Europarecht

Verletzen der Behaltensfrist bei Auflösung der WG unabhängig von späterer Verwendungsmöglichkeit

Aktenzeichen  AN 4 K 15.00484, AN 4 K 16.00702

Datum:
28.4.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 47380
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayVwVfG Art. 49 Abs. 2 a, § 48 Abs. 4

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

Die zuletzt betragsmäßig auf 2.694,63 EUR beschränkte Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der angegriffene Bescheid vom 24. Februar 2015 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Der Beklagte durfte den Förderbescheid vom 27. Januar 2010 zu Recht in der zuletzt angegriffenen Höhe widerrufen.
I.
Nach Art. 49 Abs. 2 a Satz 1 BayVwVfG kann ein rechtmäßiger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung zur Erfüllung eines bestimmten Zweckes gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, „auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise auch mit Wirkung für die Vergangenheit widerrufen werden, 1. wenn die Leistung nicht, nicht alsbald nach der Erbringung oder nicht mehr für den in dem Verwaltungsakt bestimmten Zweck verwendet wird; 2. wenn mit dem Verwaltungsakt eine Auflage verbunden ist und der Begünstigte diese nicht oder nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist erfüllt hat“.
Die Ausschlussfrist von einem Jahr gemäß Art. 49 Abs. 2 a Satz 2, 48 Abs. 4 BayVwVfG war bei Bescheiderlass nicht abgelaufen. Sie beginnt erst zu laufen, wenn sowohl die vollständige Kenntnis des für die Entscheidung über den Widerruf erheblichen Sachverhalts als auch die Erkenntnis der Rechtswidrigkeit bei dem zum Widerruf innerbehördlich zuständigen Bediensteten vorliegt. Hierzu gehören auch die für die Ermessensausübung wesentlichen Umstände (BVerwG B.v. 19.12.1984 – Gr. Sen. 1, 2/84 – NJW 1985, 819, 821; BayVGH B.v. 24.10.2008 – 9 ZB 05.3209 – BayVBl 2010, 543). Der streitgegenständliche Bescheid ist jedenfalls innerhalb der Jahresfrist seit der letzten Stellungnahme des Klägers vom 26. Februar 2014 ergangen.
II.
Der, auch von den Beteiligten als solcher angenommene, rechtmäßige Förderbescheid vom 27. Januar 2010 konnte nur durch Widerruf und nur unter den Voraussetzungen des Art. 49 Abs. 2 a BayVwVfG rückwirkend aufgehoben werden. Die Voraussetzungen lagen mit den Auflagenverstößen sowie mit der zweckwidrigen Mittelverwendung für Küche und Demenzgarten vor.
1. Der Beklagte macht Auflagenverstöße geltend, die einen Widerruf nach Art. 49 Abs. 2 a Satz 1 Nr. 2 BayVwVfG an sich bereits tragen können. Hierzu gehört insbesondere der fehlende Zwischenverwendungsnachweis, der Verstoß gegen die mit Auflage auferlegte Aufbewahrungsfrist von Unterlagen sowie die Veräußerung der Immobilie innerhalb der Bindungsfrist. Der Kläger hat die Immobilie mitsamt Kücheneinrichtung vor Ablauf der Bindungsfrist von fünf Jahren veräußert sowie die Mitteilungspflichten hierzu und zur Adressänderung verletzt. Im Rahmen der Vorlage des Zwischenverwendungsnachweises hätte er die Auflösung der Wohngemeinschaft sowie die Änderung seiner Anschrift mitteilen müssen. Weiter hat er die Bindungsfrist in Bezug auf die mit der Zuwendung beschafften Gegenstände sowie die Verpflichtung, alle Belege und Verträge sowie alle sonst mit der Förderung zusammenhängenden Unterlagen fünf Jahre nach Vorlage des Verwendungsausweises aufzubewahren und auf Verlangen vorzulegen (Nr. 6.3. i. V. m. Nr. 7.1 der zum Gegenstand des Zuwendungsbescheids gemachten ANBest-P 2010), nicht eingehalten.
2. Hinsichtlich der Anschaffung der Küche ist die Förderung teilweise nicht zweckentsprechend verwendet worden. Die Wohngemeinschaft wurde ab 1. Juli 2011 aufgelöst. Damit wurde zugleich die Bindungsfrist für die zweckentsprechende Verwendung der Küche nicht eingehalten. Für die Voraussetzungen des Widerrufs genügt dabei die objektiv zweckwidrige Verwendung. Auf ein Verschulden des Geförderten kommt es nicht an.
