Aktenzeichen Au 5 M 16.950
ZPO ZPO § 91 Abs. 2 S. 1
RVG RVG § 13
Leitsatz
1 Es entspricht allgemeiner Meinung, dass auch ohne ausdrückliche gesetzliche Beschränkung im Verwaltungsprozess die durch die Beauftragung eines auswärtigen Rechtsanwalts entstehenden Mehrkosten nur dann zu erstatten sind, wenn sie im Sinne des § 162 Abs. 1 VwGO notwendig sind. (redaktioneller Leitsatz)
2 Ein ansässiger Rechtsanwalt ist nicht nur ein solcher, der seinen Kanzleisitz am Sitz des Gerichts hat, vielmehr stehen diesem auch Rechtsanwälte mit Kanzleisitz innerhalb des Gerichtsbezirks gleich. (redaktioneller Leitsatz)
3 Nach ständiger Rechtsprechung ist Voraussetzung für eine Erledigungsgebühr eine besondere, über die bereits mit der Verfahrensgebühr abgegoltene hinausgehende Tätigkeit des Rechtsanwalts bei der Erledigung des Rechtsstreites. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I.
Der Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 15. Juni 2016 wird geändert und wie folgt ergänzt: Als außergerichtliche Aufwendungen der Antragstellerin werden zusätzlich Fahrtkosten in Höhe von 29,40 EUR zuzüglich 19% MWSt anerkannt.
Im Übrigen wird die Erinnerung zurückgewiesen.
II.
Die Antragstellerin hat die Kosten des Erinnerungsverfahrens zu tragen.
III.
Der Streitwert wird auf 1.447,40 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin wendet sich gegen die Festsetzung der ihr zu erstattenden Rechtsanwaltsgebühren für die Tätigkeit ihres Bevollmächtigten im verwaltungsgerichtlichen Klageverfahren (Az. Au 5 K 15.1506) und macht eine Erledigungsgebühr in Höhe von 1.418,00 EUR sowie Fahrtkosten in Höhe von 29,40 EUR geltend.
Mit Bescheid der Stadt … vom 25. September 2015 wurde ein von der Klägerin gestellter Antrag auf Erteilung einer Baugenehmigung zur Nutzungsänderung von Lagerräumen und Büros in eine Spielothek auf dem Grundstück Fl.Nr. … der Gemarkung … abgelehnt. Hiergegen erhob die Klägerin mit Schriftsatz vom 12. Oktober 2015 Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg (Az. Au 5 K 15.1506) mit dem Antrag, den Bescheid der Beklagten vom 25. September 2015 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin nach Maßgabe ihres Bauantrags vom 13. Mai 2015 eine positive Baugenehmigung zu erteilen.
Am 24. März 2016 fand die mündliche Verhandlung statt. Ausweislich des Sitzungsprotokolls über die Sitzung vom 24. März 2016 regte das Gericht an, zu prüfen, ob eine einvernehmliche Lösung erzielt werden könne. Die Vorsitzende wies die Beteiligten darauf hin, dass nach vorläufiger Rechtsauffassung der Kammer viel dafür spreche, dass bei der Entscheidung über den Bauantrag vom 13. Mai 2015 die Bindungswirkung des Vorbescheids vom 16. Mai 2012 noch zu berücksichtigen sei. Die Vertreterin der Antragsgegnerin sicherte daraufhin für den Fall der Erledigungserklärung zu, über den Antrag auf Erteilung einer Baugenehmigung vom 13. Mai 2015 unter Aufhebung des Bescheids vom 25. September 2015 erneut unter Beachtung der bauplanungsrechtlichen Vorgaben des Vorbescheids vom 16. Mai 2012 zu entscheiden. Des Weiteren erklärte sie sich damit einverstanden, die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Beteiligten erklärten das Verfahren daraufhin übereinstimmend für erledigt. Das Verfahren wurde mit Gerichtsbeschluss eingestellt (Ziffer I.) und in Ziffer II. bestimmt, dass die Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens zu tragen habe. In Ziffer III. des Beschlusses wurde der Streitwert auf 86.400,00 EUR festgesetzt.
Mit Schriftsatz vom 30. März 2016 beantragte der Bevollmächtigte der Antragstellerin die Festsetzung der der Antragstellerin zu erstattenden Aufwendungen. Beantragt wurde dabei auch die Festsetzung einer „Erledigungsgebühr“ gemäß § 13 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG, Nr. 1002 und 1003 des Vergütungsverzeichnisses zum RVG – VV RVG) und die Erstattung der Fahrtkosten zur mündlichen Verhandlung am 24. März 2016 von … nach Augsburg und zurück (Nr. 7003 VV RVG).
Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 15. Juni 2016 setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg die der Antragstellerin im Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg entstandenen notwendigen Aufwendungen auf 3.590,00 EUR fest und lehnte die beantragte Erledigungsgebühr sowie die Erstattung der Fahrtkosten ab.
