Verwaltungsrecht

Kein Rechtsschutzbedürfnis für Abschiebungsverbot wenn bereits ein EU-Mitgliedsstaat subsidiären Schutzstatus gewährt

Aktenzeichen  20 B 14.50027

Datum:
11.4.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 45796
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG §§ 4, 29 II 1
AufenthG §§ 59 III 2, 60 II, V, VII 1
VO(EU) Nr. 604/2013 Art. 21

 

Leitsatz

Ein Asylsuchender hat kein Sachbescheidungsinteresse für die Feststellung von nationalem Abschiebungsschutz, wenn ihm ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union bereits die Flüchtlingseigenschaft oder unionsrechtlichen subsidiären Schutz zuerkannt hat. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

AN 2 K 13.30315 2014-02-14 Urt VGANSBACH VG Ansbach

Gründe

I. Der Kläger begehrt die Zuerkennung subsidiären Schutzes in Deutschland, hilfsweise von nationalen Abschiebungsverboten.
Nach eigenen Angaben ist er somalischer Staatsangehöriger. Er stellte am 20. September 2010 in Deutschland einen Asylantrag. Mit Schreiben vom 26. Oktober 2010 teilte die Polizeiinspektion Zirndorf der Zentralen Rückführungsstelle Nordbayern mit, dass der Kläger am 24. August 2010 vom Polizeipräsidium München erkennungsdienstlich behandelt worden sei, wobei sich eine Aliasidentität aufgrund eines von der Republik Malta am 5. Mai 2010 ausgestellten Ausweisdokuments ergeben habe. Auf eine Anfrage des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 19. März 2013 nach Art. 21 der Dublin-II-Verordnung erklärte die maltesische Dublin-Einheit mit Email vom 11. April 2013, dass der Kläger in Malta bekannt und im Besitz eines „ausgelaufenen“ subsidiären Schutzstatus sei.
Mit Bescheid vom 29. April 2013 lehnte das Bundesamt den als Zweitantrag gewerteten Asylantrag des Klägers ab (Ziffer 1) und forderte den Kläger auf, die Bundesrepublik Deutschland binnen einer Woche zu verlassen, andernfalls wurde ihm die Abschiebung in die Republik Malta angedroht. Nach Somalia dürfe er nicht abgeschoben werden (Ziffer 2).
Mit Urteil vom 14. Februar 2014 verpflichtete das Bayerische Verwaltungsgericht Ansbach die Beklagte, festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 AufenthG hinsichtlich Somalias vorliegen und hob die Ziffer 2 des Bescheides vom 29. April 2013 auf. Die Voraussetzungen der subsidiären Schutzberechtigung lägen vor. Dass der Kläger bereits in Malta diesen Status erhalten habe stehe dem nicht entgegen. Ziffer 1 des Bescheids vom 29. April 2013 war nicht Gegenstand dieser Entscheidung.
Mit der vom Senat zugelassenen Berufung beantragt das Bundesamt,
unter Änderung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung die Klage abzuweisen.
Der Kläger hat im Berufungsverfahren beantragt,
die zugelassene Berufung kostenpflichtig abzuweisen.
Der in Malta gewährte Schutzstatus sei ausgelaufen mit der Folge, dass die maltesischen Behörden den Kläger nicht mehr zurücknehmen werden. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Ansbach sei daher zutreffend.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts- und Behördenakten verwiesen.
II. Die zulässige Berufung ist begründet.
Über die Berufung konnte nach vorheriger Anhörung der Beteiligten mit Hinweis auf die aktuelle Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entsprechend § 130 a VwGO durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, weil der Senat die Berufung der Beklagten einstimmig für begründet hält.
Der Bescheid der Beklagten vom 29. April 2013 ist im Ergebnis rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung des unionsrechtlichen subsidiären Schutzstatuses. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (U. v. 17.6.2014 – 10 C 7.13 – BVerwGE 150, 29 = NVwZ 2014, 1460) ist das Begehren auf Zuerkennung von unionsrechtlichem subsidiärem Schutz unzulässig, wenn dem Ausländer bereits im Ausland die Rechtsstellung eines Flüchtlings oder eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne von § 4 AsylG zuerkannt worden ist (Leitsatz 3). Das Bundesamt ist bei Vorliegen einer ausländischen Anerkennungsentscheidung zur Feststellung von subsidiärem Schutz oder der (erneuten) Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in Deutschland weder verpflichtet noch berechtigt. Ein gleichwohl gestellter Antrag ist unzulässig. So liegt der Fall hier. Dem Kläger wurde in Malta subsidiärer europarechtlicher Schutz zuerkannt. Damit ist sein in der Bundesrepublik Deutschland erneut gestellter Antrag unzulässig. Der Senat versteht die Formulierung der maltesischen Behörden, der Kläger habe einen „ausgelaufenen“ subsidiären Schutzstatus so, dass die zeitliche Geltung der aufgrund dessen erteilten Aufenthaltserlaubnis abgelaufen ist. Denn Anhaltspunkte dafür, dass der subsidiäre Schutzstatus des Klägers nach Art. 16 der Qualifikationsrichtlinie erloschen ist, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Ob die maltesischen Behörden den Kläger zurücknehmen würden, ist nach der genannten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts unerheblich.
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die im verwaltungsgerichtlichen Verfahren hilfsweise beantragte Zuerkennung von nationalem Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 5, Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Fehlt es dem Kläger – wie hier – an dem Rechtsschutzinteresse auf Zuerkennung europarechtlichen Schutzes, weil er bereits in Malta den europarechtlichen subsidiären Schutzstatus erhalten hat, so erstreckt sich diese „Sperrwirkung“ auch auf den Antrag auf Zuerkennung nationalen Schutzes hinsichtlich Somalias (vgl. zu deren Verhältnis: BVerwG, U. v. 24.6.2008 – BVerwG 10 C 43.07 – BVerwGE 131, 198). Ein Asylbewerber hat kein Sachbescheidungsinteresse bzw. Rechtsschutzbedürfnis für die Feststellung von nationalem Abschiebungsschutz, wenn ihm ein anderer EU-Mitgliedstaat bereits die Flüchtlingseigenschaft oder unionsrechtlichen subsidiären Schutz zuerkannt hat (vgl. Kraft, Aktuelle Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Asyl- und Flüchtlingsrecht, http://www.ingokraft.de/Docs/Asylrecht2014.pdf Rn. 44, unter Bezugnahme auf BVerwG, U. v. 17.6.2014 – 10 C 7.13 – a. a. O.).
Die Abschiebungsandrohung nach Malta beruht auf § 34 AsylG. Die Ausreisefrist von einer Woche folgt aus § 36 Abs. 1 AsylG analog. Hier handelt es sich zwar nicht um einen unbeachtlichen Asylantrag im Sinne des § 29 AsylG, sondern um einen unzulässigen Asylantrag, der eine Prüfungskompetenz, wie in § 29 Abs. 2 Satz 1 AsylG vorgesehen, nach der oben genannten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gerade nicht ermöglicht. Die Interessenlage ist aber ähnlich, weil der Kläger in Malta den subsidiären europarechtlichen Schutz erhalten hat. Somalia wurde in der Abschiebungsandrohung als Staat genannt in den der Kläger nicht abgeschoben werden darf (§ 59 Abs. 3 Satz 2 AufenthG), so dass gegen die erlassene Abschiebungsandrohung keine durchgreifenden Bedenken bestehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist gemäß § 83b AsylG gerichtskostenfrei.
Die Revision wird nicht zugelassen, weil keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

Jetzt teilen:

Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen