Verwaltungsrecht

Der Senegal ist ein sicherer Herkunftsstaat

Aktenzeichen  M 17 S 16.30708

Datum:
20.5.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 80 Abs. 5
AsylG AsylG § 3, § 4, § 29a
AufenthG AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1
GG GG Art. 16a

 

Leitsatz

Die Anerkennung als Asylberechtigter scheidet aus, wenn die Einreise auf dem Landweg – also aus einem sicheren Drittstaat – in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erfolgt. (redaktioneller Leitsatz)
Der Senegal ist ein sicherer Herkunftsstaat. Gegen diese Einstufung bestehen weder verfassungs- noch europarechtliche Bedenken. (redaktioneller Leitsatz)
Die allgemein harten Lebensbedingungen und ärmlichen Verhältnisse im Senegal begründen kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1 AufenthG. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.
Der Antragsteller ist senegalesischer Staatsangehöriger und dem Volke der Wolof zugehörig. Er reiste nach eigenen Angaben im Januar 2015 auf dem Landweg von Frankreich über die Schweiz in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 9. Februar 2015 Asylantrag.
Bei der Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am … März 2016 gab der Antragsteller im Wesentlichen an, der Grund, weshalb er seine Heimat verlassen habe, sei der Tod seiner Eltern. Ausschlaggebend für seine Ausreise seien die Strapazen im Senegal gewesen. Er habe auch eine kleine Schwester, für die er sorgen wolle. Er habe gedacht, dass er arbeiten gehen wolle. Pilger hätten ihn mit nach Mauretanien genommen. In Marokko habe er als Gelegenheitsarbeiter Geld verdient. Über … sei er nach … gelangt. Sein Leben im Senegal sei sehr hart gewesen. Er habe die Koranschule besucht und sei dann betteln gegangen. Eine Familie habe ihn als Patenkind aufgenommen und ihm etwas geholfen, z. B. Wäsche gewaschen. Er wolle in Deutschland bleiben und arbeiten. Er sei hier in der Schule und habe hier Frieden gefunden.
Mit Bescheid vom 23. März 2016, zugestellt mit Postzustellungsurkunde am 5. April 2016, lehnte das Bundesamt den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1) und auf Asylanerkennung (Nr. 2) als offensichtlich unbegründet ab, erkannte den subsidiären Schutzstatus nicht zu (Nr. 3) und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) nicht vorliegen (Nr. 4). Es forderte den Antragsteller auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen, anderenfalls wurde ihm die Abschiebung nach Senegal angedroht (Nr. 5). Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wurde gemäß § 11 Abs. 7 AufenthG angeordnet und auf 10 Monate ab dem Tag der Ausreise befristet (Nr. 6). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot wurde gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 7).
Zur Begründung führte das Bundesamt insbesondere aus, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung internationalen Schutzes und die Anerkennung als Asylberechtigter offensichtlich nicht vorlägen. Der Antragsteller stamme aus Senegal, einem sicheren Herkunftsstaat i. S. des Art. 16 a Abs. 3 Satz 1 GG, § 29 a Abs. 1 AsylG i. V. m. der Anlage II zum AsylG, so dass vermutet werde, dass er nicht verfolgt werde. Aus dem Vorbringen des Antragstellers sei nicht ersichtlich, dass sich bei vollständiger Würdigung des Sachverhaltes die Befürchtung ergebe, dass er bei einer Rückkehr nach Senegal Verfolgungshandlungen flüchtlings- und asylrechtlich erheblicher Intensität ausgesetzt wäre. Es sei daher auch nicht nur ansatzweise zu sehen, dass er sich in einer akuten Zwangslage befunden habe, die ihn zum Verlassen seines Herkunftslandes veranlasst haben könnte. Der Asylantrag sei auch als offensichtlich unbegründet zu qualifizieren, weil der Antragsteller auch mit Offensichtlichkeit nur aus wirtschaftlichen Gründen nach Deutschland gekommen sei (§ 30 Abs. 2 AsylG). Auch unter dem Blickwinkel des subsidiären Schutzes sei unter keiner denkbaren Betrachtungsweise ein Schutzbedarf erkennbar. Dem Antragsteller drohe auch in seinem Herkunftsland kein ernsthafter Schaden i. S. von § 4 AsylG. Abschiebungsverbote lägen ebenfalls nicht vor. Die derzeitigen humanitären Bedingungen in Senegal führten nicht zu der Annahme, dass bei Abschiebung des Antragstellers eine Verletzung von § 60 Abs. 5 AufenthG