Aktenzeichen S 31 R 2389/14
SGB VI § 2
SGB XI § 71 Abs. 2 Nr. 1, § 72
Leitsatz
“Honorarkräfte”, die in einem zugelassenen Pflegeheim zusätzlich zu angestellten Mitarbeitern als Krankenpfleger tätig sind, üben eine abhängige Beschäftigung aus. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe
Die Klage ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.
Der angefochtene Bescheid vom 17.06.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.11.2014 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin daher nicht in ihren Rechten.
Der Beigeladene war im – hier ausschließlich streitgegenständlichen – Zeitraum vom 22. bis zum 29.03.2014 bei der Klägerin im Sinne von § 7 Abs. 1 SGB IV beschäftigt.
Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG, der die erkennende Kammer folgt, setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer in einem Verhältnis persönlicher Abhängigkeit zum Arbeitgeber steht. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist das der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann, vornehmlich bei Diensten höherer Art, eingeschränkt und zur „funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess“ verfeinert sein.
Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im wesentlichen freigestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet.
Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgegend ist das Gesamtbild der Arbeitsleistung.
Ausgehend von diesen Grundsätzen hat die Beklagte vorliegend zu Recht eine Beschäftigung angenommen.
Zur Überzeugung des Gerichts steht fest, dass der Beigeladene in die Betriebsorganisation der Klägerin eingegliedert war. Das ergibt sich bereits aus den gesetzlichen Regelungen über die Beziehungen der Pflegekassen zu den Pflegeeinrichtungen, insbesondere aus §§ 72, 71 Abs. 2 Nr. 1 SGB XI. Demnach sind Pflegeheime Einrichtungen, in denen Pflegebedürftige unter ständiger Verantwortung einer ausgebildeten Pflegefachkraft gepflegt werden. Gemäß § 72 Abs. 3 Satz 1 SGB XI dürfen Versorgungsverträge nur mit Pflegeeinrichtungen abgeschlossen werden, die die Gewähr für einen leistungsfähige und wirtschaftliche pflegerische Versorgung bieten und ein Qualitätsmanagement haben. Aus diesen Regelungen ergibt sich, dass alle in einem Pflegeheim tätigen Pflegekräfte sich an den Vorgaben des jeweiligen Pflegeheimes ausrichten und diese bei ihrer Tätigkeit beachten müssen (vgl. hierzu Urteil des LSG BadenWürttemberg vom 19.10.2012, Az.: L 4 R 761/11, Rn 47 in jurisDokument). Schon aus dem Zusammenspiel der gesetzlichen Regelungen ergibt sich also die Eingliederung in den Betrieb im Sinne von § 7 SGB IV. In dieses Bild fügt sich auch die Tatsache, dass der Beigeladene nicht im Auftrag der jeweiligen Bewohner tätig wurde, wie z.B. ein Friseur, den ein Bewohner zum Hausbesuch bestellt, sondern im Auftrag der und auf Rechnung für die Klägerin. Die Eingliederung in den Betrieb zeigt sich ferner daran, dass der Beigeladene bei Dienstantritt eine Übergabe von Pflegepersonal der Klägerin bekam und nach Dienstende seinerseits wieder an dieses Pflegepersonal übergeben hat. Ferner erstellte der Beigeladene auch die sogenannten Leistungsprotokolle im Rahmen der Pflegedokumentation auf der Hard- und Software der Klägerin.
Auch von einer Weisungsgebundenheit, wie sie typischerweise im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer besteht, ist vorliegend auszugehen. Diese lässt sich erkennen an der Einweisung, die der Beigeladene von der Pflegedienstleitung bei Beginn des jeweiligen Dienstes erhielt, etwa zu der Frage, welche Bewohner vom Beigeladenen versorgt werden sollten und wo welche Problematiken zu beachten seien. Die Tatsache, dass der Beigeladene für einzelne Tätigkeiten im Rahmen der Pflege keine detaillierten Anweisungen brauchte und auch nicht erhielt, führt nicht zu einer anderen Beurteilung, da dies auch bei einer angestellten Pflegefachkraft nicht notwendig ist. Aufgrund seiner Ausbildung weiß der Beigeladene selbst und ohne Einzelweisung, wie einzelne Pflegeschritte zu erfolgen haben und wie etwaige Behandlungsanordnungen des Hausarztes umzusetzen sind.
