Aktenzeichen 2 V 567/16
Leitsatz
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens.
Gründe
I.
Streitig ist im Einspruchsverfahren der Antragsteller (Ast) gegen den Einkommensteuerbescheid für 2010, ob die dem Ast zugeflossene Schadensersatzzahlung von 210.000 € als Ersatz für entgangene Einnahmen nach §§ 24 Nr. 1a, 19 Abs. 1 EStG steuerpflichtig ist.
Die Ast sind verheiratet und werden zusammen beim Antragsgegner (dem Finanzamt -FA-) zur Einkommensteuer veranlagt.
Der Ast wurde ab 1. April 2002 als Vorstand S-AG berufen (vgl. bis 31. Dezember 2006 befristeter Anstellungsvertrag vom 23. März 2002, BP-Akte Bd. II, Bl. 30 ff.). Im Anstellungsvertrag waren weder Abfindungszahlungen noch Gratifikationen oder Boni nach Ablauf des befristeten Anstellungsvertrags vorgesehen.
Am 2. August 2006 beschloss der Aufsichtsrat der S-AG, den Ast aufgrund von Unstimmigkeiten nicht mehr weiter als Vorstand über seinen Vertrag hinaus zu berufen.
Nach dem Schreiben des Aufsichtsratsvorsitzenden der S-AG vom 2. August 2006 und dem Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 3. August 2006 wurde dem Ast dessen bisheriger Tätigkeit Rechnung tragend angeboten, entweder sein Grundstück einschließlich Gebäude in G zum Verkehrswert zu übernehmen oder ihm einen einmaligen Betrag in Höhe von 200.000 € zu zahlen, zahlbar nach dem 1. Januar 2007 (vgl. BP-Akte Bd. II, Bl. 34, Bl. 41). Der Ast war zwar grundsätzlich mit diesem Vorschlag einverstanden. Er ließ jedoch nach Rücksprache mit seinem Rechtsanwalt Dr. S von der Partnerschaftsgesellschaft…, der S-AG eine modifizierte und von ihm bereits unterschriebene Vereinbarung mit der Bitte um zeitnahe Unterzeichnung zukommen. Danach sollte ihm die S-AG u.a. den aus einer anderweitigen Tätigkeit erzielten Verdienst auf die bis 31. Dezember 2006 fälligen Bezüge aus seinem Anstellungsvertrag nicht anrechnen und die S-AG sollte ihm als Verlust für zukünftig entgehende Einnahmen gemäß § 24, § 34 EStG eine einmalige Abfindung von 200.000 € zahlen, zahlbar spätestens am 5. Januar 2007 (vgl. BP-Akte Bd. II, Bl. 36 f.).
Ab dem 20. August 2006 wurde der Ast von seiner Vorstandstätigkeit freigestellt.
Am 4. Oktober 2006 teilte die S-AG dem Ast mit, dass der Aufsichtsrat beschlossen habe, ihm keine Abfindung zu zahlen (vgl. BP-Akte Bd. II, Bl. 41, 54).
Das Landgericht … wies im Urteil vom 16. September 2008 die Klage des Ast gegen die S-AG auf Zahlung einer Abfindung von 200.000 € ab (vgl. BP-Akte Bd. II, Bl. 40). Die Annahme des Angebots der S-AG nach § 145 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) durch den Ast, verbunden mit Erweiterungen und Änderungen, habe ein neues Angebot nach § 150 Abs. 2 BGB dargestellt und sei von der S-AG nicht angenommen worden. Eine Vereinbarung über eine Abfindung sei daher nicht zustande gekommen.
