Verwaltungsrecht

Zulassung zum Studium der Humanmedizin

Aktenzeichen  7 CE 16.10024

Datum:
21.4.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
HZV § 35 I
Zulassungszahlsatzung §§ 1, 3 III
VwGO VwGO § 123 I

 

Leitsatz

1 Ein Anspruch auf Zulassung für ein höheres Fachsemester besteht nur, wenn die Zahl der in diesem Semester und gleichzeitig die Gesamtzahl der in dem betreffenden Studiengang eingeschriebenen Studierenden unter die hierfür festgesetzten Zulassungszahlen sinkt (vgl. § 35 I 1 der Verordnung über die Hochschulzulassung an den Staatlichen Hochschulen in Bayern [Hochschulzulassungsverordnung – HZV]).   (redaktioneller Leitsatz)
2 Aus dem Umstand, dass die Zahl der eingeschriebenen Studenten im Studiengang Molekulare Medizin unter den jeweils festgesetzten Zulassungszahlen liegt, ergibt sich – selbst wenn diese „freien Plätze“ der Lehreinheit Vorklinik zugutekommen sollten – kein Anspruch auf Vergabe weiterer Studienplätze, wenn eine die Zahl der nicht besetzten Plätze der Molekularen Medizin im 1. Fachsemester und weiteren nicht vergebenen Plätze in diesem gesamten Studiengang übersteigende Überbuchung in der Vorklinik vorliegt. (redaktioneller Leitsatz)
3 Eine Kapazitätsberechnung ist nicht deshalb zu beanstanden, weil ein die Namen der jeweiligen Stelleninhaber enthaltender Stellenplan fehlt. Denn bei der (gerichtlichen) Überprüfung der Kapazitätsberechnung kommt es wegen des geltenden abstrakten Stellenprinzips auf die tatsächliche Besetzung der einer Lehreinheit zugewiesenen Stellen und damit auf die Namen der jeweiligen Stelleninhaber nicht an. In der unterbliebenen Vorlage einer entsprechenden Aufstellung liegt daher kein ergebnisrelevanter Verfahrensmangel. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RO 1 E HV 15.10400 2015-12-17 Bes VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I.
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,– Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller hat an einer ungarischen Universität zwei Semester Humanmedizin studiert (Anrechnungsbescheid der Bezirksregierung D. – Landesprüfungsamt für Medizin, Psychotherapie und Pharmazie vom 9. Februar 2016) und sich zum Wintersemester 2015/2016 ohne Erfolg um einen Studienplatz im 3. Fachsemester an der Universität R. (UR) beworben. Mit Beschluss vom 17. Dezember 2016 hat das Verwaltungsgericht Regensburg es abgelehnt, den Antragsgegner zu verpflichten, den Antragsteller vorläufig im Wege der einstweiligen Anordnung im Wintersemester 2015/2016 zum Studium der Humanmedizin im 3. Fachsemester, hilfsweise in einem niedrigeren Fachsemester des vorklinischen Studienabschnitts an der UR zuzulassen. Der Antragsteller habe nicht glaubhaft gemacht, dass an der UR über die vergebenen Studienplätze hinaus noch weitere freie Studienplätze verfügbar seien.
Mit seiner Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Rechtsschutzziel weiter. Er macht geltend, die UR habe ihre Ausbildungskapazität nicht ausgeschöpft. Er kritisiert insbesondere die erfolgte – aus seiner Sicht absichtliche – Überbuchung im 1. Fachsemester, die Berechnung des Lehrangebots und die mangelnde Berücksichtigung freigebliebener Plätze im Studiengang Molekulare Medizin, die dem Studiengang Humanmedizin (Vorklinik) zuzuschlagen seien. Im Übrigen lasse der vorgelegte Stellenplan die einzelnen Stelleninhaber nicht erkennen und es seien sämtliche Arbeitsverträge der befristet angestellten wissenschaftlichen Mitarbeiter sowie Einschreibungslisten vorzulegen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und