenakte verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Über die Klage konnte nach vorheriger Anhörung der Klägerseite durch Gerichtsbescheid entschieden werden, da sie keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist (§ 84 Abs. 1 VwGO). Die Beklagte hat auf die Anhörung zu Entscheidungen durch Gerichtsbescheid generell verzichtet (s. Schreiben v. 25.02.2016).
Die Klage ist unzulässig, soweit sie sich gegen Nr. 7 des Bescheids vom 26. Mai 2016 richtet (s.u. I.), im Übrigen ist sie unbegründet (s.u. II.), da der Bescheid rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt (vgl. § 113 Abs. 1 und 5 VwGO).
I.
Bezüglich Nr. 7 des streitgegenständlichen Bescheids, in der sich unmittelbar aus dem Gesetz ergebende Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG lediglich gemäß § 11 Abs. 2 AufenthG zeitlich befristet wird, ist die Klage mangels Rechtsschutzbedürfnis unzulässig. Denn die schlichte Aufhebung der Nr. 7 des Bescheids aufgrund einer Anfechtungsklage beträfe lediglich die getroffene Befristungsentscheidung als solche, so dass ein erfolgreiches Rechtsmittel zur Folge hätte, dass das – unmittelbar kraft Gesetz geltende – Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG unbefristet gelten würde. Die Rechtsstellung des Klägers wäre somit nicht verbessert. Das Ziel einer kürzeren Befristung der gesetzlichen Sperrwirkung nach § 11 Abs. 2 AufenthG müsste im Wege der Verpflichtungsklage erstritten werden (vgl. NdsOVG, B.v. 14.12.2015 – 8 PA 199/15 – juris Rn. 5; VG München, B.v. 12.1.2016 – M 21 S 15.31689 – UA S. 8; VG Ansbach, B.v. 20.11.2015 – AN 5 S 15.01667 – juris Rn. 2; B.v. 18.11.2015 – AN 5 S 15.01616 – UA S. 2; VG Aachen, B.v. 30.10.2015 – 6 L 807/15.A – juris Rn. 8; Funke/Kaiser in Gemeinschaftskommentar zum Aufenthaltsgesetz, Stand Dezember 2015, § 11 Rn. 183, 190, 193, 196; a.A. wohl VG München, U.v. 9.12.2015 – M 2 K 15.31158 – UA S. 14).
Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass von Klägerseite keine substantiierten Bedenken gegen die Länge der Befristung vorgebracht wurden.
II.
Im Übrigen ist die Klage zulässig (vgl. insbesondere zu Nr. 6 des streitgegenständlichen Bescheids Gemeinschaftskommentar zum Aufenthaltsgesetz, Stand Dezember 2015, § 11 Rn. 189), aber unbegründet.
1. Die Anerkennung als Asylberechtigter scheidet bereits deswegen aus, weil der Kläger auf dem Landweg und damit aus einem sicheren Drittstaat in das Gebiet der … eingereist ist (Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG i. V. m. § 26a Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 AsylG).
2. Aber auch ein Verfolgungs- oder Lebensschicksal, das die Anerkennung als Asylberechtigter oder die Zuerkennung einer Rechtsstellung als Flüchtling rechtfertigen würde, ist vorliegend aus dem Vortrag des Klägers nicht erkennbar.
2.1 Die Ablehnung der Anträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und auf Anerkennung als Asylberechtigter als offensichtlich unbegründet beruht auf § 29a Abs. 1 AsylG. Nach dieser Vorschrift ist der Asylantrag eines Ausländers aus einem Staat i. S. d. Art. 16a Abs. 3 Satz 1 GG (sicherer Herkunftsstaat) als offensichtlich unbegründet abzulehnen, es sei denn, die von dem Ausländer angegebenen Tatsachen oder Beweismittel begründen die Annahme, dass ihm abweichend von der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat politische Verfolgung droht.
2.2 Das Heimatland des Klägers, Kosovo, ist ein sicherer Herkunftsstaat (vgl. § 29a Abs. 2 AsylG und Anlage II zu § 29a AsylG). Die Gerichte sind an diese Einstufung gebunden, es sei denn, sie sind der Überzeugung, dass sich die Einstufung als verfassungswidrig erweist (BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1507/93 – juris Rn. 65). Verfassungs- oder europarechtliche Bedenken gegen die Einstufung Kosovos als sicherer Herkunftsstaat sind nicht ersichtlich.
