Arbeitsrecht

Prozesskostenhilfe bei hinreichender Erfolgsaussicht wegen sozialgerichtlicher Pflicht zur Amtsermittlung – Arbeitslosengeld II

Aktenzeichen  L 11 AS 174/16 B PKH

Datum:
25.4.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
LSG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGB II SGB II §§ 11, 11a, 11b
SGG SGG § 73a I 1
ZPO ZPO § 114

 

Leitsatz

1. Bewilligung von Prozesskostenhilfe bei hinreichender Erfolgsaussicht. (amtlicher Leitsatz)
Hinreichende Erfolgsaussicht im Sinne der Prozesskostenhilfe besteht, wenn das Sozialgericht seiner Amtsermittlungspflicht entsprechend den Sachverhalt weiter aufzuklären hat zB um den Charakter einer Zahlung des Arbeitgebers durch Nachfrage bei diesem zu klären. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

S 15 AS 20/15 2016-02-13 Bes SGWUERZBURG SG Würzburg

Tenor

Auf die Beschwerde wird der Beschluss des Sozialgerichts Würzburg vom 13.02.2016 – S 15 AS 20/15 – aufgehoben und dem Kläger für das erstinstanzliche Verfahren Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt.

Gründe

II. Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde (§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz – SGG-) ist zulässig und auch begründet.
Nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Aus verfassungsrechtlichen Gründen dürfen die Anforderungen an die Erfolgsaussicht nicht überspannt werden. Es reicht für die Prüfung der Erfolgsaussicht aus, dass der Erfolg eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich hat (vgl. BSG, Urteil vom 17.02.1998 – B 13 RJ 83/97 R (Rn.26) – SozR 3-1500 § 62 Nr.19). Diese gewisse Wahrscheinlichkeit ist in aller Regel dann anzunehmen, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Beteiligten aufgrund der Sachverhaltsschilderung und der vorgelegten Unterlagen für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht die Möglichkeit des Obsiegens des PKH- Beantragenden ebenso wahrscheinlich ist wie sein Unterliegen (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. § 73a Rn.7ff.). Schwierige, bislang ungeklärte Rechts- und Tatfragen sind nicht im PKH- Verfahren zu entscheiden, sondern müssen auch von Unbemittelten einer prozessualen Klärung zugeführt werden können (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14.07.1993 – 1 BvR 1523/92 – NJW 1994, 241f). PKH muss jedoch nicht schon dann gewährt werden, wenn die entscheidungserhebliche Rechtsfrage zwar noch nicht höchstrichterlich geklärt ist, ihre Beantwortung aber im Hinblick auf die einschlägige gesetzliche Regelung oder die durch die bereits vorliegende Rechtsprechung gewährten Auslegungshilfen nicht in dem genannten Sinne als „schwierig“ erscheint (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13.03.1990 – 2 BvR 94/88 (Rn. 29) – BVerfGE 81, 347ff). Ist dies dagegen nicht der Fall und steht eine höchstrichterliche Klärung noch aus, so ist es mit dem Gebot der Rechtsschutzgleichheit nicht zu vereinbaren, der unbemittelten Partei wegen der fehlenden Erfolgsaussichten ihres Begehrens Prozesskostenhilfe vorzuenthalten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19.02.2008 – 1 BvR 1807/07 – NJW 2008, 1060ff).
Hinreichende Erfolgsaussichten sind vorliegend nicht zu verneinen. Es ist im Rahmen des erstinstanzlichen Verfahrens zu klären, ob es sich bei dem am 03.07.2013 vom Arbeitgeber dem Kläger überwiesenen Betrag um eine Lohnnachzahlung gehandelt hat. Dafür spricht der Vermerk auf dem Kontoauszug „November Lohn“, aber auch die überwiesene Summe unter Berücksichtigung der im November 2012 vom Arbeitgeber einbehaltenen Konventionalstrafe im Vergleich zu dem im Rahmen des arbeitsgerichtlichen Verfahrens in der Schweiz vom Kläger geltend gemachten Anspruch. Ob es sich letztlich um eine Lohnnachzahlung und damit laufendes Einkommen handelt, das dann nicht aufgeteilt werden könnte, ist vom SG noch zu ermitteln, wobei es dem erstinstanzlichen Gericht wie auch dem Beklagten im Rahmen der Amtsermittlungspflicht obliegt, den Sachverhalt durch eine Anfrage beim Arbeitgeber und gegebenenfalls auch – hinsichtlich vom Arbeitgeber dort vorgelegter Unterlagen – beim Gericht/Friedensrichteramt in der Schweiz aufzuklären, soweit der Kläger – wie von ihm bereits vorgetragen – solche Unterlagen nicht besitzt und damit nicht vorlegen kann. Zudem wird, soweit es sich um eine Lohnnachzahlung handelt, zu klären sein, welche Werbungskosten notwendig waren und nachzuweisen sind bzw. nachgewiesen werden können.
PKH war aufgrund der Angaben des Klägers im Fragebogen zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen ohne Ratenzahlung zu bewilligen. Der Kläger wird dem SG noch mitzuteilen haben, welchen Bevollmächtigten er beigeordnet haben möchte.
Dieser Beschluss ergeht kostenfrei und ist unanfechtbar (§ 177 SGG).

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