Das Landgericht M wies die Klage des Ast gegen seinen Rechtsanwalt (und die auch beklagte Partnerschaftsgesellschaft) wegen Anwaltshaftung mit Urteil vom 12. Mai 2009 ab. Der Ast hatte Schadensersatz in Höhe von 222.593,05 € (Abfindung: 200.000 € sowie Gerichts-/Beratungskosten von 22.593,05 €, vgl. BP-Akte, Bd. II, Bl. 59) mit der Begründung gefordert, dass er von seinem Anwalt erst verspätet auf die Rechtsfolgen des § 150 Abs. 2 BGB („Eine Annahme unter Erweiterungen, Einschränkungen oder sonstigen Änderungen gilt als Ablehnung verbunden mit einem neuen Antrag.“) hingewiesen worden sei. Deshalb sei eine ihm von der S-AG angebotene günstige Abfindungsvereinbarung nicht zustande gekommen. Das Landgericht M sah bereits die Voraussetzungen eines Angebots nach § 145 BGB hinsichtlich des Vorschlags des Aufsichtsrats vom 2. August 2006 als nicht erfüllt an (vgl. BP-Akte, Bd. II, Bl. 96 ff.).
Im Berufungsverfahren gegen das Urteil des Landgerichts M regte der zuständige Senat des Oberlandesgerichts … in der mündlichen Verhandlung am 13. Januar 2010 den Abschluss eines Prozessvergleichs an. Der Senat wies darauf hin, dass er entgegen der Auffassung des Erstgerichts von einem annahmefähigen Angebot des Aufsichtsrats ausgehe, so dass der Ast über die Rechtslage nach § 150 Abs. 2 BGB von seinem Anwalt hätte aufgeklärt werden müssen. Zudem sei nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme durch die Vernehmung des Zeugen D -größter Einzelgesellschafter der SWBgeklärt worden, dass sich der Ast bei Aufklärung über die sich aus § 150 Abs. 2 BGB ergebende Rechtslage für die Annahme des Angebots der S-AG vom 2. August 2006 auf Zahlung von 200.000 € entschieden hätte. Dem Protokoll über die mündliche Verhandlung vor dem Oberlandesgericht … ist weiter zu entnehmen, dass sich der Ast auch dahingehend eingelassen hat, dass er das Angebot des S-AG von 200.000 € angenommen hätte, da die anderen Dinge für ihn keine Priorität gehabt hätten (vgl. BP-Akte, Bd. II, Bl. 140 ff.). Daraufhin verglichen sich der Ast und der beklagte Rechtsanwalt (sowie die beklagte Partnerschaftsgesellschaft) über einen an den Ast zu zahlenden Schadensersatz in Höhe von 210.000 €. Damit sollten sämtliche gegenseitige Ansprüche zwischen den Parteien, ob bekannt oder unbekannt und gleich aus welchem Grund, abgegolten und erledigt sein. Die Haftpflichtversicherung der beklagten Partnerschaftsgesellschaft akzeptierte ebenfalls den Prozessvergleich (vgl. BP-Akte, Bd. II, Bl. 148).
Bei den Ast fand im Zeitraum vom 14. Juli 2014 bis 28. Oktober 2015 eine Außenprüfung u.a. über Einkommensteuer 2010 statt. Der Prüfer stellte u.a. fest, dass die o.g. Schadensersatzleistung durch die Haftpflichtversicherung an den Ast gezahlt worden sei. Dabei habe es sich um steuerpflichtige Einnahmen aus § 24 Nr. 1a EStG gehandelt. Die Zahlung von 210.000 € beruhe auf dem Vergleichsvorschlag des Oberlandesgerichts … vom 13. Januar 2010. Maßgeblich für den Vergleichsvorschlag sei die Aussage des Zeugen D gewesen, der bestätigt habe, dass mit dem Aufsichtsrat der S-AG abgestimmt gewesen sei, dem Ast entweder sein Haus abzukaufen oder ihm eine Barabfindung von 200.000 € zu zahlen. Dem Zeugen D sei sehr daran gelegen gewesen, dass der Ast infolge von dessen besonderen Verdiensten für die S-AG eine Abfindung habe erhalten sollen. Demzufolge habe der Zeuge D dem Ast zur Annahme der Barabfindung geraten. Der Zeugenaussage sei unmissverständlich zu entnehmen, dass ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der ursprünglich angebotenen Einmalzahlung der S-AG vom 2. August 2006 und dem Dienstverhältnis