Aktenzeichen 10 ZB 14.1402
Leitsatz
1 Nimmt ein Kläger im Berufungszulassungsverfahren durch tatsächliches Vorbringen auf die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Sachverhalts- und Beweiswürdigung Bezug, kommt die Zulassung der Berufung wegen ernstlicher Zweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nur in Betracht, wenn er aufzeigt, dass die Richtigkeit der richterlichen Überzeugungsbildung mangelhaft ist, weil das Verwaltungsgericht mit Blick auf entscheidungserhebliche Tatsachen von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen ist oder die Beweiserhebung gedankliche Lücken oder Ungereimtheiten aufweist, was insbesondere bei einer Verletzung von gesetzlichen Beweisregeln, Denkgesetzen oder allgemeinen Erfahrungssätzen, bei aktenwidrig angenommenem Sachverhalt oder offensichtlich sachwidriger und damit willkürlicher Beweiswürdigung anzunehmen ist (stRspr, wie VGH München BeckRS 2016, 44347). (red. LS Clemens Kurzidem)
2 Besteht zwischen einem Ausländer und seinem deutschen Ehegatten entgegen den Angaben gegenüber der Ausländerbehörde keine eheliche Lebensgemeinschaft, rechtfertigt dies die Rücknahme eines Aufenthaltstitels nach §§ 27, 28 AufenthG auf der Grundlage von Art. 48 Abs. 1 BayVwVfG. (red. LS Clemens Kurzidem)
3 Eine nach altem Recht verfügte Ermessensausweisung wird nach Inkrafttreten der §§ 53 bis 55 AufenthG in ihrer seit dem 1. Januar 2016 geltenden Neufassung nicht rechtsfehlerhaft, wenn sie den ab diesem Zeitpunkt geltenden gesetzlichen Anforderungen entspricht, also gemäß der zentralen Ausweisungsnorm des § 53 Abs. 1 AufenthG der weitere Aufenthalt des Ausländers im Bundesgebiet die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet und die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt (Bestätigung VGH München BeckRS 2016, 45476; stRspr). (red. LS Clemens Kurzidem)
4 Falsche Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels (§ 54 Abs. 2 Nr. 8 a) AufenthG) und nicht nur vereinzelte oder geringfügige Verstöße gegen Rechtsvorschriften, die bei vorsätzlichen Straftaten nach § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG nicht angenommen werden können, stellen schwer wiegende Ausweisungsinteressen dar. (red. LS Clemens Kurzidem)
Verfahrensgang
M 25 K 13.4599 2014-05-14 Urt VGMUENCHEN VG München
Tenor
I.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II.
Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III.
Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 10.000,– Euro festgesetzt.
Gründe
Der Antrag auf Zulassung der Berufung, mit dem die Klägerin ihre gegen die mit Bescheid der Beklagten vom 9. September 2013 verfügte Rücknahme der ihr am 13. Juli 2006 und 7. Juli 2008 erteilten Aufenthaltstitel (mit Wirkung für die Vergangenheit) sowie Ausweisung aus dem Bundesgebiet gerichtete Klage weiterverfolgt, ist unbegründet. Aus dem der rechtlichen Überprüfung durch den Senat ausschließlich unterliegenden Vorbringen im Zulassungsantrag ergeben sich nicht die allein geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts bestünden nur dann, wenn die Klägerin im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten infrage gestellt hätte (BVerfG, B.v. 10.9.2009 – 1 BvR 814/09 – juris Rn. 11). Schlüssige Gegenargumente, die einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenbehauptung der angefochtenen Entscheidung infrage stellen, liegen bereits dann vor, wenn im Zulassungsverfahren substantiiert rechtliche oder tatsächliche Umstände aufgezeigt werden, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergibt, dass die erstinstanzliche Entscheidung unrichtig ist (BVerfG, B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011, 546). Dies ist jedoch nicht der Fall.