die von der UR vorgelegten Unterlagen Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Das Beschwerdevorbringen, auf das sich die Prüfung des Senats beschränkt (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), begründet den geltend gemachten Anordnungsanspruch des Antragstellers nicht. Ein Anspruch auf Zulassung für ein höheres Fachsemester besteht nur, wenn die Zahl der in diesem Semester und gleichzeitig die Gesamtzahl der in dem betreffenden Studiengang eingeschriebenen Studierenden unter die hierfür festgesetzten Zulassungszahlen sinkt (§ 35 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Hochschulzulassung an den Staatlichen Hochschulen in Bayern [Hochschulzulassungsverordnung – HZV]). Im Studiengang Medizin sind dabei vorliegend die vier Fachsemester des 1. Studienabschnitts (Vorklinik) maßgebend (§ 3 Abs. 3 Satz 1 der Zulassungszahlsatzung 2015/2016 der Universität vom 29. Juni 2015).
Der Antragsteller erfüllt indes keine der genannten Voraussetzungen. Die Zulassungszahlsatzung 2015/2016 setzt – dies ist zwischen den Parteien unstreitig – für das streitgegenständliche 3. Fachsemester des Studiengangs eine Zulassungszahl von 213 Studierenden fest. Tatsächlich sind im 3. Fachsemester, wie die UR mitgeteilt hat, zum Stichtag der amtlichen Statistik (1. Dezember 2015) bereits 215, abzüglich eines mehrfach beurlaubten Studenten, 214 zu berücksichtigende Studierende eingeschrieben. Auch die Gesamtzahl der in den maßgeblichen vier Fachsemestern des 1. Studienabschnitts (Lehreinheit Vorklinik) eingeschriebenen Studierenden hat mit 457 Studentinnen und Studenten die festgesetzte (Gesamt-)Zulassungszahl von 438 überschritten. Dabei sind – entgegen dem Beschwerdevorbringen – mehrfach beurlaubte Studierende bereits abgezogen. Die hohe Zahl von Einschreibungen, die die festgesetzte Zulassungszahl deutlich überschreitet, ist nach Angaben des Antragsgegners im Beschwerdeverfahren nicht auf einen ungewöhnlich hohen Überbuchungsfaktor (dieser weicht mit seiner Höhe von 1,26 für die von der Stiftung für Hochschulzulassung selbst zu vergebenden Studienplätze und von 1,3 für die im Auswahlverfahren der Hochschulen zu vergebenden Studienplätze nicht wesentlich von den Werten der Vorjahre in Höhe von 1,13, 1,32, 1,26 bzw. 1,59, 1,20 und 1,24 ab), sondern auf eine weit überdurchschnittlich hohe Zahl von Annahmen der angebotenen Studienplätze und damit auf ein nicht vorher kalkulierbares Verhalten der Studierenden zurückzuführen. Entgegen der in der Beschwerdebegründung geäußerten Vermutung beruht die Überschreitung der ermittelten Ausbildungskapazität und der festgesetzten Zulassungszahl somit nicht auf einer „absichtlichen“ Überbuchung.
Die im Rahmen der Berechnung des Lehrangebots berücksichtigte Umwandlung von zwei A14-Stellen auf Zeit in zwei A13-Stellen auf Zeit und die damit verbundene geringfügige Reduzierung des Lehrdeputats ist aus rechtlicher Sicht ebenfalls nicht zu beanstanden. Hierzu hat der Antragsgegner – ohne dass dies von der Antragstellerseite konkret bestritten worden wäre – vorgetragen, dass die Universität über deutlich mehr A13a.Z.-Stellen als A14a.Z.-Stellen verfüge, weil mehr Personen promovieren als habilitieren. Deshalb würden A14a.Z.-Stellen bedarfsgerecht der Lehreinheit zugewiesen, die sie für die Weiterbeschäftigung einer habilitierten Person benötige. Dieser bedarfsgerechte Tausch gehe aber nicht einseitig zulasten der Kapazität einer Lehreinheit. So wurden in der Kapazitätsberechnung der Lehreinheit Vorklinik für das Studienjahr 2013/2014 zwei A13-a.Z.-Stellen herausgenommen und dafür zwei A14a.Z.-Stellen zugewiesen. Im Übrigen stelle der Tausch das Ergebnis einer Abwägung der Belange der Studienbewerber auf der einen Seite und der ebenfalls geschützten Belange der Universität (Freiheit von Forschung und Lehre) und ihres Lehrpersonals (hier: Weiterbeschäftigung habilitierter Personen) auf der anderen Seite dar (vgl. zur Zulässigkeit dieses Vorgehens: BayVGH B. v. 11.4.2003 – 7 CE 02.10130 u. a. – juris).