des Ast bei der S-AG bestanden habe. Dies entspreche im Ergebnis auch der Berufungsbegründung des Ast vom 14. September 2009 (vgl. BP-Akte, Bd. II, Bl. 114 ff.). Bei (unveränderter) Angebotsannahme durch den Ast hätten die Leistungen daraus zweifellos zu Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geführt, weil sie als Ausfluss aus seiner Vorstandstätigkeit zu sehen gewesen seien. Die Schadensersatzleistung habe der Ast auf der Grundlage des vor dem Oberlandesgericht … erzielten Prozessvergleichs von der Haftpflichtversicherung der Partnerschaftsgesellschaft dafür erhalten, dass sein Anwalt ihn in Fragen des Abfindungsangebots der S-AG fehlerhaft beraten habe. Dementsprechend sei die Schadensersatzleistung als Entschädigung im Sinne des § 24 Nr. 1a EStG steuerpflichtig. Die Vergleichszahlung stelle eine Entschädigung dar, die als Ersatz für entgangene Einnahmen aus dem Arbeitsverhältnis des Ast gezahlt worden sei, die unter die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit nach § 19 Abs. 1 EStG gefallen wären. Die Annahme des Angebots sei lediglich durch einen Beratungsfehler des Anwalts infolge der Abgabe eines neuen Angebots nach § 150 Abs. 2 BGB verwirkt worden. Einer Besteuerung der Schadensersatzleistung beim Ast stehe nicht entgegen, dass diese auf einem Rechtsanspruch gegen den Anwalt basiere (vgl. Urteil des Finanzgerichts München vom 22. Januar 2003 9 K 2706/01, juris). Im Zusammenhang mit der Durchsetzung des Entschädigungsanspruchs seien entstandene Rechts- und Beratungskosten in Höhe von 10.265 € als Werbungskosten aus nichtselbständiger Arbeit zu berücksichtigen (vgl. BNV-Akte, Bl. 24 und 25).
Die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit hinsichtlich der Entschädigung ermittelten sich daher wie folgt:
„Vergleichszahlung – Oberlandesgericht …: 210.000 €
abzgl. Anwalts- und Gerichtskosten – Oberlandesgericht…: 10.265 € zu berücksichtige Einkünfte §§ 24 Nr. 1a, 19 Abs. 1 EStG 199.735 €
Auch dementsprechend wurde der Einkommensteuerbescheid für 2010 mit Bescheid vom 13. Januar 2016 nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) unter Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung geändert und die Einkommensteuer 2010 auf 195.778 € festgesetzt. Nach Anrechnung von Steuerabzugsbeträgen waren hinsichtlich der Einkommensteuer 2010 noch 86.792 € zu tilgen.“
Dagegen legten die Ast Einspruch ein und beantragten die Aussetzung der Vollziehung. Mit Bescheid vom 3. Februar 2016 lehnte das FA die Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Einkommensteuerbescheids für 2010 ab.
Mit Schriftsatz vom 2. März 2016 beantragten die Ast bei Gericht die Aussetzung der Vollziehung des Einkommensteuerbescheids für 2010 hinsichtlich des noch nicht getilgten Betrags über Einkommensteuer 2010 von 86.792 €. Sie sind der Auffassung, dass es sich bei der Schadensersatzzahlung durch die Haftpflichtversicherung um keinen steuerpflichtigen Zufluss handele. Es gebe weder einen arbeitsvertraglichen Anspruch auf Zahlung einer Abfindung, noch eine arbeitgeberseitige Gewährung durch den zuständigen Aufsichtsrat, noch eine Zahlung durch den Arbeitgeber; zudem habe auch das Oberlandesgericht … aufgrund des Vergleichs keinen Sachverhalt festgestellt. Die Chance, auf deren Basis der gerichtliche Vergleich beruhe -vermeintliches ursprüngliches Angebot der SWB-, betreffe keinen steuerlich relevanten Sachverhalt, da dort primär der Verkauf einer Immobilie zum Verkehrswert diskutiert worden sei. Dies habe nicht den Vorstellungen des Ast entsprochen. Daher habe der Ast das Angebot der S-AG nicht angenommen.
