Aktenzeichen M 15 S 16.30899
Leitsatz
Versäumt es der Asylsuchende, dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge seine aktuelle Anschrift mitzuteilen, obwohl er über seine entsprechende Verpflichtung ordnungsgemäß belehrt worden ist, gilt die Zustellung unter der letzten bekannten Anschrift als bewirkt. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gründe
I.
Die am … geborene Antragstellerin ist nach eigenen Angaben ledige Staatsangehörige der Republik Senegal vom Volk der … und muslimischen Glaubens. Sie reiste nach eigenen Angaben am 4. Juni 2014 auf dem Landweg über Belgien in das Bundesgebiet ein und stellte dort am 1. Juni 2015 einen Asylantrag. Am gleichen Tag fand beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) ein persönliches Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedsstaates zur Durchführung des Asylverfahrens statt.
Mit Schreiben vom 13. Januar 2016 wurde die Antragstellerin zu ihrer persönlichen Anhörung für den 9. Februar 2016 geladen. Zu diesem Termin ist sie unentschuldigt nicht erschienen.
Mit Schreiben vom 19. Februar 2016 wurde der Antragstellerin nach § 25 Abs. 5 Satz 2 AsylG Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme zu ihren Asylgründen innerhalb eines Monats gegeben. Eine Äußerung hierauf erfolgte nicht.
Mit Bescheid vom 24. März 2016 lehnte das Bundesamt die Anträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Ziffer 1.) und auf Asylanerkennung (Ziffer 2.) als offensichtlich unbegründet ab, lehnte den Antrag auf subsidiären Schutz ab (Ziffer 3.), stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Ziffer 4.) und drohte der Antragstellerin mit einer Ausreisefrist von einer Woche die Abschiebung in den Senegal an (Ziffer 5.). Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wurde gemäß § 11 Abs. 7 AufenthG angeordnet und auf zehn Monate ab dem Tag der Ausreise befristet (Ziffer 6.). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Ziffer 7.).
Der Bescheid wurde mit Anschreiben vom 1. April 2016 an die Antragstellerin mit Postzustellungsurkunde übermittelt (Bl. 80 der Bundesamtsakte). Diese kam mit dem angekreuzten Vermerk Nr. 1.4.1 „Adressat unter der angegebenen Anschrift nicht zu ermitteln“ an das Bundesamt zurück.
Am … April 2016 ließ die Antragstellerin durch ihre Bevollmächtigten Klage erheben (Verfahren M 15 K 16.30897) und beantragen, den Bescheid des Bundesamtes vom 24. März 2016 aufzuheben und die Antragsgegnerin zu verpflichten, die Antragstellerin als Asylberechtigte anzuerkennen und ihr die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, hilfsweise, den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen, sowie hilfsweise festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG vorlägen.
Zugleich ließ sie beantragen,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Die Antragsgegnerin hat die Behördenakten vorgelegt ohne sich zum Antrag zu äußern.
Eine telefonische Anfrage des Berichterstatters bei der Ausländerbehörde … ergab, dass die Antragstellerin am 12. März 2015 in der M. Straße 6 in … untergebracht und von dort am 23. März 2015 in die G.-straße 25, … verlegt worden ist. Diese Anschrift ist auch in den Akten des Bundesamtes angegeben. Am 28. Oktober 2015 wurde die Antragstellerin in die B.-Straße 9-11, … verlegt.
Seit dem 17. November 2015 ist die Antragstellerin unbekannt verzogen. Gegenwärtig (Stand: 30. Mai 2016) hält sich die Antragstellerin nicht im Zuständigkeitsbereich des Landratsamtes … auf.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten in diesem Verfahren und im Verfahren M 15 K 16.30897 und auf die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist zwar statthaft, da der in der Hauptsache erhobenen Klage nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i. V. m. § 75 Abs. 1 AsylG keine aufschiebende Wirkung zukommt. Die Antragstellerin hat den Eilantrag aber nicht innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe des angegriffenen Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 24. März 2016 und damit nicht fristgerecht im Sinne von § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylG gestellt. Wiedereinsetzung in die Wochenfrist des § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylG ist nicht zu gewähren.
