Arbeitsrecht

Rückforderung von im Voraus entrichteten Dienstbezügen bei Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer

Aktenzeichen  AN 11 K 15.01249

Datum:
8.6.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BBesG BBesG § 12 Abs. 2
BGB BGB § 818 Abs. 3, 4, § 819, § 820 Abs. 1
SG SG § 46 Abs. 2 Nr. 7, § 55 Abs. 1
EStG EStG § 38 Abs. 2 S. 1, Abs. 3, § 41a Abs. 1

 

Leitsatz

Die Rückforderung von Bruttobezügen ist rechtskonform, da der Empfänger der Bezüge nach der steuerrechtlichen Regelung des § 38 Abs. 2 S. 1 EStG der Schuldner der Lohnsteuer und der Dienstherr als sein Arbeitgeber lediglich Zahlungsverpflichteter nach § 38 Abs. 3 und § 41a Abs. 1 EStG ist. Somit erlangt der Beamte durch die Abführung der Lohnsteuer seitens des Dienstherrn eine Bereicherung in Höhe der Befreiung von der Zahlungspflicht der Lohnsteuer nach § 38 Abs. 2 S. 1 EStG. (redaktioneller Leitsatz)
Der Anspruch auf Erstattung der Leistungen nach § 12 Abs. 2 S. 1 BBesG ist immer auf dasjenige gerichtet, was ungerechtfertigt erlangt wurde und ist damit inhaltsgleich mit der Bereicherung. Dass der Anspruchsverpflichtete eventuell durch den „Staat als solches“ damit zunächst im steuerrechtlichen Sinne ungerechtfertigt in Anspruch genommen wurde, führt nicht zu einer Minderung oder einem Entfallen des Rückerstattungsanspruchs in Höhe der abgeführten Steuer. (redaktioneller Leitsatz)
Bei einem wegen seiner erfolgreichen Kriegsdienstverweigerung entlassenen Soldaten tritt die Rechtsgrundlosigkeit der Leistung seiner Dienstbezüge erst aufgrund seiner Entlassung ein, weil er erst ab diesem Zeitpunkt positive Kenntnis von der Rechtsgrundlosigkeit der Leistung hat, denn erst die Entlassung und nicht die Stellung eines Antrags hierauf bedingt die Rechtsgrundlosigkeit. (redaktioneller Leitsatz)
Ein Soldat, der einen Kriegsdienstverweigerungsantrag stellt, kann sich nicht darauf berufen, gutgläubig davon ausgehen zu dürfen, seine monatlich im Voraus entrichteten Bezüge behalten zu können. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die erhobene Klage ist als Anfechtungsklage zwar zulässig, aber unbegründet, da der Rückforderungsbescheid vom 21. Februar 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. Juni 2015 rechtmäßig ist und den Kläger insoweit nicht in seinen eigenen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
I.
Die Klage ist zulässig. Die Erhebung der Klage erfolgte zwar nicht fristgerecht, da die Klagefrist nach § 74 Abs. 1 Satz 1 VwGO einen Monat nach Zustellung des Widerspruchsbescheids und somit am 3. August 2015 endete und ein Schriftsatz hier erst am 4. August 2015 einging.
Dem Kläger ist jedoch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 60 Abs. 1 VwGO zu gewähren. Hiernach ist auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert gewesen ist, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Dem Verschulden des Beteiligten selbst steht gemäß § 173 VwGO i. V. m. § 85 Abs. 2 ZPO das Verschulden seines ihn vertretenden Bevollmächtigten gleich. Grundsätzlich nicht zurechenbar ist das Verschulden von so genanntem „Hilfspersonal“, es sei denn den Bevollmächtigten des Beteiligten trifft bei der Auswahl, Anleitung oder der Organisation seines Hilfspersonals ein Verschulden (Schoch/Schneider/Bier VwGO § 60 Rn. 26 f. m. w. N.).
