Steuerrecht

Streit um Inanspruchnahme des Klägers für Lohnsteuern durch Haftungsbescheid

Aktenzeichen  8 K 3290/14

Datum:
22.4.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 94546
Gerichtsart:
FG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Finanzgerichtsbarkeit
Normen:
EStG § 38 Abs. 1 S. 2
FGO § 102 S. 1
GmbHG § 35

 

Leitsatz

Tenor

1. Der Haftungsbescheid vom 29. Mai 2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20. Februar 2015 wird aufgehoben.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten des Klägers die Vollstreckung abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
4. Die Beiziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

Gründe

II.
1. Mit der am 20. Februar 2015 ergangenen Einspruchsentscheidung wird die gem. § 46 Finanzgerichtsordnung – FGO – eingereichte Untätigkeitsklage als Anfechtungsklage fortgeführt.
2. Die Klage gegen den Haftungsbescheid ist begründet. Der Bescheid über die Inanspruchnahme der Klägerin zur Haftung für Lohnsteuern, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer für den Zeitraum Januar 2007 bis Dezember 2010 vom 29. Mai 2012 ist rechtswidrig. Die Voraussetzungen für eine Haftungsinanspruchnahme der Klägerin sind nicht gegeben.
1. Nach § 191 Abs. 1 Satz 1 Abgabenordnung (AO) kann durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden, wer kraft Gesetzes für eine Steuer haftet. Gem. § 42d Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) haftet der Arbeitgeber für die Lohnsteuer, die er nach § 38 Abs. 3 Satz 1 EStG bei jeder Lohnzahlung vom Arbeitslohn für Rechnung des Arbeitnehmers einzubehalten und nach § 41a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG abzuführen hat. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist die Entscheidung über die Inanspruchnahme eines Haftungsschuldners zweigliedrig (vgl. BFH-Urteil vom 13. April 1978 V R 109/75, BStBl II 1978, 508). Das Finanzamt hat zunächst zu prüfen, ob in der Person oder den Personen, die es heranziehen will, die tatbestandlichen Voraussetzungen der Haftungsvorschrift erfüllt sind. Dabei handelt es sich um eine vom Gericht in vollem Umfang überprüfbare Rechtsentscheidung. Daran schließt sich die nach § 191 Abs. 1 AO zu treffende Ermessensentscheidung des Finanzamts an, ob und wen es als Haftenden in Anspruch nehmen will. Diese auf der zweiten Stufe zu treffende Entscheidung ist gerichtlich nur im Rahmen des § 102 Satz 1 FGO auf Ermessensfehler (Ermessensüberschreitung, Ermessensfehlgebrauch) überprüfbar. Prüfungsmaßstab hierfür ist allein die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (hier die Einspruchsentscheidung vom 20. Februar 2015). Werden während des Einspruchsverfahrens Tatsachen vorgetragen oder Umstände bekannt, die für die Ermessenausübung von Bedeutung sind, muss das Ermessen folglich auch bei einer ursprünglich fehlerfrei getroffenen Ermessensentscheidung überprüft und gegebenenfalls erneut ausgeübt werden (vgl. BFH-Urteil vom 05. März 1993 VI R 79/91, BStBl II 1993, 692). Erstmals im gerichtlichen Verfahren vorgetragene Umstände können hingegen bei der Überprüfung der Ermessensentscheidung des FA durch das Gericht nicht mehr berücksichtigt werden.
Ausgehend von diesen Grundsätzen waren im Streitfall die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Haftung der Klägerin nicht gegeben. Diese war im streitigen Zeittraum weder gem. § 38 Abs. 1 Satz 1 EStG noch gem. § 38 Abs. 1 Satz 2 EStG Arbeitgeberin des C.
a) Die Klägerin war nicht rechtliche Arbeitgeberin des C im Sinne des § 38 Abs. 1 Satz 1EStG .
