Verwaltungsrecht

Einstufung Albaniens als sicherer Herkunftsstaat

Aktenzeichen  M 17 K 16.30705

Datum:
28.6.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 3, § 4, § 29a, § 34
GG GG Art. 16a
AufenthG AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1
EMRK EMRK Art. 3

 

Leitsatz

Die Anerkennung als Asylberechtigter lässt sich mit einer isolierten Anfechtungsklage nicht erreichen. Eine gleichwohl erhobene isolierte Anfechtungsklage ist unzulässig. (redaktioneller Leitsatz)
Gegen die Einstufung Albaniens als sicherer Herkunftsstaat bestehen weder verfassungsrechtliche noch europarechtliche Bedenken. (redaktioneller Leitsatz)
Eine Geltendmachung der Unmöglichkeit der Abschiebung wegen Pflegebedürftigkeit eines Familienangehörigen ist kein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot, sondern – möglicherweise – ein inlandsbezogenes Abschiebungshindernis. (redaktioneller Leitsatz)

Gründe

Gericht: VG München
Aktenzeichen: M 17 K 16.30705
Im Namen des Volkes
Gerichtsbescheid
vom 28. Juni 2016
17. Kammer
Sachgebiets-Nr. 710
In der Verwaltungsstreitsache

– Klägerin –
bevollmächtigt: …
gegen
… vertreten durch Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Außenstelle …
– Beklagte –
beteiligt: Regierung von … Vertreter des öffentlichen Interesses
wegen Vollzugs des Asylgesetzes (AsylG)
erlässt das Bayerische Verwaltungsgericht München, 17. Kammer,
durch den Richter am Verwaltungsgericht … als Einzelrichter am 28. Juni 2016 folgenden Gerichtsbescheid:
I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand:
Die Klägerin ist albanische Staatsangehörige, muslimischer Glaubensrichtung. Sie reiste nach eigenen Angaben am … 2014 von … auf dem Luftweg zusammen mit ihrer Tochter und Enkelkindern (M 21 S 16.30172 und M 21 K 16.30171) in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am … 2015 Asylantrag.
Einer Ladung zur Anhörung durch das Bundesamt für den … 2015 kam die Klägerin nicht nach.
In ihrer schriftlichen Stellungnahme vom 2. November 2015 gab die Klägerin an, sie sei nach Deutschland geflohen, weil sie, ihre erwachsene Tochter sowie deren beiden minderjährigen Söhne in Kosovo in Gefahr seien. Der Ehemann ihrer Tochter habe Streit mit anderen Männern. Danach seien auch ihre beiden Enkelkinder bedroht worden. Da ihre Tochter an Multipler Sklerose erkrankt sei, benötige sie Hilfe im Alltag. Sie könne sich nicht selbst um ihre beiden Söhne kümmern, weswegen sie alle nach Deutschland gekommen seien, um Schutz zu suchen. Da ihnen die hygienischen Verhältnisse und die medizinische Versorgung in Deutschland am besten erschienen, seien sie hierher gereist. Sie könne nicht nach Kosovo zurück, da sie dort Angst um das Leben ihrer Enkelkinder und ihr eigenes haben müsse.
Unter dem … 2016 trug der Bevollmächtigte der Klägerin ebenfalls vor, dass die Tochter aufgrund ihrer Erkrankung auf die Hilfe der Klägerin angewiesen sei.
Mit Bescheid vom 31. März 2016, der dem Bevollmächtigten der Klägerin mit Schreiben vom selben Tage übersandt wurde, lehnte das Bundesamt den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1) und auf Asylanerkennung (Nr. 2) als offensichtlich unbegründet ab, erkannte den subsidiären Schutzstatus nicht zu (Nr. 3) und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) nicht vorliegen (Nr. 4). Es forderte die Klägerin auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen, anderenfalls wurde ihnen die Abschiebung nach Albanien angedroht (Nr. 5). Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wurde gemäß § 11 Abs. 7 AufenthG angeordnet und auf 10 Monate ab dem Tag der Ausreise befristet (Nr. 6). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot wurde gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 7).
