Verkehrsrecht

Gescheiterter Beweis einer mündlichen Deckungserweiterung der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung für den asiatischen Teil der Türkei

Aktenzeichen  10 U 4226/15

Datum:
13.5.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
VVG VVG § 115
ZPO ZPO §§ 529 I Nr. 1, 286 I

 

Leitsatz

Das Berufungsgericht ist nach § 529 I Nr. 1 ZPO an die Beweiswürdigung des Gerichts des ersten Rechtszugs gebunden, wenn nicht vom Berufungskläger konkrete Anhaltspunkte für deren Unrichtigkeit vorgetragen werden (hier verneint). (redaktioneller Leitsatz)
Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der Beweiswürdigung sind ein unrichtiges Beweismaß, Verstöße gegen Denk- und Naturgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze, Widersprüche zwischen einer protokollierten Aussage und den Urteilsgründen sowie Mängel der Darstellung des Meinungsbildungsprozesses wie Lückenhaftigkeit oder Widersprüche (Anschluss an BGH BeckRS 2005, 06269). (redaktioneller Leitsatz)
Ein konkreter Anhaltspunkt für die Unrichtigkeit der Beweiswürdigung setzt einen objektivierbaren rechtlichen oder tatsächlichen Einwand gegen die erstinstanzlichen Feststellungen voraus;  subjektive Zweifel, abstrakte Erwägungen oder Vermutungen der Unrichtigkeit ohne greifbare Anhaltspunkte genügen nicht (Anschluss an BGH BeckRS 2004, 06987). (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

17 O 24629/14 2015-10-16 Endurteil LGMUENCHENI LG München I

Tenor

I.
Die Berufung der Kläger gegen das Endurteil des LG München I vom 16.10.2015 (Az. 17 O 24629/14) wird zurückgewiesen, mit der Maßgabe, dass die Kostenentscheidung wie folgt geändert wird: Von den Kosten des Rechtsstreits (erster Instanz), soweit sie die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Beklagten betreffen, tragen der Kläger zu 1) 82,6%, der Kläger zu 2) 3,6%, der Kläger zu 3) 3,0% und der Kläger zu 4) 10,8%. Ihre eigenen außergerichtlichen Kosten tragen die Kläger selbst.
II.
Von den Kosten des Berufungsverfahrens, soweit sie die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Beklagten betreffen, tragen der Kläger zu 1) 82,6%, der Kläger zu 2) 3,6%, der Kläger zu 3) 3,0% und der Kläger zu 4) 10,8%. Ihre eigenen außergerichtlichen Kosten tragen die Kläger selbst.
III.
Das vorgenannte Urteil des LG München I sowie dieses Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.
IV.
Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Gründe:
A. Die Kläger machen als Geschädigte eines Verkehrsunfalls gegen die Beklagte, die Kfz-Haftpflichtversicherung der Zeugin Semira E., Direktansprüche im Sinne des § 115 VVG geltend, nämlich Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche mit einem Gesamtvolumen einschließlich Feststellungsantrag von 275.558,50 € (Streitwert sowohl des erstinstanzlichen Verfahrens als auch des Berufungsverfahrens).
Die Ehefrau des Klägers zu 1) und Mutter der Kläger zu 2) bis 4), die Zeugin Semira E., fuhr zusammen mit den Klägern am 03.08.2011 mit ihrem Pkw VW Sharan, amtl. Kennzeichen … 26, im asiatischen Teil der Türkei auf der Autobahn O-4 in Richtung Ankara. Für den Pkw unterhielt die Zeugin bei der Beklagten einen Kfz-Haftpflichtversicherungsvertrag (Nr. 2-63.124.340-1).
Auf Höhe der Stadt Bolu musste die Zeugin einem ihr plötzlich im Rahmen eines Spurwechsels entgegenkommenden Lkw ausweichen, wobei sie die Kontrolle über ihr Fahrzeug verlor und sich mehrfach überschlug. Bei diesem Verkehrsunfall erlitten die Kläger zum Teil schwerste Verletzungen. Die Identität des Lkw-Fahrers konnte nicht festgestellt werden.
Die Kläger tragen vor, es sei vor Reiseantritt zwischen der Zeugin E. und dem Versicherungsvertreter der Beklagten, dem Zeugen B., zu einer mündlich getroffenen, verbindlichen Vereinbarung dahingehend gekommen, dass der Kfz-Haftpflichtversicherungsschutz auf den asiatischen Teil der Türkei erweitert worden sei.