Bei Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit ist Lohnsteuer gemäß § 38 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 in Verbindung mit Absatz 3 EStG einzubehalten und abzuführen, soweit der Arbeitslohn von einem Arbeitgeber gezahlt wird, der im Inland seine Geschäftsleitung, seinen Sitz, eine Betriebsstätte oder einen ständigen Vertreter im Sinne der §§ 1 – 3 der Abgabenordnung (inländischer Arbeitgeber) hat. Der Begriff des lohnsteuerlichen Arbeitgebers im Sinne des § 38 Abs. 1 Satz 1 EStG ist im Einkommensteuerrecht nicht definiert. Aus der Definition des Arbeitnehmers in § 1 Abs. 1 und Abs. 2 LStDV lässt sich jedoch ableiten, dass Arbeitgeber derjenige ist, dem der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung schuldet, unter dessen Leitung er tätig wird oder dessen Weisung er zu folgen hat. Dies ist regelmäßig der Vertragspartner des Arbeitnehmers aus dem Arbeits- bzw. Dienstvertrag im Sinne der §§ 611 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches (BFH-Urteil vom 21. 2. 1986 VI R 9/80 in BStBl II 1986, 768; Pflüger in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, 21. Aufl. 2006, 272. Lieferung 12.2015, § 38 EStG, Rn. 25).
Im Streitfall besteht weder ein Arbeits- oder Dienstvertrag zwischen der Klägerin und C, noch lässt sich aus anderen Vereinbarungen ableiten, dass die Klägerin rechtliche Arbeitgeberin des C im Sinne des § 38 Abs. 1 Satz 1 EStG wäre. Auch aus der Bestellung des C zum Geschäftsführer der Klägerin ergibt sich dies nicht.
aa) Zivilrechtlich ist zwischen der Organstellung eines Geschäftsführers und dem Anstellungsverhältnis zu unterscheiden. Beide Rechtsverhältnisse stehen selbständig nebeneinander und können unabhängig voneinander begründet oder beendet werden (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofes – BGH – vom 28. Oktober 2002 II ZR 146/02, NJW 2003, 351). Deshalb kann im Konzernverbund die Übernahme des Geschäftsführeramtes unselbständiger Bestandteil eines Arbeitsvertrages (mit der Obergesellschaft) sein, wenn ein Angestellter des herrschenden Unternehmens im Konzern unter Fortführung des Anstellungsverhältnisses die Leitung eines abhängigen Konzernunternehmens übernimmt (vgl. BFH-Urteil vom 19. Februar 2004 VI R 122/00, BStBl II 2004, 620, m.w.N.). Möglich ist zwar auch eine Aufspaltung des Arbeitsverhältnisses mit der Obergesellschaft auf mehrere Arbeitsverhältnisse (siehe dazu Forchhammer, Lohnsteuerliche und umsatzsteuerliche Behandlung von Mehrfachar-beitsverträgen im Konzern, DStZ 1999, 153 ff.). So liegt der Fall jedoch nicht, wenn ein Angestellter eines Konzernunternehmens im Rahmen seiner hauptberuflichen Tätigkeit zum Geschäftsführer einer Tochtergesellschaft bestellt wird (vgl. Forchhammer, a.a.O., DStZ 1999, 153 ff., unter II. 3.). Außerdem kann es zum Ruhen des Arbeitsverhältnisses mit der Obergesellschaft und zum Abschluss eines Dienstvertrages mit der Tochtergesellschaft kommen. Bezieht der Geschäftsführer der Tochtergesellschaft jedoch weiterhin sein Entgelt von der Konzernobergesellschaft und ist er dieser gegenüber nach dem Inhalt des Anstellungsvertrages weisungsgebunden, bleibt er zivilrechtlich Arbeitnehmer der Obergesellschaft (vgl. BAG-Beschluss in GmbHR 1996, 289, und OLG Frankfurt/Main vom 5. Juni 1997, GmbHR 1997, 1106).
