Steuerrecht

Rehtmäßigkeit des Wechsels der steuerrechtlichen Gewinnermittlungsart

Aktenzeichen  2 K 1704/13

Datum:
12.5.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 134943
Gerichtsart:
FG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Finanzgerichtsbarkeit
Normen:
EStG § 4 Abs. 1, Abs. 3, § 5, § 11 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Gründe

I.
Streitig ist im Klageverfahren 2 K 1704/13, für das die Antragsteller (Ast) unter Beifügung einer Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse Prozesskostenhilfe (PKH) beantragen, ob der Ast in den Streitjahren die Gewinnermittlungsart von § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) hin zur Bilanzierung nach §§ 5, 4 Abs. 1 EStG noch wechseln konnte und wenn nein, ob die an den Ast ausgezahlten Vorschüsse nach § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG als Betriebseinnahmen oder als Darlehen im Rahmen der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG zu qualifizieren sind. Die vom Beklagten für die Streitjahre jeweils festgestellte Höhe der Vorschüsse an den Ast ist nicht streitig.
Die Antragsteller (Ast) sind verheiratet und wurden in den Streitjahren beim Beklagten zur Einkommensteuer zusammen veranlagt. Daneben wurde der Ast aufgrund seines Gewerbes als Versicherungsvermittler zum Gewerbesteuermessbetrag 2004 und 2005 veranlagt.
Der Ast meldete am 23. November 2000 ein Gewerbe als Versicherungsvermittler bei der Gemeinde an und ermittelte seither seinen Gewinn aus Gewerbebetrieb nach § 4 Abs. 3 EStG.
Lt. der Vertriebsvereinbarung vom 22. Dezember 2003 sollte der Ast als freier Handelsvertreter für die X-M. Service GmbH (X-GmbH) Versicherungen vertreiben. Nach § 3 der Vertriebsvereinbarung mit der X-GmbH sollte der Ast als Kooperationspartner für seine Vermittlungsleistungen Provisionen und ab Vertragsbeginn einen wöchentlichen Vorschuss von 3.000 € erhalten, der dann mit den laufenden Provisionen verrechnet werden sollte. Sollten die Vorschüsse nicht ins Verdienen gebracht werden, sollte der Ast verpflichtet sein, diese in monatlichen Raten von 500 € nach der ersten Aufforderung zurückzuzahlen. Nach § 9 der Vertriebsvereinbarung sollte die X-GmbH monatlich eine Abrechnung erstellen, die Provisionen ausbezahlen lassen bzw. die Auszahlung veranlassen.
Lt. der Vertriebsvereinbarung vom 15. März 2004 sollte der Ast mit der Unterzeichnung Kooperationspartner sein und als freier Handelsvertreter für die …C. F. GmbH & Co KG (nachfolgend Capital-Fonds) tätig sein. Er sollte Capital-Fonds-Anteile vertreiben oder Anleger zum Kauf von Capital-Fonds-Anteilen vermitteln und dafür eine in § 3 definierte Provision erhalten. Vorschüsse wurden nicht vereinbart. Die Capital-Fonds sollte 14-tägig eine Abrechnung erstellen und die Provisionen ausbezahlen (§ 8 der Vertriebsvereinbarung).
Lt. einem Auszug der Bilanz zum 31. Dezember 2004 wies die Capital-Fonds einen Aktivposten „Darlehen gg. Ast“ in Höhe von 109.042,77 € aus.
Am 15. August 2005 schloss der Ast mit der Capital-Fonds einen sog. Gelddarlehensvertrag für den Aufbau eines Vertriebsnetzes für die Capital-Fonds ab. Nach diesem Vertrag sollte die Capital-Fonds als Darlehensgeber dem Ast als Darlehensnehmer ein Darlehen in Form von seit Januar 2004 (von der X-GmbH) überwiesenen Vorschüssen von insgesamt 162.000 € gewährt haben. Nach dem Darlehensvertrag sollten Zins- und Tilgungszahlungen ab Juli 2006 erfolgen.
Mit Kontrollmitteilung vom 17. Mai 2006 teilte das Finanzamt S dem Finanzamt G mit, dass der Ast im Jahr 2005 Vermittlungsprovisionen in Höhe von 32.209,77 € von der … AG erhalten habe.