Die Beklagte bestreitet dies. Im Übrigen erhebt sie die Einrede der Verjährung.
Hinsichtlich des weiteren Parteivortrags und der tatsächlichen Feststellungen erster Instanz sowie der Anträge der Parteien in erster Instanz wird auf das angefochtene Urteil vom 16.10.2015 (Bl. 81-94 d. A.) Bezug genommen (§ 540 I 1 Nr. 1 ZPO).
Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme die Klage abgewiesen, und zwar mit der Begründung, dass zwar etwaige Ansprüche nicht verjährt wären, dass sich aber das Gericht keine Überzeugung hinsichtlich der geltend gemachten Vertragserweiterung bilden konnte.
Hinsichtlich der weiteren Erwägungen des Landgerichts wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Gegen dieses den Klägern am 23.10.2015 zugestellte Urteil haben die Kläger mit einem beim Oberlandesgericht München am 22.11.2015 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt (Bl. 103/104 d. A.) und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist mit einem beim Oberlandesgericht München am 25.01.2016 eingegangenen Schriftsatz (Bl. 109-118 d. A.) begründet.
Die Kläger beantragen,
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils nach den Anträgen erster Instanz zu erkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat die Kläger mit Verfügung vom 25.02.2016 auf die fehlenden Erfolgsaussichten der Berufung hingewiesen (vgl. Bl. 120-122 d. A.), angesichts des hohen Streitwertes und der existentiellen Bedeutung des Rechtsstreits für die Berufungsführer aber davon abgesehen, eine Entscheidung gem. § 522 II ZPO zu treffen, und stattdessen am 01.04.2016 eine mündliche Verhandlung durchgeführt.
Ergänzend wird auf die vorgenannte Berufungsbegründungsschrift, die Berufungserwiderung vom 15.03.2016 (Bl. 124 d. A.), auf die weiteren Schriftsätze der Parteien sowie die Sitzungsniederschrift vom 01.04.2016 (Bl. 125-127 d. A.) Bezug genommen.
B. Die Berufung war zurückzuweisen, weil sie zwar zulässig, aber unbegründet ist.
I. Die Berufung ist unbegründet, weil die erstinstanzliche Klageabweisung rechtlich nicht zu beanstanden ist.
1.) Entscheidend ist, dass es an den Klägern gewesen wäre, den Nachweis zu erbringen, dass Versicherungsschutz für das Gebiet des Unfallortes, des asiatischen Teils der Türkei, bestand. Unstreitig sah der betroffene Kfz-Haftpflichtversicherungsvertrag zumindest ursprünglich keinen derartigen Versicherungsschutz vor. Die Kläger hätten nun den Beweis führen müssen, dass es tatsächlich zum wirksamen Abschluss der von ihnen behaupteten und von der Beklagten bestrittenen mündlichen Vertragserweiterung gekommen war. Das Erstgericht hat diesbezüglich umfangreich Beweis erhoben, alle angebotenen Beweismittel berücksichtigt, insbesondere vier Zeugen vernommen, sich im Ergebnis aber nicht die erforderliche Überzeugung vom Zustandekommen dieser Vertragserweiterung bilden können.
2.) Weshalb sich das Landgericht, wie mit der Berufung als „Verletzung materiellen Rechts“ gerügt, unter dieser Voraussetzung noch damit hätte auseinandersetzen müssen, ob eine Erstattungspflicht der Beklagten „unstreitig“ für den Fall gegeben ist, dass der Versicherungsschutz im asiatischen Teil der Türkei besteht, erschließt sich nicht. Ebenso wenig nachvollziehbar erscheint der ebenfalls unter der Überschrift „Verletzung materiellen Rechts“ erhobene Vorwurf der Kläger, das Erstgericht sei „rechtsirrig“ davon ausgegangen, der Zeuge B. sei nicht befugt gewesen, für die Beklagte den Kfz-Versicherungsvertrag als Vertreter „wirksam und auch mündlich“ zu erweitern. Hierbei handelt es sich um eine Frage der individuellen Vertretungsmacht, welche nicht vom Gesetz generell beantwortet wird, sondern in jedem Einzelfall zu klären ist. Dabei hat sich das Landgericht darauf gestützt, dass sowohl der Zeuge B. als auch der Zeuge M. unabhängig voneinander bekundet haben, die Genehmigung der Vertragserweiterung habe über die Zentrale laufen müssen. Letztlich musste das Erstgericht diese Frage aber gar nicht weiter vertiefen, nachdem es sich bereits keine Überzeugung dahingehend bilden konnte, dass es überhaupt, unabhängig von der Frage der rechtlichen Wirksamkeit, zu einer Vertragserweiterung gekommen war.