Im Streitfall sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, nach denen arbeitsrechtlich durch die Übernahme der Geschäftsführung bei den deutschen und österreichischen Tochtergesellschaften der IL deren Arbeitsverhältnis zu C zum Ruhen gekommen oder ein eigenständiges Arbeitsverhältnis zur Klägerin (oder ihrer österreichischen Schwestergesellschaft) begründet worden wäre. Es wurden keine diesbezüglichen Dienstverträge geschlossen. Den mit der IL vereinbarten Lohn hat diese weiterhin an C ausbezahlt. Nach der Überzeugung des erken nenden Senates liegt der Streitfall so, dass C die Geschäftsführertätigkeit bei der Klägerin im Rahmen des Arbeitsverhältnisses mit der IL als eine in diesem Vertragsverhältnis (zusätzlich) vereinbarte Arbeitsleistung erbracht hat. Dem Akteninhalt ist zu entnehmen, dass C auch für die Tätigkeit bei der Klägerin gegenüber der IL deren Weisungen unterlag, Berichtspflichten zu erfüllen und Maßnahmen zur Umsetzung der für den Markt Deutschland von der IL festgelegten Unternehmensstrategie zu vollziehen hatte.
bb) Auch steuerrechtlich ist eine Tochtergesellschaft nicht rechtliche Arbeitgeberin ihres Geschäftsführers, soweit dieser im Rahmen eines fortbestehenden Anstellungsverhältnisses mit der Obergesellschaft tätig wird. Arbeitgeber in einem Konzern ist grundsätzlich diejenige Konzerngesellschaft, mit der der Arbeitnehmer einen Arbeitsvertrag geschlossen hat; denn nur dieses Unternehmen kann unmittelbar Weisungsrechte ausüben und hat andererseits die Ansprüche des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis zu erfüllen (BFH-Urteil vom 21. Februar 1986 VI R 9/80, BStBl II 1986, 768). Daran ändert sich nichts, wenn ein Angestellter auf Grund seines Anstellungsverhältnisses bei einer Konzern-Obergesellschaft (auch) als Geschäftsführer einer Tochtergesellschaft tätig wird; allein die organschaftliche Stellung rechtfertigt im Anwendungsbereich des § 38 Abs. 1 Satz 1 EStG eine von der zivilrechtlichen Ausgangslage abweichende Beurteilung nicht (BFH-Urteil vom 19. Februar 2004 VI R 122/00, a. a. O.).
b) Auch aus § 38 Abs. 1 Satz 2 EStG ergibt sich nicht, dass die Klägerin Arbeitgeber des C war. Hiernach kann ein deutsches Unternehmen, das lediglich wirtschaftlicher Arbeitgeber, nicht aber arbeitsrechtlicher Arbeitgeber ist, zum Lohnsteuerabzug verpflichtet sein. Im Ergebnis lehnt sich die seit dem 1. Januar 2004 geltende Vorschrift des § 38 Abs. 1 Satz 2 EStG für die Lohnsteuer in Teilen an den bisher bereits im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen (vgl. Art. 15 Abs. 2 Buchst. c) DBA Italien) geltenden wirtschaftlichen Arbeitgeberbegriff an (vgl. Kempermann, in Flick/Wassermeyer/Kempermann, Doppelbesteuerungsabkommen, Rn. 58 zu Art. 15).
Demnach gilt in den Fällen der Entsendung von Arbeitnehmern durch ein ausländisches an ein inländisches Unternehmen das aufnehmende inländische Unternehmen ebenfalls als inländischer Arbeitgeber, wenn es den Arbeitslohn für die ihm geleistete Arbeit wirtschaftlich getragen hat. Eine Arbeitnehmerentsendung liegt vor, wenn ein im Ausland ansässiges Unternehmen (entsendendes Unternehmen) seine Arbeitnehmer für eine befristete Zeit bei einem anderen, im Inland ansässigen Unternehmen (aufnehmendes Unternehmen) einsetzt, ohne dass zwischen dem inländischen Unternehmen und den betroffenen Arbeitnehmern ein (zivilrechtliches) Arbeitsverhältnis begründet wird. Das inländische Unternehmen trägt den Arbeitslohn im Sinne des § 38 Abs. 1 Satz 2 EStG insbesondere dann, wenn die vom ent sendenden Unternehmen aufgewandten Lohnkosten an das aufnehmende Unternehmen weiterbelastet werden.