Am 6. Juli 2006 kündigte die Capital-Fonds die Vertriebsvereinbarung vom 15. März 2004 und den Darlehensvertrag vom 15. August 2005.
Am 2. Oktober 2006 reichten die Ast ihre Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2004 beim -aufgrund des Wohnortwechsels der Ast nach D unzuständig gewordenenFinanzamt G ein. Sie erklärten u.a. einen gewerblichen Verlust des Ast aus der Tätigkeit als Handelsvertreter (Versicherungsvermittler) in Höhe von 66.835 €. In der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG erklärte der Ast Einnahmen in Höhe von 107,19 €, Privatanteile in Höhe von 1.000 € und Neutrale Erträge (Auflösung eines Sonderpostens mit Rücklagenanteil) in Höhe von 6.000 €. Im Kontennachweis zur Gewinnermittlung war unter der Kontonummer … ein Darlehen von 145.000 € ausgewiesen. In dieser Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG bescheinigte der steuerliche Vertreter des Ast, das vorliegende Ergebnis auf der Grundlage der von ihm geführten Aufzeichnungen, der vorgelegten Unterlagen sowie der erteilten Auskünfte des Ast als Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben ermittelt zu haben (§ 4 Abs. 3 EStG).
Im Einkommensteuerbescheid 2004 vom 23. Februar 2007 setzte der mittlerweile zuständigen Beklagte die Einkommensteuer erklärungsgemäß unter dem Vorbehalt der Nachprüfung auf 0 € fest. Mit Bescheid vom 4. Februar 2008 wurde der Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben.
Mit Kontrollmitteilung vom 10. Juli 2007 teilte das Finanzamt D dem Beklagten mit, dass der Ast im Jahr 2005 Provisionszahlungen für Versicherungen/Fonds (vgl. Aufstellungen) von der X-GmbH erhalten habe.
Mit Kontrollmitteilung vom 26. August 2008 teilte das Finanzamt D dem Beklagten mit, dass der Ast Provisionen für die Vermittlung von Capital-Fonds im Jahr 2004 in regelmäßigen Abschlägen von je 3.000 € von der X-GmbH erhalten habe. Die X-GmbH habe an den Ast 142.000 € ausgezahlt.
Der Ast teilte auf Nachfrage des Beklagten mit, dass die Vorschüsse als Darlehen gezahlt worden seien. Mit Abschluss des Darlehensvertrags im Jahr 2005 seien die bisher erzielten Provisionen zugeflossen.
Auf das Auskunftsersuchen des Beklagten hin teilte die X-GmbH/Capital-Fonds Folgendes mit: Der Ast sei ab dem Streitjahr 2004 zusätzlich als freier Handelsvertreter für die Unternehmensgruppe X-GmbH tätig gewesen und sei insbesondere mit der Vermittlung von Fondanteilen der Capital-Fonds (deren damaliger persönlich haftender Gesellschafter die X-GmbH gewesen sei) befasst gewesen. Seither habe der Ast laufende Vorschusszahlungen auf seine Provisionen erhalten. Die ausgereichten Vorschüsse seien mit den laufend erzielten Provisionen im Rahmen eines Kontokorrentkontos verrechnet worden. Der Ast habe mehrere Vertriebspartnerkonten gehabt. Bei den beiliegenden Aufstellungen werde nach erzielten Provisionen und dem tatsächlichen Zufluss der Provisionen unterschieden. Den beiliegenden Aufstellungen war für das Streitjahr 2004 zu entnehmen:
ausgezahlte Vorschüsse 131.000,00 € verrechnete Nettoprovisionen 21.956,72 €
ausbezahlte Nettoprovisionen 57,60 € erzielte Bruttoprovisionen 27.300,51 € einbehaltene Stornoreserve 2.730,06 € Stand Provisionskonto zum 31. Dezember 2004 109.043,28 €.
Für das Streitjahr 2005 ergab sich Folgendes:
ausgezahlte Vorschüsse (bis 15. August 2005: 31 Wochen x 3.000 €) 93.000,00 € verrechnete Nettoprovisionen 39.108,92 €
ausbezahlte Nettoprovisionen 16.577,89 € erzielte Bruttoprovisionen 59.637,56 € einbehaltene Stornoreserve 5.238,73 €
ausbezahlte Stornoreserve 1.447,93 € Stand Provisionskonto zum 31. Dezember 2005 162.934,36 € Mit Abschluss des Darlehensvertrags vom 15. August 2005 sei der Stand des Kontokorrentkontos des Ast (Stand: 5. August 2005: 162.934,36 €) in ein Darlehen in Höhe von 162.000 € umgewandelt worden. Darlehensbeginn sei der 15. August 2005 gewesen.
