Aktenzeichen M 9 S 16.1380
VwGO VwGO § 74 Abs. 1, § 80 Abs. 2, Abs. 5
Leitsatz
1 Der statthafte Rechtsbehelf im einstweiligen Rechtsschutz gegen Zwangsgeldandrohungen ist ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 80 Abs. 5 iVm § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO, da die Klage nach Art. 21a BayVwZVG keine aufschiebende Wirkung hat. (redaktioneller Leitsatz)
2 Die aufschiebende Wirkung ist nicht anzuordnen, wenn die Klage gegen die Zwangsgeldandrohung in der Hauptsachen keinen Erfolg haben wird, weil sie wegen Versäumung der Klagefrist unzulässig ist. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 4.000,00 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller wendet sich gegen die zu einer Anordnung der teilweisen Beseitigung eines Bauvorhabens ergangenen Zwangsgeldandrohungen und gegen die durch zwei darauf folgende Bescheide ausgesprochenen Zwangsgeldandrohungen.
Der Antragsteller ist Eigentümer der Grundstücke FlNrn. … und …, Gemarkung …, …weg … und … im Stadtgebiet der Antragsgegnerin (Baugrundstück). Am 14. März 2014 reichte der Antragsteller bei der Antragsgegnerin eine Bauvorlage für die Errichtung eines Doppelhauses, bestehend aus Haus 1 und Haus 2 auf dem Baugrundstück ein. Die Vorlage erfolgte zur Behandlung im Genehmigungsfreistellungsverfahren. Das Bauvorhaben wurde von der Antragsgegnerin daraufhin im Genehmigungsfreistellungsverfahren behandelt. Eine Baugenehmigung wurde zunächst nicht erteilt.
Nachdem bei einer Ortseinsicht von der Antragsgegnerin festgestellt worden war, dass die Bauausführung von der Planvorlage abweicht, wurden die Bauarbeiten mit Bescheid vom … Juli 2015 eingestellt.
Mit Bescheid vom … September 2015 wurde dem Antragsteller die Baugenehmigung für einen Tekturantrag vom 18. August 2015 erteilt (Nr. I. des Bescheids). In Nr. II. des Bescheids wurde dem Antragsteller aufgegeben, das Bauvorhaben bis spätestens 22. Oktober 2015 auf das in der Tekturgenehmigung enthaltene Maß zurückzubauen. In Nr. III. des Bescheids wurde die Anordnung in „Nr. I. a) bis I. b)“ des Bescheids für sofort vollziehbar erklärt.
Für den Fall der Nichteinhaltung der Anordnungen in „Nr. I. a) und I. b)“ wurde ein Zwangsgeld für Buchstabe a) in Höhe von 5.000,00 Euro und Buchstabe b) in Höhe von 1.000,00 Euro angedroht (Nr. IV). Der Bescheid wurde dem Antragsteller ausweislich der Postzustellungsurkunde unter der Adresse …straße …, … …, am 24. September 2015 zugestellt.
Mit Bescheid vom … November 2015 stellte die Antragsgegnerin die mit dem Bescheid vom … September 2015 angedrohten Zwangsgelder fällig. Darüber hinaus wurde für den Fall der Nichterfüllung von Nr. II. a) ein erneutes Zwangsgeld in Höhe von 8.000,00 Euro, für den Fall der Nichterfüllung von Nr. II. b) ein Zwangsgeld in Höhe von 3.000,00 Euro angedroht, falls die Erfüllung nicht bis zum 15. Dezember 2015 erfolgt.
Dieser Bescheid wurde dem Antragsteller ausweislich der Postzustellungsurkunde (Bl. 59 der Behördenakte) am 19. November 2015 unter der Adresse …straße …, … …, zugestellt.