Das Verwaltungsgericht ist davon ausgegangen, dass die Rücknahme der der Klägerin am 13. Juli 2006 gemäß §§ 27, 28 AufenthG verlängerten Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug sowie der am 7. Juli 2008 gemäß § 28 Abs. 2 Satz 1 AufenthG erteilten Niederlassungserlaubnis rechtmäßig nach Art. 48 Abs. 1 BayVwVfG erfolgt sei, weil zur Überzeugung des Gerichts zwischen der Klägerin und ihrem (früheren) deutschen Ehemann eine eheliche Lebensgemeinschaft tatsächlich nicht bestanden habe. Ein Indiz dafür sei der rechtskräftige Strafbefehl des Amtsgerichts B. vom 21. September 2011, mit dem gegen die Klägerin (und daneben ihren früheren Ehemann) wegen Erschleichens von Aufenthaltstiteln in zwei tatmehrheitlichen Fällen gemäß § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG, § 53 StGB eine Gesamtgeldstrafe in Höhe von 80 Tagessätzen zu je 30 Euro verhängt worden sei. Darin werde festgestellt, dass die durch die Klägerin und den inzwischen von ihr geschiedenen Ehemann am 10. Juli 2006 und 23. Juni 2008 gegenüber der zuständigen Ausländerbehörde jeweils abgegebenen Erklärungen, die Ehe bestehe noch, es werde ein gemeinsamer Haushalt geführt, kein weiterer Wohnsitz unterhalten und die Ehegatten lebten nicht getrennt, bewusst falsch gewesen seien, weil die Klägerin bereits am 10. Oktober 2005 in München einen neuen Wohnsitz begründet, eine Arbeitsstelle gefunden und ein eigenes Konto bei einer Bank unterhalten habe; spätestens ab diesem Zeitpunkt hätten sie und ihr Ehemann keinen gemeinsamen Haushalt mehr gehabt, sondern getrennt gelebt. Gegen diese tatrichterliche Feststellung habe sich die Klägerin aber nicht gewandt, sondern ihren Einspruch gegen den Strafbefehl lediglich auf die Tagessatzhöhe beschränkt. Weitere Anhaltspunkte für das bloß formale Bestehen der Ehe seien auch in den Umständen der Einreisen der Klägerin nach Deutschland im Jahr 2004 (im Rahmen eines erfolglosen Asylbegehrens) und im Jahr 2005 nach der im September 2004 in Tirol erfolgten Heirat sowie ihrem Umzug bereits drei Monate nach der Anmeldung beim Ehemann in B. nach München zur Familie ihrer Tante zu sehen. Die Einlassung der Klägerin, der Umzug sei (nur) erfolgt, weil sie in München Arbeit gefunden habe, sei ebenso wenig glaubhaft wie die Behauptung, mit ihrem Ehemann in der Folgezeit eine sogenannte Wochenendehe geführt zu haben. Denn dagegen spreche, dass die angebliche eheliche Wohnung in B. lediglich in einem kleinen Reisebüro mit einem etwa 12 m² großen abgetrennten rückwärtigen Bereich (mit ausklappbarer Couch, einem Schrank, einer kleinen Teeküche und einer kleinen Toilette mit Handwaschbecken) bestehe, die für eine Ehewohnung völlig ungeeignet sei. Die Schilderungen der Klägerin und ihres Ehemanns bezüglich des gemeinsamen Lebens wirkten zudem stereotyp, lebensfremd und abgesprochen. Widersprüchlich seien auch die Angaben zu angeblichen Wochenendaufenthalten des Ehemanns bei der Klägerin in München. Nicht glaubhaft sei schließlich, dass die Klägerin von der Tätigkeit des Ehemanns im Reisebüro in B. nichts mitbekommen haben solle. Auch der weitere zeitliche Verlauf nach der Erteilung der Niederlassungserlaubnis spreche für eine Scheinehe. Denn die Klägerin habe nach Erteilung dieses Aufenthaltstitels allein Urlaub im Herkunftsstaat Armenien gemacht, dort nach eigenen Angaben ihren Jugendfreund wieder getroffen, diesen schließlich nach im November 2009 erfolgter Scheidung von ihrem Ehemann im September 2010 in Armenien geheiratet und in der Folge ein Verfahren zum Nachzug des zweiten Ehemanns angestrengt. Beim zweiten Ehemann handle es sich überdies um den ehemaligen Mann ihrer Cousine, bei deren Mutter (Tante der Klägerin) die Klägerin in München gewohnt habe. Jedenfalls sei aber entgegen der Angabe des Ehemanns der Klägerin in der mündlichen Verhandlung von einem Trennungszeitpunkt im Juni 2008 und damit noch vor der Beantragung und Erteilung der Niederlassungserlaubnis auszugehen; dies ergebe sich schon aus dem rechtskräftigen Scheidungsurteil. Auch die übrigen Voraussetzungen des Art. 48 BayVwVfG lägen vor.