3.) Letztlich geht es den Klägern hier, wie auch im weiteren, um eine Beanstandung der gerichtlichen Beweiswürdigung.
Das Berufungsgericht ist indes nach § 529 I Nr. 1 ZPO an die Beweiswürdigung des Erstgerichts gebunden, weil keine überzeugenden Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der Beweiswürdigung vorgetragen wurden.
Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der Beweiswürdigung sind ein unrichtiges Beweismaß, Verstöße gegen Denk- und Naturgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze, Widersprüche zwischen einer protokollierten Aussage und den Urteilsgründen sowie Mängel der Darstellung des Meinungsbildungsprozesses wie Lückenhaftigkeit oder Widersprüche (vgl. BGH VersR 2005, 945; Senat in st. Rspr., u. a. Urt. v. 9.10.2009 – Az.: 10 U 2965/09 und vom 21.6.2013 – Az.: 10 U 1206/13). Konkreter Anhaltspunkt in diesem Sinn ist jeder objektivierbare rechtliche oder tatsächliche Einwand gegen die erstinstanzlichen Feststellungen (BGHZ 159, 254 [258]; NJW 2006, 152 [153]; Senat, a. a. O.); bloß subjektive Zweifel, lediglich abstrakte Erwägungen oder Vermutungen der Unrichtigkeit ohne greifbare Anhaltspunkte genügen nicht (BGH, a. a. O.; Senat, a. a. O.).
Das Erstgericht hat zutreffend das Beweismaß des § 286 I 1 ZPO zugrunde gelegt und die insoweit geltenden Regeln beachtet. Letztendlich enthält die Berufungsbegründung lediglich eine andere Würdigung der Beweise, ohne im Ergebnis überzeugend aufzuzeigen, inwieweit die Beweiswürdigung des Landgerichts deswegen fehlerhaft gewesen sein soll. Dass der ein oder andere Punkt unterschiedlich bewertet werden kann, ist bei Fragen der Beweiswürdigung regelmäßig nicht ungewöhnlich.
Im Einzelnen:
a) Den Klägern ist zwar zuzugeben, dass es nicht unproblematisch erscheint, wenn die auf Seite 3 der eidesstattlichen Versicherung des Zeugen M. vom 22.05.2012 (Anlage „K32“) enthaltene Bekundung, „Herr B. hat ausdrücklich erklärt, dass er den Eheleuten E. Versicherungsschutz sowohl in der Haftpflicht wie in der Kaskoversicherung bestätigt hat“, nicht mit der Aussage des Zeugen B. in der Sitzung vom 21.07.2015 übereinstimmt, wonach er derartiges gerade nicht bestätigt habe.
Mit dieser Problematik hat sich das Erstgericht jedoch im angefochtenen Urteil widerspruchsfrei auseinandergesetzt. Dabei hat es in nicht zu beanstandender Weise hervorgehoben, dass der Zeuge M. zu diesem Problem in der Sitzung vom 21.07.2015 ausdrücklich befragt worden ist und dass er dabei nicht bestätigt hat, dass der Zeuge B. ihm gegenüber damals tatsächlich pauschal geäußert habe, den Versicherungsschutz bestätigt zu haben.
Soweit das Erstgericht im Folgenden mutmaßt, dass der Zeuge M. bei der Anfertigung jener eidesstattlichen Versicherung „unter einem gewissen Druck stand, da ein mit den Geschädigten verwandter Großkunde abzuspringen drohte, sofern es nicht gelingen würde, eine Haftung der Beklagten für die Schäden der Kläger herbeizuführen“ (vgl. S. 12 des EU = Bl. 92 d. A.), ist vom Zeugen M. in der Sitzung vom 21.07.2015 tatsächlich ein Intervenieren des Geschäftsführers der W & M GmbH („einer großen Firma in Bayreuth, die wir umfassend betreuen“, vgl. S. 6 des Sitzungsprotokolls = Bl. 58 d. A.) geschildert worden. Dieser Aussage des Zeugen M. sind die Kläger nicht entgegengetreten. Der Schluss des Erstgerichts auf den Einfluss derartiger Tendenzen bei Abfassung der eidesstattlichen Versicherung ist vor diesem Hintergrund zulässig.
Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass der Inhalt der eidesstattlichen Versicherung auch insofern zweifelhaft erscheint, als es dort auf Seite 3 heißt: „Des weiteren hat Herr B. mitgeteilt, er hätte den Eheleuten E. zusätzlich einen ADAC-Schutzbrief für die Reise verkauft“. Denn ein solcher Verkauf von Seiten des Zeugen B. ist weder von diesem noch von der Zeugin E. in der Sitzung vom 21.07.2015 bestätigt worden. Insgesamt erscheint es durchaus denkbar, dass es hier beim damaligen Informationsfluss zwischen den Zeugen B. und M. zu Ungenauigkeiten gekommen ist, welche sich dann in der eidesstattlichen Versicherung wiederfinden.
b) Soweit die Kläger als weiteres wesentliches Argument für eine angebliche Fehlerhaftigkeit der erstgerichtlichen Beweiswürdigung anführen, es sei – entgegen den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils – unzutreffend, dass die Interessenlage bzgl. dieses Rechtsstreits bei den Zeugen B. und E. vergleichbar sei, erscheint dies nicht nachvollziehbar. Derartiges ist vom Landgericht so nämlich gar nicht behauptet worden. Vielmehr wurde – in übrigens gut nachvollziehbarer Weise – ausgeführt, dass beide Zeugen ein eigenes Interesse am Ausgang des Rechtsstreits hätten; davon dass dieses vergleichbar sei, ist hingegen keine Rede. Selbstverständlich musste sich das Erstgericht mit dem Gesichtspunkt auseinandersetzen, dass die Zeugin E. als Ehefrau des Klägers zu 1) und Mutter der Kläger zu 2) bis 4) ein ureigenes Interesse am für die Kläger erfolgreichen Ausgang des Verfahrens haben dürfte. Dass dem so ist, wird auch von den Berufungsführern nicht in Abrede gestellt. In nicht zu beanstandender Weise hat das Landgericht sodann den Umstand berücksichtigt, dass der Zeuge B. deswegen ein eigenes Interesse am Ausgang des Rechtsstreits habe, weil er möglicherweise Haftungsansprüchen ausgesetzt ist.
c) Weiterhin überzeugt auch nicht das Argument der Kläger, die Beweiswürdigung des Erstgerichts sei fehlerhaft, weil nicht berücksichtigt worden sei, dass der Hausbesuch des Zeugen B. völlig überflüssig gewesen wäre, wenn der Zeuge ohnehin nicht zur Ausdehnung des Versicherungsschutzes in der Lage gewesen wäre. Vielmehr kann es durchaus Sinn machen, zunächst im Rahmen eines persönlichen Gespräches rein beratend tätig zu werden und die erforderlichen Informationen für einen späteren Vertragsschluss zu sammeln. Auch kann es sein, dass man erst während eines Haustermins feststellt, dass man letztlich, aus welchen Gründen auch immer, jetzt noch keinen Vertrag abschließen kann.
d) Genauso wenig zwingend ist die Argumentation der Kläger, das Urteil des Erstgerichts sei deswegen zu beanstanden, weil nicht hinreichend gewürdigt worden sei, dass sich aus der Empfehlung des Zeugen B., ADAC-Schutzbriefe zu erwerben, schließen lasse, dass bei jenem Hausbesuch die Option „Flug statt Anreise per Pkw“ nicht im Raum und somit – entgegen der Aussage des Zeugen B. – auch keiner Erweiterung des Kfz-Versicherungsvertrages entgegen stand. Was die Kläger nämlich nicht vortragen, ist der Umstand, dass der Zeuge B. ausweislich des Protokolls der Sitzung vom 21.07.2015 ausgesagt hat, er habe empfohlen, ADAC-Schutzbriefe abzuschließen, „falls etwas Größeres passieren sollte und falls mit dem Fahrzeug gefahren werden sollte“ (vgl. S. 11 des Protokolls = Bl. 63 d. A.).
Anzumerken ist hierzu noch Folgendes: Zum einen kann der Erwerb derartiger Schutzbriefe auch bei der Nutzung eines Mietwagens Sinn machen. Zum anderen könnte jene Empfehlung des Zeugen B. gerade auch auf eine Unsicherheit schließen lassen, ob es noch rechtzeitig zur Vertragserweiterung kommen wird: Vorsorglich sollte man sich lieber anderweitig bzw. ggf. zusätzlich absichern.