Die Ast beantragen sinngemäß,
die Vollziehung des geänderten Bescheids für 2010 vom 13. Januar 2016 über Einkommensteuer in Höhe (des noch nicht getilgten Betrags) von 86.792 € wegen ernstlicher Zweifel an dessen Rechtmäßigkeit bis einen Monat nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung auszusetzen,
hilfsweise, die Beschwerde zuzulassen.
Das FA beantragt sinngemäß,
den Antrag abzulehnen.
Es seien keine neuen Gesichtspunkte und/oder Beweismittel vorgetragen worden, die eine von der bisher vertretenen Auffassung abweichende Meinung begründen würden.
Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf das Schreiben der Betriebsprüfungsstelle vom 23. Juli 2015 (vgl. BNV-Akte, Bl. 3 ff.), die Ausführungen des Betriebsprüfungsberichts vom 28. Oktober 2015 (vgl. BNV-Akte, Bl. 24 und 25), die Ermittlungen in der Prüferhandakte (vgl. BP-Akten), die Ablehnung der Aussetzung der Vollziehung mit Bescheid vom 3. Februar 2016 sowie die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze Bezug genommen.
II.
1. Der Antrag ist zulässig.
Das Gericht geht zugunsten der Ast davon aus, dass der Antrag nach seiner Begründung nur auf Aussetzung der Vollziehung der festgesetzten Einkommensteuer in Höhe der noch nicht getilgten 86.792 € gerichtet ist, da ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der Zinsen zur Einkommensteuer 2010 und des Solidaritätszuschlags 2010 mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig wäre.
Die Vollziehung der Zinsfestsetzung wird von Amts wegen ausgesetzt bzw. aufgehoben, soweit die Aussetzung der Einkommensteuer angeordnet wird (§ 69 Abs. 2 Satz 4 und 7 Finanzgerichtsordnung -FGO-), da die Festsetzung der Einkommensteuer Grundlagenbescheid für die Festsetzung der Zinsen nach § 233a AO ist (vgl. § 233a Abs. 5 AO). Ein gesonderter Antrag auf Aussetzung der Zinsfestsetzung kommt daher nur dann in Betracht, wenn neben den Einwendungen gegen die Einkommensteuerfestsetzung eigenständige Rechtsverletzungen durch die Zinsfestsetzung geltend gemacht werden (vgl. Bundesfinanzhof -BFHBeschluss vom 16. März 1995 VIII B 158/94, BFH/NV 1995, 680). Dies ist vorliegend aber nicht der Fall.
Den Antrag, die Vollziehung des Bescheids über Solidaritätszuschlag 2010 auszusetzen, müsste das Gericht ebenfalls ablehnen, da es sich dabei um einen Folgebescheid des Einkommensteuerbescheids handelt (vgl. BFH-Beschluss vom 8. Dezember 2004 I B 124/04, BFH/NV 2005, 1036). Einwendungen, die Besteuerungsgrundlagen des Einkommensteuerbescheids betreffen, sind nicht im Rahmen des Folgebescheids (Solidaritätszuschlag) zu prüfen.
2. Der Antrag ist aber unbegründet.
a) Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines angefochtenen Verwaltungsakts bestehen, wenn bei überschlägiger Prüfung anhand des aktenkundigen Sachverhalts neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, dagegen sprechende Gründe zu Tage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatfragen bewirken. Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ist bereits dann begründet, wenn ein nicht nur geringer Grad von Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass der gegen den Verwaltungsakt eingelegte Rechtsbehelf Erfolg haben wird (vgl. BFH-Urteil vom 7. Juni 1994 IX R 141/89, BStBl II 1994, 756; BFH-Beschlüsse vom 15. Januar 1998 IX B 25/97, BFH/NV 1998, 994, vom 25. August 1998 II B 25/98, BStBl II 1998, 674; vom 23. Juli 1999 VI B 116/99, BStBl II 1999, 684).