Aus dem Umstand, dass die Zahl der eingeschriebenen Studenten und Studentinnen im Studiengang Molekulare Medizin unter den jeweils festgesetzten Zulassungszahlen liegt, ergibt sich – selbst wenn diese „freien Plätze“, wie der Antragsteller meint, der Lehreinheit Vorklinik zugutekommen sollten – ebenfalls kein Anspruch auf Vergabe weiterer Studienplätze. Denn die – wie ausgeführt – bereits bestehende Überbuchung von 19 Studienplätzen in der Vorklinik liegt deutlich über den drei nicht besetzten Plätzen der Molekularen Medizin im 1. Fachsemester und den 10 nicht vergebenen Plätzen in diesem gesamten Studiengang.
Entgegen dem Beschwerdevorbringen ist die Kapazitätsberechnung auch nicht deshalb zu beanstanden, weil ein die Namen der jeweiligen Stelleninhaber enthaltender Stellenplan fehlt. Denn bei der (gerichtlichen) Überprüfung der Kapazitätsberechnung kommt es wegen des geltenden abstrakten Stellenprinzips auf die tatsächliche Besetzung der einer Lehreinheit zugewiesenen Stellen und damit auf die Namen der jeweiligen Stelleninhaber nicht an. In der unterbliebenen Vorlage einer entsprechenden Aufstellung liegt daher kein ergebnisrelevanter Verfahrensmangel (st. Rspr. d. Senats, z. B. B. v. 26.8.2011 – 7 CE 11.10712 u. a. m. w. N. – juris).
Ebensowenig bedarf es der beantragten Vorlage von (Arbeits-)Verträgen der (befristet angestellten) wissenschaftlichen Mitarbeiter. Zwar bestimmt sich die Höhe des Lehrdeputats für die Gruppe der wissenschaftlichen Angestellten grundsätzlich nach der jeweiligen Ausgestaltung ihres Dienstverhältnisses (§ 4 Abs. 1 Nr. 8a LUFV). Anhaltspunkte für fehlerhafte Angaben der UR in der Kapazitätsberechnung über die Höhe der jeweiligen Lehrverpflichtung gibt es jedoch nicht; solche werden vom Antragsteller auch nicht dargelegt (vgl. dazu: BayVGH B. v. 24.7.2013 – 7 CE 13.10117 u. a. – juris).
Schließlich war das Gericht auch nicht verpflichtet, sich „Einschreibungslisten“ vorlegen zu lassen. Die Universität hat ihre diesbezüglichen Zahlenangaben glaubhaft erläutert, der Vorlage einer anonymisierten „Belegungs-“ bzw. „Einschreibungsliste“ bedarf es insoweit nicht (st. Rspr. d. Senats, zuletzt B. v. 16.12.2015 – 7 CE 15.10324 u. a.; B. v. 15.12.2015 – 7 CE 15.10388 – jeweils juris).
2. Hinsichtlich der hilfsweise begehrten Zulassung des Antragstellers zu einem niedrigeren Fachsemester des vorklinischen Studienabschnitts legt die Beschwerdebegründung nicht dar, woraus sich ein solcher Zulassungsanspruch ergeben sollte. Ob für das Begehren überhaupt ein Rechtsschutzbedürfnis des bereits mit zwei Studiensemestern qualifizierten Antragstellers besteht (vgl. hierzu BayVGH B. v. 12.6.2014 – 7 CE 14.10011 – juris), bedarf somit keiner Erörterung.
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 und 2 GKG i. V. m. Nr. 1.5 und Nr. 18.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (abgedruckt bei Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014) und entspricht dem Ansatz im erstinstanzlichen Verfahren.
4. Diese Entscheidung ist unanfechtbar, § 152 Abs. 1 VwGO.

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