Vor diesem Hintergrund – und unabhängig von §§ 525 S. 1, 296a S. 1 ZPO – bestand auch bei Berücksichtigung des nicht nachgelassenen klägerischen Schriftsatzes vom 03.05.2016 (Bl. 128/129 d. A.) kein Anlass, gem. §§ 525 S. 1, 156 ZPO die Wiedereröffnung der Verhandlung anzuordnen. Denn auch unterstellt, dass die Zeugin E. tatsächlich am 22.07.2011 eine ADAC-Plus-Mitgliedschaft abgeschlossen und einen ADAC-Auslands-Krankenschutz erworben hat, lässt dies aus den o.g. Gründen keine, und schon gar keine hinreichend sicheren, Rückschlüsse auf die behauptete Erweiterung des Kfz-Versicherungsvertrages zu. Hierauf hat der Senat bereits in der Sitzung vom 01.04.2016 hingewiesen (vgl. S. 3 des Sitzungsprotokolls = Bl. 127 d. A.).
e) Ein weiteres, von den Klägern allerdings so gar nicht explizit vorgetragenes, Argument, welches für eine Erweiterung der Kfz-Haftpflichtversicherung sprechen könnte, ist der Umstand, dass hier offenbar die Kfz-Kaskoversicherung die Schäden am Pkw der Zeugin E. reguliert hat. Doch selbst unterstellt, die (schriftliche) Vertragslage entspräche hier derjenigen hinsichtlich der Kfz-Haftpflichtversicherung, ließe sich daraus allenfalls ein – noch dazu nicht sonderlich schwerwiegendes – Indiz für eine solche Vertragserweiterung ableiten. So wäre ohne weiteres auch eine rechtsirrige Leistung oder eine Leistung auf Kulanz-Basis denkbar. In dieser Richtung lesen sich im Übrigen auch die Ausführungen der Beklagten in deren Schreiben vom 21.12.2011 an den Klägervertreter (vgl. Anlage „K29“).
Der in diesem Zusammenhang von den Klägern erhobene Einwand, entgegen der Auffassung des Erstgerichts habe der Zeuge M. hierauf keinen Einfluss gehabt, was sich daran zeige, dass es erst der Einschaltung einer Anwaltskanzlei bedurft habe, wozu der Zeuge M. sogar noch geraten habe (vgl. S. 5 der Berufungsbegründung = Bl. 113 d. A.), erschließt sich demgegenüber abermals bereits im Ansatz nicht: So erscheint es durchaus denkbar, dass eine Versicherungsleistung zwar erst nach anwaltlicher Intervention erfolgte, gleichwohl aber aus Gründen der Kulanz, möglicherweise auch vor dem Hintergrund anderweitiger wichtiger Geschäftsbeziehungen (s.o.) und möglicherweise auch nur unter Vermittlung des Zeugen M.
f) Entgegen der Auffassung der Kläger (vgl. S. 7 der Berufungsbegründung = Bl. 115 d. A.) erscheint die Aussage des Zeugen B. in der Sitzung vom 21.07.2015 bezüglich eines noch von der Zeugin E. zu fertigenden Schriftsatzes (vgl. S. 11 des Sitzungsprotokolls = Bl. 63 d. A.) keineswegs abwegig: Nach Darstellung des Zeugen B. konnte bei jener Besprechung nicht nur – mangels vorliegender Genehmigung der Versicherungszentrale – eine verbindliche Vertragserweiterung noch nicht vereinbart werden, sondern es konnte noch nicht einmal eine Berechnung (und ein entsprechender Ausdruck) des neuen Versicherungsbeitrages erfolgen, weil es hierfür insbesondere noch der Information „der ungefähr zu erwartenden zu fahrenden Kilometer“ bedurft hätte. Wenn der Zeuge B. die Zeugin E. vor diesem Hintergrund an ein von ihr zu fertigendes Schreiben an die Versicherungszentrale verweist, stellt dies zwar nicht unbedingt ein sonderlich kundenfreundliches Verhalten dar, löst die beiden o.g. Probleme jedoch zugleich in einem einzigen Schritt: Die Information der Mehr-Kilometer wird erteilt, und zwar sogleich an die letztlich entscheidende Zentrale. Dass die Angabe dieser zusätzlichen Kilometerzahl dem Zeugen Buchmann bei jener Besprechung bereits vorgelegen habe, wie die Kläger nun behaupten (vgl. S. 9 der Berufungsbegründung = Bl. 117 d. A.), steht nicht nur im Widerspruch zur Aussage des Zeugen B., sondern ist auch weder dem bisherigen Parteivorbringen noch der Aussage der Zeugin E. zu entnehmen: Diese hat nämlich in der Sitzung vom 21.07.2015 bekundet, der Zeuge B. habe ein Angebot „unter Berücksichtigung unseres Kilometerstandes“ erstellt (vgl. S. 4 des Sitzungsprotokolls = Bl. 56 d. A.). Von einer zu erwartenden Kilometerzahl ist dort keine Rede.