Die Entscheidung über einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ergeht wegen dessen Eilbedürftigkeit aufgrund des Prozessstoffs, der sich aus den dem Gericht vorliegenden Unterlagen, insbesondere den Akten der Finanzbehörde, und präsenten Beweismitteln ergibt. Weitergehende Sachverhaltsermittlungen durch das Finanzgericht sind nicht erforderlich (vgl. BFH-Beschluss vom 21. Juli 1994 IX B 78/94, BFH/NV 1995, 116; vom 16. Juni 2003 IX B 60/03, BFHE 202, 557, BStBl II 2003, 945).
Nach den Regeln der objektiven Beweislast (Feststellungslast) geht die Unerweislichkeit entscheidungserheblicher steuerbegründender Tatsachen zu Lasten der Finanzbehörde, diejenige steuerbefreiender oder steuermindernder Tatsachen zu Lasten des Steuerpflichtigen (vgl. BFH-Urteile vom 5. November 1970 V R 71/67, BStBl II 1971, 220, und vom 15. Februar 1989 X R 16/86, BStBl II 1989, 462). Der objektiven Beweislast (Feststellungslast) im Klageverfahren entspricht eine objektive Glaubhaftmachungslast im vorläufigen Rechtsschutzverfahren (vgl. BFH-Beschluss vom 15. Oktober 1986 VIII B 30/86, BFH/NV 1987, 44). Die Tat- und Rechtsfragen brauchen nicht abschließend geprüft zu werden.
Bei der notwendigen Abwägung der im Einzelfall entscheidungsrelevanten Umstände und Gründe sind die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs zu berücksichtigen. Irgendeine vage Erfolgsaussicht genügt jedoch nicht. Andererseits ist nicht erforderlich, dass die für die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts sprechenden Gründe überwiegen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 14. November 1989 VII B 124/89, BFH/NV 1990, 279; vom 6. September 1989 II B 33/89, BFH/NV 1990, 670). Ist die Rechtslage nicht eindeutig, so ist im summarischen Verfahren nicht abschließend zu entscheiden, sondern im Regelfall die Vollziehung auszusetzen (vgl. BFH-Beschluss vom 10. Mai 2001 I S 3/01, BFHE 194, 360, BFH/NV 2001, 957).
b) Unter Berücksichtigung dieser Rechtsgrundsätze bestehen im Streitfall keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids für 2010 vom 13. Januar 2016 über Einkommensteuer.
Nach summarischer Prüfung hat das FA den aufgrund des Prozessvergleichs im Streitjahr geleisteten Schadensersatz von 210.000 € in voller Höhe zu Recht als steuerpflichtige Einnahme nach § 24 Nr. 1a i.V.m. § 19 Abs. 1 EStG behandelt.
aa) Eine Steuerpflicht der 210.000 € ergibt sich im Streitfall allerdings nicht allein aus § 19 Abs. 1 EStG. Zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gehören gemäß § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG Gehälter, Löhne, Gratifikationen, Tantiemen und andere Bezüge und Vorteile für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst. Dabei ist es gleichgültig, ob es sich um laufende oder einmalige Bezüge handelt, ob ein Rechtsanspruch auf sie besteht und unter welcher Bezeichnung oder Form sie gewährt werden, § 2 Abs. 1 Satz 2 Lohnsteuerdurchführungsverordnung -LStDV-). Ein Vorteil wird lediglich dann „für“ eine Beschäftigung gewährt, wenn er nur mit Rücksicht auf das Dienstverhältnis eingeräumt wird und sich im weitesten Sinne als Gegenleistung für das Zurverfügungstellung der individuellen Arbeitskraft des Arbeitnehmers erweist (vgl. BFH-Urteile 11 Mai 2011 VI R 65/09, BStBl II 2011, 946; vom 24. Oktober 1990 X R 161/88, BStBl II 1991, 337; vom 2. Februar 1990 VI R 15/86, BStBl II 1990, 472, m.w.N.).
Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor, weil die Zahlung der Haftpflichtversicherung nicht als Gegenleistung für eine Arbeitsleistung des Ast gezahlt worden ist, sondern als Schadensersatz für fehlerhafte Rechtsberatung.
bb) Die Zahlung der Haftpflichtversicherung ist jedoch als Entschädigung im Sinne von § 24 Nr. 1a i.V.m. § 19 Abs. 1 EStG steuerpflichtig.