Mit Bescheid vom … Februar 2016 stellte die Antragsgegnerin die mit Bescheid vom 16. November 2015 angedrohten Zwangsgelder fällig. Darüber hinaus wurden erneute Zwangsgelder angedroht. Für den Fall, dass der Antragsteller Nr. II. a) und Nr. II. b) des Bescheids vom … September 2015 nicht bis spätestens 31. März 2016 vollständig erfüllt, wurde ein Zwangsgeld für Nr. II. a) in Höhe von 10.000,00 Euro und für Nr. II. b) in Höhe von 5.000,00 Euro angedroht. In den Gründen des Bescheids wurde ausgeführt, dass die Forderungen aus dem Bescheid vom … September 2015 immer noch nicht vollständig erfüllt worden seien. Es sei daher erneut ein Zwangsmittel anzudrohen. Der Bescheid vom … Februar 2016 wurde dem Antragsteller ausweislich der Postzustellungsurkunde am 20. Februar 2016 unter der Adresse …straße 1a in … … zugestellt.
Mit Telefax vom Montag, den 21. März 2016 hat die Bevollmächtigte des Antragstellers Klage gegen die Antragsgegnerin erhoben (M 9 K 16.1373). Im Klageverfahren wurde beantragt,
„1. Die Bescheide der Beklagten vom … September 2015 (Zwangsgeldandrohung) und vom … November 2015 (Festsetzung des Zwangsgelds und erneute Zwangsgeldandrohung) betreffend das Bauvorhaben zur Errichtung eines Doppelhauses in …, …weg … und …, FlNrn. … und …, Gemarkung …, BV Nr. … werden aufgehoben.
2. Der Bescheid der Beklagten vom … Februar 2016, das gleiche Bauvorhaben betreffend, wird aufgehoben.“
Mit Telefax vom gleichen Tag beantragt die Bevollmächtigte des Antragstellers im vorliegenden Verfahren, die „Aussetzung der Vollziehung“ der im Klageantrag genannten Bescheide.
Zur Begründung von Klage und Antrag führte die Bevollmächtigte des Antragstellers aus, dass das Grundstück FlNr. … am 26. August 2014 an Frau … verkauft worden sei. Das Grundstück FlNr. … und das Grundstück FlNr. … seien am 29. Mai 2015 zunächst an Herrn … verkauft worden. Nach dessen Rücktritt vom Kaufvertrag sei das Grundstück mit Rohbau an Herrn … und Frau … verkauft worden. Der Antragsteller sei nach den Verkäufen lediglich als Bauleiter für Frau … tätig gewesen. Zu den Käufern … und … bestehe kein Bauleitervertrag. Die Beurkundungen der Verkäufe seien von den Notaren der Antragsgegnerin mitgeteilt worden, so dass auch der Bauherrenwechsel als gemeldet gelte. Der Antragsteller habe die in Nr. 1. des Klageantrags genannten Bescheide nicht erhalten. Er habe lediglich den Bescheid vom … Februar 2016 erhalten. Da ihm die ersten Bescheide nicht zugestellt worden seien, seien sie weder rechtskräftig noch die Folgebescheide zulässig.
Mit Schriftsatz vom 22. April 2016 nahm die Antragsgegnerin zur Klage und dem Eilantrag Stellung. Die Bescheide vom … September 2015 und vom … November 2015 seien bestandskräftig. Der Zugang sei durch Postzustellungsurkunden belegt. Der Antragsteller sei weiterhin Eigentümer des Baugrundstücks. Der Kaufvertrag mit Frau … über eine Teilfläche von ca. 270 m² aus dem Grundstück FlNr. … vom 27. August 2014 sei grundbuchrechtlich nicht vollzogen. Der Kaufvertrag mit Herrn … und Frau … vom 11. August 2015 über eine Teilfläche aus FlNr. … und … sei nicht zustande gekommen bzw. seien die Käufer vom Kaufvertrag zurückgetreten. Ein Bauherrenwechsel sei nicht erfolgt, ein solcher sei vom neuen Bauherrn anzuzeigen, dies sei bisher nicht geschehen. Der Antragsteller sei sowohl Zustandsals auch Handlungsstörer.
Zum weiteren Vorbringen der Parteien und zu den übrigen Einzelheiten wird auf die beigezogenen Behördenakten sowie die Gerichtsakte im vorliegenden Verfahren und im Verfahren M 9 K 16.1373 Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO ist unbegründet.
Bei der hier aufgrund der unklaren Antragstellung erforderlichen Auslegung der Anträge gemäß §§ 88, 86 VwGO ist davon auszugehen, dass mit dem vorliegenden Antrag die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Zwangsgeldandrohungen in Nr. IV des Bescheids vom … September 2015, die (erneuten) Zwangsgeldandrohungen in Nr. I des Bescheids vom … November 2015 und die (erneuten) Zwangsgeldandrohungen in Nr. I des Bescheids vom … Februar 2016 begehrt wird.