aa) C hat seine Arbeitsleistungen nicht im Sinne des § 38 Abs. 1 Satz 2 EStG für die Klägerin erbracht. Für die Beurteilung der Frage, für wen der entsendete Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung erbringt, zieht der Senat aufgrund der vom Gesetzgeber mit Einführung des § 38 Abs. 1 Satz 2 EStG vollzogenen Annäherungen des lohnsteuerrechtlichen Arbeitgeberbegriffes an die abkommensrechtliche Rechtslage die Wertungen zu Art. 15 Abs. 2 Buchst. b) DBA Italien heran. Nach dieser Vorschrift können Vergütungen, die eine im Vertragsstaat Italien ansässige Person für eine im Vertragsstaat Deutschland ausgeübte unselbständige Arbeit bezieht, nur in Deutschland besteuert werden, wenn (neben weiteren Voraussetzungen) die Vergütungen von einem Arbeitgeber oder für einen Arbeitgeber gezahlt werden, der in Deutschland ansässig ist. Eine konzerninterne Entsendung kann demnach nur dann zu einem Wechsel der Arbeitgeberstellung führen, wenn die Entsendung des betreffenden Arbeitnehmers im Interesse und auf Betreiben des aufnehmenden Unternehmens erfolgt und der Arbeitnehmer in den Arbeitsablauf jenes Unternehmens eingebunden und dessen Weisungen unterworfen ist (BFH-Urteil vom 23. Februar 2005 I R 46/03, BStBl II 2005, 547 m. w. N., Finanzgericht des Saarlandes, Beschluss vom 25. Juli 2013 – 1 V 1184/13 -, Rn. 18, juris). Deshalb ist, wenn die Entsendung ausschließlich oder überwiegend dem entsendenden Unternehmen dient, selbst bei Übernahme des Arbeitslohns durch das aufnehmende Unternehmen regelmäßig nur das entsendende Unternehmen als Arbeitgeber anzusehen.
Im Streitfall wurde C nach den vorstehenden Grundsätzen nicht für die Klägerin tätig Die Tätigkeit des C in Deutschland erfolgte im Interesse der IL. Die Bestellung des C zum Geschäftsführer der Klägerin erfolgte nach dem zur Überzeugung des Senates nachvollziehbaren und nicht bestrittenen Vortrag der Klägerin, um die Marktposition der IL im Bereich Deutschland und Österreich zu stärken und die Umsetzung des von der italienischen Muttergesellschaft vorgegebenen Konzeptes zu beaufsichtigen. Auf die obigen Ausführungen (Buchst. a)) wird ergänzend verwiesen. Im Streitfall sind auch keine anderen Anhaltspunkte erkennbar, wonach der Einsatz des C bei der Klägerin in deren erkennbaren eigenen Interesse erfolgt wäre, etwa um eine eventuelle wirtschaftliche Schieflage der Klägerin zu bereinigen.
bb) Unabhängig hiervon liegt im vorliegenden Fall eine Selbstbindung der Steuerverwaltung vor, die der vom Finanzamt vertretenen Annahme einer Arbeitgeberstellung der Klägerin entgegensteht. Norminterpretierende Verwaltungsanweisungen, die die gleichmäßige Auslegung und Anwendung des Rechts sichern sollen, können im Allgemeinen zwar weder eine einer Rechtsnorm vergleichbare Bindung aller Rechtsanwender noch eine Bindung nach dem Grundsatz von Treu und Glauben herbeiführen. Eine von den Gerichten zu beachtende Selbstbindung der Verwaltung besteht allerdings als Ausfluss von Art. 3 Abs. 1 GG ausnahmsweise in dem Bereich der der Verwaltung vom Gesetz eingeräumten Entscheidungsfreiheit, also im Bereich des Ermessens, der Billigkeit und der Typisierung oder Pauschalierung (BFH-Urteile vom 26. April 1995 XI R 81/93, BStBl II 1995, 754; vom 7. Dezember 2005 I R 123/04, BFH/NV 2006, 1097; vom 4. Februar 2010 II R 1/09, BFH/NV 2010, 1244; vom 11. November 2010 – VI R 16/09 -, BStBl II 2011, 966). Eine solche Typisierung hat die Steuerverwaltung für die Frage, in wessen Interesse eine Arbeitnehmerentsendung erfolgt in Nr. 3.1.1 des Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 09.11.2001, Az. IV B 4-S. 1341-20/01) vorgenommen. Nach dem Inhalt dieses BMF-Schreibens erfolgt eine Entsendung im Interesse des entsendenden Unternehmens, wenn der Arbeitnehmer – wie im Streitfall – Planungs-, Koordinierungs- oder Kontrollfunktionen für das entsendende Unternehmen wahrnimmt und diese nicht gesondert abgegolten werden. Der Umstand, dass das zitierte BMF-Schreiben nicht unmittelbar zu der – zeitlich nach Bekanntgabe des BMFSchreibens – in Kraft getretenen Regelung des § 38 Abs. 1 Satz 2 EStG ergangen ist, ist unschädlich, da sowohl das BMF-Schreiben vom 12. November 2014, Az. IV B 2-S 1300/08/10027, Rn. 100, als auch BMF-Schreiben vom 27.01.2004, Az. IV C 5-S. 2000-2/04, Nr. III. 1., die beide die Verwaltungsmeinung u. a. zu § 38 Abs. 1 Satz 2 EStG konkretisieren, die Grundsätze des BMF-Schreibens vom 9. November 2001 im Bereich des § 38 Abs. 1 Satz 2 EStG für anwendbar erklären.