(1) Entschädigungen in diesem Sinn liegen vor, wenn Leistungen unmittelbar dazu dienen, den Verlust von entgangenen oder entgehenden Einnahmen auszugleichen, die, ihren Zufluss unterstellt, unter eine der in § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 7 EStG genannten Einkunftsarten gefallen wären (vgl. BFH-Urteil vom 25. August 2009 IX R 3/09, BStBl II 2010, 1030; vom 10. Juli 2008 IX R 84/07, BFH/NV 2009, 130). § 24 Nr. 1a EStG ergänzt folglich die Einkünftetatbestände der §§ 13 bis 23 EStG, schafft aber keinen neuen Besteuerungstatbestand. Die Vorschrift bewirkt damit eine Erweiterung des Einkunftsbegriffs, indem auch Surrogate in die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer einbezogen werden (vgl. Horn in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 24 EStG Rz. 10).
Entschädigungen i.S.v. § 24 Nr. 1 EStG werden derjenigen Einkunftsart zugewiesen, zu der die weggefallenen Einnahmen im Falle ihrer Erzielung gehört hätten (vgl. BFH-Urteil vom 8. November 2007 IV R 30/06, BFH/NV 2008, 546). Dies gilt auch, wenn der Ersatz für die entgangenen Einnahmen von einem Dritten gezahlt wird (vgl. BFH in BFH/NV 2008, 546; BFH-Urteil vom 21. Januar 2004 XI R 40/02, BFHE 205, 129, BStBl II 2004, 716).
Die Entschädigung darf nicht die vertraglich vereinbarte Erfüllungsleistung sein, sondern muss aufgrund einer neuen Rechts- oder Billigkeitsgrundlage geleistet werden (vgl. BFH-Urteil vom 25. August 2015 VIII R 2/13, BStBl II 2015, 1015, m.w.N.). Als neue Rechtsgrundlage kommt insbesondere auch ein Prozessvergleich in Betracht (vgl. BFH-Urteil vom 16. September 2015 III R 22/14, BFH/NV 2016, 26).
(2) Im Streitfall liegen nach summarischer Prüfung keine Anhaltspunkte für den Ersatz entgehender Einnahmen des Ast infolge des Nichtabschlusses der Verlängerung seines Anstellungsvertrags vor. Auch die Ast haben derartiges nicht vorgetragen. Nicht um eine Entschädigung i.S.d. § 24 Nr. 1a EStG handelt es sich, wenn sie dafür geleistet wird, dass kein neuer Vertrag abgeschlossen worden ist (vgl. BFH-Urteil vom 10. Juli 2008 IX R 84/07, BFH/NV 2009, 130, a.A. aber BFH-Urteil vom 10. September 2003 XI R 9/02, BStBl II 2004, 349)
(3) Vielmehr hat der Ast aufgrund des Prozessvergleichs (als neuer Rechtsgrundlage) von der Haftpflichtversicherung eine Entschädigungsleistung in Höhe von 210.000 € für entgangene Einnahmen erhalten. Entschädigungen i.S. von § 24 Nr. 1 EStG können auch von Dritten geleistet werden, hier von der Haftpflichtversicherung der Partnerschaftsgesellschaft.