2.3 Der Kläger hat die durch § 29a AsylG normierte Nichtverfolgungsvermutung auch nicht durch den schlüssigen Vortrag von individuellen Verfolgungstatsachen erschüttern können.
a) Zum einen ist sein Vorbringen zu Bedrohungen und Misshandlungen durch Nachbarn und Bekannte vollkommen unsubstantiiert und pauschal. Das Gericht muss aber sowohl von der Wahrheit des vom Asylsuchenden behaupteten individuellen Schicksals als auch von der Richtigkeit der Prognose drohender Verfolgung die volle Überzeugung gewinnen. Dem persönlichen Vorbringen des Rechtssuchenden und dessen Würdigung kommt dabei besondere Bedeutung zu. Für die Glaubwürdigkeit ist insbesondere auf die Plausibilität des Tatsachenvortrags des Asylsuchenden, die Art seiner Einlassung und seine Persönlichkeit, insbesondere seine Vertrauenswürdigkeit, abzustellen. Der Asylsuchende ist insoweit gehalten, seine Gründe für eine Verfolgung bzw. Gefährdung schlüssig und widerspruchsfrei mit genauen Einzelheiten vorzutragen (vgl. BVerwG, U.v. 12.11.1985 – 9 C 27.85 – juris). Dies hat der Kläger hier jedoch gerade nicht getan.
b) Zum anderen erfordert § 3c Nr. 3 AsylG bei einer von einem nichtstaatlichen Akteur ausgehenden Verfolgung, dass der Staat nicht in der Lage oder nicht willens ist, Schutz zu gewähren. Von einer Unwilligkeit oder Unfähigkeit der kosovarischen Behörden, ihre Staatsangehörigen vor strafbaren Handlungen zu schützen, ist aber nicht auszugehen (Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 09.12.2015; Ausführungen im Bescheid des Bundesamts zu Polizei, Justiz und EULEX, § 77 Abs. 2 AsylG; ebenso u. a. VG Leipzig, U. v. 16.10.2015 – 7 K 643/15.A – juris; VG Darmstadt, B. v. 24.4.2015 – 2 L 430/15.DA.A – juris). Vielmehr ist der kosovarische Staat bei einer Bedrohung, bei der es sich um kriminelles Unrecht eines nichtstaatlichen Akteurs handelte, in der Lage und auch willens, hinreichenden Schutz zu gewähren (§ 3c Nr. 3, § 3d Abs. 1 und 2 AsylG). Falls die örtliche Polizei dem Kläger bisher wirklich nicht geholfen haben sollte, könnte sich dieser gegebenenfalls an übergeordnete staatliche Stellen wenden.
c) Ferner ist davon auszugehen, dass – jedenfalls in Fällen wie dem vorliegenden – ganz offensichtlich eine inländische Fluchtalternative besteht (§ 3e AsylG). Der Kläger kann jedenfalls durch Verlegung seines Wohnsitzes in andere Landesteile Kosovos, insbesondere urbane Zentren, wo ein Leben in gewisser Anonymität möglich ist und ihn nichtstaatliche Dritte mit asylrechtlich hinreichender Sicherheit nicht ausfindig machen können, eine etwaige Gefahr für Leib oder Leben abwenden (st. Rspr. der Kammer, vgl. z. B. VG München, U.v. 5.2.2015 – M 17 K 14.31233; VG Würzburg, B.v. 29.11.2010 – W 1 S 10.30287 – juris Rn. 20; VG Gelsenkirchen, U.v. 30.5.2012 – 7a K 646/12.A – juris Rn. 20; VG Aachen, B.v. 18.7.2014 – 9 L 424/14.A – juris bzgl. Blutrache bei Grundstücksstreit). Eine Übersiedelung in andere Teile des Landes unterliegt keinen rechtlichen Einschränkungen (Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 9.12.2015, S. 17).
3. Das Bundesamt hat im Übrigen auch zu Recht die Zuerkennung subsidiären Schutzes (§ 4 AsylG) und das Vorliegen von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG abgelehnt. Das Gericht nimmt insoweit auf die Begründung des Bundesamts Bezug (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Ergänzend wird auf Folgendes hingewiesen:
3.1 Eine Verletzung des Art. 3 EMRK bei einer Rückkehr des Klägers, wie dessen Prozessbevollmächtigte im Eilverfahren – pauschal und vollkommen unsubstantiiert – geltend machten, ist nicht ersichtlich (vgl. auch Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 09.12.2015).
3.2 Die psychischen Schwierigkeiten des Klägers können kein Abschiebungshindernis nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG begründen.
Nach dieser Vorschrift soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Diese Regelung erfasst zwar nur solche Gefahren, die in den spezifischen Verhältnissen im Zielstaat begründet sind, während Gefahren, die sich aus der Abschiebung als solcher ergeben, nur von der Ausländerbehörde als inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis berücksichtigt werden können. Ein zielstaatbezogenes Abschiebungshindernis kann aber gegeben sein, wenn die Gefahr besteht, dass sich eine vorhandene Erkrankung aufgrund zielstaatsbezogener Umstände in einer Weise verschlimmert, die zu einer erheblichen und konkreten Gefahr für Leib und Leben führt, d. h. dass eine wesentliche Verschlimmerung der Erkrankung alsbald nach der Rückkehr des Ausländers droht. Dies kann etwa der Fall sein, wenn sich die Krankheit im Heimatstaat aufgrund unzureichender Behandlungsmöglichkeiten verschlimmert oder wenn der betroffene Ausländer die medizinische Versorgung aus sonstigen Umständen tatsächlich nicht erlangen kann (BVerwG, B.v. 17.8.2011 – 10 B 13/11 u.a – juris; BayVGH, U.v. 3.7.2012 – 13a B 11.30064 – juris Rn. 34). Eine wesentliche Verschlechterung des Gesundheitszustands ist dabei nicht schon bei jeder befürchteten ungünstigen Entwicklung anzunehmen, sondern nur bei außergewöhnlich schweren körperlichen oder psychischen Schäden (OVG NRW, B.v. 30.12.2004 – 13 A 1250/04.A – juris Rn. 56).