Der streitgegenständliche Bescheid gilt als der Antragstellerin spätestens am 6. April 2016 zugestellt. Die Antragsfrist endete folglich spätestens mit Ablauf des 13. April 2016 (vgl. § 57 Abs. 2 VwGO i. V. m. § 222 Abs. 1 ZPO, §§ 188 Abs. 2, 187 Abs. 1 BGB). Im Zeitpunkt des Eingangs des Eilantrags bei Gericht am 27. April 2016 war die Antragsfrist somit bereits abgelaufen.
Nach § 10 Abs. 1 AsylG hat der Ausländer während der Dauer des Asylverfahrens vorzusorgen, dass ihn Mitteilungen des Bundesamtes, der zuständigen Ausländerbehörde und der angerufenen Gerichte stets erreichen können. Insbesondere hat er jeden Wechsel seiner Anschrift den genannten Stellen unverzüglich anzuzeigen.
Gemäß § 10 Abs. 2 Satz 1 und 2 AsylG muss der Ausländer Zustellungen und formlose Mitteilungen unter der letzten Anschrift, die der jeweiligen Stelle aufgrund seines Asylantrags oder seiner Mitteilung bekannt ist, gegen sich gelten lassen, wenn er für das Verfahren weder einen Bevollmächtigten bestellt noch einen Empfangsberechtigten benannt hat oder diesen nicht zugestellt werden kann. Das Gleiche gilt, wenn die letzte bekannte Anschrift, unter der der Ausländer wohnt oder zu wohnen verpflichtet ist, durch eine öffentliche Stelle mitgeteilt worden ist.
Im vorliegenden Fall wurde dem Bundesamt die Anschrift „G.-straße 25, …“ mitgeteilt. Dies war die Adresse der Antragstellerin im Zeitpunkt der Asylantragstellung. An diese Anschrift ist der streitgegenständliche Bescheid auch adressiert worden.
Der Bescheid vom 24. März 2016 wurde der Antragstellerin wirksam zugestellt.
Kann eine Sendung dem Asylbewerber nicht zugestellt werden, so gilt die Zustellung gemäß § 10 Abs. 2 Satz 4 AsylG mit der Aufgabe zur Post als bewirkt, selbst wenn die Sendung – wie im vorliegenden Fall – als unzustellbar zurückkommt. Aufgrund dieser Bestimmung gilt der Bescheid des Bundesamtes vom 24. März 2016 als spätestens am 6. April 2016 an die Antragstellerin zugestellt, da ausweislich der Zustellungsurkunde an diesem Tag ein erfolgloser Zustellversuch erfolgt ist, weil die Antragstellerin unter der angegebenen Anschrift nicht zu ermitteln war. Die Anzeige der anwaltlichen Vertretung erfolgte erst am 20. April 2016 und damit nach der Zustellung.
Die Antragstellerin ist ausweislich des Verwaltungsvorgangs des Bundesamtes auch hinreichend über ihre Mitwirkungspflichten, insbesondere darüber belehrt worden, dem Bundesamt, der Ausländerbehörde und im Falle eines Gerichtsverfahrens auch dem Verwaltungsgericht jeden Wohnungswechsel umgehend mitzuteilen. Die Antragstellerin hat anlässlich der Asylantragstellung am 1. Juni 2015 den Gesetzestext u. a. des § 10 AsylG sowie eine ausführliche schriftliche Erläuterung sowohl in deutscher Sprache als auch in französischer Sprache erhalten. Damit ist sie ordnungsgemäß im Sinne von § 10 Abs. 7 AsylG auf ihre Obliegenheiten im Asylverfahren hingewiesen worden. Die Belehrung ist in verständlicher Sprache abgefasst und weist ausdrücklich auf die Pflicht hin, Adressänderungen – auch bei behördlich veranlasstem Umzug – mitzuteilen. Auch die Möglichkeit der Zustellung an die zuletzt mitgeteilte Adresse wird erwähnt.
Wiedereinsetzungsgründe wurden nicht geltend gemacht. Die Gewährung von Wiedereinsetzung von Amts wegen scheidet aus, da hierfür keine Gründe ersichtlich sind.
Der Vollständigkeit halber wird darauf hingewiesen, dass nach dem oben Gesagten auch die Klagefrist (§ 74 Abs. 1 AsylG) bereits abgelaufen und damit auch die Klage unzulässig ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).