g) Ebenso wenig zu überzeugen vermag der klägerische Einwand, die Aussage des Zeugen B. sei auch deswegen unglaubhaft, weil seine Behauptung, das Fehlen einer schriftlichen Vertragserweiterung habe nicht an einem defekten Drucker gelegen, nicht nur von der Zeugin E. widerlegt worden sei, sondern auch vom Zeugen M. Dieser war nämlich bei jenem Termin gar nicht zugegen, sondern hat lediglich bekundet, der Zeuge B. habe ihm später erzählt, er habe angeblich deswegen eine Berechnung nicht ausdrucken können, weil der Drucker nicht funktioniert habe. Es handelt sich beim Zeugen M. insoweit eben nur um einen Zeugen vom Hörensagen; die obigen Ausführungen zur eidesstattlichen Versicherung, insbesondere zur Problematik möglicher Ungenauigkeiten beim Informationsfluss, gelten hier entsprechend.
h) Auch greift das klägerische Argument hinsichtlich der Frage des Umfangs der Einzugsermächtigung (vgl. S. 9 der Berufungsbegründung = Bl. 117 d. A.) nicht: Es ist zu unterscheiden zwischen Tarifanpassungen im Rahmen eines ansonsten unveränderten Versicherungsvertrages und einer Tarifänderung in Folge einer Vertragserweiterung. Dass auch in einem solchen Fall von der Versicherung ohne weiteres auf eine früher erteilte Einzugsermächtigung des Versicherungsnehmers zurückgegriffen werden könnte, erscheint keineswegs selbstverständlich.
i) Soweit die Kläger noch darauf verweisen, es sei „geradezu grotesk“, der Zeugin E. zu unterstellen, „sie habe rund EUR 150,00 sparen wollen und dafür darauf verzichtet, in der Türkei bei ihrer deutschen Versicherung haftpflichtversichert zu sein“ (vgl. S. 7 der Berufungsbegründung = Bl. 115 d. A.), ist Folgendes zu entgegnen: Zum einen hat das Erstgericht eine solche Unterstellung bereits gar nicht vorgenommen; zum anderen wäre eine solche Annahme aber gar nicht so abwegig (vielleicht ging man ja davon aus, es werde schon nichts passieren und im Übrigen verfüge man ja nun immerhin über einen ADAC-Schutzbrief).
4.) Entscheidend ist letztlich eine Gesamtschau: Weder existieren eine schriftlich fixierte Vertragserweiterung bzw. wenigstens irgendwelche anderen Unterlagen der Versicherung, welche auf eine vereinbarte Vertragserweiterung hindeuten würden, noch hat ein Zeuge den klägerischen Vortrag bestätigt, einzig freilich mit Ausnahme der Zeugin E., welche allerdings im Lager der Kläger steht und dabei noch nicht einmal bekunden konnte, wie hoch überhaupt der neue Versicherungsbeitrag sein sollte.
Wenn sich ein Gericht hier keine Überzeugung bilden kann, welcher der vorliegenden Zeugenaussagen es einen größeren Glauben schenken soll, ist es folgerichtig und berufungsrechtlich nicht zu beanstanden, eine Entscheidung, wie geschehen, nach Beweislast (non liquet) zu treffen.
II. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 97 I, 100 I, II ZPO. Sie spiegelt die (erheblich) unterschiedliche Beteiligung der vier Kläger, jeweils gemessen am Gesamtstreitwert (278.858,50 €), wieder: Beim Klägers zu 1) macht diese mit 230.268,50 € ca. 82,6% aus, beim Kläger zu 2) mit 10.030,00 € 3,6%, beim Kläger zu 3) mit 8.530,00 € ca. 3,0% und beim Kläger zu 4) mit 30.030,00 € ca. 10,8%.
Entsprechend war auch die Kostenentscheidung des angefochtenen Urteils zu ändern.
III. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Ersturteils und dieses Urteils beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
IV. Die Revision war nicht zuzulassen. Gründe, die die Zulassung der Revision gem. § 543 II 1 ZPO rechtfertigen würden, sind nicht gegeben. Mit Rücksicht darauf, dass die Entscheidung einen Einzelfall betrifft, ohne von der höchst- oder obergerichtlichen Rechtsprechung abzuweichen, kommt der Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung zu noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

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