Aktenzeichen M 6 K 15.50939
Leitsatz
Nimmt ein Mitgliedstaat ein Wiederaufnahmegesuch im Rahmen des Dublin-Verfahrens an und erfolgt die Überstellung nicht innerhalb von sechs Monaten, ist der zuständige Mitgliedstaat nicht mehr zur Aufnahme verpflichtet; die Zuständigkeit zur Durchführung des Asylverfahrens geht auf den ersuchenden Mitgliedstaat über. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I.
Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 29. Oktober 2015 (Gesch.-Z.: …) wird aufgehoben.
II.
Die Beklagte hat die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
Nach Anhörung des Klägers und wegen des Verzichts auf eine solche Anhörung in den allgemeinen Prozesserklärungen der Beklagten vom … Februar 2016 und … März 2016 konnte das Gericht im vorliegenden Fall gemäß § 84 Abs. 1 Sätze 1 und 2 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist.
Die zulässige Klage ist begründet.
Maßgeblich zur Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist nach § 77 Abs. 1 Satz 1 Asylgesetz – AsylG – wegen der Entscheidung ohne mündliche Verhandlung der Zeitpunkt, in dem der vorliegende Gerichtsbescheid erlassen wird.
Mit dieser Maßgabe ist der streitgegenständliche Bescheid vom 29. Oktober 2015 als rechtswidrig anzusehen und er verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Dabei kann die Frage „systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber“ in der Schweiz zum gegenwärtigen Zeitpunkt offen bleiben.
Denn die Überstellungsfrist nach Art. 29 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrag auf internationalen Schutz zuständig ist (sog. Dublin-III-VO), ist wegen der Annahme des Wiederaufnahmegesuchs durch die Schweiz am *** Juli 2015 während des vorliegenden gerichtlichen Verfahrens am *** Januar 2016 abgelaufen.
Damit ist die Schweiz nach Art. 29 Abs. 2 Satz 1 Dublin-III-VO nicht mehr zur Wiederaufnahme des Klägers verpflichtet und die Zuständigkeit für die Durchführung eines Asylverfahrens auf die Beklagte übergegangen (BVerwG, U. v. 27.4.2016 – 1 C 24.15 -). Diese hat weder vorgetragen noch nachgewiesen, dass die Schweiz dennoch zur Wiederaufnahme des Klägers bereit wäre.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist gemäß § 83b AsylG gerichtskostenfrei.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung hat ihre Rechtsgrundlage in § 167 Abs. 2, Abs. 1 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Gerichtsbescheid können die Beteiligten die Zulassung der Berufung innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
beantragen. Dem Antrag sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.
Der Antrag muss den angefochtenen Gerichtsbescheid bezeichnen. In dem Antrag sind die Gründe, aus denen die Berufung zuzulassen ist, darzulegen. Die Berufung kann nur zugelassen werden, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder der Gerichtsbescheid von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder ein in § 138 der Verwaltungsgerichtsordnung bezeichneter Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt.
Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.
Anstelle des Antrags auf Zulassung der Berufung können die Beteiligten innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Gerichtsbescheids beim Bayerischen Verwaltungsgericht München
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
mündliche Verhandlung beantragen.
Wird von beiden Rechtsbehelfen Gebrauch gemacht, findet mündliche Verhandlung statt.
Dem Antrag eines Beteiligten sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.