Aktenzeichen M 23 K 14.31198
Leitsatz
Selbst wenn der Vortrag des Klägers, mehrfach durch staatliche Grenzbeamte geschlagen und misshandelt worden zu sein, zutreffen sollte, ist ihm ein Ausweichen auf andere Landesteile Pakistans möglich. Selbst führende Mitglieder der JKLF können sich in anderen Landesteilen niederlassen. (redaktioneller Leitsatz)
Weder in Pakistan noch in Azad Kaschmir liegt gegenwärtig ein bewaffneter innerstaatlicher Konflikt vor. Die Gefahrendichte ist nicht so hoch, dass praktisch jede Zivilperson dort allein aufgrund ihrer Anwesenheit einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I.
Das Verfahren wird eingestellt, soweit der Kläger die Klage zurückgenommen hat.
II.
Die Klage wird abgewiesen.
III.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
IIII.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
Das Gericht konnte trotz Ausbleibens eines Vertreters der Beklagten über die Sache verhandeln und entscheiden, da die Beklagte ordnungsgemäß geladen und in der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden war (§ 102 Abs. 2 VwGO).
Soweit der Bevollmächtigte des Klägers in der mündlichen Verhandlung die Klage in Bezug auf die Anerkennung als Asylberechtigter zurückgenommen hat, war das Verfahren einzustellen, § 92 Abs. 3 VwGO.
Die im Übrigen zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger hat weder einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG noch auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis 3 AsylG. Auch auf die Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG hinsichtlich Pakistans besteht kein Anspruch. Der angefochtene Bescheid des Bundesamts ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Klage war daher abzuweisen.
Zugunsten des Klägers legt das Gericht den Klageantrag darüber hinaus gemäß § 88 VwGO dahingehend aus, dass nicht auch die Aufhebung des Offensichtlichkeitsausspruchs in Nummern 1 und 2 des Bescheids beantragt wurde, da ein solcher Antrag mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig wäre. Das Rechtsschutzinteresse an der Aufhebung des Offensichtlichkeitsausspruches reicht nur soweit, wie auch die Sperrwirkung des § 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG reicht, mithin sich nur auf eine Ablehnung als offensichtlich unbegründet beziehen, die konkret auf § 30 Abs. 3 AsylG gestützt ist. Maßgeblich dafür, ob der Asylantrag gerade wegen § 30 Abs. 3 AsylG abgelehnt wurde, ist der Inhalt des Bundesamtsbescheides; dieser muss sich ausdrücklich auf § 30 Abs. 3 AsylVfG beziehen (vgl. VG Düsseldorf, U.v. 12.3.2015 – 6 K 8197/14.A.; VG Münster, U.v. 20.1.2015 – 2 K 1355/12.A. – jeweils juris m. w. N.). Dies ist vorliegend nicht der Fall; der Bescheid bezieht sich vielmehr ausschließlich auf § 30 Abs. 1 und 2 AsylG.
Maßgeblich für die Entscheidung ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG).
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG, da er sich nicht aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb seines Herkunftslands befindet.
Als Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG gelten Handlungen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen gemäß Art. 15 Abs. 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685, 953) – EMRK – keine Abweichung zulässig ist, oder Handlungen, die in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher Weise betroffen ist, vgl. § 3a Abs. 1 AsylG. Als Verfolgung in diesem Sinne können unter anderem die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt gelten (§ 3a Abs. 2 Nr. 1 AsylG), gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden (§ 3a Abs. 2 Nr. 2 AsylG), oder unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung (§ 3a Abs. 2 Nr. 3 AsylG). Die Prüfung der Verfolgungsgründe ist in § 3b AsylG näher geregelt. Bei der Bewertung der Frage, ob die Furcht eines Ausländers vor Verfolgung begründet ist, ist es danach unerheblich, ob er tatsächlich die Merkmale der Rasse oder die religiösen, nationalen, sozialen oder politischen Merkmale aufweist, die zur Verfolgung führen, sofern ihm diese Merkmale von seinem Verfolger zugeschrieben werden, § 3b Abs. 2 AsylG. In § 3a Abs. 3 AsylG ist geregelt, dass eine Verknüpfung zwischen den Verfolgungsgründen im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG i. V. m. § 3b AsylG und den Verfolgungshandlungen im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG i.V.m § 3a Abs. 1 und 2 AsylG bestehen muss.
