Verwaltungsrecht

Landesinterne Umverteilung eines bereits erstverteilten Asylbewerbers aus einem sicheren Herkunftsstaat zurück in eine Rückführungseinrichtung

Aktenzeichen  M 24 K 16.1070

Datum:
15.4.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
DVAsyl DVAsyl § 8
AsylG AsylG § 47 Abs. 1a

 

Leitsatz

1. Die Bestimmung des § 47 Abs. 1a S. 2 AsylG, wonach die §§ 48 bis 50 AsylG unberührt bleiben, spricht für sich genommen nicht gegen die Annahme, dass auch solche Ausländer aus einem sicheren Herkunftsstaat der neu geschaffenen Wohnpflicht unterliegen, die bereits auf die Regierungsbezirke verteilt sind. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Vorschrift des § 47 Abs. 1a AsylG findet auch auf Asylfolgeantragsteller Anwendung, wenn sie das Bundesgebiet vor der Folgeantragstellung verlassen hatten. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

1. Über die Klage konnte nach vorheriger Anhörung gemäß § 84 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entschieden werden, da die Streitsache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist.
2. Das Verwaltungsgericht … ist zur Entscheidung über die Klage örtlich zuständig nach § 52 Nr. 2 Satz 3 VwGO. Es handelt sich vorliegend um eine Streitigkeit nach dem Asylgesetz, da Kern der Streitigkeit eine Vorschrift des Asylgesetzes, nämlich § 47 Abs. 1a Satz 1 AsylG, ist (BayVGH, B.v. 9.12.2015 – 21 CS 15.30249 – juris Rn. 4). Der Kläger hatte im maßgeblichen Zeitpunkt des Eintritts der Rechtshängigkeit (vgl. § 83 Satz 1 VwGO i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes – GVG –) seinen Aufenthalt nach dem Asylgesetz im Regierungsbezirk Oberbayern (* … * … … und damit im Gerichtsbezirk (Art. 1 Abs. 2 Nr. 1 des Gesetzes zur Ausführung der Verwaltungsgerichtsordnung – AGVwGO) zu nehmen.
Aufgrund des Übertragungsbeschlusses der Kammer vom 17. März 2016 ist der Einzelrichter zur Entscheidung über die Klage berufen (§ 76 Abs. 1 AsylG).
3. Die zulässige Klage ist unbegründet und war daher abzuweisen. Der Bescheid des Beklagten vom 24. Februar 2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
3.1. Rechtsgrundlage der im streitgegenständlichen Bescheid von Amts wegen verfügten landesinternen Umverteilung ist § 8 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 Asyldurchführungsverordnung (DVAsyl). Nach dieser Vorschrift kann aus Gründen des öffentlichen Interesses durch die insoweit nach § 8 Abs. 2 Satz 2 DVAsyl zuständige Regierung, in deren Bezirk die Verteilung erfolgen soll, landesintern eine Umverteilung in einen anderen Landkreis oder eine andere kreisfreie Gemeinde im selben oder in einem anderen Regierungsbezirk erfolgen.
Das öffentliche Interesse i.S.v. § 8 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 DVAsyl (i.V.m. § 8 Abs. 5 DVAsyl i.V.m. Art. 4 Abs. 1 Aufnahmegesetz (AufnG)) ergibt sich vorliegend aus § 47 Abs. 1a Satz 1 AsylG. Nach dieser Vorschrift sind (abweichend von § 47 Abs. 1 AsylG, wonach Asylbewerber längstens sechs Monate zum Aufenthalt in einer Aufnahmeeinrichtung verpflichtet sind) Ausländer aus einem sicheren Herkunftsstaat i.S.v. § 29a AsylG i.V.m. Anlage II zum AsylG verpflichtet, bis zur Entscheidung des Bundesamtes über den Asylantrag und im Falle der Ablehnung des Asylantrags nach § 29a AsylG als offensichtlich unbegründet oder nach § 27a AsylG als unzulässig bis zur Ausreise oder bis zum Vollzug der Abschiebungsandrohung oder -anordnung in der für ihre Aufnahme zuständigen Aufnahmeeinrichtung zu wohnen. Nach § 47 Abs. 1a Satz 2 AsylG bleiben die §§ 48 bis 50 AsylG unberührt.
Die ohne Übergangsregelung seit Inkrafttreten des Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes vom 20. Oktober 2015 am 24. Oktober 2015 verbindliche Regelung des § 47 Abs. 1a AsylG findet dabei auch auf solche Asylbewerber Anwendung, die ihren Asylantrag vor dem 24. Oktober 2015 gestellt haben und vor diesem Tag aus der Aufnahmeeinrichtung heraus erstverteilt worden sind. Die Einzelrichterin schließt sich insoweit den Ausführungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (in BayVGH, B.v. 9.12.2015 – 21 CS 15.30249 – juris Rn. 7) an:
Die Bestimmung des § 47 Abs. 1a Satz 2 AsylG, wonach die §§ 48 bis 50 AsylG unberührt bleiben, spricht für sich genommen nicht gegen die Annahme des Beklagten, dass auch solche Ausländer aus einem sicheren Herkunftsstaat der neu geschaffenen Wohnpflicht unterliegen, die bereits auf die Regierungsbezirke verteilt wurden. Damit ist lediglich bestimmt, dass die Wohnpflicht des § 47 Abs. 1a Satz 1 AsylG aus den in den §§ 48 bis 50 AsylG geregelten Gründen endet. Es kann jedoch nicht ohne Weiteres angenommen werden, dass die Gründe, die zu einem Ende der aus § 47 Abs. 1 (a.F.) folgenden Wohnpflicht geführt haben, auch einer späteren Umverteilung in eine auf der Grundlage des § 47 Abs. 1a Satz 1 AsylG bestehende Aufnahmeeinrichtung entgegenstehen. Denn diese Aufnahmeeinrichtungen wurden eigens für den Zweck geschaffen, bei Personen ohne flüchtlingsrelevanten Schutzbedarf – wie den Antragstellern – eine abschließende sowie im Ergebnis schnellere Bearbeitung der Asylverfahren und eine raschere Beendigung des Aufenthalts zu gewährleisten (vgl. BT-Drs. 18/6185 S. 33 f.).
Der Kläger ist als kosovarische Staatsangehörige auch Ausländer aus einem sicheren Herkunftsstaat i.S.v. § 47 Abs. 1a, §§ 29a AsylG i.V.m. der Anlage II zum AsylG. Dass der Kläger aufgrund einer (abweichend von § 29a Abs. 1 Halbs. 1 AsylG) positiven Entscheidung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge nicht mehr verpflichtet wäre, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen, wurde weder vorgetragen noch ist dies sonst ersichtlich. Die Vorschrift des § 47 Abs. 1a AsylG findet dabei auch auf Asylfolgeantragsteller Anwendung, wenn sie, wie vorliegend, das Bundesgebiet vor der Folgeantragstellung verlassen hatten (§ 71 Abs. 2 Satz 2 AsylG und die Gesetzesbegründung hierzu in BT-Drs. 18/6185 zu Art. 1 Nr. 27 a), Seite 36 oben).
Die im Regierungsbezirk Oberbayern in … gelegene … ist dabei auch eine Aufnahmeeinrichtung i.S.v. § 47 Abs. 1a, § 44 Abs. 1 AsylG, wobei vorliegend dahinstehen kann, ob sie als Dependance zur in § 3 Satz 1 Nr. 2 DVAsyl genannten „Aufnahmeeinrichtung …“ oder als eigenständige zusätzliche Aufnahmeeinrichtung im Regierungsbezirk Oberbayern nach § 3 Satz 3 DVAsyl anzusehen ist.
3.2. Der streitgegenständliche Bescheid verstößt auch nicht gegen die in § 47 Abs. 1a Satz 2 i.V.m. § 50 Abs. 4 Satz 5 AsylG bzw. § 8 Abs. 6 DVAsyl genannten Anforderungen.
Weder sind die von dem (volljährigen) Kläger angeführten Familienangehörigen (Onkel, Cousins, Mutter und Bruder) Familienangehörige i.S.v. § 50 Abs. 4 Satz 5 AsylG bzw. § 8 Abs. 6 DVAsyl noch lebt der Kläger mit diesen in einer Haushaltsgemeinschaft.
Dass sonstige humanitäre Gründe von vergleichbarem Gewicht i.S.v. § 47 Abs. 1a Satz 2 i.V.m. § 50 Abs. 4 Satz 5 AsylG bzw. § 8 Abs. 6 DVAsyl bei dem Kläger vorliegen würden, die die Umverteilungsentscheidung rechtswidrig erscheinen ließen, ist ebenso nicht ersichtlich. Insbesondere ergibt sich dies nicht aus den vorgelegten Unterlagen zur Erkrankung des Klägers. Diesen ist zu entnehmen, dass der Kläger im November 2014, also vor gut 1 ¼ Jahren, an der Bandscheibe operiert wurde und insoweit weiterhin orthopädisch in Behandlung ist. Weshalb eine solche Behandlung in … nicht möglich sein sollte, ist dem Vorbringen des Klägers bzw. den von ihm vorgelegten Unterlagen ebenso wenig zu entnehmen, wie eine etwaige Transportunfähigkeit nach … Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Kläger medizinische Aspekte, aus denen sich sonstige humanitäre Gründe von vergleichbarem Gewicht ergeben könnten, die einer landesinternen Umverteilung entgegenstehen, im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht (vgl. § 86 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 VwGO) vorzulegen und zu belegen hat. Angesichts der in Deutschland verfügbaren Medikamente und der im Raum … dichten medizinischen Versorgung ist der Kläger bei einer bayerninternen Umverteilung im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht gehalten, solche fachärztlichen Belege vorzulegen, die eine explizite Begründung enthalten, warum eine Therapie oder Behandlung oder ein weiterer stationärer Klinikaufenthalt im Raum … nicht möglich sein sollte und womit (mit welcher Wahrscheinlichkeit) konkret gerade im Falle einer Verlegung der Behandlung oder Therapie in den Raum I* … zu rechnen wäre. Daran fehlt es im vorliegenden Fall. Die bloße Aussage seines Bevollmächtigten, der Kläger sei nicht reisefähig, genügt diesen insgesamt hohen Anforderungen nicht.
3.3. Der streitgegenständliche Bescheid leidet auch nicht unter Ermessensfehlern (§ 114 VwGO). Die vorliegende landesinterne Umverteilungsentscheidung bedarf gemäß § 8 Abs. 4 i.V.m. § 7 Abs. 4 Satz 2 DVAsyl i.V.m. § 50 Abs. 4 Satz 3 i.V.m.
§ 47 Abs. 1a Satz 2 AsylG zum einen von vornherein keiner expliziten Begründung. Zudem ist auch nicht ersichtlich, dass der Bescheid vom 24. Februar 2016 auf ermessensfehlerhaften Erwägungen beruhen könnte; vielmehr dient er der Umsetzung der bundesrechtlich in § 47 Abs. 1a AsylG verankerten Pflicht des Klägers, (wieder) in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen.
3.4. Auch die Androhung unmittelbaren Zwangs entspricht den gesetzlichen Vorschriften (Art. 18 und Art. 19, Art. 29 i.V.m. Art. 34 und 36 Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz – VwZVG).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
5. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff der Zivilprozessordnung (ZPO).

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