Aufgrund der Kontrollmitteilung und der Auskünfte der X-GmbH/Capital-Fonds änderte der Beklagte nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) mit Bescheid vom 21. März 2011 den Einkommensteuerbescheid 2004, berücksichtigte bei den gewerblichen Einkünften des Ast zusätzliche Einnahmen von 128.327,54 € (ausgezahlte Vorschüsse 131.000 € + ausbezahlte Nettoprovisionen 57,60 € – Stornoreserve 2.730,06 €), so dass sich Einkünfte aus Gewerbebetrieb des Ast von 61.492 € (erklärt: – 66.835 €) ergaben, und setzte die Einkommensteuer 2004 auf 7.312 € fest. Gleichzeitig wurde erstmalig der Gewerbesteuermessbetrag 2004 in Höhe von 3.990 € festgesetzt.
Darüber hinaus änderte der Beklagte aufgrund der Auskünfte der X-GmbH/Capital-Fonds nach § 164 Abs. 2 AO unter Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung mit Bescheid vom 21. März 2011 den Schätzungsbescheid über Einkommensteuer 2005. Der Beklagte berücksichtigte bei den gewerblichen Einkünften des Ast zusätzliche Einnahmen von 105.787,09 € (ausgezahlte Vorschüsse 93.000 € + ausbezahlte Nettoprovisionen 16.577,89 € + ausbezahlte Stornoreserve 1.447,93 € – einbehaltene Stornoreserve 5.238,73 €). Zusätzlich setzte der Beklagte aufgrund der Kontrollmitteilung des Finanzamts S Vermittlungsprovisionen von 32.209,77 € an, die von der … AG an den Ast gezahlt worden waren.
Die Einkünfte aus Gewerbebetrieb des Ast im Jahr 2005 betrugen demnach 137.996 €. Die festgesetzte Einkommensteuer 2005 erhöhte sich auf 42.940 €. Der Gewerbesteuermessbetrag 2005 wurde in Höhe von 4.470 € festgesetzt (vgl. Bescheid vom 21. März 2011).
Dagegen legten die Ast fristgerecht Einsprüche ein. Bei den Vorschüssen handele es sich um Zahlungen, die keine Einnahmen darstellten, da die Vorschüsse in ein Darlehen umgewandelt worden seien.
Am 15. September 2011 reichten die Ast die Steuererklärungen für 2005 sowie für die Versicherungsvermittlung gemäß §§ 5 Abs. 1, 4 Abs. 1 Satz 1 EStG einen Jahresabschluss zum 31. Dezember 2004, der an Stelle der bisherigen Einnahmeüberschussrechnung gemäß § 4 Abs. 3 EStG zu berücksichtigen sei, und einen Jahresabschluss zum 31. Dezember 2005 ein, obwohl der Ast die am 2. Oktober 2006 eingereichte Gewinnermittlung 2004 und die am 15. Juli 2008 eingereichte Gewinnermittlung 2006 nach § 4 Abs. 3 EStG durchgeführt hatte. Als Jahresfehlbetrag ergab sich ein Verlust für 2004 von 42.677,03 €. Als darin enthaltene Einnahmen wurden Provisionen in Höhe von 25.107,19 € erklärt. Der Jahresabschluss zum 31. Dezember 2004 wies ein Darlehen der Capital-Fonds als sonstige Verbindlichkeit in Höhe von 120.000 € aus. Für 2005 ergab sich ein Jahresüberschuss von 11.570,71 €. Als darin enthaltene Einnahmen wurden Provisionen in Höhe von 66.089,49 € erklärt. Die Bilanz zum 31. Dezember 2005 wies Darlehen als sonstige Verbindlichkeiten, der Capital-Fonds in Höhe von 162.000 € und der … AG in Höhe von 36.000 €, aus.