i. V. m. Art. 3 EMRK drohe. Es sei davon auszugehen, dass der Antragsteller als volljähriger gesunder Mann, auch ohne nennenswertes Vermögen und ohne familiären Rückhalt im Falle einer Rückkehr in der Lage wäre, durch Gelegenheitsarbeiten wenigstens ein kleines Einkommen zu erzielen und sich damit zumindest ein Leben am Rand des Existenzminimums zu finanzieren. Auch drohe dem Antragsteller keine individuelle Gefahr für Leib oder Leben, die zur Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 AufenthG führen würde. Nach Ausübung pflichtgemäßen Ermessens sei eine Festlegung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots auf 10 Monate angemessen, da keine schutzwürdigen Gründe vorgetragen worden seien und nach Aktenlage zu entscheiden gewesen sei. Im Fall der Abschiebung sei eine Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots auf 30 Monate angemessen. Im Übrigen wird auf die Begründung des Bescheids Bezug genommen.
Am 7. April 2016 erhob der Antragsteller zur Niederschrift des Urkundsbeamten Klage beim Verwaltungsgericht München (M 17 K 16.30707) mit den Anträgen, den Bescheid des Bundesamtes aufzuheben und die Antragsgegnerin zu verpflichten festzustellen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft vorliegen, die Antragsgegnerin zu verpflichten, den Antragsteller als Asylberechtigten anzuerkennen, die Antragsgegnerin zu verpflichten, den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen und die Antragsgegnerin zu verpflichten festzustellen, dass Abschiebeverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG vorliegen. Gleichzeitig beantragte er,
hinsichtlich der Abschiebungsandrohung in den Senegal die aufschiebende Wirkung der Klage gemäß § 80 Abs. 5 VwGO anzuordnen.
Zur Begründung nehme er Bezug auf seine Angaben gegenüber dem Bundesamt. Im Übrigen habe er im Senegal keine Familie mehr, die ihn im Falle einer Rückkehr unterstützen könnte. Zudem habe er gesundheitliche Probleme. So habe er öfters Schwierigkeiten, beim Einatmen genügend Luft zu bekommen. Ein ärztliches Attest werde er nach der erforderlichen ärztlichen Behandlung vorlegen.
Die Antragsgegnerin übersandte mit Schreiben vom 8. April 2016 die Behördenakten und stellte keinen Antrag.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte in diesem Verfahren und im Verfahren M 17 K 16.30707 sowie auf die vorgelegte Behördenakte verwiesen.
II.
Der Antrag hat keinen Erfolg.
Der Antrag, die kraft Gesetzes gemäß § 75 Asylgesetz (AsylG) ausgeschlossene aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung im streitgegenständlichen Bescheid des Bundesamtes nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) anzuordnen, ist zulässig. Die Wochenfrist des § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG ist eingehalten.
Der Antrag ist jedoch nicht begründet, da keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen (vgl. Art. 16a Abs. 4 Grundgesetz – GG, § 36 Abs. 4 AsylG).
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts liegen ernstliche Zweifel i. S. v. Art. 16 a Abs. 4 Satz 1 GG vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (BVerfG, U. v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – BVerfGE 94, 166 ff.).
Gemessen an diesen Grundsätzen bestehen hier keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der insoweit vom Bundesamt getroffenen Entscheidungen. Zur Begründung wird zur Vermeidung von Wiederholungen zunächst auf die Ausführungen im Bescheid des Bundesamts vom 23. März 2016 verwiesen (§ 77 Abs. 2 AsylG). Ergänzend ist wie folgt auszuführen:
Für das Gericht ist offensichtlich, dass der geltend gemachte Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und die Anerkennung als Asylberechtigte dem Antragsteller offensichtlich nicht zusteht.
Die Ablehnung des Antrags auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und Anerkennung als Asylberechtigter als offensichtlich unbegründet beruht auf § 29 a Abs. 1 AsylG. Nach dieser Vorschrift ist der Asylantrag eines Ausländers aus einem Staat i. S. d. Art. 16 a Abs. 3 Satz 1 GG (sicherer Herkunftsstaat) als offensichtlich unbegründet abzulehnen, es sei denn, die von dem Ausländer angegebenen Tatsachen oder Beweismittel begründen die Annahme, dass ihm abweichend von der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat politische Verfolgung droht. Das Heimatland des Antragstellers, Senegal, ist ein sicherer Herkunftsstaat in diesem Sinne (vgl. § 29 a Abs. 2 AsylG i. V. m. Anlage II). Die Gerichte sind an diese Einstufung gebunden, es sei denn, sie sind der Überzeugung, dass sich die Einstufung als verfassungswidrig erweist (BVerfG, U. v. 14.5.1996 – 2 BvR 1507/93 – BVerfGE 94, 115 ff Rn. 65). Gegen die Einstufung Senegals als sicherer Herkunftsstaat bestehen weder verfassungsrechtliche noch europarechtliche Bedenken.