cc) Hinzu kommt, dass im Streitfall die Klägerin den Arbeitslohn des C nicht trägt. Eine Weiterbelastung der Lohnkosten für C an die Klägerin liegt nicht vor. Die Kosten des Barlohnes für C hat ausschließlich die IL getragen. Die IL hat diesen Aufwand weder der Klägerin unmittelbar weiterberechnet noch hat sie eine andere Weiterbelastung dieser Kosten zulasten der Klägerin vorgenommen.
Nachdem C nicht im Interesse der Klägerin sondern im Interesse der IL bei der Klägerin Geschäftsführungsaufgaben wahrnahm, entsprach es auch den vom Finanzamt angeführten Fremdvergleichsgrundsätzen, von einer Weiterbelastung des Lohnaufwandes der IL an die Klägerin abzusehen. Diese Frage, ob der Verzicht auf die Weiterbelastung des Lohnaufwandes für C an die Klägerin einem Fremdvergleich standhält, braucht der Senat jedoch in diesem Verfahren nicht abschließend zu entscheiden. Dem klaren Wortlaut der Vorschrift des § 38 Abs. 1 Satz 2 EStG lässt sich nicht entnehmen, dass Voraussetzung für die Annahme eines wirtschaftlichen Arbeitgebers ist, dass dieser die Lohnaufwendungen üblicherweise hätte tragen müssen. Der Gesetzeswortlaut bietet keine Anhaltspunkte dafür, dass er nur beispielhaft und nicht abschließend gemeint ist.
Eine andere Auslegung widerspräche dem Sinn und Zweck der Vorschrift und ließe sich auch nicht durch die Gesetzesmaterialien rechtfertigen. Dahingehende Äußerungen des Ge setzgebers sind weder eindeutig noch haben sie Eingang in den Wortlaut der Norm gefunden. Mit der Einführung des § 38 Abs. 1 Satz 2 EStG durch das Steueränderungsgesetz 2003 mit Wirkung ab 20. Dezember 2004 bezweckte der Gesetzgeber, die Durchsetzung der Verpflichtung zum Lohnsteuerabzug in den Fällen zu sichern, in denen international tätige Unternehmen Arbeitnehmer in ihre inländischen Tochtergesellschaften oder Betriebsstätten entsenden und das aufnehmende inländische Unternehmen die Arbeitslöhne (tatsächlich) wirtschaftlich trägt (BTDrucks 15/1945, S. 10). Zwar stellen die Gesetzesmaterialien damit einen Zusammenhang des lohnsteuerlichen Arbeitgeberbegriffes mit dem in diesen Fällen abkommensrechtlich dem Tätigkeitsstaat zustehenden Besteuerungsrecht her. Eine Ausdehnung des wirtschaftlichen Arbeitgeberbegriffes auf Unternehmen, die in Entsendungsfällen unabhängig von der tatsächlichen Kostenbelastung nach Fremdvergleichsgrundsätzen den beim entsendenden Unternehmen entstehenden Gehaltsaufwand tragen müssten, lässt sich der Gesetzesbegründung jedoch gerade nicht entnehmen. Hätte der Gesetzgeber diese Fremdvergleichsgrundsätze zusätzlich zur tatsächlichen Kostentragung durch das aufnehmende Unternehmen auch im Lohnsteuerrecht zur Anwendung bringen wollen, hätte im Gesetzgebungsverfahren hierzu die Möglichkeit bestanden. Der Verzicht auf eine in diesem Sinne erweiterte Fassung des § 38 Abs. 1 Satz 2 EStG steht einer ausdehnenden Anwendung entgegen. Eine solche widerspräche auch der systematischen Einordnung der Vorschrift des § 38 Abs. 1 Satz 2 EStG. Im Vergleich zum Grundsatz des § 38 