Zur Aufklärung der Sachlage forderte der Beklagte die Vertriebsvereinbarung mit der Capital-Fonds vom 15. März 2004, die Vorlage der Eröffnungsbilanz zum 1. Januar 2004 und die Ermittlung des Übergangsgewinns von 2003 auf 2004 bei den Ast an. Darüber hinaus wurde um Mitteilung gebeten, wieso das in der Bilanz des Ast ausgewiesene Darlehen der Capital-Fonds betragsmäßig vom gebuchten Darlehen in der Bilanz der Capital-Fonds abweiche.
Der Ast vertrat die Auffassung, dass ein Übergangsgewinn nicht zu ermitteln sei, da er mit der Capital-Fonds eine neue Geschäftsverbindung eingegangen sei.
Mit Schreiben vom 3. März 2012 legte der Ast dem Beklagten eine erstmals erstellte Eröffnungsbilanz zum 1. Januar 2004 vor:
Eröffnungsbilanz zum 1. Januar 2004
Aktiva in €
Passiva in €
Geschäftsausstattung
463,00
Drucker
1,00
Notebook
1,00
aktivierte GWG
2.602,00
Ansparabschreibung
6.000
Bankkonto
76.833,65
Kapital
76.766,65
Summen
82.833,65
82.833,65
Tatumstände, die zu einem Übergangsgewinn führten, seien nicht ersichtlich.
Daraufhin fragte der Beklagte bei den Ast nach, ob es zum 1. Januar 2004 weder Forderungen noch Verbindlichkeiten gegeben habe. Dies erscheine sehr ungewöhnlich, da in der Bilanz zum 31. Dezember 2004 Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten von 78.972,89 € ausgewiesen seien. Weiter sei ungeklärt, warum sonstige Verbindlichkeiten in Höhe von 120.000 € (Darlehen Capital-Fonds) verzeichnet seien, obwohl nach den Unterlagen der Capital-Fonds der Stand des Provisionskontos zum 31. Dezember 2004 nur 109.043,28 € betragen habe.
Der Ast erwiderte, dass das Darlehen der Capital-Fonds auf den 31. Dezember 2004 von 120.000 € und die Eröffnungsbilanz zum 1. Januar 2004 in Ordnung seien. Das überzogene Girokonto sei in etwa gleich geblieben. In Bezug auf die Vertriebsvereinbarung vom 15. März 2004 verwies er auf die Vereinbarung mit der X-GmbH vom 22. Dezember 2003.
Der Beklagte wies die Ast -unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs -BFH- (vgl. BFH-Urteile vom 29. April 1982 IV R 95/79, BStBl II 1982, 593, und vom 2. März 1978 IV R 45/73, BStBl II 1978, 431) darauf hin, dass eine nachträgliche Änderung der Gewinnermittlung unzulässig sei. Die Abgabe einer Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG sei trotz der bisher geschätzten Besteuerungsgrundlagen für das Jahr 2005 nicht möglich, da sich der Ast durch die Abgabe der Gewinnermittlungen für die Jahre 2004 und 2006 nach § 4 Abs. 3 EStG für den Zeitraum 2004 bis 2006 für die Einnahmeüberschussrechnung bereits entschieden habe. Zudem habe der Ast keine Eröffnungsbilanz (zeitnah) aufgestellt und lediglich während des laufenden Jahres Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben aufgezeichnet. Die beim Finanzamt G und beim Beklagten eingereichten Gewinnermittlungen des Ast nach § 4 Abs. 3 EStG für die Jahre 2004 und 2006 sprechen auch dafür, dass der Ast keine laufende Buchführung eingerichtet habe. Die Abgabe der Bilanz 2005 sei zudem erst erfolgt, nachdem die Provisionsvorschüsse im Rahmen des § 11 EStG als Einnahmen erfasst worden seien. Ferner habe das Finanzamt S mitgeteilt, dass der Ast von der … AG Provisionen in Höhe von 32.209,77 € erhalten habe.
Der Ast übersandte für 2005 die Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG. Der danach ermittelte Gewinn betrug danach auch weiterhin 11.570,71 €.
Unter Bezugnahme auf den von der Capital-Fonds vorgelegten weiteren Darlehensverlauf (ab 2005) teilte der Beklagte den Ast mit, dass er die Einsprüche gegen die angefochtenen Bescheide über Einkommensteuer 2004 bis 2006 sowie über Gewerbesteuermessbetrag 2004 und 2005 insoweit als unbegründet zurückweisen werde, als er die Provisionsvorschüsse zu Recht als Betriebseinnahmen erfasst habe. Weiterhin bat der Beklagte die Ast mitzuteilen, ob in den von ihm erklärten Einnahmen die Provisionen der … AG enthalten seien. Diese Frage blieb seitens der Ast unbeantwortet.