Die Verfolgung im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG kann gemäß § 3c AsylG ausgehen von dem Staat, von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder von nichtstaatlichen Akteuren, sofern die zuvor genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht. Schutz vor Verfolgung kann gemäß § 3d Abs. 1 AsylG nur geboten werden vom Staat oder von Parteien oder Organisationen einschließlich internationaler Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, sofern sie willens und in der Lage sind, wirksamen und nicht nur vorübergehenden Schutz zu gewähren, vgl. § 3d Abs. 2 Satz 1 AsylG. Generell ist ein solcher Schutz gewährleistet, wenn die genannten Akteure geeignete Schritte einleiten, um die Verfolgung zu verhindern, beispielsweise durch wirksame Rechtsvorschriften zur Ermittlung, Strafverfolgung und Ahndung von Handlungen, die eine Verfolgung darstellen, und wenn der Ausländer Zugang zu diesem Schutz hat, § 3d Abs. 2 Satz 2 AsylG. Gemäß § 3e Abs. 1 AsylG wird dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn eine sogenannte interne Schutzalternative besteht, weil er in einem Teil seines Herkunftslands keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt.
Nach Art. 4 Abs. 4 Richtlinie 2011/95/EU ist die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits verfolgt wurde bzw. von solcher Verfolgung unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Antragstellers vor Verfolgung begründet ist, es sei denn stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Antragsteller erneut von solcher Verfolgung bedroht wird. Diese Regelung privilegiert den von ihr erfassten Personenkreis durch eine Beweiserleichterung, nicht aber durch einen herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab, wie er in der deutschen asylrechtlichen Rechtsprechung entwickelt worden ist. Die Vorschrift begründet für die von ihr begünstigten Antragsteller eine widerlegbare Vermutung dafür, dass sie erneut von einer solchen Verfolgung bedroht sind. Dadurch wird der Vorverfolgte von der Notwendigkeit entlastet, stichhaltige Gründe dafür dazulegen, dass sich die verfolgungsbegründenden Umstände bei Rückkehr in sein Herkunftsland erneut realisieren werden. Ob die Vermutung durch „stichhaltige Gründe“ widerlegt ist, obliegt tatrichterlicher Würdigung im Rahmen freier Beweiswürdigung (vgl. BVerwG, U.v. 27.4.2010 – 10 C 5/09 – BVerwGE 136, 377 – in Bezug auf den wortgleichen Art. 4 Abs. 4 Richtlinie 2004/83 EG). Die Beweiserleichterung nach Art. 4 Abs. 4 Richtlinie 2011/95/EU kommt dem vorverfolgten Antragsteller auch bei der Prüfung zugute, ob für ihn im Gebiet einer internen Schutzalternative gemäß § 3e AsylG (vgl. vormals Art. 8 Abs. 1 Richtlinie 2004/83/EG) keine begründete Furcht vor Verfolgung besteht (vgl. BVerwG, U.v. 5.5.2009 – 10 C 21/08 – NVwZ 2009, 1308 in Bezug auf Art. 8 Abs. 1 Richtlinie 2004/83/EG). Mit Blick auf den Normzweck der Beweiserleichterung erscheint es nicht nachvollziehbar, der Prüfung internen Schutzes als Ausdruck der Subsidiarität des Flüchtlingsschutzes einen strengeren Maßstab zugrunde zu legen als der systematisch vorgelagerten Stellung der Verfolgungsprognose. Die hinter der Beweiserleichterung stehende Teleologie – der humanitäre Charakter des Asyls – verbietet es, einem Schutzsuchenden, der das Schicksal der Verfolgung bereits einmal erlitten hat, das Risiko einer Wiederholung solcher Verfolgung aufzubürden (BVerwG, U.v. 5.5.2009 – 10 C 21/08 – NVwZ 2009, 1308).