Die von dem Beklagten festgestellten Umstände, sind dabei hinreichende Grundlage dafür, dass der Beklagte von einer Auflösung der Wohngemeinschaft und damit von einer nicht mehr zweckentsprechenden Verwendung der Einbauküche ausgehen durfte. Es kommt dabei insbesondere nicht darauf an, dass die Küche auch nicht anderweitig verwendet wurde, denn für das Gesetz ist eine nicht zweckentsprechende Verwendung ausreichend.
3. Der angefochtene Bescheid gründet ferner auf die zweckwidrige Verwendung der bewilligten Mittel für den Demenzgarten. Insoweit hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung die betragsmäßige Beschränkung der Klage gestaltet und die Errichtung des Demenzgartens nicht mehr problematisiert. Unabhängig davon stützt auch die zweckwidrige Mittelverwendung insoweit den Widerrufsbescheid.
Bei dem im Förderbescheid vom 27. Januar 2010 als solchen benannten Demenzgarten handelt es sich um eine besondere Gartenanlage mit Blick auf die Bedürfnisse von Demenzkranken. Die konkrete Ausgestaltung wird in den Projektunterlagen beschrieben. Zu den Besonderheiten des Gartens sollten insbesondere spezielle Grünanlagen mit Hochbeeten gehören, die durch ihren Duft die Erinnerung unterstützen und durch ihre Anlage kein Bücken der Bewohner erfordern. Solche wesensentscheidenden Merkmale wurden gerade nicht angelegt. Der Kläger hatte dies in der Vergangenheit außerdem zugestanden.
III.
Das Ermessen wurde korrekt ausgeübt und der Bescheid ist auch sonst nicht unverhältnismäßig. Der Beklagte hat den Widerrufsbetrag auf einen Teil der Fördersumme beschränkt. Der Höhe nach widerrufen wurden der Anteilsbetrag für den Demenzgarten insgesamt sowie der Anteilsbetrag für die Küche teilweise. Der Beklagte durfte insbesondere die Widerrufshöhe des Betrages für die Küche ab Auflösung der Wohngemeinschaft für den gesamten restlichen Zeitraum der Behaltensfrist nach Tagen errechnen.
Der Widerruf steht, wie sich aus dem Wortlaut des Art. 49 Abs. 2 a Satz 1 BayVwVfG („kann“) ergibt, im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde. Beim Widerruf der Bewilligung öffentlicher Zuschüsse ist anerkannt, dass die Bewilligung regelmäßig (im Sinne eines intendierten Ermessens) zu widerrufen ist. Dies folgt aus den haushaltsrechtlichen Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit (Art. 7 BayHO). Der Beklagte hat die Umstände des Einzelfalls zugunsten des Klägers dahingehend berücksichtigt, dass nur ein Teil widerrufen wird. Vom Kläger angegriffen wird lediglich die Höhe des Widerrufs, zuletzt hinsichtlich eines Teilbetrags in Höhe von 2.694,63 EUR.
1. Dabei ist zunächst festzuhalten, dass sich bei einem teilweisen Widerruf die Bestimmung der Höhe der widerrufenen Summe nicht automatisch aus einem Verhältnis der Zeitanteile von zweckmäßiger und zweckwidriger Verwendung ergibt. Systematisch folgt dies bereits aus der Möglichkeit, dass auch Auflagenverstöße Gründe für einen Widerruf sein können.
Die im Förderbescheid geregelte fünfjährige Behaltensfrist ist Grundlage der gewährten Förderung. Wird diese verletzt, steht auch die gesamte Förderung in Frage. Entsprechendes gilt für die Frage der zweckmäßigen Verwendung. Die Behörde muss im Rahmen des Auswahlermessens bestimmen, inwieweit ein Verstoß so schwer wiegt, dass er zu einem Widerruf ganz oder teilweise führt.
Entscheidet sich die Behörde für einen nur teilweisen Widerruf, ist eine angemessene Widerrufshöhe festzulegen. Für dessen Bestimmung muss sie alle Umstände des Einzelfalles berücksichtigen. Die Dauer der zweckmäßigen Verwendung spielt dabei eine gewichtige, aber keine alleinige Rolle.