Die beantragte Erledigungsgebühr sei nicht erstattungsfähig. Die Erledigungsgebühr sei eine Erfolgsgebühr. Diese werde nur durch besondere, über die übliche Prozessführung hinausgehende Bemühungen des Rechtsanwalts um Erledigung der Sache ohne gerichtliche Entscheidung (außerhalb des Prozesses) verdient. Diese Bemühungen müssten auch wesentlich zur Erledigung beigetragen haben. Die formelle Beendigung des Verfahrens durch die Abgabe der Erledigungserklärung löse ebenfalls keine Erledigungsgebühr aus. Die Fahrtkosten seien als Mehrkosten für einen auswärtigen Rechtsanwalt nicht nach § 162 VwGO erstattungsfähig.
Mit Schriftsatz vom 18. Juni 2016 beantragte der Bevollmächtigte der Antragstellerin die Entscheidung des Gerichts gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 15. Juni 2016.
Zur Begründung ist ausgeführt, dass die beantragte Erledigungsgebühr sowie die geltend gemachten Fahrtkosten erstattungsfähig seien. Bei der Erörterung der Sach-und Rechtslage im Rahmen der mündlichen Verhandlung habe der Bevollmächtigte für die Antragstellerin deren Rechtsauffassung dargelegt. Dies habe zur Zusicherung der Antragsgegnerin, den Bescheid aufzuheben und unter Beachtung der baupla-nungsrechtlichen Vorgaben des Vorbescheids über den Antrag erneut zu entscheiden, und damit zur Erledigung geführt. Darin liege eine ausreichende Mitwirkung zur einvernehmlichen Lösung. Denn ein Rechtsanwalt müsse die Erledigung nicht überwiegend oder alleine herbeiführen. Entscheidend sei, dass er hieran mitwirke, also einen nicht ganz unerheblichen oder untauglichen Beitrag hierzu leiste. Die Mitwirkung des Rechtsanwalts brauche auch nicht aktenkundig zu sein. Die Fahrtkosten seien erstattungsfähig, da sich der Sitz der Kanzlei in … (Regierungsbezirk Schwaben) und damit im Bezirk des Gerichts befinde.
Die Kostenbeamtin half der Erinnerung nicht ab.
Die Antragsgegnerin hat sich im Verfahren nicht geäußert.
Im Übrigen wird auf den Akteninhalt und die Akte des Verfahrens Au 5 K 15.1506 Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Entscheidung des Gerichts (Erinnerung) gegen den Kostenfestset-zungsbeschluss vom 15. Juni 2016 ist gemäß §§ 165, 151 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zulässig und im Hinblick auf die geltend gemachten Fahrtkosten begründet. Im Übrigen ist der Antrag unbegründet.
1. Die geltend gemachten Fahrtkosten sind nach § 162 Abs. 1 und 2 VwGO erstattungsfähig.
Gemäß § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO sind die Auslagen eines Rechtsanwalts grundsätzlich erstattungsfähig. Eine gesetzliche Beschränkung des Kostenerstattungsanspruchs bei der Inanspruchnahme eines auswärtigen Anwalts, der seine Kanzlei nicht am Gerichtssitz hat, ist in § 162 Abs. 1 und 2 VwGO anders als in § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht ausdrücklich vorgesehen. Gleichwohl entspricht es allgemeiner Meinung, dass auch im Verwaltungsprozess die durch die Beauftragung eines auswärtigen Rechtsanwalts entstehenden Mehrkosten nur dann zu erstatten sind, wenn sie im Sinne des § 162 Abs. 1 VwGO notwendig sind. Einem Beteiligten steht es zwar frei, sich in jeder Lage des Verfahrens durch einen von ihm auszuwählenden Rechtsanwalt vertreten zu lassen (§ 67 Abs. 2 VwGO); daraus folgt jedoch nicht, dass auch alle Aufwendungen für jeden beliebigen Rechtsanwalt in vollem Umfang vom unterlegenen Prozessgegner zu erstatten sind. Ob eine Vertretung durch einen auswärtigen Rechtsanwalt als notwendig im Sinne des § 162 Abs. 1 VwGO anzusehen ist, hat sich vielmehr an Sinn und Zweck dieser Kostenbegrenzungsnorm zu orientieren. Notwendig sind danach nur Aufwendungen, die eine verständige, weder besonders ängstliche noch besonders unbesorgte Partei in ihrer Lage und im Hinblick auf die Bedeutung und die rechtliche und sachliche Schwierigkeit der Sache vernünftigerweise für erforderlich halten durfte (Kopp/Schenke, VwGO, 22. Aufl. 2016, § 162 Rn. 3). Dabei hat die Partei die -aus dem Prozessrechtsverhältnis und den Grundsätzen von Treu und Glauben sich ergebende – Pflicht, die Kosten niedrig zu halten (vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 73. Aufl. 2015, § 91 Rn. 29).