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts muss auch in Asylstreitigkeiten das Gericht die volle Überzeugung von der Wahrheit – und nicht etwa nur der Wahrscheinlichkeit – des vom Kläger behaupteten individuellen Schicksals erlangen, aus dem er seine Furcht vor politischer Verfolgung herleitet. Wegen der häufig bestehenden Beweisschwierigkeiten des Asylbewerbers kann schon allein sein eigener Sachvortrag zur Asylanerkennung führen, sofern sich das Tatsachengericht unter Berücksichtigung aller Umstände von dessen Wahrheit überzeugen kann (BVerwG, B.v. 21.7.1989 – 9 B 239/89 – InfAuslR 1989, 349). Das Tatsachengericht darf dabei berücksichtigen, dass die Befragung von Asylbewerbern aus anderen Kulturkreisen mit erheblichen Problemen verbunden ist (vgl. BVerwG, B.v. 21.7.1989, a. a. O.). Der Asylbewerber befindet sich typischerweise in Beweisnot. Er ist als „Zeuge in eigener Sache“ zumeist das einzige Beweismittel. Auf die Glaubhaftigkeit seiner Schilderung und die Glaubwürdigkeit seiner Person kommt es entscheidend an. Wer durch Vortrag eines Verfolgungsschicksals um Asyl nachsucht, ist in der Regel der deutschen Sprache nicht mächtig und deshalb auf die Hilfe eines Sprachmittlers angewiesen, um sich mit seinem Begehren verständlich zu machen. Zudem ist er in aller Regel mit den kulturellen und sozialen Gegebenheiten des Aufnahmelands, mit Behördenzuständigkeiten und Verfahrensabläufen sowie mit den sonstigen geschriebenen und ungeschriebenen Regeln, auf die er nunmehr achten soll, nicht vertraut. Es kommt hinzu, dass Asylbewerber, die alsbald nach ihrer Ankunft angehört werden, etwaige physische und psychische Auswirkungen einer Verfolgung und Flucht möglicherweise noch nicht überwunden haben, und dies ihre Fähigkeit zu einer überzeugenden Schilderung ihres Fluchtgrunds beeinträchtigen kann (BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – NVwZ 1996, 678).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze konnte das Gericht nicht die Überzeugung gewinnen, dass das Leben oder die Freiheit des Klägers in seinem Herkunftsland im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG bedroht ist. Der Kläger wird auch nicht wegen seiner (vermeintlichen) politischen Überzeugung, vgl. § 3b Abs. 2 AsylG, verfolgt.
Das Gericht hält den Vortrag des Klägers in Bezug auf die Ausführungen zu seiner Verfolgung für unglaubhaft. Die Angaben des Klägers zu einer Verfolgung als zumindest vermeintlicher Sympathisant der JKLF durch staatliche Stellen sind in sich widersprüchlich und vage. Eine eigene Mitgliedschaft des Klägers für die JKLF hat der Kläger selbst nicht behauptet. Soweit er insoweit auf sein damals jugendliches Alter verweist, erscheint dies nicht nachvollziehbar, da der Kläger nach seinen eigenen Angaben 1985 geboren ist und damit unabhängig von der Frage der eindeutigen zeitlichen Einordnung der behaupteten Vorfälle zumindest volljährig war. Bezüglich der Mitgliedschaft des Onkels des Klägers für die JKLF sind die Angaben des Klägers widersprüchlich. So gab er bei seiner Befragung durch das Bundesamt an, dass sein Onkel der Organisation JKLF angehört habe und dieser wegen seiner Zugehörigkeit zu dieser Bewegung von pakistanischen Kräften aus dem Haus geholt, auf der Straße verprügelt und erschossen worden sei. Bei seiner informatorischen Anhörung durch das Gericht gab der Kläger hingegen an, dass er nicht wisse, ob sein Onkel Mitglied der Partei JKLF gewesen sei. Er sei damals noch ein Kind gewesen. Sein Onkel sei schon sehr früh gestorben, er sei damals ca. neun oder zehn Jahre alte gewesen. Auf