Mit Einspruchsentscheidungen vom 12. April 2013 wies der Beklagte die Einsprüche gegen die Bescheide über Einkommensteuer und Gewerbesteuermessbetrag für 2004 als unbegründet zurück.
Mit Einspruchsentscheidungen vom 12. April 2013 setzte der Beklagte unter Änderung der Bescheide vom 21. März 2011 die Einkommensteuer 2005 auf 23.611 € und den Gewerbesteuermessbetrag 2005 auf 1.745 € herab und wies im Übrigen die Einsprüche als unbegründet zurück. Den Gewinn des Ast aus Gewerbebetrieb 2005 ermittelte der Beklagte wie folgt:
erklärter Gewinn 2005
11.570,71 €
abzüglich erklärte Einnahmen
– 66.089,49 €
zuzüglich ausbezahlter Vorschüsse
+ 93.000,00 €
zuzüglich ausbezahlter Provisionen
+ 16.577,89 €
zuzüglich ausbezahlter Stornoreserve
+ 1.447,93 €
abzüglich einbehaltener Stornoreserve
– 5.238,73 €
zuzüglich Provisionen … AG
+ 32.209,77 €
berichtigter Gewinn 2005
83.478,08 €
Die Provisionsvorschüsse der Capital-Fonds seien zu Recht im Zeitpunkt des Zuflusses als Betriebseinnahmen erfasst worden. Ermittle ein Handelsvertreter den Gewinn durch Überschussrechnung, so müsse er die erhaltenen Provisionsvorschüsse gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG im Jahr des Zuflusses als Einnahmen ansetzen (vgl. BFH-Urteil vom 13. Oktober 1989 III R 30/85, III R 31/85, BStBl II 1990, 287). Zudem habe sich der Ast für die Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG entschieden und sei damit an die Art der Gewinnermittlung gebunden. Eine nachträgliche Änderung der Gewinnermittlung sei unzulässig.
Dagegen wenden sich die Ast mit ihrer Klage. Zur Begründung tragen sie im Wesentlichen vor, dass der Ast einen Darlehensvertrag mit der Capital-Fonds geschlossen habe. Dafür seien monatliche Beträge von 3.000 € gezahlt worden. Deshalb sei in der Gewinnermittlung 2004 nach § 4 Abs. 3 EStG ein Darlehenskonto in Höhe von 145.000 € gebildet worden. Im Jahr 2005 seien abgerechnete Provisionen als Einnahmen erfasst und das Darlehenskonto sei mit 162.000 € ausgewiesen worden. Da die Veranlagungen alle unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gestanden seien, seien zur Klarstellung eine Eröffnungsbilanz auf den 1. Januar 2004 und Bilanzen auf den 31. Dezember 2004 und auf den 31. Dezember 2005 abgegeben worden, die der Beklagte nicht anerkannt habe. Es werde eine Veranlagung nach den eingereichten Bilanzen für 2004 und 2005 begehrt, da es sich bei den Abschlagszahlungen der Capital-Fonds um Darlehensauszahlungen gehandelt habe und nur die abgerechneten Provisionen als Einnahmen zu erfassen seien.
Die Ast beantragen sinngemäß,
ihnen für das gerichtliche Verfahren 2 K 1704/13 PKH zu gewähren und ihnen Steuerberater … beizuordnen.
Der Beklagte weist darauf hin, dass das gerichtliche Verfahren keinen Erfolg haben könne. Zur Begründung nimmt er auf seine Ausführungen in den Einspruchsentscheidungen Bezug.
II.
Der Antrag auf Gewährung von PKH unter Beiordnung des Steuerberaters … ist unbegründet, da die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.
1. Nach § 142 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) in Verbindung mit § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO) erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Die Rechtsverfolgung verspricht hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn bei summarischer Prüfung für seinen Eintritt eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht. Insgesamt dürfen die Anforderungen an die Erfolgsaussichten nicht überspannt werden. Die Erfolgsaussichten sind in der Regel dann als hinreichend anzusehen, wenn die Gründe für und gegen einen Erfolg als gleichwertig zu bewerten sind; eine abschließende Prüfung darf bei der Abwägung nicht vorgenommen werden (vgl. BFH-Beschluss vom 24. September 2013 III S 21/13, BFH/NV 2014, 43, m.w.N.).