Ein Verschulden kann vorliegend jedoch nur dem vom Bevollmächtigten des Klägers eingestellten Büropersonal zur Last gelegt werden. Insofern hätte die Rechtsanwaltsfachangestellte entsprechend der Organisationsanweisung des Klägerbevollmächtigten die Faxnummer aus der sogenannten Handakte und nicht aus der EDV-Akte entnehmen müssen. Insofern darf angenommen werden, dass in der Handakte des Bevollmächtigten nur eine Faxnummer vorhanden gewesen ist und die Verwechslung mit der Faxnummer des beklagten Bundesverwaltungsamts der Beklagten dort nicht möglich gewesen wäre. Die Klägerseite hat jedenfalls mangelndes Verschulden an der Versäumung der Einhaltung der Frist nach § 60 Abs. 2 Satz 2 VwGO glaubhaft gemacht durch die Übersendung einer entsprechenden eidesstattlichen Versicherung, aus der sich ergibt, dass das Verschulden an der Nichteinhaltung der Klagefrist nur auf Seiten des Büropersonals liegt. Ein Organisationsverschulden oder ein Auswahlverschulden des Klägerbevollmächtigten bei der Auswahl oder Anleitung seiner Rechtsanwaltsfachangestellten bzw. bei der Organisation seiner Kanzlei ist vorliegend nicht feststellbar. Schließlich wurde der entsprechende Antrag auch noch am 4. August 2015 entsprechend § 60 Abs. 2 Satz 1 und Satz 3 VwGO und damit innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist von zwei Wochen gestellt.
II.
Die Klage ist allerdings unbegründet.
Der Rückforderungsbescheid vom 21. Februar 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. Juni 2015 ist formell und materiell rechtmäßig. Rechtsgrundlage für den Erlass des Rückforderungsbescheids ist § 12 Abs. 2 BBesG, welcher als lex specialis für besoldungsrechtliche Fragen dem allgemeinen öffentlichrechtlichen Erstattungsanspruch, wie er etwa in § 49a VwVfG niedergelegt ist, vorgeht (BVerwG v. 21.10.1999 – 2 C 11/99 – Rn. 20 ff. = BVerwGE 109, 365).
a) An der formellen Rechtmäßigkeit des Rückforderungsbescheids bestehen keine Zweifel, wenn auch den Akten nichts zu einer hierfür nach § 28 Abs. 1 VwVfG erforderlichen, vorherigen Anhörung zu entnehmen ist. Insofern ist nämlich nach § 45 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 VwVfG Heilung durch die ausführliche Auseinandersetzung mit den klägerseits vorgebrachten Einwendungen im Widerspruchsbescheid vom 23. Juni 2015 eingetreten.
b) Der Rückforderungsbescheid ist auch materiell rechtmäßig. Nach § 12 Abs. 2 Satz 1 BBesG regelt sich die Rückforderung von zu viel gezahlten Bezügen nach den Vorschriften des BGB über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung, soweit gesetzlich nichts Anderes bestimmt ist. Die Voraussetzungen einer ungerechtfertigten Bereicherung an sich sind vorliegend unstreitig. Der dem Kläger aus dem vormals bestehenden Soldatenverhältnis zukommende Anspruch auf Besoldung nach § 3 Abs. 1 Satz 1 BBesG endet nach § 3 Abs. 2 grundsätzlich mit Ablauf des Tages, an dem der Soldat aus dem Dienstverhältnis ausscheidet. Hier hatte der Kläger seine Bezüge für den Monat Oktober 2012 bereits im Voraus am 28. September 2012 in voller Höhe erhalten. Er wurde jedoch auf seinen eigenen Antrag auf Kriegsdienstverweigerung hin mit Ablauf des 8. Oktober 2012 entlassen. Somit endete sein Anspruch auf Besoldung mit Beginn des 9. Oktober 2012. Insofern erfolgte die Vorauszahlung seiner gesamten Monatsbezüge für den Zeitraum ab dem 9. Oktober 2012 ohne Rechtsgrund.
Die von der Klägerseite hiergegen vorgebrachten Einwendungen greifen nicht durch.
aa) Die Höhe des Rückforderungsbetrags in Höhe der anteiligen Bruttobezüge für den Zeitraum vom 9. Oktober 2012 bis zum 31. Oktober 2012 begegnet keinen Bedenken. Die Rückforderung von Bruttobezügen entspricht vielmehr höchstrichterlicher Rechtsprechung (BVerwG v. 8.10.1998 – 2 C 21/97 – Rn. 17 m. w. N. = NVwZ-RR 1999, 387). Dies ist auch nach Erachten des erkennenden Gerichts rechtskonform, da der Empfänger der Bezüge nach der steuerrechtlichen Regelung des § 38 Abs. 2 Satz 1 EStG der Schuldner der Lohnsteuer und der Dienstherr als sein Arbeitgeber lediglich Zahlungsverpflichteter nach § 38 Abs. 3 und § 41a Abs. 1 EStG ist. Somit erlangt der Beamte durch die Abführung der Lohnsteuer seitens des Dienstherrn eine Bereicherung in Höhe der Befreiung von der Zahlungspflicht der Lohnsteuer nach § 38 Abs. 2 Satz 1 EStG. Der Anspruch auf Erstattung der Leistungen nach § 12 Abs. 2 Satz 1 BGB geht jedoch immer auf dasjenige, was ungerechtfertigt erlangt wurde und ist damit inhaltsgleich mit der Bereicherung. Dass der Kläger eventuell durch den „Staat als solches“ damit zunächst im steuerrechtlichen Sinne ungerechtfertigt in Anspruch genommen wurde, führt nicht zu einer Minderung oder einem Entfallen des Rückerstattungsanspruchs in Höhe der abgeführten Steuer. Das von der Klägerseite angeführte Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG v. 11.10.1977 – 2 BvR 407/76 – Rn. 62 ff. = BVerfGE 46, 97) stellt in den vom Kläger in Bezug genommenen Passagen ein Sondervotum dar, was die erkennende Kammer nicht bindet. Dem Kläger steht es jedoch nach finanzgerichtlicher Rechtsprechung (vgl. etwa BFH v. 7.11.2006 – VI R 2/05 – Rn. 8 ff. m. w. N. = BStBl. II 2007, 315) offen, seine zunächst zugeflossenen und versteuerten Bezüge im Jahr der Rückzahlung im Rahmen einer Einkommensteuererklärung als negative Einkünfte bei seinen jetzigen Einkünften abzusetzen und somit einen Ausgleich für die in der Vergangenheit zu Unrecht gezahlte Steuer zu erhalten. Das erkennende Gericht teilt auch nicht die Rechtsansicht der Klägerseite, dass der Dienstherr immer verpflichtet ist, den Beamten von jeglichem aus den Feinheiten des Steuerrechts resultierenden Schaden freizustellen. Eine solche Schadensminderungspflicht gilt im vorliegenden Fall jedenfalls nicht. Ein Schaden des Klägers ist hier sowieso nur denkbar, wenn seine Einkünfte im Zeitpunkt des Zuflusses der zurückzuzahlenden Bezüge – mithin im Jahre 2012 – höher waren, als sie im Zeitpunkt der Rückzahlung sind. Sind andererseits die Einkünfte des Klägers im Zeitpunkt der Rückzahlung höher, als sie beim Erhalt der Bezüge im Jahre 2012 waren, so profitiert der Kläger im steuerlichen Sinne aufgrund des Progressionseffekts nunmehr von der Rückzahlung. Im Fall eines für den Kläger günstigen Progressionseffekts ist jedoch absehbar, dass der Kläger sich diesen selbst zuschreiben und einbehalten wird. Für das Gericht ist auch keinerlei Pflicht des Beamten erkennbar, diesen aus dem Steuerrecht und dem Progressionseffekt wurzelnden Vorteil an seinen Dienstherr abzuführen, denn im Hinblick hierauf dürfte es sich wohl kaum um eine vom Bereicherungsanspruch gemäß § 818 Abs. 1 BGB umfasste Nutzung halten. Faktisch wäre jedenfalls der Erstattung eines solchen Vorteils schon aufgrund des Steuergeheimnisses (§ 30 AO) jegliche praktische Durchsetzungsmöglichkeit ohne Mithilfe des Beamten entzogen. Für das Gericht ist es jedoch nicht einzusehen, warum der Beamte von einem eventuell positiven Progressionseffekt profitieren soll, der Dienstherr allerdings andererseits ihn vor negativen Progressionseffekten schützen soll.
Im Übrigen ist hier anzumerken, dass die Klägerseite noch nicht einmal im Ansatz irgendeine Form von steuerlichem Schaden angeführt hat. Ein solcher wäre auch erst konkret zu ermitteln, wenn die Rückzahlung vollstreckt wird. Im Hinblick darauf, dass die Klägerseite ausgeführt hat, dass der Kläger mittlerweile wieder als Arzt arbeitet, sieht das Gericht keinerlei Anlass anzunehmen, dass ihm ein konkreter Schaden entsteht. Schließlich verweist das Gericht darauf, dass in einem solchen Fall auch eventuell ein Wiederaufgreifen des Verfahrens in Betracht käme (OVG Berlin v. 15.6.2004 – 4 B 27.02 – Rn. 73 juris; BVerwG v. 8.10.1998 – 2 C 21/97 – Rn. 24 = NVwZ-RR 1999, 387).
bb) Der Kläger kann sich auch nicht mit Erfolg auf eine Entreicherung nach § 12 Abs. 2 Satz 1 BBesG, § 818 Abs. 3 BGB berufen. Hiernach ist die Verpflichtung zur Herausgabe des Erlangten ausgeschlossen, soweit der Empfänger nicht mehr bereichert ist. Vorliegend kann offen bleiben, ob überhaupt eine Entreicherung des Klägers eingetreten ist, denn ihm ist schon aus Rechtsgründen das Berufen auf eine Entreicherung verwehrt.