Zur Begründung wurde u. a. wie folgt ausgeführt: Die Voraussetzungen für die Zuerkennung internationalen Schutzes und die Anerkennung als Asylberechtigte lägen offensichtlich nicht vor. Selbst bei Wahrunterstellung der Bedrohungen sei dem Sachverhalt lediglich zu entnehmen, dass es sich im vorliegenden Fall um allgemeine Kriminalität handele, die keinen flüchtlingsrelevanten Anknüpfungspunkt habe. Die Krankheit der erwachsenen Tochter stelle keinen eigenen Asylgrund dar und sei daher flüchtlingsrechtlich irrelevant. Der Vortrag der Klägerin sei für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus nicht geeignet. Zwar befürchte die Klägerin, dass die vorgetragenen Bedrohungen sich fortsetzen würden, gleichwohl seien für eine derartige Annahme keine stichhaltigen Gründe vorgebracht worden. Im Gegenteil spreche ihr Ehemann (Gesch.-Z. 6485396-121) in seiner Anhörung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am … 2016 nur von einem einmaligen Vorfall, bei dem er und seine Enkelkinder von einem ihm unbekannten Auto beinahe angefahren worden wären. Auch die Tatsache, dass der Ehemann seinerzeit keine Anzeige bei der Polizei machte, spreche nicht für eine (an-)dauernde Bedrohung. Selbst, wenn es diese Bedrohungen tatsächlich gegeben habe, so hätten diese nach eigenen Angaben der Klägerin vor allem ihre Enkelkinder und nicht sei selbst getroffen. Die Klägerin habe darüber hinaus nichts dazu vorgetragen, dass sie um staatlichen Schutz nachgesucht habe und somit möglichen Schutzakteuren Gelegenheit gegeben habe, zu ihren Gunsten tätig zu werden. Zudem wäre es der Klägerin zuzumuten gewesen, ihren Wohnsitz in andere Teile von Albanien zu verlegen. Auch führten die derzeitigen humanitären Bedingungen in Albanien nicht zu der Annahme, dass bei Abschiebung der Klägerin eine Verletzung des Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) vorliege. Die hierfür vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) geforderten hohen Anforderungen an den Gefahrenmaßstab seien nicht erfüllt. Eine allgemein schwierige soziale und wirtschaftliche Lage begründe kein Abschiebungsverbot. Es habe nicht nachvollziehbar dargelegt werden können, dass bei der Rückkehr die Klägerin derart schlechter gestellt sei, dass das Erreichen des Existenzminimums unter Ausschöpfung sämtlicher Hilfeleitungen nicht sicherzustellen sei. Die Abschiebungsandrohung sei gemäß § 34 Abs. 1 AsylG i. V. m. § 59 AufenthG zu erlassen. Die Ausreisefrist von einer Woche ergebe sich aus § 36 Abs. 1 AsylG. Nach Ausübung des pflichtgemäßen Ermessens sei die Festlegung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots auf 10 Monate bzw. 30 Monate angemessen. Die Krankheit ihrer Tochter sei kein schutzwürdiger Belang im Sinne des § 11 AufenthG, da diese bereits erwachsen sei und deren Asylantrag ohnehin mit Bescheid vom 11. Januar 2016 als offensichtlich unbegründet abgelehnt worden sei.
Die Tochter der Klägerin erhob am 2. Februar 2016 Klage (M 21 K 16.30171) gegen den Bescheid des Bundesamtes vom 11. Januar 2016. Ihr gleichzeitig gestellter Eilantrag (M 21 S 16.30172) lehnte das Verwaltungsgericht München mit Beschluss vom 3. März 2016 ab.
Der Bevollmächtigte der Klägerin erhob mit Schriftsatz vom 6. April 2016, dem Bayerischen Verwaltungsgericht München am selben Tag zugegangen, Klage mit dem Antrag,
den Bescheid des Bundesamtes vom 31. März 2016 aufzuheben.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgetragen, dass die an Multiple Sklerose erkrankte Tochter, die sich derzeit in einer noch nicht abgeschlossenen Behandlung im Behandlungszentrum … befinde, dringend auf die Hilfe der Klägerin angewiesen sei. Aufgrund der damit verbundenen Krankenhausaufenthalte könne sich die Tochter nur schwer um ihre beiden Söhne kümmern. Auch müsse die Klägerin mit tätlichen Angriffe auf ihr Leben seitens der Familien … und … rechnen. In einer sehr lange andauernden Fehde zwischen der Familie der Klägerin und den anderen Familien sei es seit dem 8. August 1998 immer wieder zu tätlichen Auseinandersetzungen mit schweren Verletzungen und Todesfolgen gekommen. Die Klägerin fürchte die Blutrache dieser Familien. Von den örtlichen Polizeibehörden erwarte die Klägerin keinen Schutz, da die Angriffe nie unterbunden worden seien.