Die Ermessensausweisung der Klägerin, die sich nach dem Erlöschen der Niederlassungserlaubnis nicht auf einen besonderen Ausweisungsschutz berufen könne, sei ebenfalls rechtlich nicht zu beanstanden. Es lägen die Ausweisungstatbestände des § 55 Abs. 2 Nr. 1a) AufenthG (wegen falscher Angaben zur Erlangung des deutschen Aufenthaltstitels) sowie des § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG (wegen eines nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoßes gegen Rechtsvorschriften) vor. Bei der Verurteilung durch den rechtskräftigen Strafbefehl vom 21. September 2011 handle es sich nicht um einen geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften. Bestätigt werde die kriminelle Energie der Klägerin durch einen im Jahr 2013 ergangenen Strafbefehl des Amtsgerichts M. wegen Diebstahls in zwei Fällen. Ermessensfehler oder ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit seien nicht ersichtlich.
Demgegenüber macht die Klägerin geltend, die Schlussfolgerung des Verwaltungsgerichts, dass zwischen ihr und ihrem deutschen Ehemann keine eheliche Lebensgemeinschaft bestanden habe, ergebe sich weder aus der Zeugenvernehmung des geschiedenen Ehemanns noch aus den anderweitig vom Erstgericht aufgeführten Indizien. Der rechtskräftige Strafbefehl des Amtsgerichts B. vom 21. September 2011 entfalte keine Indizwirkung. Es sei allgemein bekannt, dass gerade Ausländer Strafbefehle völlig falsch einschätzten und die weitreichenden Konsequenzen eines solchen Strafbefehls häufig gar nicht zur Kenntnis nähmen. Die Beschränkung eines Einspruchs auf die Höhe der Tagessätze drücke insofern gerade nicht ein Schuldeingeständnis aus, sondern sei Ausdruck des Ziels, unliebsame Konsequenzen möglichst gering zu halten. Dass die Klägerin kein Visumverfahren durchgeführt, sondern ihren Ehemann 2004 in Tirol geheiratet habe und dann zu ihm gezogen sei, sei ebenfalls kein Indiz für eine Scheinehe, sondern der Versuch, das zeitraubende Visumverfahren zu umgehen. Aufgrund der beengten ehelichen Wohnverhältnisse sei es auch verständlich, dass die Klägerin zur Arbeitssuche nach M. verzogen sei. Es sei bekannt, dass die Arbeitsmarktsituation dort wesentlich besser als in Nordbayern sei. Die negativen Schlüsse des Verwaltungsgerichts seien auch insoweit nicht nachvollziehbar. Eine Arbeitssuche von zwei Monaten sei im Übrigen durchaus normal. Die Wohnung in B. sei aufgrund „mangelnder finanzieller Verhältnisse“ die gemeinsame eheliche Wohnung gewesen. Aufgrund der unterschiedlichen Erwerbstätigkeit an verschiedenen Orten habe sich die Klägerin auch nicht um den Betrieb des Reisebüros ihres Ehemanns gekümmert. Warum das Verwaltungsgericht die vorgelegten Fotos etc. nicht als Belege für eine eheliche Lebensgemeinschaft genommen habe, sei nicht nachvollziehbar. Völlig normal sei auch, dass die Klägerin nach dem Scheitern ihrer ehelichen Lebensgemeinschaft in ihrem Heimatland eine neue Beziehung eingegangen sei. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts sei entsprechend der Aussage des geschiedenen Ehemanns in der mündlichen Verhandlung von einem Trennungszeitpunkt zum Jahresende 2008 auszugehen. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass dieser als Zeuge falsch ausgesagt habe. Die Angabe eines früheren Trennungszeitpunkts im Scheidungsverfahren entspreche dem nachvollziehbaren Wunsch, schneller geschieden werden zu können. Die Annahme krimineller Energie bei der Klägerin sei ebenfalls fehlerhaft. Eine Verurteilung zu 80 Tagessätzen, die nicht zur Eintragung in ein Führungszeugnis führe, müsse auf jeden Fall noch als geringfügig angesehen werden.