Das Gericht teilt hier allerdings ausdrücklich nicht die Rechtsmeinung der Beklagtenseite dahingehend, dass dem Kläger ein Berufen auf eine Entreicherung aufgrund der Vorschriften der § 819 Abs. 1 und § 818 Abs. 4 BGB wegen positiver Kenntnis der Rechtsgrundlosigkeit der Leistung bzw. wegen Offensichtlichkeit eines solchen Mangels nach § 12 Abs. 2 Satz 2 BBesG verwehrt ist. Nach § 819 Abs. 1 BGB ist nämlich Voraussetzung hierfür, dass der Mangel dem Empfänger bereits beim Empfang der Leistung positiv bekannt gewesen ist. Dies ist im vorliegenden Fall nicht anzunehmen. Die Beklagtenseite hat die Kenntnis des Klägers vom Vorliegen seines Antrags auf Kriegsdienstverweigerung mit der positiven Kenntnis (bzw. dem Kennenmüssen nach § 12 Abs. 2 Satz 3 BBesG) des Mangels eines Rechtsgrunds für die Leistung gleichgesetzt. Die Rechtsgrundlosigkeit der Leistung trat jedoch erst aufgrund der Entlassung des Klägers ein. Erst ab Zeitpunkt der Entlassung hat der Kläger positive Kenntnis von der Rechtsgrundlosigkeit der Leistung, denn erst die Entlassung und nicht die Stellung eines Antrags hierauf bedingt die Rechtsgrundlosigkeit. Diese Kenntnis trat nicht beim Empfang der Leistung – wie dies § 819 Abs. 1 BGB verlangt – am 28. September 2012 ein, sondern erst am 8. Oktober 2012 als dem Kläger seine Entlassung bekannt gegeben wurde. Wie § 819 Abs. 1 BGB ausführt, haftet der Empfänger im Falle einer späteren Kenntnis des Mangels erst ab dem Zeitpunkt dieser späteren Kenntnis.
Dennoch kann sich der Kläger aufgrund § 818 Abs. 4 und § 820 Abs. 1 BGB nicht auf eine Entreicherung berufen. Nach § 820 Abs. 1 Satz 2 BGB muss sich der Empfänger einer Leistung, die auf einem Rechtsgrund beruht, dessen Wegfall nach dem Inhalt des Rechtsgeschäftes von den Beteiligten als möglich erachtet wurde und dann tatsächlich weggefallen ist, wie derjenige behandeln lassen, gegenüber dem ein entsprechender Anspruch bereits rechtshängig geworden ist. Die Vorschrift ist zwar in erster Linie auf die zivilrechtliche Abwicklung von Vertragsverhältnissen hin formuliert worden, ist jedoch auch auf besoldungsrechtliche Ansprüche anwendbar (vgl. BVerwG v. 21.10.1999 – 2 C 27/98 – Rn. 27 ff. = NVwZ 2000, 445; Schwegmann/Summer BBesG § 12 Rn. 32). Hintergrund dieser Vorschrift im Zivilrecht ist, dass sich die Vertragspartner eine für beide Seiten (subjektiv) erkennbar unsichere Rechtsposition verschafft haben (vgl. MüKo BGB § 820 Rn. 1). Eine solche Situation liegt für das Gericht im Falle eines gestellten Antrags auf Kriegsdienstverweigerung vor. Sowohl für den Kläger als auch für die Beklagte war mit Stellung des Antrags auf Kriegsdienstverweigerung erkennbar, dass das Soldatenverhältnis als Rechtsgrund der im Voraus zu zahlenden Bezüge wegfallen könnte. Das deckt sich auch mit dem Sinn und Zweck des Entreicherungseinwands im Zivilrecht. Geschützt ist nämlich grundsätzlich nur derjenige Empfänger, der bei Empfang der Leistung (in gutem Glauben) davon ausgehen durfte, die Leistung behalten zu dürfen (vgl. Schwegmann/Summer BBesG § 12 Rn. 27a). Dies ist im Falle eines bereits gestellten Kriegsdienstverweigerungsantrags nicht der Fall. Der Soldat, der einen solchen Antrag stellt, kann sich nicht darauf berufen, gutgläubig davon ausgehen zu dürfen, seine