2. Hiervon ausgehend bietet die beabsichtigte Rechtsverfolgung bei der hier gebotenen und auch ausreichenden summarischen Beurteilung des Sachverhalts anhand der Aktenlage und der präsenten Beweismittel keine hinreichende Aussicht auf Erfolg,
a) Nach Aktenlage ist der Ast nicht buchführungspflichtig gewesen ist, vgl. §§ 140, 141 AO i.V.m. § 1 und § 238 des Handelsgesetzbuchs (HGB).
Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG müssen Gewerbetreibende, die auf Grund gesetzlicher Vorschriften verpflichtet sind, Bücher zu führen und regelmäßig Abschlüsse zu machen, oder die ohne eine solche Verpflichtung Bücher führen und regelmäßig Abschlüsse machen, für den Schluss des Wirtschaftsjahres das Betriebsvermögen ansetzen (§ 4 Abs. 1 Satz 1 EStG), das nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung auszuweisen ist. Trifft sie eine solche Verpflichtung nicht und führen sie keine Bücher und machen sie keine Abschlüsse, können sie nach § 4 Abs. 3 EStG als Gewinn den Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben ansetzen (vgl. BFH-Urteile vom 19. März 2009 IV R 57/07, BStBl II 2009, 659, und vom 21. Juli 2009 X R 46/08, BFH/NV 2010, 186, vom 20. Dezember 2012 III R 33/12, BStBl II 2013, 1035).
Im Streitfall hat der Ast zwar als Handelsvertreter ein Handelsgewerbe betrieben. Jedoch ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass das Unternehmen des Ast einen nach Art und Umfang eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert hat, vgl. § 1 Abs. 2 HGB, oder im Handelsregister eingetragen ist. Dies hat auch der Ast nicht vorgetragen. Die vom Ast erzielten Provisionen erforderten einen derartigen Geschäftsbetrieb nicht. Daneben sind nach den Vertriebsvereinbarungen die X-GmbH und die Capital-Fonds verpflichtet gewesen, die Provisionen mit dem Ast abzurechnen. Dementsprechend hat der Ast auch nur die Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben aufgezeichnet (vgl. Gewinnermittlungen nach § 4 Abs. 3 EStG zum 31. Dezember 2004, und zum 31. Dezember 2006).
b) Der Ast hat in den Streitjahren seinen Gewinn aufgrund seiner tatsächlichen Handhabung nach § 4 Abs. 3 Satz 1 EStG ermittelt.
aa) Ein nicht buchführungspflichtiger Steuerpflichtiger hat sein Wahlrecht auf Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich erst dann wirksam ausgeübt, wenn er zeitnah eine Eröffnungsbilanz aufstellt, eine kaufmännische Buchführung einrichtet und aufgrund von Bestandsaufnahmen einen Abschluss macht. Maßgeblich ist die tatsächliche Handhabung der Gewinnermittlung (vgl. BFH-Urteil vom 19. Oktober 2005 XI R 4/04, BStBl II 2006, 509).
Hat der Steuerpflichtige demgegenüber nur die Betriebseinnahmen und die Betriebsausgaben aufgezeichnet, so hat er aufgrund dieser tatsächlichen Handhabung sein Wahlrecht i.S. einer Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG ausgeübt. An die Dokumentation der Wahl zugunsten der Einnahmeüberschussrechnung sind dabei keine hohen Anforderungen zu stellen. Hat der Steuerpflichtige wirksam die Einnahmeüberschussrechnung als Gewinnermittlungsmethode gewählt, kann er nicht später für das betreffende Wirtschaftsjahr diese Wahl rückgängig machen und die Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich wählen. Ebenso scheidet die Wahl der Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich aus, wenn der Steuerpflichtige nicht zeitnah zu Beginn des Gewinnermittlungszeitraums eine Eröffnungsbilanz aufgestellt und eine kaufmännische Buchführung eingerichtet hat (vgl. BFH-Urteil vom 5. November 2015 III R 13/13, BFH/NV 2016, 841, m.w.N.).
bb) Im Streitfall hat der Ast seit 2000 den Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelt.