Vorhalt der Widersprüche zu den Daten verbesserte der Kläger, dass sein Onkel 2009 gestorben sei. Erklärungen zu den, auch zeitlich, widersprüchlichen Aussagen konnte der Kläger nicht geben. Auch die Angaben des Klägers zu seinem Ausreisedatum variieren erheblich. Während der Kläger bei der Vernehmung durch die Polizei am 4. Juli 2012 erklärte, Pakistan vor ca. 90 Tagen verlassen zu haben, gab er bei der Anhörung vor dem Bundesamt an, dass er im Januar oder Februar 2010 Pakistan verlassen habe und ca. 1 ½ Jahre auf der Flucht gewesen sei bis zu seiner Einreise im Juli 2012 in die Bundesrepublik Deutschland. Auch diese Widersprüche konnte der Kläger trotz Nachfrage in der mündlichen Verhandlung nicht aufklären. Auch konnte der Kläger den bei der Anhörung durch das Bundesamt geschilderte Vorfall unmittelbar im Anschluss an die angebliche Ermordung seines Onkels im Rahmen der informatorischen Anhörung nicht detaillierter darlegen; vielmehr machte der Kläger insoweit ausschließlich Ausführungen zu allgemeinen Konflikten mit der pakistanischen Grenzpolizei. Der Kläger gab hierzu an, dass die pakistanische Grenzpolizei mehrfach zu ihnen gekommen sei, da ihr Wohnhaus in unmittelbarer Nähe zur Grenze gestanden habe. Manchmal hätten diese nur mit ihnen geredet. Manchmal hätten sie aber auch getreten. Er habe Narben im Gesicht von damals. Sie hätten der Familie vorgeworfen, dass sie spionieren würden. Sein Onkel und sein Vater seien öfter über die Grenze gegangen, um Dinge aus dem alten Haus, das auf der anderen Seite lag, zu holen. Schließlich sind auch die Aussagen in Bezug auf den Vater des Klägers widersprüchlich. Während der Kläger vor dem Bundesamt angab, dass er seinen Vater seit 2010 nicht mehr gesehen habe, führt er bei seiner informatorischen Anhörung an, dass er von seiner Schwester telefonisch erfahren habe, dass sein Vater im Jahr 2012 verstorben sei. Bis dahin habe der Vater gemeinsam mit der Tante und der Schwester zusammengelebt.
Aufgrund dieses in sich widersprüchlichen und vagen Vortrags kann nicht auf eine politische Verfolgung des Klägers geschlossen werden. Das Gericht hält weder den Vortrag des Klägers zur Mitgliedschaft seines Onkels bei der JKLF, geschweige denn die Ausführungen des Klägers zu seiner eigenen Verfolgung aufgrund dieser Mitgliedschaft und seiner vermuteten politischen Nähe für glaubhaft. Eine abschließende Klärung der damaligen und aktuellen Verfolgungssituation der Mitglieder der JKLF, die für die Unabhängigkeit Kaschmirs eintritt, war daher nicht erforderlich. Wobei festzustellen ist, dass es nach den, dem Gericht vorliegenden Erkenntnismitteln über die Jahre immer wieder Verfolgungen – auch staatlicherseits – der Mitglieder der JKLF in unterschiedlicher Ausprägung gab (vgl. Bericht von Accord vom 7.5.2012: „Pakistanadministered Kashmir (Azad Kashmir and Gilgit-Balistan)“; VG Augsburg, U.v. 14.4.2004 – Au 6 K 03.30032; B.v. 30.1.2003 – Au 6 S 03.30033; BayVGH B.v. 14.7.1998 – 21 BA 95.32783 – jeweils juris). Auch die Herkunftsländerinformation Pakistan des EASO, Stand August 2015, führt aus, dass der Inter-Services Intelligence (ISI) in den Jahren 2012/13 propakistanische islamistische Gruppen unterstützte, um Unabhängigkeitsbewegungen wie die JKLF auszuschalten. Nach der Auskunft des Auswärtigen Amts an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vom 26.11.2014 soll die aktuelle Situation für Mitglieder der JKLF jedoch entspannter sein und sie kämen nicht mehr aufgrund ihrer Einstellung zum Kaschmir-Konflikt in Schwierigkeiten mit den Sicherheitskräften (a. a. O., Frage Nr. 1).
