Baurecht

Erfolglose Klage gegen die Heranziehung zu einem Erschließungsbeitrag

Aktenzeichen  W 3 K 15.28

Datum:
14.7.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 128067
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
KAG Art. 5a
BauGB §§ 127 ff.
Gemeinde Bastheim
Erschließungsbeitragssatzung vom 21.11.1989 i.d.F. d. Änderungssatzung vom 4.12.2003

 

Leitsatz

1 Wird eine Straße, für die zur Gänze ein Baurecht besteht, nur auf einer Teillänge angelegt und tatsächlich hergestellt, so ist ausschließlich die tatsächlich angelegte Straße die beitragsfähige Erschließungsanlage; insoweit ist auch kein Raum für eine Abschnittsbildung. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
2 Ein technisch notwendiger Unterbau setzt in jedem Fall eine ausreichende Frostschutzschicht voraus. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
3 Zur Frage der Verwirkung des Rechts, Erschließungsbeiträge zu erheben (hier verneint). (Rn. 57 – 58) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gründe

Die auch in Hinblick auf § 75 VwGO zulässige Klage, mit der sich der Kläger gegen den Erschließungsbeitragsbescheid der Beklagten vom 8. November 2013 in Form des Änderungsbescheids vom 8. Dezember 2014 wendet, ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid erweist sich als rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Gemäß Art. 5a Abs. 1 des Kommunalabgabengesetzes (KAG) i.d.F. der Bekanntmachung vom 4. April 1993 (GVBl S. 264), zuletzt geändert durch Gesetz vom 11. März 2014 (GVBl S. 70), § 127 Abs. 1 des Baugesetzbuches (BauGB) i.d.F. der Bekanntmachung vom 23. September 2004 (BGBl I S. 2414), zuletzt geändert durch Gesetz vom 20. November 2014 (BGBl I S. 1748), erheben die Gemeinden zur Deckung ihres anderweitig nicht gedeckten Aufwandes für Erschließungsanlagen einen Erschließungsbeitrag nach Maßgabe der folgenden Vorschriften. Beitragspflichtiger ist nach Art. 5a Abs. 1 KAG i.V.m. § 134 Abs. 1 BauGB derjenige, der im Zeitpunkt der Bekanntgabe des Beitragsbescheides Eigentümer des Grundstückes ist.
Gemäß § 132 BauGB regeln die Gemeinden durch Satzung die Art und den Umfang der Erschließungsanlagen im Sinne des § 129 BauGB, die Art der Ermittlung und der Verteilung des Aufwands sowie die Höhe des Einheitssatzes, die Kostenspaltung (§ 127 Abs. 3 BauGB) und die Merkmale der endgültigen Herstellung einer Erschließungsanlage. Mit ihrer Satzung über die Erhebung von Erschließungsbeiträgen – Erschließungsbeitragssatzung (EBS) – vom 21. November 1989 in der Fassung der Änderungssatzung vom 4. Dezember 2003 hat die Beklagte eine Beitragssatzung in diesem Sinne geschaffen. Bedenken gegen das ordnungsgemäße Zustandekommen dieser Satzung sind nicht ersichtlich; auch in materiell-rechtlicher Hinsicht liegen keine Fehler, die zur Gesamtnichtigkeit der Satzung oder zur Unwirksamkeit streitrelevanter Satzungsbestimmungen führen würden, auf der Hand. Dass dem Kläger die Erschließungsbeitragssatzung nicht bekannt ist, wie er behauptet, ist unschädlich; denn Inkrafttreten und Wirksamkeit der Satzung hängen nicht davon ab, dass der Bürger sie und ihren Inhalt tatsächlich zur Kenntnis nimmt. Vielmehr kommt es für das Inkrafttreten der Satzung allein auf die ordnungsgemäße Ausfertigung und Bekanntmachung an (vgl. Art. 26 der Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern (Gemeindeordnung – GO) i.d.F. der Bekanntmachung vom 22. August 1998 (GVBl S. 796), BayRS 2020-1-1-I, zuletzt geändert durch Art. 9a Abs. 2 Bayerisches E-Government-Gesetz vom 22.12.2015 (GVBl S. 458)), gegen die keine Bedenken vorgetragen oder ersichtlich sind.
Auf der Grundlage dieser Vorschriften hat die Beklagte von dem Kläger für dessen Grundstück Fl. Nr. …7 zu Recht mit dem angefochtenen Bescheid einen Erschließungsbeitrag in Höhe von 9.013,89 EUR für die erstmalige Herstellung des Bereichs des …-wegs von dessen Einmündung in die G. Straße bis auf Höhe der nordwestlichen Hauswand des auf Grundstück Fl. Nr. A befindlichen Gebäudes bzw. der südöstlichen Hauswand des auf Grundstück Fl. Nr. …7 befindlichen zum …-weg hin gelegenen Gebäudeteils erhoben.
Die beitragsfähige Erschließungsanlage „…-weg“ umfasst lediglich den vorgenannten Bereich, nicht dagegen den gesamten Straßenzug, der die Namensbezeichnung „…-weg“ trägt, ohne dass es darauf ankäme, ob sich die an der G. Straße beginnende Anlage bei natürlicher Betrachtungsweise Richtung Nordwesten über den Bereich auf Höhe der nordwestlichen Hauswand des auf Grundstück Fl. Nr. A befindlichen Gebäudes bzw. der südöstlichen Hauswand des auf Grundstück Fl. Nr. …7 befindlichen zum …-weg hin gelegenen Gebäudeteils fortsetzt.