Diese Auslegung ergibt sich zunächst daraus, dass Gegenstand des Klageverfahrens nach der Antragstellung im Klageschriftsatz vom 21. März 2016 die Zwangsgeldandrohung in Ziffer IV. des Bescheids vom … September 2015 ist. Im Klageantrag wird ausdrücklich als Zusatz zu der Benennung des Bescheids vom … September 2015 in Klammern „Zwangsgeldandrohung“ genannt. Dies kann nur so verstanden werden, dass sich der Aufhebungsantrag lediglich auf Ziffer IV. des Bescheids vom … September 2015 bezieht. Eine Anfechtung des gesamten Bescheids vom … September 2015 entspräche auch nicht dem mutmaßlichen Willen des Antragstellers, da in Ziffer I. des Bescheids vom … September 2015 eine für ihn günstige Entscheidung in Form der Erteilung einer Baugenehmigung getroffen wurde. Nachdem ausdrücklich die Zwangsgeldandrohung im Klageantrag benannt ist, kann nicht davon ausgegangen werden, dass daneben auch noch die Beseitigungsanordnung bzw. Rückbauanordnung in Ziffer II. des Bescheids vom … September 2015 angefochten sein soll.
Hinsichtlich der Bescheide vom … November 2015 und vom … Februar 2016 ist zu Gunsten des Antragstellers davon auszugehen, dass sich die Anfechtungsklage wiederum ausschließlich auf die Zwangsgeldandrohungen bezieht. Soweit darüber hinaus im Klageantrag zum Bescheid vom … November 2015 die Festsetzung des Zwangsgeldes genannt wird, wäre eine Anfechtungsklage unzulässig, da es sich bei der bloßen Fälligstellung nicht um einen Verwaltungsakt handelt, sondern die bloße Mitteilung über den Eintritt der aufschiebenden Bedingung bezüglich des bereits mit Bescheid vom … September 2015 angedrohten Zwangsgeldes.
Der statthafte Rechtsbehelf im einstweiligen Rechtsschutz gegen Zwangsgeldandrohungen ist, nachdem die Klage gemäß Art. 21a VwZVG keine aufschiebende Wirkung hat, ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 80 Abs. 5 i.V.m. § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO, Art. 21a VwZVG.
Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Klage ganz oder teilweise anordnen, wenn es im Wege einer eigenen Ermessensentscheidung zum Ergebnis kommt, dass das Interesse des Antragstellers am vorläufigen Nichtvollzug das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts überwiegt. Die vom Gericht vorzunehmende Interessenabwägung hat sich dabei an den voraussichtlichen Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache zu orientieren, die das Gericht summarisch überprüft.
Im vorliegenden Fall überwiegt bei summarischer Überprüfung der Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache das behördliche Vollzugsinteresse, da die Anfechtungsklage gegen die Zwangsgeldandrohungen der Bescheide vom … September 2015, … November 2015 und … Februar 2016 voraussichtlich ohne Erfolg bleiben wird.
1. Soweit sich die Klage gegen die Zwangsgeldandrohungen im Bescheid vom … September 2015 und im Bescheid vom … November 2015 richtet, wird sie schon deshalb erfolglos bleiben, da sie wegen Versäumung der Klagefrist des § 74 Abs. 1 VwGO unzulässig ist.