Der Bevollmächtigte der Klägerin übersandte mit Schriftsatz vom 19. April 2016 eine notarielle Erklärung des Ehemanns der Klägerin, wonach sich die Familie des Schwiegersohns der Klägerin mit der Familie … in einem Blutracheverhältnis befinde. Mit Schriftsatz vom 22. April 2016 wurde zudem der Arztbrief des Behandlungszentrums … vom … 2016 für die Tochter der Klägerin vorgelegt. Demnach soll die nächste Chemotherapie von Mai bis Juni 2016 erfolgen.
Die Beklagte übersandte am 8. Juni 2016 die Behördenakten und stellte keinen Antrag.
Das Verwaltungsgericht München lehnte den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gemäß § 80 Abs. 5 VwGO sowie die Anträge auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit Beschluss vom 9. Juni 2016 ab (M 17 S 16.30706) und übertrug mit Beschluss vom 9. Juni 2016 den Rechtstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter.
Mit Schreiben vom 21. Juni 2016, zugestellt am 23. Juni 2016, wurde die Klägerseite zu einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört. Mit Schreiben vom 28. Juni 2016 erklärte sich die Klagepartei mit einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid einverstanden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte sowie auf die vorgelegte Behördenakte verwiesen.
Entscheidungsgründe:
1. Über die Klage konnte nach vorheriger Anhörung der Klägerseite durch Gerichtsbescheid entschieden werden, da sie keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist (§ 84 Abs. 1 VwGO). Die Beklagte hat auf die Anhörung zu Entscheidungen durch Gerichtsbescheid generell mit allgemeiner Prozesserklärung vom 25. Februar 2016 verzichtet.
2. Soweit mit der erhobenen Anfechtungsklage die Aufhebung des Bescheids vom 31. März 2016 in Nrn. 1 bis 4 des Tenors begehrt wird, ist die Klage unzulässig. Die isolierte Anfechtung des Bundesamtsbescheids, mit dem der Asylantrag der Klägerin abgelehnt worden ist, ist insoweit nicht statthaft (§ 42 Abs. 1 VwGO).
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts – insbesondere auch zu Asylverfahren – ist grundsätzlich von einem Vorrang der Verpflichtungsklage auszugehen mit der Folge, dass Rechtsschutz gegen die Ablehnung eines begünstigenden Verwaltungsaktes grundsätzlich (nur) durch eine Verpflichtungsklage (“Versagungsgegenklage”) zu erstreiten ist, welche die Aufhebung des Versagungsbescheids umfasst, soweit er entgegensteht. Die Rechtsprechung erkennt aber an, dass allein die Aufhebung des Versagungsbescheids ausnahmsweise ein zulässiges – gegenüber der Verpflichtungsklage für den Kläger vorteilhafteres – Rechtsschutzziel sein kann, wenn eine mit diesem Bescheid verbundene Beschwer nur so oder besser abgewendet werden kann. In derartigen Fällen besteht ein besonderes Rechtsschutzbedürfnis für eine (isolierte) Anfechtungsklage. Dazu zählt etwa die isolierte Anfechtung der Ablehnung einer Aufenthaltserlaubnis, wenn die beklagte Ausländerbehörde zwischenzeitlich nicht mehr zuständig ist (st. Rspr.; vgl. BVerwG, U. v. 21.11.2006 – 1 C 10/06 – BVerwGE 127, 161-177), und die isolierte Anfechtung der Einstellung eines Asylverfahrens durch das Bundesamt wegen angeblichen Nichtbetreibens des Verfahrens (BVerwG, U. v. 7.3.1995 – 9 C 264/94 – juris). Es kann offenbleiben, ob die Ausnahmefälle zutreffend zusammengefasst dahin umschrieben werden können, dass eine isolierte Anfechtung stets dann nicht am Vorrang der Verpflichtungsklage scheitert, wenn sich das Verpflichtungsbegehren erledigt hat oder der Kläger jedenfalls den Verwaltungsakt nicht mehr erstrebt, die Ablehnung aber eine selbstständige Beschwer enthält (BVerwG, U. v. 21.11.2006 a. a. O., vgl. Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 42 Abs. 1 RdNr. 112; ähnlich Kopp/Schenke, VwGO, 16. Aufl., § 42 Rn. 30; a.A. – für eine weitergehende Zulassung der isolierten Anfechtung – Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl., § 42 RdNrn. 335 ff.; Eyermann/Happ, VwGO, 14. Aufl., § 42 Rdnrn. 18 ff., jeweils m. w. N.). Auch in Verfahren nach § 14 a Abs. 2 AsylG kann die isolierte Anfechtung sachdienlich sein, wenn an einem positiven Asylbescheid des Bundesamts letztlich kein Interesse besteht oder Gründe für die Zuerkennung von Asyl oder Abschiebungsschutz offenkundig nicht bestehen (BVerwG, U. v. 21.11.2006 a. a. O.).
Ein derartiger Ausnahmefall liegt hier indes nicht vor. Das Ziel der Antragstellung dürfte die Anerkennung als Asylberechtigte, die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, subsidiären Schutzes, hilfsweise die Feststellung von Abschiebungsverboten gewesen sein. Rechtsschutz für dieses Ziel lässt sich jedoch mit einer isolierten Anfechtungsklage nicht erreichen. Die anwaltlich vertretene Klägerin hat Anfechtungsantrag gestellt, an diesen Antrag ist das Gericht nach § 88 VwGO gebunden. Die allgemeine Zulassung der isolierten Anfechtungsklage anstelle der Verpflichtungsklage widerspräche dem gesetzlichen Rechtsschutzsystem und wäre im Hinblick auf die Wiedereröffnung des Rechtswegs – nach einer Stattgabe der Klage, die das Verpflichtungsbegehren praktisch in die Verwaltung zurückverweist – mit dem Grundsatz der Prozessökonomie schwerlich zu vereinbaren. Jedenfalls für den Asylprozess scheidet eine solche wahlweise Zulassung der isolierten Anfechtung mit Rücksicht auf die gebotenen Konzentration und Beschleunigung von Asylverfahren aus.
3. Die Klage ist ebenfalls unzulässig, soweit sie sich gegen Nr. 7 des Bescheids richtet. Bezüglich Nr. 7 des streitgegenständlichen Bescheids, in der das sich unmittelbar aus dem Gesetz ergebende Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG lediglich gemäß § 11 Abs. 2 AufenthG zeitlich befristet wird, ist die Klage mangels Rechtsschutzbedürfnis unzulässig. Denn die schlichte Aufhebung der Nr. 7 des Bescheids aufgrund einer Anfechtungsklage beträfe lediglich die getroffene Befristungsentscheidung als solche, so dass ein erfolgreiches Rechtsmittel zur Folge hätte, dass das – unmittelbar kraft Gesetz geltende – Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG unbefristet gelten würde. Die Rechtsstellung der Klägerin wäre somit nicht verbessert. Das Ziel einer kürzeren Befristung der gesetzlichen Sperrwirkung nach § 11 Abs. 2 AufenthG müsste, ebenso wie die Erteilung einer Betretenserlaubnis gemäß § 11 Abs. 8 AufenthG, im Wege der Verpflichtungsklage erstritten werden (vgl. NdsOVG, B. v. 14.12.2015 – 8 PA 199/15 – juris Rn. 5; VG München, B. v. 12.1.2016 – M 21 S 15.31689 – UA S. 8; VG Ansbach, B. v. 20.11.2015 – AN 5 S 15.01667 – juris Rn. 2; B. v. 18.11.2015 – AN 5 S 15.01616 – UA S. 2; VG Aachen, B. v. 30.10.2015 – 6 L 807/15.A – juris Rn. 8; Funke/Kaiser, GK-AufenthG, Stand Dezember 2015, § 11 Rn. 183, 190, 193, 196).
Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass von Klägerseite keine substantiierten Bedenken gegen die Länge der Befristung vorgebracht wurden.
4. Bezüglich der Abschiebungsandrohung in Nr. 5 des Bescheids ist die Klage zwar zulässig, aber unbegründet. Der streitgegenständliche Bescheid des Bundesamtes ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 VwGO).
Die Abschiebungsandrohung nach Albanien wurde zu Recht auf § 34 AsylG i. V. m. § 59 AufenthG gestützt. Die Klägerin ist weder als Asylberechtigte anerkannt noch besitzt sie einen Aufenthaltstitel. Hinsichtlich ihres Herkunftslandes Albanien wurden weder eine politische Verfolgung noch das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG dargetan.
4.1. Ein Verfolgungs- oder Lebensschicksal, das die Zuerkennung einer Rechtsstellung als Flüchtling oder Asylberechtigter rechtfertigen würde, ist vorliegend aus dem Vortrag der Klägerin nicht erkennbar. Das Gericht nimmt insoweit auf die Begründung des Bundesamtes Bezug (§ 77 Abs. 2 AsylG).
4.1.1. Die Ablehnung des Antrags auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als offensichtlich unbegründet beruht auf § 29 a Abs. 1 AsylG. Nach dieser Vorschrift ist der Asylantrag eines Ausländers aus einem Staat i. S. d. Art. 16 a Abs. 3 Satz 1 GG (sicherer Herkunftsstaat) als offensichtlich unbegründet abzulehnen, es sei denn, die von dem Ausländer angegebenen Tatsachen oder Beweismittel begründen die Annahme, dass ihm abweichend von der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat politische Verfolgung droht. Das Heimatland der Klägerin, Albanien, ist ein sicherer Herkunftsstaat in diesem Sinne (vgl. § 29 a Abs. 2 AsylG i. V. m. Anlage II). Die Einstufung Albaniens als sicherer Herkunftsstaat erfolgte aufgrund des Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes vom 20. Oktober 2015 (BGBl I S. 1722) mit Wirkung vom 24. Oktober 2015. Die Gerichte sind an diese Einstufung gebunden, es sei denn, sie sind der Überzeugung, dass sich die Einstufung als verfassungswidrig erweist (BVerfG, U. v. 14.5.1996 – 2 BvR 1507/93 – Rn. 65).
Gegen die Einstufung Albaniens als sicherer Herkunftsstaat bestehen weder verfassungsrechtliche noch europarechtliche Bedenken (VG Berlin, B. v. 22.12.2015 – 33 L 357.15 A – juris Rn. 13-24; VG München, B. v. 01.03.2016 – M 17 S 16.30322).
Die Klägerin hat die durch § 29 a AsylG normierte Nichtverfolgungsvermutung auch nicht durch den schlüssigen Vortrag von individuellen Verfolgungstatsachen erschüttern können. Die von der Klägerin angegebenen Tatsachen und Beweismittel begründen gerade nicht die Annahme, dass ihnen abweichend von der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat politische Verfolgung droht.
4.1.2. Ihr Vorbringen, aufgrund einer Familienfehde/Blutrache mit dem Tod bedroht zu werden, lässt bereits keine Anknüpfung an die für die Flüchtlingseigenschaft maßgeblichen Merkmale des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG erkennen. Danach bedarf es einer begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe. Die Klägerin trägt vielmehr vor, Opfer kriminellen Handelns geworden zu sein, ein verfolgungsrelevanter Bezug ist nicht erkennbar. Hinzu kommt, dass eine konkrete Bedrohung der Klägerin nicht substantiiert dargetan wurde.