Wo eine Straße beginnt und wo sie endet, bestimmt sich zwar grundsätzlich auch bei Anbaustraßen des Erschließungsbeitragsrechts ausgehend von der natürlichen Betrachtungsweise nach dem Gesamteindruck, der durch die jeweiligen tatsächlichen Verhältnisse einem unbefangenen Beobachter vermittelt wird (vgl. BayVGH, B.v. 2.9.2011 – 6 CS 11.445 – juris Rn. 10 m.w.N.). Wird allerdings eine tatsächlich vorhandene Straße, die bislang nicht technisch nach den Vorgaben der einschlägigen Erschließungsbeitragssatzung erstmals hergestellt worden ist, lediglich auf einer Teilstrecke nunmehr nach den Vorgaben der Erschließungsbeitragssatzung technisch erstmals hergestellt, und liegen zudem die rechtlichen Voraussetzungen für eine erstmalige Herstellung vor, so bildet nur dieser nunmehr erstmals hergestellte Teil dieser Straße die Erschließungsanlage. Die natürliche Betrachtungsweise kann hier nicht zur Anwendung kommen, weil es sich bei der nicht erstmals im Sinne des Erschließungsbeitragsrechts hergestellten, aber tatsächlich vorhandenen Straße nicht um eine Straße im Sinne des Erschließungsbeitragsrechts handelt, dieser Straßenteil also aus erschließungsbeitragsrechtlicher Sicht (noch) nicht existent ist (vgl. hierzu auch BVerwG, U.v. 18.5.1990 – 8 C 80/88 – NVwZ 1991, 77; BayVGH, B.v. 2.9.2011 – 6 CS 11.445 – juris; VG Würzburg, B.v. 16.11.2011 – W 2 S 11.827 – n.v.; Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. Aufl. 2012, § 12 Rn. 6 und Rn. 16). Maßgeblich ist nämlich das durch die tatsächlichen Gegebenheiten geprägte Erscheinungsbild, nicht aber z.B. eine lediglich „auf dem Papier stehende“ planerische Festsetzung. Wird also eine Straße, für die zur Gänze ein Baurecht besteht, nur auf einer Teillänge angelegt und tatsächlich hergestellt, so ist ausschließlich die tatsächlich angelegte Straße die beitragsfähige Erschließungsanlage. Insoweit ist auch kein Raum für eine Abschnittsbildung (Driehaus, a.a.O., § 12 Rn. 5).
Dies bedeutet, dass im vorliegenden Fall Erschließungsanlage in diesem Sinne lediglich das von den ab August 2003 bis Juni 2004 vorgenommenen Baumaßnahmen betroffene Teilstück des …-wegs ist. Dieses beginnt an der Einmündung des …-wegs in die G. Straße und endet auf der Höhe der nordwestlichen Hauswand des auf Grundstück Fl. Nr. A befindlichen Gebäudes bzw. der südöstlichen Hauswand des auf Grundstück Fl. Nr. …7 befindlichen zum …-weg hin gelegenen Gebäudeteils (vgl. Foto-Dokumentation des … Z. Planungsbüros, vorgelegt mit Schriftsatz des Beklagten vom 11. Juni 2015, sowie den Lageplan mit eingezeichnetem Baubeginn und -ende vom 12. August 2010, Bl. 17 GA W 3 S 14.282).
Ferner hat die Beklagte durch ihr Verhalten deutlich gemacht, dass mit dieser Baumaßnahme das Bauprogramm erfüllt ist und nicht die Absicht besteht, im Zusammenhang mit den bisherigen Baumaßnahmen den restlichen Teil des …-wegs ebenfalls herzustellen. Somit ist die Baumaßnahme auch abgeschlossen.
Als öffentliche, zum Anbau bestimmte Straße handelt es sich bei diesem Bereich des …-wegs gemäß § 127 Abs. 2 Nr. 1 BauGB zudem um eine Erschließungsanlage im Sinne des Erschließungsbeitragsrechts.
Diese Anlage wurde mit den streitgegenständlichen, ab dem Jahr 2003 vorgenommenen Baumaßnahmen erschließungsbeitragsrechtlich erstmals hergestellt. Der Einwand des Klägers, der …-weg sei bereits früher erstmalig endgültig hergestellt worden, trifft nicht zu.
Im Zusammenhang mit der erstmaligen Herstellung einer Straße ist zu beachten, dass am 30. Juni 1961 das Bundesbaugesetz (§ 189 BBauG i.d.F. vom 23.6.1960, BGBl I S. 341) in zentralen Teilen in Kraft trat. Straßen, die bereits vor Inkrafttreten des Bundesbaugesetzes vorhanden waren und schon damals Erschließungsfunktion und einen dementsprechenden Ausbauzustand hatten (sogenannte historische Straßen), werden als bereits vor dem Inkrafttreten des Bundesbaugesetzbuches erstmalig hergestellt im Sinne des Erschließungsbeitragsrechts angesehen. Seit Geltung dieses Gesetzes können hingegen Erschließungsbeitragspflichten für die erstmalige Herstellung einer Anbaustraße erst in dem Zeitpunkt entstehen, in dem die folgenden Faktoren zusammentreffen: Die Erschließungsanlage ist nach den Herstellungsmerkmalen der Satzung (§ 132 Nr. 4 BBauG/BauGB) und – hinsichtlich der flächenmäßigen Teileinrichtungen – dem Bauprogramm entsprechend endgültig hergestellt (§ 133 Abs. 2 BBauG/BauGB); sie kann sich in dieser Form nach Maßgabe von § 125 BBauG/BauGB auf eine planungsrechtliche Grundlage stützen; sie ist zu einer Verkehrsanlage gewidmet, bei der es sich um eine öffentliche Anbaustraße handelt (§ 127 Abs. 2 Nr. 1 BBauG/BauGB) und sie kann auf der Basis einer gültigen Erschließungsbeitragssatzung abgerechnet werden.