monatlich im Voraus entrichteten Bezüge behalten zu können. Dies gilt schon deswegen, weil der Soldat mit Stellung dieses Antrages ja geradezu darauf hinarbeitet, das Soldatenverhältnis in der näheren Zukunft zu beenden. Damit muss sich der Soldat darüber klar sein, dass der Rechtsgrund für die von ihm verlangte Treuepflicht einerseits und denknotwendig auch für die Besoldungspflicht des Dienstherrn andererseits entfallen könnte. Führt sein Handeln nun gerade zu diesem von ihm herbeigesehnten Erfolg, so kann er sich nicht gegenüber dem Dienstherrn auf die Position zurückziehen, dass er mit diesem Erfolg nicht habe rechnen müssen. Genau dieses „für möglich halten“ wurde zum Inhalt des zugrundeliegenden Soldatenverhältnisses durch Stellung des Antrags auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer. Die Möglichkeit des Wegfalls ist im Rahmen des § 820 I 2 BGB auch nicht nur einseitig gebliebenes Motiv, sondern ebenso für den Dienstherrn erkennbare und für möglich gehaltene Geschäftsgrundlage geworden.
Auch das Bundesverwaltungsgericht sieht das Berufen auf den Entreicherungseinwand nach § 818 Abs. 3 BGB nach § 820 Abs. 1 Satz 2 BGB ausgeschlossen, wenn Bezüge im Voraus entrichtet werden und der Beamte im Laufe des Vorauszahlungszeitraums entlassen wird, auch wenn dies im Gegensatz zum erkennenden Gericht mit einem gesetzlich nicht fixierten Zahlungsvorbehalt des Fortbestehens des Dienstverhältnisses begründet wird (BVerwG v. 21.10.1999 – 2 C 27/98 – Rn. 37 = NVwZ 2000, 445).
cc) Schließlich ist der Rückforderungsbescheid auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer fehlerhaften Ermessensausübung zu beanstanden.
Nach § 12 Abs. 2 Satz 3 BBesG kann aus Billigkeitsgründen von der Rückforderung ganz oder teilweise abgesehen werden. Die Billigkeitsentscheidung nach der soeben genannten Vorschrift ist Ausdruck des ohnehin im Rückforderungsrecht geltenden Rechtsgrundsatzes von Treu und Glauben, wobei der Billigkeitsentscheidung denknotwendig vor allem dann eine erhebliche Bedeutung zukommt, wenn nicht ohnehin schon eine Entreicherung nach § 818 Abs. 3 BGB im Raum steht. Die Billigkeitsentscheidung nach § 12 Abs. 2 Satz 3 BBesG ist integraler und untrennbarer Bestandteil der Rückforderungsentscheidung nach § 12 Abs. 2 Satz 1 BBesG, weshalb die Fehlerhaftigkeit oder das gänzliche Fehlen einer solchen Entscheidung auch zur materiellen Rechtswidrigkeit der Rückforderungsentscheidung an sich führt (BVerwG v. 26.4.2012 – 2 C 15/10 – Rn. 29 = NVwZ-RR 2012, 930). Im Rahmen einer solchen Billigkeitsentscheidung sollen vor allem nochmals die Modalitäten des Rückforderungsanspruchs und die Bedeutung der Rückforderung für die Lebensumstände des Beamten gewürdigt werden. Es muss jedoch nicht die gesamte Rechtsbeziehung zwischen dem Beamten und seinem Dienstherrn nochmals abgewogen werden (BVerwG a. a. O. Rn. 24). Auf Seiten des Dienstherrn ist vor allem zu beachten, ob die zurückgeforderte Überzahlung überwiegend aus einem Verhalten bzw. aus Verschulden aus dem Verantwortungsbereich des Dienstherrn herrührt und dann eventuell die Rückzahlungsverpflichtungen zu kürzen ist, wobei bei überwiegender Verantwortung des Dienstherrn eine Kürzung um 30% im Regelfall angemessen ist (BVerwG a. a. O.).
