Aktenzeichen M 25 K 14.5400
Leitsatz
1 Eine Ausweisung ist rechtmäßig, wenn der weitere Aufenthalt des Ausländers im Bundesgebiet die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet und die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt. (redaktioneller Leitsatz)
2 Ein Abschiebungsverbot wegen einer erheblichen konkreten Gefahr aus gesundheitlichen Gründen nach § 60 Abs. 7 AufenthG liegt nur vor bei einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde; Sichelzellenanämie ist in Togo weit verbreitet und behandelbar. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Gründe
Die zulässige Klage bleibt ohne Erfolg. Die Ausweisung des Klägers ist rechtmäßig und verletzt ihn nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO) (1.). Auch die Befristung der Wirkungen der Ausweisung erweist sich nicht als rechtswidrig (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO) (Nr. 2) (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Gleiches gilt für die Anordnung der Abschiebung aus der Haft (3.).
1. Die Ausweisung des Klägers erweist sich im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts (vgl. BVerwG, U.v. 15.1.2013 – 1 C 10.12 – juris Rn. 12) als rechtmäßig.
Eine – wie hier – nach altem Recht verfügte Ausweisung wird auch nach Inkrafttreten der §§ 53 bis 55 AufenthG in ihrer seit dem 1. Januar 2016 geltenden Neufassung (Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und Aufenthaltsbeendigung vom 27.7.2015, BGBl. I, S. 1386, zuletzt geändert durch das am 17. März 2016 in Kraft getretene Gesetz zur erleichterten Ausweisung von straffälligen Ausländern und zum erweiterten Ausschluss der Flüchtlingsanerkennung bei straffälligen Asylbewerbern vom 11. März 2016, BGBl I S. 394) nicht rechtsfehlerhaft, wenn sie den ab diesem Zeitpunkt geltenden gesetzlichen Anforderungen entspricht (stRspr; vgl. z.B. BayVGH, U.v. 8.3.2016 – 10 B 15.180 – juris Rn. 26). Die Ausweisungsentscheidung ist durch das Gericht in vollem Umfang nachprüfbar (BayVGH, U.v. 8.3.2016 – 10 B 15.180 – juris Rn. 26). Die Voraussetzungen der zentralen Ausweisungsnorm § 53 Abs. 1 AufenthG sind zur Überzeugung des Gerichts vorliegend erfüllt.
1.1. Der Aufenthalt des Klägers gefährdet die öffentliche Sicherheit und Ordnung (§ 53 Abs. 1 AufenthG).
1.1.1. Vom Kläger geht unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des Einzelfalls nach wie vor die Gefahr der Begehung weiterer Straftaten aus (vgl. BVerwG, U.v. 2.9.2009 – 1 C 2/09 – juris).
Für die erforderliche Prognose zur Frage, ob weitere Straftaten durch den Ausländer zu befürchten sind, haben Ausländerbehörden und Verwaltungsgerichte eine eigenständige Prognose zu treffen und sind hierbei rechtlich nicht an die Feststellungen der Strafgerichte gebunden. Dabei ist ein Blick allein in die Vergangenheit des Ausländers für die Prognose nicht ausreichend, vielmehr sind alle relevanten Umstände des Einzelfalls in den Blick zu nehmen (BVerwG, U.v. 2.9.2009 – 1 C 2/09 – juris).
Hinsichtlich der Wiederholungsgefahr gilt ein differenzierender Wahrscheinlichkeitsmaßstab dergestalt, dass an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts umso geringere Anforderungen zu stellen sind, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist (BVerwG, U.v. 4.10.2012 – 1 C 13.11 – juris Rn. 18) und umgekehrt. Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben ist die Kammer überzeugt, dass eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für eine auch künftige Begehung von Straftaten durch den Kläger, insbesondere im Bereich von Betäubungsmittel- und Eigentumsdelikten, besteht. Nach Auffassung der Kammer besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit eines künftigen Schadenseintritts.
