Aktenzeichen M 17 K 15.5843
Leitsatz
Aufwendungen der medizinischen Fußpflege durch Podologinnen und Podologen sind nur bei der Diagnose „Diabetisches Fußsyndrom“ beihilfefähig. (redaktioneller Leitsatz)
Podologische Behandlungen aus anderem Anlass wie zB eine podologische Komplexbehandlung bei der Diagnose unguis incarnatus bei Vorliegen des Willebrand-Jürgens-Syndroms zur Vermeidung von Ulzerationen bzw. Gangrän, Fissuren und entzündlichen Schädigungen sind nicht beihilfefähig, da den Therapiemaßnahmen keine Diagnose eines diabetischen Fußsyndroms zugrunde liegt. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet, da die Klägerin keinen Anspruch auf die Gewährung weiterer Beihilfe hat (§ 113 Abs. 5 VwGO); die Bescheide vom 25. September 2015 und 27. November 2015 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin daher nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1. Da beihilferechtliche Streitigkeiten grundsätzlich nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen, für die Beihilfe beantragt wird, zu beurteilen sind (vgl. z. B. BVerwG, U.v. 8.11.2012 – 5 C 4.12 – juris Rn. 12), richtet sich die Beihilfefähigkeit hier nach Art. 96 Bayerisches Beamtengesetz (BayBG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 29. Juli 2008 (GVBl S. 500), zuletzt geändert durch Gesetz vom 24. Juli 2013 (GVBl S. 450), und der Verordnung über die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen in Krankheits-, Geburts-, Pflege- und sonstigen Fällen (Bayerische Beihilfeverordnung – BayBhV) vom 2. Januar 2007 (GVBl S. 15) in der Fassung der Änderungsverordnung vom 29. Juli 2014 (GVBl S. 352, ber. S. 447), weil die streitgegenständliche Rechnung vom 18. August 2015 ist.
2. Gemäß § 19 Abs. 1 BayBhV sind aus Anlass einer Krankheit die ärztlich in Schriftform verordneten Heilbehandlungen und die dabei verbrauchten Stoffe nach Maßgabe der Anlage 3 zu § 19 Abs. 1 BayBhV beihilfefähig, sofern sie u. a. von einer Podologin oder einem Podologen erbracht werden. In der Fußnote 13 der Anlage 3 ist geregelt, dass Aufwendungen der medizinischen Fußpflege durch Podologinnen und Podologen nur bei der Diagnose „Diabetisches Fußsyndrom“ beihilfefähig sind.
2.1 Im vorliegenden Fall wurde bei der Klägerin unstrittig kein diabetisches Fußsyndrom diagnostiziert, so dass die medizinische Fußpflege nicht beihilfefähig ist.
2.2 Die Beschränkung der Beihilfefähigkeit der medizinischen Fußpflege auf Fälle, in denen ein diabetisches Fußsyndrom vorliegt, verstößt auch nicht gegen höherrangiges Recht. Insbesondere wird der Wesenskern der Fürsorgepflicht nicht verletzt und ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz liegt ebenfalls nicht vor. Sachlicher Grund für die Beschränkung von Beihilfeleistungen auf Fälle des diabetischen Fußsyndroms ist, dass bei Diabetes mellitus im Gegensatz zu anderen krankheitsbedingten Fällen aufgrund vorhandener Gefühls- und Durchblutungsstörungen Schädigungen der Haut durch Zehennägel oftmals nicht bemerkt werden. Der Gesetzgeber hat bei der Ausgestaltung von Normen einen weiten Spielraum und ist grundsätzlich berechtigt, aus sachlichen Gründen zu generalisieren und zu pauschalisieren (VG Regensburg, U.v. 11.3.2014 – RO 8 K 14.4 – UA S. 3f.; BayVGH, B.v. 21.7.2015 – 14 ZB 14.973 – UA S. 3f.; Mildenberger, Beihilferecht in Bund, Ländern und Kommunen, Stand 1. Januar 2016, § 19 BayBhV, Anm. 4 (1), (2); § 23 BBhV Anm. 12 (19), (20)).
Bei der Frage der Rechtmäßigkeit der Beschränkung der Beihilfefähigkeit ist auch zu berücksichtigen, dass Behandlungen außerhalb der Diagnose „Diabetisches Fußsyndrom“, die durch einen Arzt oder unter seiner Aufsicht in der ärztlichen Praxis durchgeführt und damit nach GOÄ abgerechnet werden, grundsätzlich beihilfefähig sind, da es sich um ärztliche Leistungen und nicht um Heilmittel handelt (Mildenberger, Beihilferecht in Bund, Ländern und Kommunen, Stand 1. Januar 2016, § 23 BBhV Anm. 12 (21)).
2.3 Die Klägerin kann sich auch nicht darauf berufen, dass es sich bei der durchgeführten Behandlung tatsächlich nicht um medizinische Fußpflege, sondern um die Wiederherstellung eines regelgerechten Körperzustands, also um keine pflegerische, sondern um eine die Heilung fördernde therapeutische Maßnahme gehandelt habe.