2. Für den teilweisen Widerruf der Fördersumme wurde hinsichtlich der Höhe der gesamte Betrag für die Förderung des Demenzgartens sowie ein Teilbetrag für die Förderung der Küche, nämlich ab der Auflösung der Wohngemeinschaft, in rechtlich nicht zu beanstandender Weise zugrunde gelegt. Auch die vom Kläger vorgebrachten Punkte können diese Beurteilung nicht erschüttern.
Nichts anderes ergibt sich aus dem Umstand, dass die zweckwidrige Verwendung der Kücheneinrichtung auf einer Entscheidung des Angehörigengremiums der Wohngemeinschaft beruht. Wie bereits dargelegt, ist die Pflicht zur zweckgemäßen Verwendung verschuldensunabhängig.
Es kommt daher nicht darauf an, ob der Kläger nur verringerte Einflussmöglichkeit auf die Auflösung der Wohngemeinschaft hatte. Der Förderbescheid vom 27. Januar 2010 richtet sich an den Kläger. Dementsprechend treffen ihn die Pflichten aus dem Bescheid. Wie der Kläger die Einhaltung der Pflichten gewährleistet, unterliegt seiner Organisationsverantwortung und seinem Risiko. Es ist im eigenen Interesse des Geförderten, sich die Einflussmöglichkeit zu sichern, damit Förderung und Projekt nicht gefährdet werden. Umgekehrt ist auch der Beklagte haushaltsrechtlich gehalten, die Verwendung der Mittel für den geförderten sicherzustellen.
3. Die Rückforderungshöhe wird auch nicht deswegen unverhältnismäßig, weil das Obergeschoss nach dem Auflösungsbeschluss zeitweise wieder belegt wurde.
Das ergibt sich bereits daraus, dass mit entsprechender vollständiger Begründung in der konkreten Sachlage auch ein Widerruf insgesamt möglich gewesen wäre. Schon die Entscheidungsgründe in der Streitsache AN 4 K 14.00616 haben lediglich auf das Fehlen von Erwägungen zu einem teilweisen Widerruf abgestellt. Ist eine ermessensfehlerfreie Entscheidung über den Widerruf der gesamten Höhe möglich, so wird ein teilweiser Widerruf allenfalls dann unangemessen, wenn die Widerrufshöhe willkürlich bestimmt wurde.
Die Überprüfung der zweckgemäßen Verwendung durch den Beklagten kam zu Ergebnis, dass die Wohngemeinschaft ab dem 1. Juli 2011 aufgelöst und danach auch nicht mehr betrieben wurde. In dem Wohnhaus sollten zwei selbstständige Wohngemeinschaften betrieben werden, die mit zwei selbstständigen Förderbescheiden gefördert wurden. Dies hatte bei Erlass der Förderbescheide insbesondere für die Förderhöchstsumme Relevanz. Eine teilweise Belegung des Obergeschosses ist nicht von Belang, wenn dort keine selbstständige Wohngemeinschaft betrieben wurde. Ausweislich der Behördenakte hat der Kläger das Fehlen einer selbstständigen Wohngemeinschaft im Obergeschoss Anfang 2012 eingestanden. Weitere Vermerke in der Akte bestätigen das Fehlen einer selbstständigen Wohngemeinschaft im Juli 2012 und im November 2013. Im Übrigen oblag es laut Förderbescheid dem Kläger, die korrekte Verwendung nachzuweisen. Unabhängig von den weiteren Umständen und auch mit Rücksicht auf die Erkrankung des Klägers in dem in Betracht kommenden Zeitraum konnte der Beklagte eine teilweise Verwendung der Räume im Obergeschoss durch Mieter auch des Erdgeschosses unberücksichtigt lassen.
4. Auch die gesamte Rückforderung des auf den vorgesehenen Demenzgarten entfallenden Förderbetrages war nicht unverhältnismäßig. Die tatsächlich errichteten Gartenanlagen verfehlen, wie bereits dargelegt, die Besonderheiten, die einen Demenzgarten ausmachen. Daher die übereinstimmende Wertung der Parteien, dass ein Demenzgarten nicht errichtet wurde. Das Erreichen des Förderzwecks war Aufgabe des Klägers.
Ergänzend wird auf die Begründung des angefochtenen Bescheides verwiesen, § 117 Abs. 5 VwGO.
Nach alledem ist die Klage abzuweisen.
Der Kläger trägt gemäß § 154 Abs. 1 VwGO als unterliegender Teil die Kosten des gerichtlichen Verfahrens.

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