Hinsichtlich der erstmaligen Herstellung des streitgegenständlichen Bereichs des …-wegs ist nichts dafür substantiiert vorgetragen worden oder ersichtlich, dass es sich bei diesem um eine sogenannte historische Straße handelt.
Darüber hinaus geht das Gericht davon aus, dass der …-weg vor den abgerechneten Maßnahmen aus dem Jahr 2003 nicht dem jeweils maßgebenden technischen Ausbaustandard entsprochen hat. Als Maßstab sind insoweit die Herstellungsmerkmale der Erschließungsbeitragssatzungen heranzuziehen. Die Erschließungsbeitragssatzungen der Beklagten vom 4. November 1974 und vom 8. Dezember 1978 verlangen als Merkmale der endgültigen Herstellung der Erschließungsanlagen neben Straßenentwässerung und Beleuchtung und dem Anschluss an eine dem öffentlichen Verkehr gewidmete Straße eine Pflasterung, eine Asphalt-, Teer-, Beton- oder ähnliche Decke neuzeitlicher Bauweise mit dem technisch notwendigen Unterbau. Dabei muss der Ausbau den allgemein anerkannten Regeln der Technik entsprechen, um dem Herstellungsmerkmal technisch notwendiger Unterbau zu genügen (vgl. Matloch/Wiens, Das Erschließungsbeitragsrecht in Theorie und Praxis, Stand: Januar 2016, Rn. 410). Hieran fehlt es. Ausweislich des dem Gericht vorliegenden Schreibens des Planungsbüros … Z. vom 8. April 2013 zum Ausbauzustand des …-wegs im Jahr 2003 (Bl. 117 GA W 2 K 12.140) war die Oberfläche des …-wegs zwar bituminös befestigt, allerdings nur mit einer geringen Dicke und der vorhandene Unterbau des …-wegs als Frostschutz ungeeignet, da nur eine Schotterschicht in nicht ausreichender Dicke vorhanden war. Ein technisch notwendiger Unterbau setzt jedoch in jedem Fall eine ausreichende Frostschutzschicht voraus (vgl. BayVGH, U.v. 7.1.1982 – 6 B 80 A. 1743; BayVGH, B.v. 17.8.1989 – 6 CS 89.2310; VG München, B.v. 19.11.2009 – M 2 S 09.3101 – juris Rn. 31; s.a. BayVGH, B.v. 13.2.1997 – 6 CS 95.1063 – BeckRS 1997, 19058).
Anders als der Kläger meint, erschüttert das Leistungsverzeichnis des Tiefbauunternehmens … J. vom 17. Oktober 1977 (Bl. 81 ff. GA W 2 K 12.140) diese Einschätzung nicht, sondern bestätigt sie. In dem Leistungsverzeichnis vom 17. Oktober 1977 wird im Abschnitt I (Ausbau des …-wegs) in den Positionen 11 und 12 ausgeführt, dass die bestehende Straßendecke aus Mineralgemisch aufgerissen und profilgerecht entsprechend der neuen Straßenhöhen planiert werden sollte. Der Einbau von korngestuftem, frostsicheren Mineralgemisch war lediglich zur Angleichung an die neuen Straßenhöhen vorgesehen und sollte bis zur Standfestigkeit des Filterplanums zur Aufnahme der Bitukiestragschicht verdichtet werden (Positionen 11, 12, 22 des Leistungsverzeichnisses). Auch aus der Schlussrechnung und der Abrechnungsunterlage des Tiefbauunternehmens vom 12. Mai 1978 lässt sich nicht entnehmen, dass im …-weg im Rahmen der Baumaßnahmen im Jahr 1977 eine Frostschutzschicht in ausreichender Dicke eingebaut worden wäre. Somit scheidet bereits aus diesem Grund eine erstmalige Herstellung des …-wegs vor den streitgegenständlichen Baumaßnahmen im Jahr 2003 aus.
Dem kann der Kläger nicht mit Erfolg entgegenhalten, der streitgegenständliche Bereich des …-wegs habe sich bei Beginn der Baumaßnahmen in einem einwandfreien Zustand befunden und ein Aufbruch sei im Jahr 2003 nur im Hinblick auf die Annahme erfolgt, dass die Wasserleitungen in Betonrohren verlegt seien, die gegen PVC-Rohre ausgetauscht werden sollten. Denn selbst wenn dies zutreffen sollte, lässt sich hieraus nicht ableiten, dass der streitgegenständliche Teil des …-wegs bereits vor den ab 2003 vorgenommenen Baumaßnahmen alle technischen Merkmale einer erstmaligen Herstellung aufwies. Insbesondere ist der Begriff des aus Sicht eines Laien „einwandfreien Zustands“ nicht gleichzusetzen mit dem Begriff der erstmalig endgültig hergestellten Anlage im Sinne des Erschließungsbeitragsrechts, die – in technischer Hinsicht – die satzungsmäßig bestimmten Merkmale der endgültigen Herstellung (§ 8 EBS) aufweisen muss. Bezogen auf Letzteres ergibt sich aus dem Schreiben des Planungsbüros Z. vom 8. April 2013, dass der streitgegenständliche Bereich des …-wegs vor 2003 nur eine ungenügende Frostschutzschicht aufwies, und aus dem Beschlussbuchauszug der Beklagten vom 17. März 2010 (Bl. 34 GA), dass sich im Rahmen eines Anschnitts der Teerfläche im August 2003 zeigte, dass der Unterbau des …-wegs ungenügend war. So heißt es in dem vorgenannten Beschlussbuchauszug: „Im August 2003 war im Zuge der ‚Ertüchtigung der M.-brücke und der Umgestaltung der G. Straße‘ daran gedacht gewesen, auch die Wasserleitung im …-weg zu erneuern. Man hat dazu den linksseitigen Teil des …-weges auf einer Länge von 20 bis 25 Metern aufgegraben und dabei jedoch festgestellt, dass die Wasserleitung dort bereits in Kunststoff verlegt war. Nachdem einige Zeit vorher im rechtsseitigen Straßenabschnitt bereits Telefon- und Stromleitung verlegt worden waren und die Straße in diesem Bereich geflickt wurde, war es notwendig, um künftige Straßeneinbrüche zu verhindern, den gesamten Verkehrskörper mit einem neuen Unterbau zu versehen und neu zu überteeren. Insbesondere hatte sich beim Anschnitt der Teerfläche bereits gezeigt, dass der ungenügende Unterbau (loses Steinmaterial) nachrutscht und auch die Teerdecke abbröckelt.“