Die Ausführungen des Klägers zu wiederholten Übergriffen durch staatliche Stellen gegen die Bewohner insbesondere des grenznahen Bereichs können nicht zu einer Zuerkennung einer Flüchtlingseigenschaft i. S. d. § 3 AsylG führen, da es insoweit bereits am Vorliegen eines Verfolgungsgrunds im Sinne des § 3 AsylG fehlt.
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis 3 AsylG. Nach § 4 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer subsidiärer Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt dabei die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG; vgl. § 60 Abs. 3 AufenthG a. F.), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG; vgl. § 60 Abs. 2 AufenthG a. F.) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG; vgl. § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG a. F.). Für die Zuerkennung subsidiären Schutzes im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylG gelten nach § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG die §§ 3c bis 3e AsylG entsprechend. Damit werden die dortigen Bestimmungen über den Vorverfolgungsmaßstab, Nachfluchtgründe, Verfolgungs- und Schutzakteure und internen Schutz als anwendbar auch für die Zuerkennung subsidiären Schutzes erklärt.
Die Gefahr der Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe, § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG, hat der Kläger weder geltend gemacht, noch liegen Anhaltspunkte hierfür vor.
Auch die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG sind im Fall des Klägers nicht erfüllt. Der Kläger muss die Umstände und Tatsachen, die für die von ihm befürchtete Gefahr von Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung maßgeblich sind, von sich aus konkret, in sich stimmig und erschöpfend vortragen (vgl. Art. 4 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Buchst. c Richtlinie 2011/95/EU, § 25 Abs. 2 AsylG). Ihn trifft insoweit eine Darlegungslast (vgl. Marx, Handbuch zur Qualifikationsrichtlinie, 2009, S. 762).
Selbst bei Wahrunterstellung des Vortrags des Klägers, dass er mehrfach erheblich durch staatliche Grenzbeamte geschlagen und misshandelt worden sei, stünde dem Kläger insoweit eine inländische Fluchtalternative zur Verfügung. Ihm wäre sowohl ein Ausweichen innerhalb von Azad Kashmir und damit der Vermeidung des Konflikts mit Grenzbeamten als auch ein Ausweichen auf andere Landesteile Pakistans (§ 3e AsylG, Art. 8 QRL) möglich (vgl. allgemein zur Annahme einer inländischen Fluchtalternative in Pakistan: VG München, U.v. 12.6.15 – M 23 K 13.31345 – juris Rn. 21ff; VG Augsburg, U.v. 30.3.2015 – Au 3 K 14.30437 juris Rn. 49ff; VG Regensburg, U.v. 9.1.2015 – RN 3 K 14.30674 – juris Rn. 23; VG Köln, U.v. 10.9.2014 – 23 K 6317/11.A – juris Rn. 25; VG Ansbach, U.v. 7.8.2014 – AN 11 K 14.30589 – juris Rn. 27-29; U.v. 10.12.2013 – RN 3 K 13.30374 – juris Rn. 30). Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger als Kaschmiri sich dort nicht niederlassen könnte, bestehen nicht. Vielmehr ist den öffentlich zugänglichen Quellen zu entnehmen, dass selbst führende Mitglieder der JKLF sich in anderen Landesteilen Pakistans niederlassen können (siehe z. B. Lebenslauf des Amanullah Khan, im Internet abrufbar unter: https://de.wikipedia.org/wiki/Amanullah_Khan; vgl. auch: Auswärtiges Amt, Auskunft an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vom 26.11.2014, Frage 10).
Im Fall des Klägers ist auch nicht davon auszugehen, dass er als Zivilperson einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt wäre, § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG. Die allgemeine Gefahr, die von einem bewaffneten Konflikt für eine Vielzahl von Zivilpersonen ausgeht, kann sich individuell so verdichten, dass sie eine ernsthafte individuelle Bedrohung darstellt. Voraussetzung hierfür ist eine außergewöhnliche Situation, die durch einen so hohen Gefährdungsgrad gekennzeichnet ist, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betroffenen Gebiet einer solchen Bedrohung ausgesetzt ist. Bezüglich der Gefahrendichte ist auch weiterhin auf die jeweilige Herkunftsregion abzustellen, in die ein Kläger typischerweise zurückkehren wird (vgl. zum Ganzen: BVerwG, U.v. 14.7.2009 – 10 C 9.08; U.v. 21.4.2009 – 10 C 11/08; U.v. 17.11.2011 – 10 C 13/10; U.v. 31.1.2013 – 10 C 15.12 – jeweils juris; VG München, U.v. 12.5.2014 – M 23 K 13.31161 – juris Rn. 26ff).