Damit hat die Klägerin jedoch keine substantiierten tatsächlichen Umstände aufgezeigt, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergibt, dass die erstinstanzliche Entscheidung unrichtig ist (BVerfG, B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011, 546). Die bloße Möglichkeit einer anderen Bewertung des Ergebnisses einer Beweisaufnahme und der Sachverhalts- und Beweiswürdigung des Erstgerichts (s. § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) allein genügt zur Begründung ernstlicher Zweifel nicht. Soweit sich das tatsächliche Vorbringen im Zulassungsverfahren – wie dies vorliegend der Fall ist – auf die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Sachverhalts- und Beweiswürdigung bezieht, kommt eine Zulassung der Berufung wegen ernstlicher Zweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nur in Betracht, wenn aufgezeigt wird, dass die Richtigkeit der richterlichen Überzeugungsbildung mangelhaft ist, weil das Verwaltungsgericht mit Blick auf entscheidungserhebliche Tatsachen von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen ist oder die Beweiserhebung gedankliche Lücken oder Ungereimtheiten aufweist, was insbesondere bei einer Verletzung von gesetzlichen Beweisregeln, Denkgesetzen oder allgemeinen Erfahrungssätzen, bei aktenwidrig angenommenem Sachverhalt oder offensichtlich sachwidriger und damit willkürlicher Beweiswürdigung anzunehmen ist (st. Rspr.; vgl. z. B. BayVGH, B.v. 14.3.2016 – 15 ZB 16.168 – juris Rn. 8; B.v. 10.2.2016 – 10 ZB 14.2577 – juris Rn. 6; B.v. 9.10.2013 – 10 ZB 13.1725 – juris Rn. 5 f.; OVG Berlin-Bbg, B.v. 17.5.2016 – OVG 11 N 36.15 – juris Rn. 8; NdsOVG, B.v. 17.5.2016 – 8 LA 40/16 – juris Rn. 25; Rudisile in Schoch/Schneider/Bier, Verwaltungsgerichtsordnung, Stand: Oktober 2015, § 124 Rn. 26g jeweils m. w. N.; zur verfahrensrechtlichen Rüge eines Verstoßes gegen den Überzeugungsgrundsatz aus § 108 Abs. 1 VwGO vgl. z. B. BVerwG, B.v. 29.7.2015 – 5 B 36.14 – juris Rn. 13). Dass derartige Mängel der verwaltungsgerichtlichen Überzeugungsbildung vorliegen, zeigt die Klägerin mit ihrer Zulassungsbegründung jedoch nicht auf. Allein die Möglichkeit, dass die verschiedenen vom Verwaltungsgericht gewürdigten „Indizien“ und tatsächlichen Umstände auch anders beurteilt werden könnten, reicht – wie dargelegt – nicht aus. Vielmehr ist die aufgrund seiner Tatsachenfeststellungen getroffene Würdigung des Erstgerichts, zwischen der Klägerin und ihrem (damaligen) Ehemann habe jedenfalls nach dem Umzug der Klägerin nach München im Oktober 2005 keine eheliche Lebensgemeinschaft im Sinne der §§ 27, 28 AufenthG mehr bestanden, nicht nur eine mögliche, sondern vielmehr eine hier besonders naheliegende Bewertung.
Dem pauschalen und weitgehend unsubstantiierten Einwand, dass gerade Ausländer Strafbefehle falsch einschätzten, sich über die weitreichenden (ausländerrechtlichen) Konsequenzen nicht im Klaren wären und demgemäß ein auf die Tagessatzhöhe beschränkter Einspruch nicht als Schuldeingeständnis gewertet werden dürfe, weil diese Verhaltensweise nur Ausdruck des Ziels sei, „unliebsame Konsequenzen möglichst gering zu halten“, ist die Beklagte zu Recht mit dem Hinweis entgegengetreten, dies könne im vorliegenden Fall schon deshalb nicht zutreffen, weil die Auswirkungen auf das vom Ehemann der Klägerin abgeleitete Aufenthaltsrecht offensichtlich seien und die Klägerin überdies sowohl im Strafverfahren wie auch im ausländerrechtlichen Verfahren von derselben, auch auf dem Gebiet des Ausländerrechts versierten Rechtsanwaltskanzlei vertreten worden sei.