Ungeachtet des fehlenden technischen Ausbaustandards war ferner die für die erstmalige Herstellung seit Inkrafttreten des Baugesetzbuches notwendige planungsrechtliche Grundlage nach § 125 BBauG/BauGB a.F. nicht vorhanden. Für den …-weg bestand zu keiner Zeit ein Bebauungsplan. Ebenso wenig war nach Aktenlage und Vortrag der Beklagten eine Zustimmung der höheren Verwaltungsbehörde nach § 125 Abs. 2 BBauG/BauGB a. F. erteilt. Von einer von der Beklagten geltend gemachten Entbehrlichkeit der Zustimmung mangels Erforderlichkeit eines Bebauungsplanes nach der Ausnahmevorschrift des § 125 Abs. 2 Satz 2 BBauG/BauGB a. F. kann nicht ausgegangen werden. Die Aufstellung eines Bebauungsplanes wäre nach der Rechtsprechung nur dann nicht erforderlich gewesen, wenn der Verlauf der Straße und ihre Ausgestaltung im Einzelnen, namentlich die Trassierung selbst, die Breite der Fahrbahn und etwaiger Gehsteige aufgrund der gegebenen Umstände, insbesondere der vorhandenen Bebauung, derart festgelegen hätten, dass auch ein Bebauungsplan daran nichts hätte ändern können (BayVGH, U.v. 21.2.2006 – 6 B 01.2539 – juris Rn. 26; siehe auch BVerwG, U.v. 22.03.1974 – IV C 23.72 – BayVBl 1974, 647). Diese Voraussetzungen lagen indes nicht vor. Eine ab dem 1. Januar 1998 an die Stelle der Zustimmung der höheren Verwaltungsbehörde getretene Abwägungsentscheidung (§ 125 Abs. 2 BauGB n.F.) erfolgte erst mit Beschluss der Beklagten vom 17. Juli 2013.
Somit war die streitgegenständliche Anlage zum Zeitpunkt des Beginns der Baumaßnahmen im Jahr 2003 noch nicht erstmalig endgültig hergestellt im erschließungsbeitragsrechtlichen Sinne.
Nichts anderes ergibt sich daraus, dass die Beklagte in dem Verfahren W 2 K 12.140 die Ansicht vertreten haben mag, der …-weg sei bereits vor den ab 2003 vorgenommenen Baumaßnahmen erstmals hergestellt gewesen, und mit Bescheiden vom 31. Mai 1983 für in den Jahren 1977 bis 1982 im …-weg durchgeführte Baumaßnahmen Erschließungsbeiträge erhoben hat. Die bloße Erhebung von Erschließungsbeiträgen bedeutet nicht, dass diese auch rechtmäßig erfolgte, insbesondere die Voraussetzung der – gerichtlich voll überprüfbaren – erstmaligen endgültigen Herstellung der abgerechneten Anlage zum Zeitpunkt der seinerzeitigen Beitragserhebung gegeben war. Eine subjektive Fehlvorstellung der Gemeinde vermag nichts an der objektiven Rechtslage der – im Jahr 1983 – mangelnden Entstehung der Erschließungsbeitragspflicht zu ändern (vgl. VG München, B.v. 18.1.2010 – M 2 S 09.4551 – juris Rn. 23).
Erst mit der Abwägungsentscheidung der Beklagten vom 17. Juli 2013 nach § 125 Abs. 2 BauGB ist die notwendige planungsrechtliche Grundlage für die Bejahung der erstmaligen Herstellung der streitgegenständlichen Anlage gegeben. Zugleich liegt mit Abschluss der im Jahr 2003 begonnenen Bauarbeiten auch der erforderliche Ausbauzustand gemäß § 8 Abs. 1 der Erschließungsbeitragssatzung der Beklagten (Merkmale der endgültigen Herstellung der Erschließungsanlage) vor. Denn die streitgegenständliche Anlage verfügt nunmehr neben Straßenentwässerung und Beleuchtung und dem Anschluss an eine dem öffentlichen Verkehr gewidmete Straße (die G. Straße) auch über eine Asphaltdecke neuzeitlicher Bauweise mit dem technisch notwendigen Unterbau, wie sich aus dem dem Gericht vorliegenden Schreiben des Planungsbüros … Z. vom 20. Januar 2010 ergibt. Insbesondere wird aus dem Schreiben des Planungsbüros in Gesamtschau mit dem Schreiben desselben Planungsbüros vom 8. April 2013 und dem Beschlussbuchauszug der Beklagten vom 17. März 2010 deutlich, dass – entgegen der klägerischen Behauptung – auch eine neue Frostschutzschicht im streitgegenständlichen Bereich des …-wegs eingebaut wurde, weil – wie sich aus den vorgenannten Unterlagen ergibt – gerade der vor den streitgegenständlichen Maßnahmen gegebene ungenügende Unterbau der Straße Grund der Baumaßnahmen bzw. der Ausweitung im …-weg war. Dem ist die Klägerseite weder hinreichend substantiiert entgegengetreten noch drängen sich sonst Anhaltspunkte dafür auf, dass die Ausführungen der Beklagtenseite zur Herstellung einer neuen (ausreichenden) Frostschutzschicht unzutreffend wären.