Weder in Pakistan noch in Azad Kaschmir liegt gegenwärtig ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt vor. Dieser Begriff ist völkerrechtlich zu verstehen und setzt eine gewisse Qualität voraus (vgl. BVerwG, U.v. 24.6.2008 – 10 C 44/07 – juris). Ein solcher Konflikt liegt nicht vor, wenn es sich nur um innere Unruhen und Spannungen handelt wie Tumulte, vereinzelt auftretende Gewalttaten und andere ähnliche Handlungen. Der Konflikt muss ein bestimmtes Maß an Intensität und Dauerhaftigkeit aufweisen. Aufgrund der vorliegenden Erkenntnismittel ist zwar davon auszugehen, dass die Bevölkerung in Kaschmir unter dem weiterhin ungelösten Kaschmir-Konflikt leidet und insbesondere auch während des Kargil-Kriegs 1999 schwere Verluste hinzunehmen hatte. Derzeit wird Azad Kaschmir von Pakistan kontrolliert, jedoch offiziell nicht als Teil des pakistanischen Gebiets angesehen. Es genießt zumindest Teil-Autonomie, ist aber finanziell abhängig von der Zentralregierung. Wenn auch immer noch keine abschließende Lösung erzielt wurde, so hat sich die Situation in Kaschmir deutlich entspannt (ausführlich hierzu: Bericht von Accord vom 7.5.2012: „Pakistanadministered Kashmir (Azad Kashmir and Gilgit-Balistan“). Ein innerstaatlicher Konflikt kann daher in Azad Kaschmir nicht angenommen werden; auch nicht aufgrund terroristischer Anschläge. Der EASO Länderbericht führt insoweit aus, dass es 2014 in Azad Kaschmir sehr wenige Anschläge gab, auch wenn es gelegentlich an der Line of Control (LoC) zu grenzüberschreitenden Auseinandersetzungen käme (a. a. O., S. 70). Pakistan selbst ist von einer erheblichen terroristischen Bedrohung durch die Taliban und andere islamistischextremistische Gruppen konfrontiert (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der islamischen Republik Pakistan – Lagebericht -, Stand Juli 2015, S. 5, 22). Zwar war es 2009 der Armee gelungen, die Taliban wieder aus dem von diesen zeitweilig kontrollierten Swat-Tal und aus Süd-Wasiristan zu vertreiben. Seit 2014 ist ein groß angelegte Operation der Sicherheitskräfte in Nord-Wasiristan und benachbarten Regionen der sogenannten Stammesgebiete (Federally Administered Tribal Areas – FATA) im Gange, die das Ziel hat, Militanz und Terrorismus zu zerschlagen und die vollständige Kontrolle des Staates über die Stammesgebiete wiederherzustellen. Die Taliban und andere militante Gruppen verüben jedoch weiterhin auch in den übrigen Teilen des Landes, insbesondere in Belutschistan, in Khyber Pakhtunkhwa und in der Wirtschaftsmetropole Karachi regelmäßig Anschläge. 2014 kamen bei Terroranschlägen landesweit ca. 1750 Menschen ums Leben. (vgl. Lagebericht, S. 5, 22). Das österreichische Bundesasylamt hat in seinem „Bericht zur Fact Finding Mission Pakistan 2013“ ausgeführt, dass für Pakistan ein dauerhafter bewaffneter Konflikt trotz der Anschläge nicht vorliege, da die Taliban und andere Jihadisten bei realistischer Einschätzung militärisch nicht dazu in der Lage seien, die Macht in Pakistan oder in relevanten Landesteilen erlangen zu können. Sie würden auch in weiten Teilen der Bevölkerung keinen Rückhalt genießen. Die Auseinandersetzungen seien nicht so intensiv und dauerhaft, dass man von einem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt sprechen könnte (vgl. VG Augsburg, U.v. 30.3.2015 – Au 3 K 14.30437 – juris Rn. 56ff, VG Regensburg, U.v. 9.1.2015 – RN 3 K 14. 30674 – juris Rn. 28).