Abs. 1 Satz 1 EStG beinhaltet nach dem Verständnis des Senates Satz 2 der Vorschrift eine erweiternde Ausnahmeregelung, die auch im Hinblick auf den Eingriffscharakter der Norm einer engen Auslegung des Wortlautes bedarf. Aus diesen Gründen kommt auch die Übertragung der zuletzt im Schreiben des BMF vom 12. November 2014, a. a. O., zur Frage der Zuweisung des Besteuerungsrechtes für die Einkommensteuer des Arbeitnehmers zu Art. 15 Abs. 2 DBA zum Ausdruck kommende Verwaltungsmeinung auf die im Streitfall anzuwendende lohnsteuerliche Vorschrift des § 38 Abs. 2 S. 1 EStG nicht in Betracht.
dd) Die unentgeltliche Zurverfügungstellung von Wohnraum und eines dienstlichen Kfz durch die Klägerin lässt keine andere Beurteilung zu. Der Senat braucht für dieses Verfahren nicht abschließend zu entscheiden, ob es sich hierbei überhaupt um eine Vergütung im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses, oder vielmehr um Aufwandsersatz im Sinne des § 670 BGB handelt, der dem C aufgrund seiner Organstellung als Geschäftsführer zusteht (vgl. Baum-bach/Hueck, Kommentar zum GmbH-Gesetz, 19. Auflage 2010, Rn. 65 zu § 35 GmbHG). Selbst wenn es sich insoweit um Sachbezüge (vgl. Kempermann, a. a. O., Rn. 77 zu Art. 15) handelte, wären dies lediglich sonstige Vorteile, die der von der IL getragenen (hauptsächlichen) Vergütung des C hinzugefügt werden. Diese sind nicht geeignet die Eigenschaft der Klägerin als wirtschaftlicher Arbeitgeber zu begründen. Der Annahme der wirtschaftlichen Arbeitgebereigenschaft steht zum einen entgegen, dass die von der Klägerin gewährten Vor teile im Verhältnis zu dem von der IL ausbezahlten Barlohn von untergeordneter Bedeutung sind (so auch Prokisch, in Vogel/Lehner, DBA, 6. Auflage 2015, Art. 15 Rn. 53c) und im Wesentlichen nur die durch den Aufenthalt des C in Deutschland entstehenden Mehrkosten abdecken.
Nach der Auffassung des Senates lässt sich das gefundene Ergebnis auch der Wertung des § 38 Abs. 1 Satz 3 EStG entnehmen, wonach auch bei verbundenen Unternehmen die Lohngewährung durch im Konzern verbundene Dritte nicht die Arbeitgebereigenschaft des den Lohn gewährenden Dritten begründet, sofern diese Lohnzahlung nicht auf einem eigenständigen Arbeitsverhältnis mit dem Dritten beruht. Dieser Ausgangssituation entspricht der Streitfall. Ein (verdecktes) Arbeitsverhältnis zwischen der Klägerin und C besteht nach den obigen Feststellungen (Buchst. a)) nicht und die Klägerin ist konzernverbundenes Tochterunternehmen der IL.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Satz 1 FGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 Abs. 3, § 155 FGO in Verbindung mit § 708 Nr. 10 der Zivilprozessordnung (ZPO).
5. Die Beiziehung eines Bevollmächtigten im außergerichtlichen Vorverfahren war gem. § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO notwendig.
6. Die Revision war nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe im Sinne des § 115 Abs. 2 FGO nicht vorliegen.

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