Hiernach bestehen im vorliegenden Fall keine Bedenken im Hinblick auf eine Ermessensfehlerhaftigkeit. Der Rückforderungsbescheid vom 21. Februar 2013 enthält lediglich in seiner Anlage die äußerst knappe Formulierung, dass auch geprüft worden sei, ob aus Billigkeitsgründen nach § 12 Abs. 2 Satz 3 BBesG von einer Rückforderung abgesehen werden könnte, dies sei aufgrund der gegebenen Sach- und Rechtslage nicht möglich.
Vorliegend muss aber nicht geklärt werden, ob diese Formulierung bereits den Anforderungen an eine ermessensgerechte Billigkeitsentscheidung genügt. Denn jedenfalls hat sich die Behörde im Rahmen des Widerspruchsverfahrens nochmals ausführlich (dokumentiert im Widerspruchsbescheid vom 23. Juni 2015) mit Billigkeitserwägungen befasst und dem Kläger sogar eine Ratenzahlung gewährt.
Die Gewährung dieser Ratenzahlung genügt auch den Erfordernissen einer pflichtgemäßen Ermessensausübung, denn es sind keinerlei Gründe ersichtlich, dass die Überzahlung aus dem Verantwortungsbereich des Dienstherrn herrührt. Vielmehr ist der Kläger mit dieser Ratenzahlung bereits gut bedient, da der Grund für die Überzahlung aus seiner Sphäre herrührt. Auch die übrigen Aspekte, die die Klägerseite hier vorgebracht hat, führen nicht zu einer Rechtswidrigkeit der Ermessensentscheidung. Die Beklagtenseite muss sich insbesondere nicht mit dem Aspekt der nicht gewährten Versorgungsbezüge (in Form von Übergangsgebührnissen und Übergangsbeihilfe nach §§ 11 und 12 SVG) aufgrund des Ausscheidens aus dem Soldatenverhältnis wegen Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer befassen. Wie oben bereits ausgeführt, dient die Billigkeitsentscheidung des § 12 Abs. 2 Satz 3 BBesG eben gerade nicht dazu, noch einmal das gesamte Rechtsverhältnis zwischen dem Beamten und dem Dienstherrn erneut abzuwägen. Die Versagung von Versorgungsbezügen ist gesetzliche Folge von § 11 Abs. 1 bzw. § 12 Abs. 1 SVG. Hierüber erhielt der Kläger auch einen eigenständigen Bescheid vom 9. Juli 2015, in dem sein diesbezüglicher Antrag abgelehnt wurde. Wenn der Kläger mit dieser Entscheidung nicht einverstanden gewesen wäre, so wäre es ihm problemlos möglich gewesen, hiergegen gerichtlich vorzugehen. Es ist nicht Aufgabe der Billigkeitsentscheidung, dieses Unterlassen des Klägers für eine völlig andere Rechtsbeziehung – nämlich der Überzahlung von monatlichen Bezügen im Voraus – in irgendeine Form von Abwägung zu stellen. Die Argumentation der Klägerseite ist auch unter Gesichtspunkten der Gleichbehandlung abzulehnen. Es ist nämlich nicht einzusehen, warum Soldaten, welche als Kriegsdienstverweigerer anerkannt werden und zum Ablauf eines Monats entlassen werden, keinerlei Möglichkeit einer Billigkeitsentscheidung erhalten und Soldaten, die erst im Laufe eines Monats entlassen werden, eine solche zugesprochen werden soll. Beide Soldaten stehen jedoch vor dem gleichen finanziellen Problem der Nichtgewährung von Versorgungsbezügen.
Nach alledem ist die Klage abzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit basiert auf § 167 Abs. 2 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. Gründe für die Zulassung der Berufung nach § 124a Abs. 1 VwGO sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach,
Hausanschrift:
Promenade 24 – 28, 91522 Ansbach, oder
Postfachanschrift:
Postfach 616, 91511 Ansbach,
schriftlich zu beantragen.
Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist; die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift:
Ludwigstraße 23, 80539 M.;
Postfachanschrift:
Postfach 34 01 48, 80098 M., oder in
in Ansbach:
Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach
einzureichen.
Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn
ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
das Urteil von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz mit Befähigung zum Richteramt oder die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nrn. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 2.875,00 EUR festgesetzt.
Gründe:
Die Festsetzung des Streitwerts fußt auf §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 3 Satz 1 GKG.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 EUR übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde.
Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach,
Hausanschrift:
Promenade 24 – 28, 91522 Ansbach, oder
Postfachanschrift:
Postfach 616, 91511 Ansbach,
schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.

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