Der Bescheid der Antragsgegnerin vom … September 2015 ist dem Antragsteller durch Postzustellungsurkunde vom 24. September 2015 (Bl. 46 der Behördenakte), der Bescheid vom … November 2015 durch Postzustellungsurkunde vom 19. November 2015 (Bl. 59 der Behördenakte) zugestellt worden. Die bloße Behauptung des Antragstellers, er habe die Bescheide nicht erhalten, kann die Wirkung der Postzustellungsurkunde, die den Zugang als öffentliche Urkunde belegt, nicht entkräften (BayVGH, B.v. 18.5.2011 – 11 ZB 10.2298 – juris Rn. 4). Aufgrund der vorgenannten Postzustellungsurkunden ist davon auszugehen, dass die Bescheide vom … September 2015 und vom … November 2015 dem Antragsteller an dem genannten Datum wirksam zugestellt wurden (Art. 3 Abs. 1 und Abs. 2 VwZVG i.V.m. § 180 ZPO). Es handelt sich bei der Zustellungsurkunde um eine öffentliche Urkunde (Art. 3 Abs. 2 Satz 1 VwZVG i.V.m. § 182 Abs. 1 Satz 2, § 418 Abs. 1 ZPO). Diese begründet grundsätzlich den vollen Beweis der darin bezeugten Tatsachen. Nach § 418 Abs. 2 ZPO kann zwar der Beweis der Unrichtigkeit der beurkundeten Tatsachen grundsätzlich geführt werden. Hierzu wäre jedoch ein substantiiertes geeignetes Vorbringen erforderlich. Ein bloßes Bestreiten des Zugangs reicht nicht aus (BayVGH, B.v. 28.6.2010 – 11 CS 10.340 – juris Rn. 13). Die Bevollmächtigte des Antragstellers hat im vorliegenden Fall schon nicht dargelegt, aus welchen Gründen ein Zugang beim Antragsteller nicht erfolgt sein sollte. Es fehlt somit an jeglichem Vorbringen, das einen Nichtzugang begründen könnte. Ein substantiiertes und geeignetes Vorbringen ist ohnehin nicht zu verzeichnen. Vielmehr ergibt sich aus den Ermittlungen der Antragsgegnerin, dass der Antragsteller zu den in den Postzustellungsurkunden genannten Zeitpunkten auch unter der Adresse gemeldet war, an die die Bescheide gesandt wurden.
Die einmonatige Klagefrist des § 74 Abs. 1 VwGO war für die genannten Bescheide daher bei Eingang der Klage am 21. März 2016 bereits seit langem abgelaufen. Wiedereinsetzungsgründe sind weder genannt noch sonst ersichtlich.
2. Soweit sich die Klage gegen die erneute Zwangsgeldandrohung im Bescheid vom … Februar 2016 richtet, ist diese zwar zulässig, da sie noch innerhalb der Klagefrist des § 74 Abs. 1 VwGO bei Gericht einging. Sie ist jedoch voraussichtlich unbegründet, da der Bescheid der Antragsgegnerin vom … Februar 2016 rechtmäßig ist und den Antragsteller nicht in seinen Rechten verletzt. Die erneute Zwangsgeldandrohung beruht in nicht zu beanstandender Weise auf Art. 36 VwZVG. Grundlage der Vollstreckung ist die Anordnung in Ziffer II. des Bescheids vom … September 2015, der aufgrund des Ablaufs der Rechtsbehelfsfrist bestandskräftig und damit gemäß Art. 19 Abs. 1 Nr. 1 VwZVG vollstreckbar ist. Das Zwangsgeld konnte gemäß Art. 36 Abs. 6 Satz 2 VwZVG erneut angedroht werden, da die vorherigen Zwangsgeldandrohungen ohne Erfolg blieben. Die Vollstreckung richtet sich auch weiterhin gegen den richtigen Adressaten. Der Kläger ist Eigentümer des Baugrundstücks, da eine Eigen-tumsänderung durch Eintragung im Grundbuch bisher nicht erfolgt ist (vgl. Bl. 83, 84 der Behördenakte). Die behauptete schuldrechtliche Übertragung des Baugrundstücks an Dritte ist für die Eigentümerstellung nicht von Bedeutung. Falls Dritte aufgrund eines Kaufvertrags ein Besitzrecht am Baugrundstück erlangt haben sollten, so würde die Beseitigungs- bzw. Rückbauanordnung gemäß Art. 54 Abs. 2 Satz 3 BayBO auch für diese gelten, so dass die Antragsgegnerin nicht an einer Vollstreckung gegenüber dem Eigentümer wegen entgegenstehender Rechte Dritter gehindert ist. Die Klage gegen die erneute Zwangsgeldandrohung im Bescheid vom … Februar 2016 wird somit ebenfalls ohne Erfolg bleiben, weshalb der vorliegende Antrag in vollem Umfang abzulehnen war.
Der Antragsteller hat als unterlegene Partei gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.7.1 und 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.