1.1.2. Die erforderliche hinreichende Wiederholungsgefahr wird vorliegend zunächst durch das bisherige Verhalten des Klägers indiziert: Er ist – obwohl erst 28 Jahre alt – in einem Zeitraum von knapp elf Jahren bereits 17 Mal strafrechtlich verurteilt worden, davon – vielfach – wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz und wegen Diebstahlsdelikten. Auch mit Körperverletzungsdelikten ist der Kläger bereits mehrfach in Erscheinung getreten. Die Delinquenz begann bereits im Alter von 15 Jahren. Dass in der Auskunft aus dem Zentralregister des Bundesamts für Justiz vom 2. September 2014 (Blatt 544 ff.) keine Verurteilungen des Klägers vor dem 26. Juni 2008 aufgeführt sind, hindert das Gericht im Rahmen seiner Prognoseentscheidung nicht daran, auch die vorhergehende Delinquenz des Klägers zu berücksichtigen. Denn für die Prognoseentscheidung hinsichtlich der Wiederholungsgefahr ist das Gericht berechtigt, die bisherige Entwicklung des Klägers in tatsächlicher Hinsicht umfassend zu berücksichtigen.
Der Kläger hat in Relation zu seinem Lebensalter auch schon einen beträchtlichen Zeitraum, nämlich ca. 26 Monate (Blatt 222, 224, 288 ff., 308 ff., 317 ff., 358 ff.), in Haft verbracht und ist zweifacher Bewährungsversager; in einem weiteren Fall hat das Landgericht München I die von der Vorinstanz gewährte Strafaussetzung zur Bewährung aufgehoben.
Jedoch haben weder die strafrechtlichen Verurteilungen noch die Haftverbüßung den Kläger bislang von der Begehung von Straftaten abhalten können. Damit zeigt die bisherige Entwicklung des Klägers, dass es sich bei ihm um einen notorischen – wenn auch nicht im Bereich der Schwerkriminalität – Straftäter handelt, bei dem von einer Wiederholungsgefahr auszugehen ist.
Auch die Berücksichtigung des Umstands, dass die höchste Verurteilung des Klägers diejenige zu einer Jugendstrafe von acht Monaten im Jahr 2008 war, in welche auch noch eine frühere Verurteilung einbezogen wurde, und dass zahlreiche Straftaten „nur“ zur Verhängung von gemeinnütziger Arbeit, Arrest bzw. Geldstrafen geführt haben, lässt die Prognoseentscheidung nicht zugunsten des Klägers ausfallen. Dies indiziert lediglich, dass der Kläger kein Schwerkrimineller ist.
Zu seinem Nachteil fällt dagegen entscheidend ins Gewicht, dass der Kläger nicht nur als Jugendlicher und Heranwachsender, sondern auch als Erwachsener straffällig geworden ist.
1.1.3. Anhaltspunkte dafür, dass trotz der aufgrund der bisherigen Straffälligkeit des Klägers indizierten hohen Wiederholungsgefahr eine solche dennoch zu verneinen ist, sind nicht erkennbar.
Zwar ist maßgeblich zu berücksichtigen, dass der Kläger kein Schwerverbrecher ist; dies zeigt sich an der Höhe der erfolgten Verurteilungen. Dem steht jedoch entgegen, dass es sich bei ihm um einen notorischen Straftäter handelt, dessen Delinquenz schon früh eingesetzt hat.
Auch sind weder die Persönlichkeit des Klägers noch seine Lebensumstände seit der Haftentlassung gefestigt: Der Kläger hat nach wie vor keine Ausbildung abgeschlossen, keinen festen Arbeitsplatz, lebt nach wie vor in einer Asylbewerberunterkunft, und hat trotz langjährigen Drogenkonsums keine Drogentherapie abgeschlossen. Über einen Aufenthaltstitel für die Bundesrepublik Deutschland hat er ebenfalls noch nie verfügt.
Auch der Umstand, dass der Kläger nach seinen eigenen Angaben bereits seit Mai 2014 kein Marihuana mehr konsumiert hat, steht dem Ergebnis der gerichtlichen Prognose mit Blick auf die langjährige, anhaltende Straffälligkeit des Klägers nicht maßgeblich entgegen. Denn der Kläger war langjähriger Drogenkonsument (seit er 17 Jahre alt ist) und hat sich noch keiner Drogentherapie unterzogen.
Dass der Kläger nach seiner Haftentlassung einer Erwerbstätigkeit nachgegangen ist, fällt ebenfalls nicht entscheidend ins Gewicht. Denn es ist vielmehr zu erkennen, dass es dem Kläger bis zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung in einem Zeitraum von mehr als einem Jahr nicht gelungen ist, einen dauerhaften Arbeitsplatz nachzuweisen.