Der Annahme der nunmehrigen erstmaligen endgültigen Herstellung steht auch nicht entgegen, dass der …-weg auf seiner gesamten Länge lediglich einen Straßenablauf und eine Straßenlaterne aufweist, die beide nicht in dem streitgegenständlichen, in den Jahren 2003 bis 2004 hergestellten Teil des …-wegs liegen.
Nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 der Erschließungsbeitragssatzung der Beklagten ist eine zum Anbau bestimmte Straße erst dann endgültig hergestellt, wenn sie auch eine Straßenentwässerung und Beleuchtung aufweist. Wie diese auszugestalten sind, wird jedoch in der Satzung nicht näher konkretisiert. Da sich sämtliche Merkmale des § 8 Abs. 1 Nr. 1 bis Nr. 3 der Erschließungsbeitragssatzung auf die aktive technische Ausgestaltung der Erschließungsanlage oder ihrer Teile beziehen und die Merkmale der Nummern 1 und 3 denknotwendig eine planvolle straßenbautechnische künstliche Veränderung der Erdoberfläche voraussetzen, fordert auch die Bejahung der Merkmale der Nummer 2 (Straßenentwässerung und Beleuchtung) gesetzessystematisch einen Grundbestand an kunstmäßigem Ausbau. Auch der Wortlaut der Überschrift des § 8 Erschließungsbeitragssatzung, der von der endgültigen Herstellung der Erschließungsanlage spricht, legt diese Auslegung nahe, da eine Herstellung nach allgemeinem Sprachverständnis eine aktive (hier technische) Ausgestaltung im Sinne einer Erschaffung oder Erzeugung beinhaltet. Die Erschließungsanlage oder ihre Teileinrichtung muss daher planvoll straßenbautechnisch bearbeitet worden sein, also ein Mindestmaß an bautechnischer Befestigung bzw. Herrichtung aufweisen, um hergestellt im Sinne des § 128 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB, § 8 Abs. 1 Erschließungsbeitragssatzung zu sein.
Bezogen auf die Straßenentwässerung wäre demnach zum Beispiel ein bloßes Versickernlassen unter Ausnutzung der natürlichen örtlichen Gegebenheiten nicht ausreichend. Hingegen kann auch eine oberirdische Abführung des Regenwassers den Anforderungen an eine erstmalige Herstellung der Entwässerung genügen, wenn sie die Funktion einer Straßenentwässerung hinreichend erfüllt (vgl. VG Halle (Saale), U.v. 22.11.2011 – 2 A 123/09 – juris Rn. 59 zu vorhandenen Erschließungsanlagen im Sinne des § 242 Abs. 9 BauGB). Aufgabe der Einrichtungen für die Straßenentwässerung ist es, die Straßen frei von Überflutungen und damit fahr- und gehbereit zu halten (vgl. VG Halle (Saale), U.v. 22.11.2011 – 2 A 123/09 – juris Rn. 59 m.w.N.). Der …-weg verfügt im Wesentlichen über eine Entwässerungsrinne aus Bordrinnensteinen, die zu einem Ablauf vor dem Grundstück Fl. Nr. …2 führt bzw. zu einem Straßenablauf in der G. Straße. Nach dem Straßenablauf vor dem Grundstück Fl. Nr. …2 ist der …-weg Richtung Nordwesten noch auf einer Länge von 10 m asphaltiert und wird in den sich talseitig anschließenden Grünstreifen entwässert. Zudem ist auf Höhe des Gebäudes auf dem Grundstück Fl. Nr. …7 und der Zufahrt zum Grundstück Fl. Nr. …4 ein Schachtbauwerk vorhanden, dessen Entwässerung in Richtung des Grundstücks Fl. Nr. A erfolgt und an den bestehenden Mischwasserkanal im …-weg aufbindet. In Anbetracht der Kürze der hergestellten Anlage (ca. 40 m) und des Umstands, dass der …-weg von der M.-brücke aus betrachtet sowohl in Richtung Nordwesten als auch in Richtung Südosten jeweils leicht abschüssig ist, reichen diese Entwässerungsmaßnahmen nach Einschätzung des Gerichts aus, um den …-weg auch bei Regen fahr- und gehbereit zu halten, nachdem von keinem der Beteiligten Probleme mit der Entwässerung der Straße und der Freihaltung von Überflutungen vorgetragen wurden. Durch die künstlich hergestellten Entwässerungsrinnen ist die Straßenentwässerung im streitgegenständlichen Teil des …-wegs auch ausreichend bautechnisch angelegt und ausgestaltet, ohne dass es der Anlegung eines Einlaufs gerade im erstmals hergestellten Teil des …-wegs bedürfte.
In Bezug auf die Straßenbeleuchtungseinrichtung ist angesichts der Kürze der hergestellten Anlage ebenfalls davon auszugehen, dass die bereits bestehende Straßenbeleuchtung etwa auf Höhe des Übergangs zwischen dem nunmehr hergestellten und dem restlichen …-weg sowie die Beleuchtung in der G. Straße ausreichen, um einen ungefährdeten Haus-zu-Haus-Verkehr zu ermöglichen. Insbesondere entsprechen die Abstände der nächstgelegenen Laternen vor dem Grundstück Fl. Nr. …1 in der G. Straße und vor dem Grundstück Fl. Nr. …7 im …-weg im Wesentlichen den ortsüblichen Abständen der Beleuchtungseinrichtungen in diesem Ortsbereich (vgl. Bestandskarte „Straßenbeleuchtung“ der Beklagten, vorgelegt mit Schriftsatz der Beklagten vom 12.7.2016). Probleme bei der Ausleuchtung des …-wegs wurden von keiner Seite vorgetragen. Damit ist den Erfordernissen der Erschließungsbeitragssatzung der Beklagten genügt, die lediglich eine Beleuchtung als Herstellungsmerkmal verlangt (§ 8 Abs. 1 Nr. 2 EBS), nicht aber, dass diese durch sich in der der erstmalig hergestellten Straße befindliche Einrichtungsteile sichergestellt werden muss. Es würde bei der dargestellten Sachlage zudem dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit widersprechen, die Aufstellung einer Straßenlaterne auch in der erstmalig herzustellenden Anlage zu verlangen, wenn eine ausreichende Beleuchtung der Anlage bereits anderweitig gewährleistet ist.
