Aktenzeichen M 24 S 16.1291, M 24 K 16.1290
Leitsatz
Taucht der Kläger während seines Verfahrens über das Bleiberecht im Bundesgebiet unter, so ist für das Gericht der Schluss zu ziehen, dass der Kläger kein Interesse an der Weiterverfolgung des Verfahrens hat, sodass dem Verfahren das Rechtsschutzinteresse fehlt. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerinnen haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollsteckbar. Die Klägerinnen dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
1. Das Gericht konnte gemäß § 101 Abs. 2VwGO ohne mündliche Verhandlung im schriftlichen Verfahren entscheiden, weil die Klägerinnen mit Erklärung ihres damaligen Bevollmächtigten vom 15. März 2016 und der Beklagte mit Erklärung vom 11. April 2016 klar, eindeutig und vorbehaltlos auf mündliche Verhandlung verzichtet haben. Dass der Bevollmächtigte der Klägerinnen das Mandat mittlerweile nicht mehr innehat, ändert daran nichts, zumal die Klägerinnen die Verzichtserklärung nicht widerrufen haben (§ 173VwGO i. V. m. § 128 Abs. 2 Satz 1 Zivilprozessordnung – ZPO).
2. Das Verwaltungsgericht … ist – ungeachtet der örtlichen Zuständigkeit nach § 52 Nr. 2 Satz 3VwGO – entscheidungsbefugt, da es an den Verweisungsbeschluss des Verwaltungsgerichts … vom 8. März 2016 gebunden ist (§ 83 Satz 1VwGO i. V. m. § 17a Abs. 2 Satz 3 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG)). Aufgrund des Kammerbeschlusses vom 4. Juli 2016 ist der Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung über die Klage berufen (§ 76 Abs. 4 Satz 1 Asylgesetz – AsylG). Es handelt sich vorliegend um eine Streitigkeit nach dem Asylgesetz, da für die streitgegenständliche Weiterleitungsverfügung eine Vorschrift des Asylgesetzes, nämlich § 22 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 AsylG, die streitentscheidende Vorschrift ist.
3. Die (nach § 58 Abs. 2 Satz 1VwGO fristgerecht erhobene) Klage hat keinen Erfolg, da ihr zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 AsylG) das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis fehlt und sie damit bereits unzulässig ist.
In Einklang mit Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) setzt jede an einen Antrag gebundene gerichtliche Entscheidung ein Rechtsschutzbedürfnis voraus. Nur derjenige, der mit dem von ihm angestrengten gerichtlichen Rechtsschutzverfahren ein rechtsschutzwürdiges Interesse verfolgt, hat einen Anspruch auf die gerichtliche Sachentscheidung. Fehlt es daran, so ist das prozessuale Begehren als unzulässig abzuweisen (BVerfG, B.v. 27.10.1998 – 2 BvR 2662/95 – juris Rn. 16 m. w. N.).
Das erforderliche Rechtsschutzinteresse kann im Laufe eines gerichtlichen Verfahrens entfallen. Vom Wegfall eines ursprünglich gegebenen Rechtsschutzbedürfnisses kann das Gericht im Einzelfall ausgehen, wenn das Verhalten eines rechtsschutzsuchenden Verfahrensbeteiligten Anlass zu der Annahme bietet, dass ihm an der Sachentscheidung des Gerichts nicht mehr gelegen ist (OVG NRW, B.v. 1.2.2002 – 21 A 1550/01.A – juris Rn. 5; BVerfG, B.v. 27.10.1998 – 2 BvR 2662/95 – juris Rn. 17; BayVGH, B.v. 20.12.1999 – 10 ZC 99.1418 – juris Rn. 3). Aus dem Untertauchen eines Klägers, dessen Klage darauf gerichtet ist, weiter im Bundesgebiet verbleiben zu dürfen, ist der Schluss zu ziehen, dass er an der Weiterverfolgung des gerichtlichen Verfahrens kein Interesse mehr hat (BayVGH, B.v. 6.3.2014 – 10 ZB 13.1862, juris Rn. 4 m. w. N.).
So verhält es sich hier. Die Klägerinnen sind den Terminen bei der Beklagten zur Prüfung des Sachverhalts nicht nachgekommen. Der damalige Prozessbevollmächtigte hat dem Beklagten gegenüber erklärt, dass die Klägerinnen das Eilverfahren nicht weiterverfolgen möchten. Dem Gericht gegenüber hat der damalige Bevollmächtigte erklärt, dass das Mandat gekündigt worden sei, da die Klägerinnen nach … zurückkehren möchten. Die ihnen vom Gericht vor einer Entscheidung eingeräumten Gelegenheit, hierzu Stellung zu nehmen, haben die Klägerinnen nicht wahrgenommen. Sie haben damit zu erkennen gegeben, dass sie an einer gerichtlichen Entscheidung im Zusammenhang mit der Weiterleitungsverfügung nicht weiter interessiert sind.
Unabhängig davon ist der Klage der Klägerin zu 2) aber auch bereits deshalb unzulässig, weil sie nicht Adressat der Weiterleitungsverfügung vom 21. September 2015 ist, ihrer hiergegen gerichteten Klage somit sowohl die Klagebefugnis als auch aus diesem Grund das Rechtsschutzbedürfnis fehlt.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83bAsylG).
5. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167VwGO i. V. m. §§ 708 ff der ZPO.