Diese Rechtsprechung hat nunmehr auch in § 60 Abs. 7 Satz 2 bis 4 AufenthG seinen Niederschlag gefunden, wonach eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen nur vorliegt bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der … gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist.
Demnach kann hier von einem zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernis nicht ausgegangen werden:
Psychische Erkrankungen können im Kosovo grundsätzlich behandelt werden. Laut Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 9. Dezember 2015 (S. 25ff.) wird die Behandlung von psychischen Erkrankungen im öffentlichen Gesundheitssystem in neun regionalen Gesundheitszentren durchgeführt. Patienten, die einer stationären Behandlung bedürfen, werden in den vier Regionalkrankenhäusern in den Abteilungen für stationäre Psychiatrie sowie in der Psychiatrischen Klinik der Universitätsklinik P. behandelt. In diesen Regionalkrankenhäusern stehen ausreichende Bettenkapazitäten zur Verfügung. Freiwillige Rückkehrer sowie Zurückgeführte aus Deutschland können bei Vorliegen einer psychischen Erkrankung/Traumatisierung unmittelbar nach ihrer Ankunft kostenlos die Hilfs- und Unterstützungsleistungen des Kosovo-Rückkehrerprojekts „URA II“ bzw. Eingliederungshilfen einschließlich Beratungen und psychologische Betreuung durch die Rückkehrerprojekte der NRO „Diakonie Kosova“ oder der Arbeiterwohlfahrt in Anspruch nehmen.
Zwar könnte der Kläger bei einem weiteren Verbleib im Bundesgebiet wohl eine bessere gesundheitliche Versorgung erlangen. Wie in § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG jedoch ausdrücklich klargestellt ist, ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der … gleichwertig ist. Der Abschiebungsschutz des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG gewährleistet nicht die Heilung oder bestmögliche Linderung von Krankheiten im Bundesgebiet, sondern „nur“, dass sich im Fall der Rückkehr in das Heimatland eine vorhandene Erkrankung nicht aufgrund der Verhältnisse im Zielstaat der Abschiebung oder aufgrund individuell eingeschränkten Zugangs zu Behandlungsmöglichkeiten in dem Zielstaat alsbald und in einer Weise verschlimmert, die zu einer erheblichen und konkreten Gefahr für Leib und Leben führen würde. Ein Ausländer muss sich auf den Standard der Gesundheitsversorgung im Heimatland verweisen lassen, auch wenn dieser dem Niveau in Deutschland nicht entspricht (vgl. OVG NRW, B.v. 27.7.2006 – 18 B 586/06; v. 14.6.2005 – 11 A 4518/02.A – juris).
Sofern in dem Gutachten des Gesundheitsamts der … … vom …. Mai 2016 ausgeführt wird, dass eine Rückführung in das Heimatland derzeit aufgrund der Schwere der psychischen Beschwerdesymptome nicht verantwortbar sei, da bei einer Abschiebung eine Suizidreaktion nicht auszuschließen sei, kann dies zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung führen. Abgesehen davon, dass ein etwaiger zukünftiger Selbstmordversuch kein greifbares und konkretes Ereignis im Sinne der oben genannten Rechtsprechung darstellt, wäre die Suizidgefahr hier laut Gutachten bereits auf die anstehende Abschiebung bzw. deren Vollzug zurückzuführen, so dass es sich um kein zielstaatsbezogenes, sondern allenfalls um ein inlandsbezogenenes Vollstreckungshindernis handelt, das nur von der Ausländerbehörde berücksichtigt werden kann (vgl. OVG NRW, B.v. 30.12.2004 – 13 A 1250/04.A – juris Rn. 84, 86).
4. Vor diesem Hintergrund ist auch die nach Maßgabe der §§ 34, 36 Abs. 1 Satz 1 AsylG i. V. m. § 59 AufenthG erlassene Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung nicht zu beanstanden.
5. Schließlich ist auch die Anordnung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots gemäß § 11 Abs. 7 AufenthG in Nr. 6 des Bescheids vom 26. Mai 2016 rechtmäßig.
Die Ermessenserwägungen der Beklagten sind im Rahmen der auf den Maßstab des § 114 Satz 1 VwGO beschränkten gerichtlichen Überprüfung nicht zu beanstanden, zumal die Klägerseite gegen das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 7 AufenthG keine substantiierten Einwendungen vorgebracht und insbesondere kein fehlerhaftes Ermessen gerügt hat.
Die Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V. m. §§ 708 ff. ZPO.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Gerichtsbescheid können die Beteiligten innerhalb von zwei Wochen nach seiner Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München, Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München mündliche Verhandlung beantragen.
Dem Antrag eines Beteiligten sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.