Entgegen der Auffassung der Ast kommt es weder auf die rechtliche Würdigungen des Landgerichts … noch auf die des Landgerichts M oder darauf an, ob der Ast einen einmaligen Betrag in Höhe von 200.000 € seitens der S-AG tatsächlich hätte erzielen können. Denn allein maßgeblich ist der Prozessvergleich. Ob die Entschädigung im konkreten Fall als Ersatz für entgangene (oder entgehende) Einnahmen gezahlt wird, ist grundsätzlich aus der Sicht der den Vergleich abschließenden Parteien zu beurteilen; dazu ist der Inhalt der Entschädigungsvereinbarung, erforderlichenfalls im Wege der Auslegung, heranzuziehen (vgl. BFH-Beschluss vom 25. März 1998 IV B 30/97, juris, m.w.N.). Der Ast hat im Klageverfahren gegen seinen Anwalt (und die Partnerschaftsgesellschaft) geltend gemacht, dass er ohne dessen Beratungsfehler hinsichtlich des Angebots der S-AG vom 2. August 2006 für seine bisherige Tätigkeit einen einmaligen Betrag in Höhe von 200.000 € von der S-AG zusätzlich erhalten hätte. Der Zeuge D hat ebenfalls bestätigt, dass dem Ast ein Einmalbetrag von 200.000 € von der S-AG aufgrund seiner besonderen Verdienste angeboten worden ist. Der Ast und der beklagte Rechtsanwalt (sowie die beklagte Partnerschaftsgesellschaft) sind nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme bei Abschluss des Prozessvergleichs vor dem Oberlandesgericht … übereinstimmend davon ausgegangen, dass der Ast -wie er es in der dortigen mündlichen Verhandlung explizit auch bekundet hat, das Angebot der S-AG auf Zahlung eines einmaligen Betrags von 200.000 € angenommen hätte, wenn er um die Rechtslage nach § 150 Abs. 2 BGB gewusst hätte, so dass der Ast folglichdiesen Betrag von der S-AG erhalten hätte. Daher haben sich der beklagte Rechtsanwalt (sowie die beklagte Partnerschaftsgesellschaft) im Vergleichswege zum Ersatz des dem Ast entgangenen Einmalbetrags verpflichtet gefühlt. Das schadensstiftende Ereignis ist aus Sicht der Vertragsparteien durch die fehlerhafte Sachbehandlung des Anwalts begründet worden.
(4) Zwischen der Schadensentstehung und der Entschädigung hat ein unmittelbarer Zusammenhang bestanden (vgl. BFH-Urteil vom 21. August 1990 VIII R 17/86, BStBl II 1991, 76). Ein unmittelbarer Zusammenhang ist auch dann zu bejahen, wenn ein Rechtsanwalt aufgrund einer fehlerhaften Rechtsberatung eine entgangene (Mehr-)Entschädigung auszugleichen hat (vgl. Urteil des Finanzgerichts Niedersachsen vom 14. März 2012 4 K 79/10, EFG 2012, 1666). Die Ersatzleistung steht in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang zu den entgangenen Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit; denn die Schadensersatzleistung der Haftpflichtversicherung diente dem Zweck, den durch (den im Prozessvergleich akzeptierten) Beratungsfehler des Anwalts entstandenen Ausfall des von der S-AG angebotenen Einmalbetrags von 200.000 € für geleistete Verdienste auszugleichen. Die Höhe dieses Einmalbetrags war im Wesentlichen auch die Bemessungsgrundlage für die Höhe des durch Prozessvergleich vereinbarten Schadensersatzes (vgl. Einmalbetrag von 200.000 € und Anwalts- und Gerichtskosten). Nach Aktenlage und nach dem Vortrag der Beteiligten sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass der vereinbarte Schadensersatz Zinsen enthalten hätte.
(5) Für die Tarifermäßigung nach § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG ergeben sich nach summarischer Prüfung anhand der Aktenlage ebenfalls keine Anhaltspunkte.
3. Die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts ist auch nicht wegen unbilliger Härte gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) auszusetzen.
Eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte im Sinne dieser Vorschriften liegt vor, wenn dem Steuerpflichtigen durch die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsaktes Nachteile drohen, die durch eine etwaige spätere Rückzahlung des eingezogenen Betrages nicht ausgeglichen werden oder nur schwer gutzumachen sind, oder wenn die Vollziehung zu einer Gefährdung seiner wirtschaftlichen Existenz führen würde (vgl. BFH-Beschlüsse vom 21. Februar 1990 II B 98/89, BStBl II 1990, 510; vom 5. März 1998 VII B 36/97, BFH/NV 1998, 1325).
Diese Voraussetzungen sind im Streitfall weder vorgetragen noch ersichtlich.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO, die Nichtzulassung der Beschwerde auf § 128 Abs. 3 FGO. Gründe i.S.v. § 115 Abs. 2 FGO liegen nicht vor.