Das Gericht verkennt nicht, dass es vorliegend auch Merkmale gibt, die für eine selbständige Tätigkeit sprechen. So konnte der Beigeladene im Unterschied zu den bei der Klägerin tätigen Angestellten die Zeiträume wählen, in welchen er Leistungen für die Klägerin erbringen wollte. Dies ist allerdings nichts weiter als Ausfluss der allgemeinen Vertragsfreiheit, die auch jedem Arbeitnehmer freistellt, ob er ein Arbeitsverhältnis aufnehmen möchte, oder nicht. Hatte der Beigeladene sich allerdings einmal für einen bestimmten Zeitraum gegenüber der Klägerin verpflichtet, so war er innerhalb diese Zeitraumes nicht mehr frei, einzelne Aufträge abzulehnen. Der Mangel dieser Freiheit zeigt sich unter anderen in der Regelung des Honorarvertrages, wonach am 3. Krankheitstag eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorzulegen war. Dies ist eine für selbständig Tätige ungewöhnliche Regelung. Ferner war der Beigeladene bei Verrichtung der Dienste die einzige Fachkraft auf der jeweiligen Station und musste somit innerhalb des übernommenen Dienstes durch dauerhafte Präsenz die Vorgaben des SGB XI für den Betrieb der Klägerin sicherstellen.
Ein weiteres Kriterium für Selbständigkeit ist darin zu erblicken, dass der Beigeladene eigene Dienstkleidung trug und auch eigenes Arbeitsgerät einsetzte. Dabei handelte es sich allerdings nur um ein Fieberthermometer und ein Blutdruckmessgerät, weshalb auch diesem Indiz kein entscheidendes Gewicht zukommt.
Für Beschäftigung spricht andererseits wiederum, dass der Beigeladene während seiner Einsatzzeit auf der jeweiligen Station die einzige verantwortliche Pflegefachkraft war, und ihm die anwesenden Pflegehilfskräfte von der medizinischen Verantwortung her unterstellt waren. Darin zeigt sich deutlich, dass der Beigeladene auch in den hierarchischen Betriebsaufbau der Klägerin eingegliedert war.
Ferner spricht auch für Beschäftigung, dass der Beigeladene kein nennenswertes Unternehmerrisiko zu tragen hatte. Er hatte Investitionen nur in äußerst geringem Umfang tätigen müssen (Anschaffung eines Fieberthermometers und eines Blutdruckmessgerätes) und musste somit kein nennenswertes Risiko tragen, dass im Falle unternehmerischen Scheiterns die Investitionen zu erheblichen Verlusten führen würden. Auf der anderen Seite bot sich dem Beigeladenen auch keine nennenswerte unternehmerische Gewinnchance, da er pro Stunde bezahlt wurde. Dass das vereinbarte Stundenhonorar seiner Vorgabe entsprach, spricht zwar eher für Selbständigkeit, schließt aber die Annahme einer Beschäftigung auch nicht aus.
Auch die Tatsache, dass der Beigeladene nicht nur bei der Klägerin, sondern auch bei anderen Pflegeeinrichtungen tätig war, führt nicht dazu, dass die Tätigkeit im Status eines Selbständigen verrichtet worden wäre. Ein Arbeitnehmer kann mehrere Beschäftigungsverhältnisse nebeneinander haben, oder auch neben einer Beschäftigung selbständig tätig sein.
Die Gesamtabwägung ergibt daher vorliegend, dass der Beigeladene bei der Klägerin beschäftigt war.
Dieses Ergebnis entspricht auch der Rechtsprechung des Bayerischen LSG, vgl. Urteil vom 13.07.2005, Az.: L 5 KR 187/04, und des LSG Hamburg, Urteil vom 10.12.2012, Az.: L 2 R 13/09).
Die Klage war demnach in vollem Umfang abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 197 a SGG i.V.m. 154 VwGO.