Die Entscheidung für eine bestimmte Gewinnermittlungsart ist eine Grundentscheidung, die nicht jährlicher Wiederholung bedarf. Es kann daher davon ausgegangen werden, dass der Ast, der mit der Versicherungsvermittlung Gewinneinkünfte erzielt, solange bei der in der Vergangenheit gewählten Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG bleibt, bis er dem Beklagten Gegenteiliges bekundet (vgl. BFH-Urteil vom 24. September 2008 X R 58/06, BStBl II 2009, 368).
cc) Der Ast hat zudem auch nach der für das Jahr 2004 vorgenommenen Gewinnermittlung keine abweichende Wahl getroffen. Er hat für das Jahr 2004 eine Einnahmeüberschussrechnung erstellt und diese zusammen mit seinen Steuererklärungen dem Finanzamt G am 2. Oktober 2006 eingereicht. In dieser Gewinnermittlung ist vom steuerlichen Vertreter das vorliegende Ergebnis auf der Grundlage der von ihm geführten Aufzeichnungen, der vorgelegten Unterlagen sowie der erteilten Auskünfte des Ast als Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben nach § 4 Abs. 3 EStG bescheinigt worden. Damit steht fest, dass der Ast seinen Gewinn unter Beachtung der an die Dokumentation zu stellenden Anforderungen nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelt hat, sein Wahlrecht ausgeübt hat und dieses nach außen dokumentiert hat. Er hat nach Form und ausdrücklicher Bezeichnung eine Einnahmeüberschussrechnung beim Finanzamt G eingereicht. Ein Einzelunternehmer hat seine Einnahmeüberschussrechnung bzw. seinen Bestandsvergleich in dem Zeitpunkt erstellt, indem er sie bzw. ihn fertiggestellt hat und objektiv erkennbar als endgültig ansieht (vgl. hierzu Blümich/Ehmcke, § 6 EStG Rz 44). Als Beweisanzeichen dafür, dass der Einzelunternehmer die fertiggestellte Gewinnermittlung als endgültig ansieht, kann u.a. die Tatsache gewertet werden, dass er sie in den Rechtsverkehr begibt -z.B. Übersendung an das FA- (vgl. BFH in BFH/NV 2016, 841, m.w.N.).
c) Diese Wahl der Gewinnermittlung kann nachträglich nicht abgeändert werden. Der Ast konnte für die Streitjahre nicht mehr zum Bestandsvergleich wechseln. Der Ast hat in der Vergangenheit dieses Wahlrecht ausgeübt und hat zudem am 16. Juli 2008 auch für 2006 eine Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG beim Beklagten eingereicht. Hinzu kommt, dass er seinen Willen, zum Bestandsvergleich wechseln zu wollen, nicht durch eine zeitnah erstellte Eröffnungsbilanz bekundet hat. Eine Eröffnungsbilanz zum 1. Januar 2004 ist beim Beklagten erst mit Schreiben vom 3. März 2012 eingereicht worden.
Der Ast kann nicht mit Erfolg einwenden, nur durch den Wechsel zum Bestandsvergleich ließen sich die von der X-GmbH geleisteten Vorschüsse passivieren und wären folglich nicht gewinnwirksam (vgl. BFH-Urteil vom 17. März 2010 X R 28/08, BFH/NV 2010, 2033). Denn zu den tatbestandlichen Voraussetzungen für die Ausübung des nach § 4 Abs. 3 Satz 1 EStG eingeräumten Wahlrechts gehört nicht die Kenntnis der steuerrechtlichen Folgen der einmal getroffenen Wahl (vgl. BFH in BFH/NV 2016, 841, m.w.N.).
d) Die als Vorschüsse geleisteten Zahlungen der X-GmbH -2004: 131.000 € und bis 15. August 2005: 93.000 €- sind als Betriebseinnahmen des Ast im Zeitpunkt des Zuflusses in den Streitjahren zu berücksichtigen.