Auch der straffreie Zeitraum vom 28. Januar 2015 bis zum 6. April 2016 ist in Relation zur Dauer der strafrechtlichen Biografie des Klägers zu kurz, um daraus eine hinreichend belastbare positive Beurteilung des weiteren Verhaltens des Klägers in Freiheit gewinnen zu können.
Somit ist im Ergebnis beim Kläger von einer hohen Gefahr der Wiederholung bzw. der Begehung weiterer Straftaten, insbesondere im Bereich der Betäubungsmittel- und Eigentumsdelikte, auszugehen.
1.2. Die gemäß § 53 Abs. 1 AufenthG erforderliche Abwägung der Interessen an der Ausweisung mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.
Denn auch unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Dauer des Aufenthalts, der persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat, der Folgen der Ausweisung für Familienangehörige (§ 53 Abs. 2 AufenthG), führen vorliegend zu einem für den Kläger negativen Abwägungsergebnis.
1.2.1. Für die Abwägung ist zunächst von den in §§ 54 und 55 AufenthG typisierten, aber nicht abschließend aufgeführten besonders schwerwiegenden und schwerwiegenden Ausweisungs- und Bleibeinteressen auszugehen.
Dem vorliegenden schweren Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG wegen eines nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoßes gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen steht zugunsten des Klägers kein gesetzlich typisiertes besonders schwerwiegendes bzw. schwerwiegendes Bleibeinteresse im Sinne von § 55 AufenthG entgegen. Denn es ist dem Kläger trotz seines langjährigen Aufenthalts im Bundesgebiet (aufgrund seiner früh beginnenden und notorischen Delinquenz) nicht gelungen, eine Rechtsposition zu erlangen, die ihm ein besonders schwerwiegendes bzw. schwerwiegendes Bleibeinteresse vermitteln würde.
1.2.2. In die nach § 53 Abs. 1 AufenthG anzustellende Gesamtabwägung fließen jedoch neben den gesetzlich in §§ 54, 55 AufenthG typisierten gegenläufigen Interessen auch noch sämtliche nach den Umständen des Einzelfalls maßgeblichen Gesichtspunkte ein. Jedoch ergibt sich auch bei Berücksichtigung dieser Aspekte ein Überwiegen des öffentlichen Ausweisungsinteresses.
Der Kläger ist offensichtlich nicht integriert. In wirtschaftlicher Hinsicht zeigt sich dies daran, dass er weder über eine Ausbildung noch über einen festen Arbeitsplatz verfügt. Das letzte auf ein Jahr befristete Arbeitsverhältnis mit der … GmbH & Co. … KG vom 28. September 2015 endete noch in der Probezeit.
Die mangelnde soziale Integration wird durch die Vielzahl der Straftaten belegt mit der Konsequenz, dass es dem Kläger trotz seines über 20-jährigen Aufenthalts im Bundesgebiet zu keinem Zeitpunkt gelungen ist, je einen Aufenthaltstitel zu erlangen.
Überwiegende schützenswerte persönliche Bindungen sind ebenfalls nicht ersichtlich. Als volljähriger Mann ist der Kläger nicht auf die Unterstützung und Anwesenheit seiner Eltern und Geschwister angewiesen. Darüber hinaus lebt er auch nicht in häuslicher Gemeinschaft mit ihnen. Eine eigene Kernfamilie hat der Kläger nicht begründet.
Besonders schützenswerte Folgen für Familienangehörige sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
Auch ist dem Kläger eine Rückkehr in das Land seiner Staatsangehörigkeit zuzumuten. Das Gericht verkennt nicht, dass es für den Kläger nicht einfach werden wird, sich in Togo eine Existenz auch ohne familiäre Unterstützung aufzubauen. Er ist als junger Mann trotz seiner Erkrankung an Sichelzellenanämie nach Auffassung des Gerichts dazu grundsätzlich in der Lage und wird es in der Hand haben, sich mit Fleiß und Ausdauer dort eine Lebensgrundlage zu schaffen. Dass die Erkrankung an einer Sichelzellenanämie so schwerwiegend ist, dass es dem Kläger grundsätzlich nicht möglich ist, seinen Lebensunterhalt durch Erwerbstätigkeit zu sichern, wurde vom Kläger nicht vorgetragen und ist auch unter Berücksichtigung des vorläufigen Arztbriefs vom … März 2016 (Blatt 718) nicht ersichtlich. Die offenbaren Schwierigkeiten des Klägers, im Bundesgebiet eine dauerhafte Beschäftigung zu finden, sind nach Auffassung des Gerichts im Wesentlichen auf die geringe Qualifikation des Klägers und allenfalls zu einem geringen Teil auf seine eingeschränkte körperliche Belastbarkeit zurückzuführen. Gegenteiliges hat der Kläger nicht belegt.