Somit handelt es sich bei den streitgegenständlichen Baumaßnahmen am …-weg um Erschließungsmaßnahmen nach Art. 5a Abs. 1 KAG, § 127 Abs. 1 BauGB, für die die Beklagte einen Erschließungsbeitrag nach § 127 Abs. 1 BauGB erheben kann. Durchgreifende rechtliche Bedenken gegen die Ermittlung des beitragsfähigen Erschließungsaufwands nach Maßgabe der § 128, § 129 BauGB sind nicht ersichtlich.
Zwar hat der Kläger insoweit vortragen lassen, dass nach seinem Kenntnisstand Straßenentwässerungsmaßnahmen seit 1981, jedenfalls nach 2000 nicht mehr durchgeführt worden seien und die Beklagte in dem Bescheid vom 31. Mai 1983 von Straßenentwässerungskosten von 3.225,00 DM, im nunmehrigen Bescheid von Straßenentwässerungskosten von 3.620,50 EUR ausgehe. Es ist rechtlich jedoch nicht zu beanstanden, dass in den Bescheiden vom 31. Mai 1983 und dem angefochtenen Bescheid von unterschiedlichen Straßenentwässerungskosten ausgegangen wird. Denn im Rahmen der streitgegenständlichen Beitragsberechnung sind die Kosten, die für die Baumaßnahmen in den Jahren 2003 bis 2004 anfielen, maßgeblich, nicht die Kosten, die für andere Baumaßnahmen (etwa in den Jahren 1977 bis 1983) entstanden sind. Wie sich aus der Stellungnahme des Planungsbüros … Z. vom 20. Januar 2010 ergibt, erfolgten im Rahmen der streitgegenständlichen Baumaßnahmen in den Jahren 2003 bis 2004 auch tatsächlich Straßenentwässerungsmaßnahmen (vollständige Erneuerung des Oberbaus des …-wegs einschließlich der Randsteineinfassung/ Entwässerungsrinne).
Auch die Behauptung des Klägers, dass die Kosten für Baumaßnahmen am …-weg und für Maßnahmen an der G. Straße vermischt worden seien, vermag das Gericht anhand der vorliegenden Abrechnungsunterlagen nicht nachzuvollziehen. Insoweit ist der klägerische Vortrag bereits nicht hinreichend substantiiert. Es wird lediglich ohne jede weitere Konkretisierung unter Hinweis auf in der G. Straße und dem …-weg gleichzeitig stattfindende Baumaßnahmen behauptet, dass der G. Straße zuzuordnende Kosten in die Aufwandsverteilung eingeflossen seien.
Entsprechendes gilt für die Verteilung der Mittel aus dem Städtebauförderungsprogramm. Der Kläger hat schon nicht substantiiert dargelegt, inwieweit diese unzutreffend auf die G. Straße und den …-weg verteilt worden sein sollen. Letztlich ist dies allerdings auch nicht streiterheblich, da die für die Neugestaltung unter anderem auch einer Teilfläche des …-wegs überlassenen Mittel aus dem Städtebauförderungsprogramm der Stärkung der Finanzkraft der Gemeinde dienen und somit dem Eigenanteil der Gemeinde zuzurechnen sind (vgl. zu den Grundsätzen der Anrechnung von Zuwendungen Dritter: Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. Aufl. 2012, § 16 Rn. 9 ff., zum Einsatz von Städtebauförderungsmitteln insbesondere Rn. 10). Der auf die Beitragspflichtigen entfallende beitragsfähige Erschließungsaufwand würde somit auch dann nicht sinken, wenn die Mittel aus dem Städtebauförderungsprogramm mit einem höheren Betrag als bisher den Maßnahmen im …-weg zugeordnet würden.
Somit geht die Beklagte in dem angefochtenen Bescheid zu Recht von einem beitragsfähigen Erschließungsaufwand von 27.110,19 EUR aus. Hiervon tragen die Beitragspflichtigen gemäß § 129 Abs. 1 Satz 2 BauGB, § 4 Erschließungsbeitragssatzung 90 v.H. und somit im streitgegenständlichen Fall 24.399,17 EUR.
Gemäß § 131 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist dieser umlagefähige Erschließungsaufwand auf die durch die Anlage erschlossenen Grundstücke zu verteilen.
Auch insoweit lässt der angefochtene Bescheid keine Fehler erkennen; das Abrechnungsgebiet ist von der Beklagten zutreffend bestimmt worden. Insbesondere gehört auch das Grundstück Fl. Nr. …9 zu den in diesem Sinne erschlossenen Grundstücken. Denn es liegt unmittelbar an dem Bereich des …-wegs an, der zwischen der Einmündung des …-wegs in die G. Straße und der M.-brücke liegt. Dieser Bereich ist – wie bereits ausgeführt – Teil der hergestellten Erschließungsanlage.
Nicht zu den im Sinne von § 131 Abs. 1 Satz 1 BauGB erschlossenen Grundstücken gehören dagegen die Grundstücke Fl. Nrn. …1, …2 und …3. Denn bei dem Grundstück Fl. Nr. …1 handelt es sich um einen Teil der G. Straße und die Grundstücke Fl. Nrn. …2 und …3 sind Teil der öffentlichen Grünanlage.
Auch im Übrigen sind keine Fehler bei der Verteilung des Erschließungsaufwands auf die beitragspflichtigen Grundstücke ersichtlich. Insbesondere hat die Beklagte widersprüchliche Flächenangaben in den einschlägigen Bescheiden vom 8. November 2013 und vom 8. Dezember 2014 für die Grundstücke Fl. Nr. …7 und Fl. Nr. …6 schlüssig mit Abweichungen zwischen der zunächst händischen und der späteren EDV-basierten Berechnung der Tiefenbegrenzung aufgeklärt. Bedenken gegen die Zugrundelegung der vom EDV-Programm ermittelten Werte bestehen nicht. Ohne Bedeutung für die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids ist dabei, dass es in der Begründung des angefochtenen Bescheids heißt: „Tiefenbegrenzung – entfällt“. Da entgegen dieser Angabe – zu Recht – eine Tiefenbegrenzung gemäß § 6 Abs. 3 Nr. 2 EBS bezogen auf die beiden vorgenannten Grundstücke durchgeführt wurde, wirkt sich die insoweit fehlerhafte Begründung des Bescheids nicht auf die Richtigkeit der festgesetzten Beitragshöhe aus. Somit ist für das Grundstück des Klägers, Fl. Nr. …7, eine Erschließungsbeitragspflicht nach Art. 5a Abs. 1 KAG, § 127 Abs. 1 BauGB in Höhe von 9.013,89 EUR entstanden.
Auf diese Beitragsforderung sind weder aufgrund des Bescheids vom 31. Mai 1983 geleistete Beträge noch Zinsen auf diese anzurechnen. Die mit Bescheid vom 31. Mai 1983 erhobenen Beiträge bezogen sich auf andere Baumaßnahmen als der streitgegenständliche Bescheid und mit dem streitgegenständlichen Bescheid wurden keine Kosten von vor 2003 erfolgten Baumaßnahmen abgerechnet. Wurden die Beiträge im Jahr 1983 zu Unrecht erhoben, hätte der Bescheid vom 31. Mai 1983 seinerzeit mit den gesetzlich vorgesehenen Rechtsbehelfen angegriffen werden müssen. Die seinerzeit versäumte rechtzeitige Anfechtung des Bescheids vom 31. Mai 1983 kann nicht im Rahmen des streitgegenständlichen Verfahrens (indirekt) durch eine Anrechnung auf andere, von der seinerzeitigen Beitragserhebung unabhängige Beiträge unter Umgehung der gesetzlichen Fristen für Rechtsbehelfe gegen den Bescheid vom 31. Mai 1983 nachgeholt werden.
Die Erhebung der Beitragsforderung ist auch nicht durch Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b Doppelbuchst. bb Spiegelstrich 1 und 3 KAG i.V.m. § 169 Abs. 1 Satz 1 AO ausgeschlossen, da die darin festgelegten Festsetzungsfristen noch nicht abgelaufen sind.
Nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b Doppelbuchst. bb Spiegelstrich 3 KAG i.V.m. § 169 Abs. 1 Satz 1 AO sind eine Beitragsfestsetzung sowie ihre Aufhebung oder Änderung nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist. Gemäß Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b Doppelbuchst. bb AO beträgt die Festsetzungsfrist nach § 169 Abs. 2 Satz 1 AO einheitlich vier Jahre. Diese Festsetzungsfrist beginnt gemäß Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b Doppelbuchst. cc KAG i.V.m. § 170 Abs. 1 AO mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Beitragsschuld entstanden ist. Im streitgegenständlichen Fall ist die sachliche Beitragspflicht erst mit Erlass der Abwägungsentscheidung der Beklagten vom 17. Juli 2013 entstanden (vgl. Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. Aufl. 2012, § 19 Rn. 17). Somit ist die Festsetzungsfrist des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b Doppelbuchst. bb Spiegelstrich 3 KAG i.V.m. § 169 Abs. 1 Satz 1 AO noch nicht abgelaufen.
Auch die Festsetzungsfrist nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b Doppelbuchst. bb Spiegelstrich 1 KAG, wonach darüber hinaus die Festsetzung eines Beitrags ohne Rücksicht auf die Entstehung der Beitragsschuld spätestens 20 Jahre nach Ablauf des Jahres, in dem die Vorteilslage eintrat, nicht mehr zulässig ist, ist noch nicht abgelaufen. Dies gilt unabhängig davon, ob man auf die vorgenannte 20-jährige Frist in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b Doppelbuchst. bb Spiegelstrich 1 KAG oder auf die 30-jährige Frist der Übergangsvorschrift Art. 19 Abs. 2 KAG abstellt. Denn die Vorteilslage in diesem Sinne ist frühestens mit der technischen Fertigstellung der Anlage, also mit Abschluss der Baumaßnahmen im Juni 2004, eingetreten.
Entgegen der Auffassung des Klägers ist auch nicht davon auszugehen, dass die Beklagte auf das Recht zur Beitragserhebung wirksam verzichtet hat. Soweit sich der Kläger auf angebliche Zusicherungen des ehemaligen Bürgermeisters beruft, sind diese jedenfalls als bloß mündliche Erklärungen mangels Einhaltung der erforderlichen Schriftform unwirksam (vgl. Art. 38 Abs. 2 Satz 1 GO).
Ebenso wenig hat die Beklagte das Recht zur Beitragserhebung verwirkt.