4.1.3. Zudem erfordert § 3 c Nr. 3 AsylG bei einer von einem nichtstaatlichen Akteur ausgehenden Verfolgung, dass der Staat nicht in der Lage oder nicht willens ist, Schutz zu gewähren. Von einer Unwilligkeit oder Unfähigkeit der albanischen Behörden, ihre Staatsangehörigen vor strafbaren Handlungen zu schützen, ist aber nicht auszugehen. Das Gericht teilt gemessen an den vorliegenden Erkenntnismitteln (vor allem auch des Berichts über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Albanien des Auswärtigen Amts vom 10. Juni 2015 (Stand Mai 2015) – im Folgenden: Lagebericht) die Einschätzung des Bundesamtes, dass der albanische Staat bei einer derartigen Bedrohung, bei der es sich um kriminelles Unrecht eines nichtstaatlichen Akteurs handelte, in der Lage und auch willens ist, hinreichenden Schutz zu gewähren (§ 3 c Nr. 3, § 3 d Abs. 1 und 2 AsylG; vgl. allgemein zum Schutz durch den albanischen Staat auch: OVG NW, B. v. 23.02.2015 – 11 A 334/14.A – juris Rn. 8 ff.; VG München, B. v. 10.09.2015 – M 2 S 15.31175; VG München, B. v. 4.2.2016 – M 11 S 15.31693; VG München, B. v. 14.01.2016 – M 4 S 15.31618; VG Düsseldorf, B. v. 1.02.2016 – 17 L 95/16.A – juris Rn. 18ff; B. v. 28.10.2015 – 17 L 2938/15.A – juris; VG Arnsberg, B. v. 23.02.2016 – 5 L 242/16.A – juris Rn. 23 ff.).
4.1.4. Ferner ist davon auszugehen, dass – jedenfalls in Fällen wie dem vorliegenden – ganz offensichtlich eine inländische Fluchtalternative besteht (§ 3 e AsylG). Die Klägerin kann jedenfalls durch Verlegung ihres Wohnsitzes in urbane Zentren anderer – etwa südlicher – Landesteile Albaniens, wo ein Leben in gewisser Anonymität möglich ist und nichtstaatliche Dritte mit asylrechtlich hinreichender Sicherheit nicht ausfindig machen können, eine etwaige Gefahr für Leib oder Leben abwenden. Eine Übersiedelung in andere Teile des Landes unterliegt keinen rechtlichen Einschränkungen (vgl. Lagebericht S. 11; VG Düsseldorf, U. v. 12.03.2015 – 6 K 8197/14.A – juris Rn. 63; VG Düsseldorf, B. v. 23.11.2015 – 17 L 3729/15.A – juris Rn. 38ff.; VG Düsseldorf, B. v. 14.10.2015 – 17 L 3111/15. A – juris, Rn. 20; VG Oldenburg, U. v. 10.4.2015 – 5 A 1688/14 – juris; VG München, B. v. 3.2.2016 – M 5 S 15.31520 – UA S. 7).
4.2. Das Bundesamt hat im Übrigen auch zu Recht die Zuerkennung subsidiären Schutzes (§ 4 AsylG) und das Vorliegen von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG abgelehnt. Das Gericht nimmt daher auch insoweit auf die Begründung des Bundesamts Bezug (§ 77 Abs. 2 AsylG).
4.2.1. Auch bei Annahme einer drohenden erniedrigenden Behandlung im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AsylG durch einen nichtstaatlichen Akteur kommt gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG i. V. m. der entsprechenden Anwendung des § 3 c Nr. 3 AsylG die Gewährung subsidiären Schutzes nicht in Betracht, weil es an der Voraussetzung, dass der Staat erwiesenermaßen nicht schutzfähig oder -willig ist, fehlt.