Die Berufung auf mangelnde Sprachkenntnisse fällt ebenfalls nicht entscheidend ins Gewicht. Sprachkenntnisse der Heimatssprache sind beim Kläger als Angehöriger der zweiten Generation, der zudem erst als Sechsjähriger in das Bundesgebiet eingereist ist und zuvor in Togo gelebt hat, zu vermuten. Abgesehen davon, befindet sich der Kläger in einem Alter, in dem ihm auch das Erlernen einer neuen Sprache ohne weiteres zuzumuten ist.
Soweit der Kläger sich auf Gesundheitsgefährdungen im Fall einer Ausreise nach Togo beruft, wirkt sich auch dies nicht entscheidend auf das Abwägungsergebnis aus. Hinsichtlich der vorgetragenen Sichelzellenanämie mit wiederkehrenden Schmerzattacken handelt es sich um eine in Togo weit verbreitete Erkrankung. Das Verwaltungsgericht München hat rechtskräftig über die Ablehnung des diesbezüglichen Asylfolgeantrags des Klägers entschieden (VG München, U.v. 18.12.2003 – M 25 K 03.51996, rechtskräftig seit 20.1.2004) und ausgeführt, dass es insoweit auch in Togo möglich ist, entsprechende medizinische Hilfe in Anspruch zu nehmen.
Auch der Vortrag, dass beim Kläger „möglicherweise“ eine posttraumatische Belastungsstörung aufgrund der Gewalterfahrungen in der Kindheit vorliege, wirkt sich im Ergebnis nicht zugunsten des Klägers aus. Denn auch im jüngsten Schreiben der psychologischen Psychotherapeutin J … vom … April 2015 (Blatt 657) ist nach wie vor allenfalls von einem „Verdacht“ auf eine posttraumatische Belastungsstörung die Rede. Insbesondere unter Berücksichtigung des Umstands, dass der Kläger der Therapeutin bereits seit 2013 als Patient bekannt ist, ist für das Gericht nicht nachvollziehbar, weshalb eine diesbezügliche Diagnose – sollte sie zutreffen – noch nicht erfolgt ist. Es widerspräche vielmehr den Regeln der ärztlichen Kunst, die entsprechende Diagnose und Behandlung trotz eines bestehenden Verdachts zu unterlassen. Das Gericht geht bereits deshalb davon aus, dass eine posttraumatische Belastungsstörung beim Kläger nicht vorliegt und somit einer Ausweisung nicht entgegensteht.
Die in dem Schreiben vom … April 2015 erwähnten Depressionen und Ängste genügen keinesfalls den Anforderungen, die an eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung gestellt werden. Das Schreiben enthält keine tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, nicht die Methode der Tatsachenerhebung, nicht die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), nicht den Schweregrad der Erkrankung und auch nicht die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben. Es kann somit der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit der Ausweisung nicht entscheidend entgegenstehen. Für das Schreiben der psychologischen Psychotherapeutin J … vom … November 2014 gilt nichts anderes.
Somit erweist sich die Ausweisung des Klägers auch mit Blick auf Art. 8 Abs. 1 EMRK und Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 6 GG als abwägungsgerecht, insbesondere verhältnismäßig.
Da der Aufenthalt des Klägers die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet und die Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausweisung überwiegt, ist die Ausweisung des Klägers rechtmäßig.
2. Das gemäß § 11 Abs. 2 Satz 1 AufenthG auf drei Jahre befristete Einreise- und Aufenthaltsverbot begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Die Ergänzung der Ermessenserwägungen in der mündlichen Verhandlung war rechtlich zulässig (2.1.). Ermessensfehler sind nicht ersichtlich (2.2).