Auch die Rüge, die Heirat in Tirol/Österreich 2004 könne kein Indiz für eine Scheinehe sein, weil „unter Ausländern bekannt sei, dass Visumverfahren zeitraubend und gegebenenfalls auch ablehnend“ seien und der Versuch, dies zu umgehen, nur verständlich sei, greift nicht durch. Denn das Verwaltungsgericht hat nicht nur auf die Eheschließung im Österreich, sondern vor allem auf deren Vorgeschichte und insbesondere die nach dem Entschluss zur Heirat gestellten Asylanträge der Klägerin sowohl in Österreich als auch in Deutschland im Jahr 2004 sowie die am 7. April 2004 erfolgte Abschiebung der Klägerin nach Österreich abgestellt. Auch daraus durfte – worauf die Beklagte in ihrer Erwiderung ebenfalls hingewiesen hat – das Verwaltungsgericht grundsätzlich Zweifel am tatsächlich bestehenden Willen zur Begründung einer ehelichen Lebensgemeinschaft herleiten (vgl. BVerfG, B.v. 5.5.2003 – 2 BvR 2042/02 – juris Rn. 4).
Der klägerische Einwand, aufgrund der beengten ehelichen Wohnverhältnisse sei es verständlich, dass die Klägerin zur Arbeitssuche nach M. verzogen sei, zumal dort die Arbeitsmarktsituation wesentlich besser sei, vermag die Bewertung des Erstgerichts, auch dieser (schnelle) Umzug begründe Zweifel am Bestehen einer ehelichen Lebensgemeinschaft, ebenfalls nicht ernstlich in Zweifel zu ziehen. Denn dieses wenig substantiierte Vorbringen zeigt insbesondere unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Klägerin bereits drei Monate nach ihrer Anmeldung beim Ehemann in B. offensichtlich ohne vorherige Suche eines Arbeitsplatzes in diesem örtlichen Bereich und noch ohne konkreten Arbeitsplatz bereits zu ihrer Tante nach München umgezogen ist, nicht die Sachwidrigkeit dieser Bewertung auf.
Auch die Feststellung des Verwaltungsgerichts, gegen die behauptete Wochenendehe der Klägerin sprächen schon die dafür nicht geeigneten Räumlichkeiten in der S.-straße in B. (kleines Reisebüro mit nur 12 m² großem rückwärtigen Bereich mit ausklappbarer Couch, Schrank, kleiner Teeküche und kleiner Toilette mit Handwaschbecken), die diesbezüglichen stereotypen, lebensfremden und abgesprochen wirkenden Angaben der Klägerin und ihres (geschiedenen) Ehemanns, die widersprüchlichen Aussagen der beiden in der mündlichen Verhandlung zu den behaupteten gemeinsamen Aufenthalten in der Wohnung der Tante in M. sowie der Umstand, dass die Klägerin offensichtlich in keiner Weise am Alltag ihres Ehemanns im Reisebüro teilgehabt habe, hat die Klägerin nicht mit schlüssigen Gegenargumenten infrage gestellt. Soweit die Klägerin einwendet, es sei völlig normal, dass sie sich bei ihrem selbstständigen Erwerbsleben nicht um die Einkunftsart ihres geschiedenen Ehemanns gekümmert habe, wird nicht schlüssig und nachvollziehbar aufgezeigt, wieso dies auch für die Zeit (3 Monate) gelte, in der sie nach eigenen Angaben noch mit ihrem Ehemann in den Räumlichkeiten in B. in ehelicher Lebensgemeinschaft zusammen gewohnt hat. Überdies setzt sich die Klägerin mit den weiteren diesbezüglichen, vom Erstgericht angeführten Indiztatsachen nicht auseinander.
Soweit die Klägerin geltend macht, die neue Beziehung nach ihrer Trennung vom Ehemann zu einem armenischen Landsmann („Jugendfreund“) lasse keine Rückschlüsse auf die ursprüngliche Ehe und deren Zweck zu, geht sie nicht substantiiert auf die vom Verwaltungsgericht insofern in den Blick genommenen unmittelbaren zeitlichen Zusammenhänge der Erteilung der Niederlassungserlaubnis, der Scheidung, der Heirat des zweiten Ehemanns, dem Antrag auf Ehegattennachzug und vor allem die auffällige persönliche Konstellation ein, dass der zweite Ehemann der ehemalige Mann ihrer Cousine ist, mit der sie bei ihrer Tante in München zusammengewohnt hat, und der mit seiner Exfrau zwei gemeinsame Töchter hat.