Selbst wenn man das Vorliegen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts bejahen würde, bestünde keine erhebliche individuelle Gefahr für Leib oder Leben des Klägers. Die Gefahrendichte in Pakistan und auch in Azad Kaschmir ist nicht so hoch, dass dort praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt ist. Der regionale Schwerpunkt terroristischer Anschläge liegt sehr deutlich in Khyber-Pakhtunkhwa, den Stammesgebieten FATA und in Belutschistan (vgl. Reise- und Sicherheitshinweise des Auswärtigen Amtes vom 4.10.2013). Bei einer geschätzten Gesamtbevölkerung von ca. 172 Mio. Menschen in Pakistan und ca. 5 Mio. Bewohnern in Azad Kaschmir (Herkunftsländerinformation Pakistan des EASO, Stand August 2015, S. 70) ist das Risiko, Schaden an Leib oder Leben durch Anschläge zu erleiden, verschwindend gering. Die Gefahrendichte ist nicht so hoch, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt ist. Eine individuelle Bedrohung des Klägers besteht auch nicht unter Berücksichtigung individueller gefahrerhöhender Umstände. Es ist nicht glaubhaft dargelegt, dass ihm bei einer Rückkehr nach Pakistan eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben droht. Das Risiko eines Rückkehrers, möglicherweise Opfer krimineller Übergriffe zu werden, ist Ausfluss der allgemeinen Sicherheitslage und beruht nicht auf individuellen Aspekten (vgl. VG Augsburg, U.v. 30.3.2015 – Au 3 K 14.30437 – juris Rn. 56ff, VG Regensburg, U.v. 9.1.2015 – RN 3 K 14. 30674 – juris Rn. 29).
Ein Anspruch auf die Feststellung eines Abschiebungshindernisses nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG besteht ebenfalls nicht. Anhaltspunkte für eine Schutzgewährung nach § 60 Abs. 5 AufenthG sind nicht gegeben; insoweit wird Bezug genommen auf die Ausführungen des gegenständlichen Bescheids (§ 77 Abs. 2 AsylG). Anhaltspunkte dafür, dass sich die Situation derzeit wesentlich verändert hat, liegen nicht vor. Auch eine erhebliche individuelle Gefahr für Leib, Leben und Freiheit des Klägers bei einer Rückkehr in sein Heimatland vermag das Gericht nicht zu erkennen. Insbesondere ist der Kläger volljährig und arbeitsfähig, so dass davon ausgegangen werden kann, dass er seinen Lebensunterhalt bestreiten kann. Auch unter gesundheitlichen Gesichtspunkten ist kein Anhaltspunkt dafür ersichtlich, dass eine Rückführung nach Pakistan den Kläger in einem den § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG bedingenden erheblichen konkreten Umfang gefährden würde.
Auch gegen die auf § 34 Abs. 1, § 36 Abs. 1 AsylG gestützte Ausreiseaufforderung mit Abschiebungsandrohung bestehen keine rechtlichen Bedenken. Nach § 37 Abs. 2 AsylG endet die Ausreisefrist 30 Tage nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens, wenn – wie hier – das Verwaltungsgericht im Falle eines offensichtlich unbegründet abgelehnten Asylantrages dem Eilantrag nach § 80 Abs. 5 VwGO entspricht.
Die Klage war daher vollumfänglich abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht hinsichtlich des zurückgenommenen Teils der Klage auf § 155 Abs. 2 VwGO, im Übrigen auf § 154 Abs. 1 VwGO und berücksichtigt die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Kostenteilung in Asylverfahren (vgl. z. B. Beschluss vom 29.6.2009 – 10 B 60/08 – juris). Das Verfahren ist gemäß § 83b AsylG gerichtskostenfrei.
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.