Ein ansässiger Rechtsanwalt ist jedoch nicht nur ein solcher, der seinen Kanzleisitz am Sitz des Gerichts hat, vielmehr stehen diesem auch Rechtsanwälte mit Kanzleisitz innerhalb des Gerichtsbezirks gleich (vgl. Kopp/Schenke a.a.O. § 162 Rn. 11). Der Bevollmächtigte der Antragstellerin erfüllt diese Voraussetzung, da sich seine Kanzlei mit Sitz in … innerhalb des Gerichtsbezirks (Regierungsbezirk Schwaben) befindet.
2. Die Festsetzung einer Erledigungsgebühr gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 RVG i.V.m. Nr. 1002 Satz 1, Nr. 1003 der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG – VV RVG – wurde im Kostenfestsetzungsbeschluss vom 15. Juni 2016 dagegen zu Recht abgelehnt.
Nach Nr. 1002 Satz 1 VV RVG entsteht eine Erledigungsgebühr, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise nach Aufhebung oder Änderung des mit einem Rechtsbehelf angefochtenen Verwaltungsakt durch die anwaltliche Mitwirkung erledigt. Nach ständiger Rechtsprechung, auch des Bundesverwaltungsgerichts und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes, ist Voraussetzung für eine Erledigungsgebühr eine besondere, über die bereits mit der Verfahrensgebühr (Nr. 3100 VV RVG) abgegoltene hinausgehende Tätigkeit des Rechtsanwalts bei der Erledigung des Rechtsstreites. Der Rechtsanwalt muss zwar die Erledigung nicht überwiegend oder allein herbeiführen, er muss allerdings einen nicht ganz unerheblichen oder untauglichen Beitrag für die Beilegung des Rechtsstreits ohne streitige Entscheidung leisten (BayVGH, B.v. 9.7.2009 – 10 C 09.1200 – juris Rn. 16; BayVGH, B.v. 24.5.2007 – 14 ZB 07.1300 – juris Rn. 3; B.v. 23.1.2009 – 10 C 08.2037 – juris Rn. 16).
Gemessen an diesen Grundsätzen hat die Kostenbeamtin zutreffend festgestellt, dass es vorliegend an einem besonderen Beitrag des Prozessbevollmächtigten zu der unstreitigen Erledigung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens fehlt. Dass die Antragsgegnerin die Aufhebung der streitgegenständlichen Verfügung und die erneute Entscheidung über den Antrag unter Beachtung der bauplanungsrechtli-chen Vorgaben des Vorbescheids zugesichert hat, war im Wesentlichen auf das Tätigwerden des Gerichts zurückzuführen. Eine Mitwirkung des Rechtsanwalts dergestalt, die Antragstellerin zu überzeugen, der Anregung des Gerichts, die Hauptsache für erledigt zu erklären, zu folgen, stellt hingegen keine besondere, über die bereits mit der Verfahrensgebühr abgegoltene hinausgehende Tätigkeit des Rechtsanwaltes dar (vgl. VG München, B.v. 2.5.2013 – M 18 M 13.1340 – juris Rn. 11). Denn die Erledigungsgebühr ist eine Erfolgsgebühr, die das besondere Bemühen des Rechtsanwaltes um eine außergerichtliche Erledigung der Sache im jeweiligen Verfahren honorieren soll, weil dies sowohl für den Auftraggeber von besonderem Nutzen sein kann, als auch damit zugleich die Gerichte entlastet 17 werden (Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 19. Aufl. 2010, Nr. 1002 VV Rn. 3).
Da ausweislich der Sitzungsniederschrift die Antragsgegnerin bereits auf Grund der Ausführungen des Gerichts zur Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheides und zur erneuten Entscheidung über den Antrag unter Beachtung der bauplanungsrechtlichen Vorgaben des Vorbescheids bereit war, fehlt es an einem hinreichend qualifizierten Aushandeln einer Lösung vor Gericht bzw. einem Einwirken auf die beklagte Behörde. Die Beratung der Antragstellerin, das Verfahren bei Zusicherung der Aufhebung der streitgegenständlichen Verfügung zu beenden, ist von der jeweiligen Verfahrensgebühr mit umfasst. Gleichfalls rechtfertigt die Abgabe von Erledigungserklärungen nach Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheides keine besondere Erledigungsgebühr (vgl. Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, a.a.O., Nr. VV 1002 Rn. 3.). Diese Mitwirkung ist bereits von der allgemeinen Verfahrensgebühr aus Nr. 3100 VV RVG mit umfasst, zumal mit der in Aussicht gestellten Aufhebung des Bescheides und Zusicherung der erneuten antragsgemäßen Entscheidung durch die Antragsgegnerin, das Rechtsschutzbedürfnis für die von der Antragstellerin erhobene Klage entfallen wäre.
3. Der Erinnerung war daher im Hinblick auf die geltend gemachten Fahrtkosten stattzugeben, im Übrigen war die Erinnerung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 3 Gerichtskostengesetz (GKG).