Ermittelt ein Handelsvertreter den Gewinn durch Überschussrechnung -wie der Astso muss er die erhaltenen Provisionsvorschüsse gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG im Jahr des Zuflusses als Einnahmen ansetzen. Unter einem Vorschuss ist eine Vorauszahlung auf eine noch zu bewirkende Leistung zu verstehen. Dabei geht der BFH davon aus, dass regelmäßig weder der Geber noch der Empfänger eine von dem zugrundeliegenden Geschäft unabhängige Schuld begründen wollen. Vorschüsse stellen im Rahmen der Gewinnermittlung gemäß § 4 Abs. 3 EStG Betriebseinnahmen dar. Soweit sie später zurückgezahlt werden, stellen sie Betriebsausgaben im Jahr der Rückzahlung dar (vgl. BFH-Urteil vom 2. September 1954 IV 159/53 U, BStBl III 1954, 314). Hiervon ist das Darlehen abzugrenzen, bei dem der Eingang des Geldes aus einer Schuldaufnahme stammt und welches nicht als Betriebseinnahme im Sinne von § 4 Abs. 3 EStG anzusehen ist. Der BFH hat in einem Fall betreffend einen Handelsvertretervertrag klargestellt, dass bei der Abgrenzung von Vorauszahlungen auf eine noch zu bewirkende Leistung und einem Darlehen die Annahme eines „echten“ Darlehens eine klare Vereinbarung voraussetzt, aus der zu entnehmen ist, dass der als Darlehen gewährte Betrag in keinerlei Zusammenhang mit den originären Ansprüchen aus dem zugrunde liegenden Vertrag steht (vgl. BFH in BStBl II 1990, 287).
Im Streitfall geht das Gericht nach summarischer Prüfung davon aus, dass die zwischen der X-GmbH und dem Ast geschlossene Vertriebsvereinbarung vom 22. Dezember 2003 nicht als Darlehen zu qualifizieren ist. Ein von der Vertriebsvereinbarung klar abgegrenzter Darlehensvertrag ist von den Vertragsparteien nicht beabsichtigt worden.
Es fehlt die klare Regelung einer zusätzlichen Schuld. Entsprechend § 3 der Vertriebsvereinbarung mit der X-GmbH hat der Ast in den Streitjahren als Kooperationspartner einen wöchentlichen Vorschuss von 3.000 € erhalten, der mit später verdienten Provisionen verrechnet werden sollte (vgl. Rb-Akte, Bl. 122 ff.). Der Wortlaut der Vertriebsvereinbarung spricht daher schon gegen die von den Ast vorgetragene (zusätzliche) Vereinbarung eines Darlehens.
Ebenso hat nach Sinn und Zweck der Vertriebsvereinbarung zwischen der X-GmbH und dem Ast der Vertrieb der Produkte der Unternehmensgruppe X-GmbH durch den Ast im Vordergrund gestanden. Dem Ast sind gerade im Vorgriff auf dessen später noch zu bewirkende Leistungen von der X-GmbH wöchentlich Beträge von 3.000 € im Zusammenhang mit den originären Ansprüchen aus dem Handelsvertretervertrag zugeflossen.
Der am 15. August 2005 zwischen der Capital-Fonds und dem Ast ausdrücklich geschlossene Darlehensvertrag im Hinblick auf das Kontokorrentkonto mit einer bis 15. August 2005 aufgelaufenen Schuld des Ast von 162.000 € spricht gegen eine bereits bestehende Darlehensvereinbarung mit der X-GmbH. Darüber hinaus sind sowohl der Ast als auch die X-GmbH/Capital-Fonds davon ausgegangen, dass die geleisteten Vorschusszahlungen (später) in ein Darlehen umgewandelt worden sind. Zu diesem Zeitpunkt sind jedoch alle Vorschüsse an den Ast bereits ausgezahlt gewesen und dem Ast zugeflossen gewesen. Die wöchentlichen Vorschüsse haben 2004 131.000 € und von 1. Januar bis 15. August 2005 (31 Wochen x 3.000 € =) 93.000 € betragen. Insoweit kann dahinstehen, ob die bis 15. August 2005 geleisteten Vorauszahlungen der X-GmbH der den Darlehensvertrag abschließenden Capital-Fonds überhaupt zugerechnet werden können.
3. Eine Kostenentscheidung ist nicht zu treffen. Gerichtsgebühren entstehen nicht (§ 142 FGO i.V.m. § 118 Abs. 1 Sätze 4 und 5 ZPO und § 1 Abs. 2 Nr. 2, § 3 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes in Verbindung mit dem Kostenverzeichnis).

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