Die Beihilfefähigkeit der Heilbehandlungen eines Podologen setzt unter anderem voraus, dass diese ärztlich in Schriftform verordnet wurden. In der der streitgegenständlichen Rechnung zugrunde liegenden Verordnung von Frau Dr. med. … … vom … … 2014 ist jedoch gerade „Med. Fußpflege 10x“ angeordnet worden, so dass auch nur diese, d. h. eine pflegerische Maßnahme, im Rahmen der Beihilfe abgerechnet werden kann. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 19 Abs. 1 BayBhV ist für die Frage der Beihilfefähigkeit auf diese Verordnung und nicht auf das von der Verordnung der streitgegenständlichen Behandlungen losgelöste Attest vom … … 2015 abzustellen, in dem die Heilbehandlung durch einen Podologen als erforderliche Behandlung nach dem Schlaganfall bezeichnet wird.
2.4 Eine andere rechtliche Beurteilung ergibt sich auch nicht aus dem von Klägerseite angeführten Urteil des Verwaltungsgerichts Darmstadt vom 18. August 2014 (1 K 1438/12.DA – juris).
Die dortigen Ausführungen, dass die Beschränkung der Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für fußpflegerische Leistungen der Podologin auf Fälle des diabetischen Fußsyndroms nicht bedeute, dass andere, die Heilung fördernde Leistungen der Podologin nicht beihilfefähig sein könnten, ist auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar:
a) So ist bereits die dieser Entscheidung zugrundeliegende Rechtslage nicht mit der hier anzuwendenden identisch. Grundlage des Urteils des Verwaltungsgerichts Darmstadt war das Hessische Beihilferecht und nicht die BayBhV. In Hessen ist die Beschränkung der Beihilfefähigkeit nicht in einer Verordnung, sondern nur in einer Verwaltungsvorschrift geregelt. Diese enthält – anders als die BayBhV – zudem eine nähere Beschreibung, was unter medizinischer Fußpflege zu verstehen ist, während eine derartige Einschränkung in der Anlage 3 zu § 19 BayBhV nicht enthalten ist.
Dementsprechend hat das Verwaltungsgericht Augsburg (U.v. 5.9.2013 – Au 2 K 13.497 – juris) zu dem mit Fußnote 13 der Anlage 3 zu § 19 BayBhV vergleichbaren Abschnitt 4 der Anlage 9 zu § 23 Abs. 1 der Verordnung über Beihilfe in Krankheits-, Pflege- und Geburtsfällen (Bundesbeihilfeverordnung – BBhV) entschieden, dass eine podologische Komplexbehandlung bei der Diagnose unguis incarnatus bei Vorliegen des Willebrand-Jürgens-Syndroms zur Vermeidung von Ulzerationen bzw. Gangrän, Fissuren und entzündlichen Schädigungen nicht beihilfefähig ist, da den Therapiemaßnahmen keine Diagnose des diabetischen Fußsyndroms zugrunde lag. Dieser Einschätzung schließt sich das Gericht an.
b) Zum anderen unterscheidet sich der dem Urteil des Verwaltungsgerichts Darmstadt zugrundeliegende Fall auch insoweit grundlegend von dem hier zu entscheidenden, als dort offenbar vom Arzt nicht „medizinische Fußpflege“, sondern eine „Ortonyxiespangentherapie“ verordnet worden war (vgl. juris Rn. 2).
2.5 Die Klägerin kann sich schließlich auch nicht darauf berufen, dass der Beklagte die Beihilfefähigkeit für die medizinische Fußpflege in der Vergangenheit bejaht habe.
a) Insbesondere ist nicht ersichtlich, welche Art der Heilbehandlung damals ärztlich verordnet worden war. Selbst wenn aber die damaligen ärztlichen Verordnungen der hier streitgegenständlichen entsprachen und auch die Rechtslage mit der hier maßgeblichen identisch gewesen sein sollte, könnte die Klägerin aus der bisherigen Beihilfegewährung keinen Anspruch ableiten, da die Bejahung der Beihilfefähigkeit in der Vergangenheit dann wohl zu Unrecht erfolgt wäre. Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) gebietet lediglich, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Art. 3 Abs. 1 GG gewährt dagegen keinen Anspruch auf eine Gleichbehandlung im Unrecht (vgl. BayVGH, B.v. 30.9.2014 – 9 ZB 11.1119 – juris Rn. 6; BVerwG, B.v. 22.4.1995 – 4 B 55/95 – juris Rn. 4 m. w. N.).
b) Auch Vertrauensschutz kann die Klägerin nicht geltend machen, da ihr mit Bescheid vom 19. November 2014 mitgeteilt worden war, dass dem Widerspruch der Klägerin ausnahmsweise und ohne Anerkennung einer Rechtspflicht letztmalig abgeholfen werde und gebeten wurde, künftig zu beachten, dass Aufwendungen für die medizinische Fußpflege nur bei der durch ärztliche Verordnung festgestellten Diagnose „Diabetisches Fußsyndrom“ beihilfefähig seien.
Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.
Rechtsmittelbelehrung:
Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München, Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München schriftlich beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen.
Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof, Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.
Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf EUR 182,70 festgesetzt (§ 52 Abs. 3 Gerichtskostengesetz -GKG-).
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 200,- übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München, Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.