2.1. Die Beklagte durfte erstmals nachträglich Ermessen hinsichtlich der Befristungsentscheidungen ausüben.
Zwar erfolgte die Befristung zunächst nach der bis einschließlich 31. Juli 2015 geltenden Rechtslage unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ohne Ausübung von Ermessen als eine vom Gericht uneingeschränkt überprüfbare Rechtsentscheidung (BVerwG, U.v. 14.2.2012 – 1 C 7.11 – juris Rn. 31 ff). Seit 1. August 2015 fordert § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG jedoch eine Ermessensentscheidung der Behörde, die vom Gericht nur eingeschränkt auf Ermessensfehler überprüfbar ist (§ 114 Satz 1 VwGO).
Aufgrund der Änderung der Rechtslage war es der Beklagten deshalb nicht verwehrt, nachträglich erstmals Ermessenserwägungen hinsichtlich der Frist anzustellen.
2.2. Die Beklagte hat ohne Ermessensfehler über die unter präventiven Gesichtspunkten festzusetzende Frist unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nach Ermessen entschieden (§ 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG).
Im Rahmen dieser Ermessensentscheidung sind in einem ersten Schritt das Gewicht des Ausweisungsgrunds sowie der mit der Ausweisung verfolgte Zweck zu berücksichtigen. Hierzu bedarf es der prognostischen Einschätzung im jeweiligen Einzelfall, wie lange das Verhalten des Ausländers, das der spezialpräventiv verfügten Ausweisung zu Grunde liegt, das öffentliche Interesse an der Gefahrenabwehr zu tragen vermag. Die sich an der Erreichung des Ausweisungszwecks orientierende Sperrfrist muss sich in einem zweiten Schritt an höhrerrangigem Recht, d.h. verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen und den Vorgaben aus Art. 8 EMRK messen und ggf. relativieren lassen (BVerwG, U.v. 10.7.2012 – 1 C 19./11 – juris Rn. 42). Dieses normative Korrektiv bietet der Ausländerbehörde und den Gerichten ein rechtsstaatliches Mittel, die fortwirkenden einschneidenden Folgen des Einreise- und Aufenthaltsverbots für die persönliche Lebensführung des Betroffenen zu begrenzen.
Gemessen an diesen Vorgaben erweist sich die Befristung auf drei Jahre ab dem Zeitpunkt der Ausreise als ermessensfehlerfrei. Die Beklagte hat ihr Ermessen erkannt. Es sind auch keine Anhaltspunkte für einen Ermessensfehlgebrauch ersichtlich.
Die Beklagte hat zugunsten des Klägers seine lange Verweildauer im Bundesgebiet in den Blick genommen. Weiter hat sie sich zu seinen Gunsten am unteren Rand ihres Ermessensspielraums bewegt, da die Einzeldelikte nicht im Bereich der Schwerkriminalität anzusiedeln seien. Die Beklagte hat allerdings – zu Recht – die langjährige, wiederkehrende Straffälligkeit, und insbesondere das (mehrfache) Bewährungsversagen, als schwerwiegend betrachtet. Angesichts der gegenwärtigen Wiederholungsgefahr und der nach wie vor ungefestigten Persönlichkeitsstruktur des Klägers, die in seiner langjährigen, vielfachen strafrechtlichen Delinquenz und der fehlenden sozialen und wirtschaftlichen Integration zum Ausdruck kommt, ist ein Zeitraum von drei Jahren, den der Kläger im Ausland zu verbringen hat, auch angesichts seiner familiären Bindungen im Bundesgebiet, die durchaus hoch eingeschätzt werden, nicht unverhältnismäßig oder ermessensfehlerhaft.
3. Auch die Anordnung der Abschiebung aus der Haft begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Ob nach Entlassung des Klägers aus der Haft überhaupt noch ein Rechtsschutzinteresse für eine entsprechende Anfechtungsklage besteht und eine solche noch zulässig ist oder ob das Rechtsschutzinteresse an der Beseitigung einer eventuell rechtswidrigen Anordnung weiter besteht, bedarf deshalb vorliegend keiner Klärung.
Insgesamt erweist sich der Bescheid somit im angegriffenen Umfang als rechtmäßig.
Die Klage war daher abzuweisen.
4. Der Kläger trägt als unterliegender Teil die Kosten des Verfahrens (§ 154 Abs. 1 VwGO).
5. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.