Die Verwirkung ist Ausfluss des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB), der für die gesamte Rechtsordnung Gültigkeit hat. Sie bildet einen Anwendungsfall des venire contra factum proprium (Verbot widersprüchlichen Verhaltens) und besagt, dass ein Recht nicht mehr ausgeübt werden darf, wenn seit der Möglichkeit der Geltendmachung längere Zeit verstrichen ist (Zeitmoment) und besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen (Umstandsmoment). Das ist insbesondere der Fall, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nach so langer Zeit nicht mehr geltend machen werde, der Verpflichtete ferner tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt werde und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (BVerwG, B.v. 12.1.2004 – 3 B 101/03 – zu den Voraussetzungen der Verwirkung im Beitragsrecht: Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. Aufl. 2012, § 19 Rn. 49-51). Im Übrigen kommt eine Verwirkung des Rechts der Beklagten zur Beitragserhebung erst dann in Betracht, wenn die Beitragspflicht entstanden ist (vgl. BayVGH, B.v. 6.4.2006 – 6 ZB 04.3537 – juris Rn. 6). Diese ist indes im streitgegenständlichen Fall – wie bereits ausgeführt – erst im Jahr 2013 entstanden, als mit der Abwägungsentscheidung der Beklagten gemäß § 125 Abs. 2 BauGB die rechtliche Grundlage für die Entstehung der Beitragsschuld geschaffen wurde. Dabei ist der Zeitraum zwischen der endgültigen technischen Herstellung der Straße und der nachträglich geschaffenen planungsrechtlichen Grundlage ohne Bedeutung (BayVGH, B.v. 6.4.2006 – 6 ZB 04.3537 – juris Rn. 6). Das Gesetz macht der erhebungsberechtigten Gemeinde – abgesehen von den bereits dargestellten Festsetzungsfristen nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b KAG – keine zeitlichen Vorgaben, innerhalb welcher Zeitspanne sie die regelmäßig in ihrer Verantwortung liegenden Entstehensvoraussetzungen herbeizuführen hat, um den Beitrag anschließend festsetzen zu können (BayVGH, U.v. 14.11.2013 – 6 B 12.704 – BayVBl 2014, 241 Rn. 21). Allein aus dem Zeitablauf kann daher eine Verwirkung des Rechts aus § 127 Abs. 1 BauGB i.V.m. der Erschließungsbeitragssatzung, einen Erschließungsbeitrag zu erheben, nicht eintreten (vgl. BayVGH, B.v. 24.11.2015 – 6 ZB 15.1402 – juris Rn. 10 zu dem Recht aus § 133 Abs. 3 Satz 1 BauGB, Vorausleistungen auf den bislang nicht entstandenen Erschließungsbeitrag zu erheben). Dem schutzwürdigen Vertrauen des Bürgers wird durch die Regelungen für die Festsetzungsverjährung und die zeitliche Höchstgrenze für die Beitragsveranlagung gemäß Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b KAG hinreichend Rechnung getragen.
Im Übrigen fehlt es – wie vorstehend ausgeführt – nicht nur an dem für eine Verwirkung erforderlichen Zeitmoment, sondern auch am sogenannten Umstandsmoment. Ein bloßes Untätigsein für sich allein reicht hierfür nicht aus (BayVGH, B.v. 6.4.2006 – 6 ZB 04.3537 – juris Rn. 7). Die mündlichen Aussagen des früheren Bürgermeisters, dass keine Kosten auf die Anlieger zukämen, sind auch im Rahmen der Verwirkung unbeachtlich, da es an der für Verpflichtungserklärungen einer Gemeinde nach Art. 38 Abs. 2 Satz 1 GO zwingend vorgeschriebenen Schriftform fehlt. Eine entsprechende Erklärung ist schon wegen Formverstoßes nichtig und für die Gemeinde nicht verbindlich. Demgegenüber kann sich ein Bürger nicht auf Vertrauensschutz oder Treu und Glauben berufen (BayVGH, B.v. 6.4.2006 – 6 ZB 04.3537 – juris Rn. 7 m.w.N.). Auch die Beitragserhebung im Jahr 1983 stellt kein Umstandsmoment im dargestellten Sinne dar. Denn frühere Beitragsbescheide äußern keine Tatbestandswirkung, d.h. ihre rechtlichen Voraussetzungen – wie die Endgültigkeit der Herstellung – nehmen nicht an der Bestandskraft teil (vgl. BayVGH, B.v. 0.12.2009 – 6 ZB 08.2671 – BeckRS 2009, 43981 Rn. 7; VG München, B.v. 18.1.2010 – M 2 S 09.4551 – juris Rn. 23). Einen Schutz des Vertrauens der Betroffenen auf die abgeschlossene Heranziehung kennt das Erschließungsbeitragsrecht mit seiner strikten Pflicht, den entstandenen Beitragsanspruch in vollem Umfang gelten zu machen und gegebenenfalls durch Nacherhebung zu realisieren, nicht (BayVGH, B.v. 0.12.2009 – 6 ZB 08.2671 – VG München, B.v. 18.1.2010 – M 2 S 09.4551 – juris Rn. 23).
Schließlich steht entgegen der Ansicht der Klägerseite auch die Frist des „§ 38 Abs. 4 VwVfG“ – gemeint ist offensichtlich § 48 Abs. 4 Satz 1 BayVwVfG – einer Beitragserhebung nicht entgegen. Es liegt kein Fall des § 48 Abs. 4 Satz 1 BayVwVfG vor, da diese Vorschrift gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 BayVwVfG nur im Fall von begünstigenden Verwaltungsakten Anwendung findet. Es kann daher dahinstehen, inwieweit die Vorschrift des Art. 48 BayVwVfG überhaupt neben der Abgabenordnung anwendbar ist (vgl. Art. 13 KAG).
Nach alledem hat die Beklagte zu Recht für das Grundstück des Klägers, Fl. Nr. …7, einen Erschließungsbeitrag in Höhe von 9.013,89 EUR erhoben; der angefochtene Bescheid erweist sich als rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Klage ist daher abzuweisen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.

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