Der Antragsteller hat die durch § 29 a AsylG normierte Nichtverfolgungsvermutung auch nicht durch den schlüssigen Vortrag von individuellen Verfolgungstatsachen erschüttern können. Die von dem Antragsteller angegebenen Tatsachen und Beweismittel begründen gerade nicht die Annahme, dass ihm abweichend von der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat politische Verfolgung droht.
Der Antragsteller kann gemäß Art. 16 a Abs. 2 GG i. V. m. § 26 a Abs. 1 AsylG schon deshalb offensichtlich nicht als Asylberechtigter anerkannt werden, weil er nach eigenem Vortrag aus Frankreich über die Schweiz eingereist und daher über einen sicheren Drittstaat im Sinne des Art. 16 a Abs. 2 GG i. V. m. § 26 a Abs. 2 AsylG nach Deutschland gelangt ist. Darüber hinaus kann gemessen an seinem Vortrag von einer (vom Staat ausgehenden) politischen Verfolgung im Sinne des Art. 16 a GG offensichtlich nicht die Rede sein.
Das Vorbringen des Antragstellers enthält keinerlei Anhaltspunkte für die Bejahung einer Vorverfolgung, denn als Verfolgung i. S. von § 3 Abs. 1 AsylG gelten Handlungen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen. Derartige schwerwiegende Verletzungshandlungen hat der Antragsteller nicht dargelegt. Zudem ist keinerlei Anknüpfung an die für die Flüchtlingseigenschaft maßgeblichen Merkmale des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG zu erkennen. Danach bedarf es einer begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe.
Das Bundesamt hat im Übrigen auch zu Recht die Zuerkennung subsidiären Schutzes (§ 4 AsylG) und das Vorliegen von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG abgelehnt. Das Gericht nimmt daher auch insoweit auf die Begründung des Bundesamts Bezug (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Allein wegen der harten Lebensbedingungen und allgemein bestehenden ärmlichen Verhältnisse im Senegal vermag sich der Antragsteller weder auf § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG noch auf § 60 Abs. 5 AufenthG unter Berücksichtigung von Art. 3 EMRK zu berufen. Die Abschiebung trotz schlechter humanitärer Verhältnisse kann nur in sehr außergewöhnlichen Einzelfällen als unmenschlich oder erniedrigende Behandlung zu bewerten sein und die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 AufenthG i. V. m. Art. 3 EMRK erfüllen (BVerwG, U. v. 31.01.2013 – 10 C 15.12 – NVwZ 2013, S. 1167ff. – juris Rn. 23 – 26 sowie Rn. 38; VGH BW, U. v. 24.07.2013 – A 11 S 697/13 m. w. N.). Anhaltspunkte dafür, dass dem Antragsteller eine Existenzgrundlage bei seiner Rückkehr gänzlich fehlen würde, sind nicht ersichtlich. Die humanitären Bedingungen für Rückkehrer sind grundsätzlich nicht als derart schlecht zu bewerten, dass diese den Schweregrad einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRGK aufweisen.
Was insbesondere § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG anbetrifft, fehlt es an einer erheblichen konkreten Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit. Der vom Antragsteller im Parallelverfahren M 17 K 16.30724 vorgelegte Arztbrief vom … August 2015 enthält die Diagnosen J45.8V Verdacht auf Asthma bronchiale intrinsicum et extrinsicum sowie L29.9G Juckreiz. Beides sind keine Erkrankungen, die nach einer Rückkehr in den Senegal alsbald zu lebensbedrohlichen Zuständen führen könnten oder nicht behandelbar wären.
Vor diesem Hintergrund ist auch die nach Maßgabe der §§ 34, 36 Abs. 1 Satz 1 AsylG i. V. m. § 59 AufenthG erlassene Abschiebungsandrohung nicht zu beanstanden. Die gesetzte Ausreisefrist entspricht der Regelung in § 36 Abs. 1 AsylG.
Der Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO, § 83 b AsylG abzulehnen.
Dieser Beschluss ist nach § 80 AsylG unanfechtbar.

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