4.2.2. Allein wegen der harten Lebensbedingungen und allgemein bestehenden ärmlichen Verhältnisse in Albanien vermag sich die Klägerin weder auf § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG noch auf § 60 Abs. 5 AufenthG unter Berücksichtigung von Art. 3 EMRK zu berufen. Die Abschiebung trotz schlechter humanitärer Verhältnisse kann nur in sehr außergewöhnlichen Einzelfällen als unmenschlich oder erniedrigende Behandlung zu bewerten sein und die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 AufenthG i. V. m. Art. 3 EMRK erfüllen (BVerwG, U. v. 31.01.2013 – 10 C 15.12 – NVwZ 2013, S. 1167ff. – juris Rn. 23 – 26 sowie Rn. 38; VGH BW, U. v. 24.07.2013 – A 11 S 697/13 m. w. N.). Anhaltspunkte dafür, dass der Klägerin eine Existenzgrundlage bei Ihrer Rückkehr gänzlich fehlen würde, sind nicht ersichtlich. Die humanitären Bedingungen für Rückkehrer sind grundsätzlich nicht als derart schlecht zu bewerten, dass diese den Schweregrad einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRGK aufweisen (VG München, B. v. 23.11.2015 – M 2 S 15.31322 – UA S. 12f.; U. v. 17.11.2015 – M 2 K 15.31226). Unter Berücksichtigung der derzeitigen humanitären Bedingungen in Albanien (vgl. dazu den streitgegenständlichen Bescheid, § 77 Abs. 2 AsylG) reicht hierfür der bloße Verweis auf eine schwierige wirtschaftliche Situation in Albanien schon im Ansatz ganz offensichtlich nicht aus.
4.2.3. Was insbesondere § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG anbetrifft, fehlt es an einer erheblichen konkreten Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit. Eine Verletzung von Menschenrechten oder Grundfreiheiten, die sich aus der EMRK ergäbe, ist nicht ersichtlich. Die behauptete Bedrohungslage erfüllt diese Voraussetzungen jedenfalls nicht. Ungeachtet dessen, dass die Inanspruchnahme staatlichen Schutzes zumutbar ist, besteht für die Klägerin – wie dargestellt – die Möglichkeit, sich in einem anderen Landesteil niederzulassen.
Auch begründet die Erkrankung der Tochter der Klägerin kein Abschiebungshindernis nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, da eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit individuell für die Klägerin („für diesen Ausländer“ im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AsylG) bestehen muss.
4.3. Eine etwaige Geltendmachung der Unmöglichkeit der Abschiebung aus rechtlichen Gründen aufgrund der familiären Verhältnisse und ggf. Pflegebedürftigkeit der Tochter (Art. 6 GG bzw. Art. 8 Abs. 1 EMRK) wäre kein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, sondern ein im Rahmen von § 60a AufenthG zu prüfendes inlandsbezogenes Abschiebungshindernis, für das sich die Klägerin auf einen Antrag auf Duldung nach § 60a Abs. 2 AufenthG bei der örtlich zuständigen Ausländerbehörde verweisen lassen muss (vgl. NdsOVG, U. v. 18.5.2010 – 11 LB 186/08 – juris Rn. 47; OVG Berlin-Bbg. B. v. 30.4.2013 – OVG 12 S 25.13 – juris unter Hinweis auf § 59 Abs. 3 Satz 1 AufenthG; BVerwG, U. v. 25.9.1997 – 1 C 6/97 – juris).
4.4. Die gesetzte Ausreisefrist entspricht der Regelung in § 36 Abs. 1 AsylG.
5. Schließlich ist auch die Anordnung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots gemäß § 11 Abs. 7 AufenthG in Nr. 6 des Bescheids vom 31. März 2016 rechtmäßig. Die Ermessenserwägungen der Beklagten sind im Rahmen der auf den Maßstab des § 114 Satz 1 VwGO beschränkten gerichtlichen Überprüfung nicht zu beanstanden, zumal der Kläger gegen dieses Einreise- und Aufenthaltsverbot keine substantiierten Einwendungen vorgebracht und insbesondere keine Ermessensfehler geltend gemacht hat.
6. Die Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83 b AsylG). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Gerichtsbescheid können die Beteiligten die Zulassung der Berufung innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
beantragen. Dem Antrag sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.
Der Antrag muss den angefochtenen Gerichtsbescheid bezeichnen. In dem Antrag sind die Gründe, aus denen die Berufung zuzulassen ist, darzulegen. Die Berufung kann nur zugelassen werden, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder der Gerichtsbescheid von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder ein in § 138 der Verwaltungsgerichtsordnung bezeichneter Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt.
Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.
Anstelle des Antrags auf Zulassung der Berufung können die Beteiligten innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Gerichtsbescheids beim Bayerischen Verwaltungsgericht München
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
mündliche Verhandlung beantragen.
Wird von beiden Rechtsbehelfen Gebrauch gemacht, findet mündliche Verhandlung statt.
Dem Antrag eines Beteiligten sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.

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