Nach alledem ist die Bewertung, dass die Klägerin auch diese Ehe allein zum Zwecke der Erschleichung eines Aufenthaltstitels (nunmehr für ihren derzeitigen Ehemann) geschlossen hat, nicht sachwidrig, sondern vielmehr naheliegend. Nicht mehr entscheidungserheblich ist es daher, ob die Klägerin mit ihrem Zulassungsvorbringen die weitere tragende Annahme des Verwaltungsgerichts, eine eheliche Lebensgemeinschaft der Klägerin sei jedenfalls ab dem im Scheidungsverfahren übereinstimmend angegebenen Trennungszeitpunkt Juni 2008 beendet und die Erteilung der Niederlassungserlaubnis daher rechtswidrig gewesen, mit schlüssigen Gegenargumenten ernsthaft infrage gestellt hat. Unabhängig davon gibt es mit Blick auf die zahlreichen unterschiedlichen und widersprüchlichen Einlassungen der Klägerin und ihres Ehemanns im behördlichen und gerichtlichen Verfahren aber auch keine überzeugenden oder stichhaltigen Gründe dafür, von einer diesbezüglich wahrheitsgemäßen Aussage des geschiedenen Ehemanns in der mündlichen Verhandlung auszugehen.
Auch die Rüge der Klägerin, die Ausweisungsverfügung der Beklagten sei rechtswidrig, weil sie weder falsche Angaben gemacht noch einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften begangen habe, greift nicht durch. Mit diesem Vorbringen wird die Annahme des Verwaltungsgerichts, die Klägerin dürfe wegen ihrer falschen Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels sowie eines nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoßes gegen Rechtsvorschriften ausgewiesen werden, gemessen an den nunmehr maßgeblichen Regelungen der §§ 53 ff. AufenthG in der ab 1. Januar 2016 gültigen Fassung des Gesetzes zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung vom 27. Juli 2015 (BGBl I S. 1386), zuletzt geändert durch das am 17. März 2016 in Kraft getretene Gesetz zur erleichterten Ausweisung von straffälligen Ausländern und zum erweiterten Ausschluss der Flüchtlingsanerkennung bei straffälligen Asylbewerbern vom 11. März 2016 (BGBl I S. 394), im Ergebnis nicht ernsthaft in Zweifel gezogen. Eine wie hier nach altem Recht verfügte Ermessensausweisung wird auch nach Inkrafttreten der §§ 53 bis 55 AufenthG in ihrer seit dem 1. Januar 2016 geltenden Neufassung nicht rechtsfehlerhaft, wenn sie den ab diesem Zeitpunkt geltenden gesetzlichen Anforderungen entspricht, also gemäß der zentralen Ausweisungsnorm des § 53 Abs. 1 AufenthG der weitere Aufenthalt des Ausländers im Bundesgebiet die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet und die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt (st. Rspr.; vgl. z. B. BayVGH, U.v. 8.3.2016 – 10 B 15.180 – juris Rn. 26).
Entgegen dem Vorbringen im Zulassungsverfahren hat das Verwaltungsgericht zu Recht das Vorliegen von Ausweisungsgründen, nunmehr gesetzlich als schwer wiegendes Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Abs. 1, § 54 Abs. 2 AufenthG bestimmt, bejaht. Denn die Klägerin hat – wie oben dargelegt – falsche Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels gemacht (§ 54 Abs. 2 Nr. 8 a) AufenthG) und auch einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften begangen (§ 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG). Vorsätzliche Straftaten wie hier (§ 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG) stellen regelmäßig schon keine geringfügigen Verstöße im Sinne dieser Bestimmung dar (vgl. Graßhof in Beck‘scher Online-Kommentar Ausländerrecht, Stand 1.2.2016, AufenthG § 54 Rn. 118; Bauer in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. Aufl. 2016, AufenthG § 54 Rn. 80 jeweils m. w. N.).
Sonstige Einwendungen gegen die Beurteilung der Ausweisungsverfügung der Beklagten als rechtmäßig hat die Klägerin im Zulassungsverfahren nicht erhoben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3, § 39 Abs. 1, § 52 Abs. 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).