Aktenzeichen B 4 S 16.84
Leitsatz
Ein Eilantrag gegen die Verkürzung der Geltungsdauer einer Aufenthaltserlaubnis ist erfolgreich, wenn erst im familiengerichtlichen Verfahren auf Umgangsrecht der Bezug des Kindes zum abzuschiebenden Elternteil geklärt werden kann. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Dem Antragsteller wird Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt …, H., im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes beigeordnet.
2. Die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers vom 9. Februar 2016 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 8. Januar 2016 wird wiederhergestellt bzw. angeordnet. Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller vorerst, bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren, die Aufenthaltserlaubnis wieder auszuhändigen.
3. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
4. Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Der am … 1978 geborene Antragsteller ist nigerianischer Staatsangehöriger. Er reiste am 19.05.2008 als Asylbewerber in die Bundesrepublik Deutschland ein und gab sich dabei unter anderen Personalien als sudanesischen Staatsangehörigen aus. Mit Bescheid vom 04.08.2009 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den Asylantrag ab. Der Bescheid ist bestandskräftig.
Am 02.11.2009 erkannte der Antragsteller die Vaterschaft für seine Tochter M., geboren am 21.08.2009 in H., deutsche Staatsangehörige, an. Am 22.12.2009 legte er einen nigerianischen Reisepass vor. Daraufhin erteilte ihm die Antragsgegnerin am 28.01.2010 eine Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AufenthG zur Ausübung der Personensorge für seine minderjährige Tochter. Die Aufenthaltserlaubnis wurde mehrmals verlängert, zuletzt am 21.08.2013 bis zum 01.07.2018.
Am 27.11.2015 stellte der Antragsteller mündlich einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis. Dabei stellte die Antragsgegnerin fest, dass der Antragsteller nicht mehr mit seiner Tochter in einer gemeinsamen Wohnung zusammen lebt. Auf Anfrage der Antragsgegnerin teilte die Kindsmutter bei einer persönlichen Vorsprache am 01.12.2015 mit, dass sich der Antragsteller überhaupt nicht mehr um seine Tochter kümmere, er sein durch das Familiengericht erteiltes Besuchsrecht nicht wahrnehme und seine Tochter weder Unterhalt noch sonstige Leistungen von ihm erhalte. Das Kind habe keinerlei Bezug mehr zu seinem Vater. Gegen einen Umgang des Antragstellers mit seiner Tochter habe sie keine Einwände.
Mit Schreiben vom 03.12.2015 hörte die Antragsgegnerin den Antragsteller zur beabsichtigten Ablehnung des Antrags auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis sowie zur geplanten Verkürzung der Gültigkeitsdauer seiner Aufenthaltserlaubnis an. Eine Stellungnahme gab der Antragsteller hierzu nicht ab.
Mit Bescheid vom 08.01.2016 verkürzte die Antragsgegnerin die Geltungsdauer der dem Antragsteller erteilten Aufenthaltserlaubnis nachträglich auf den Zeitpunkt der Bekanntgabe des Bescheids (Nr. 1). Sie lehnte den Antrag des Antragstellers auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis ab (Nr.2) und verpflichtete den Antragsteller, binnen einer Woche nach Zugang des Bescheids seine Aufenthaltserlaubnis bei der Ausländerbehörde vorzulegen (Nr. 3). Die sofortige Vollziehbarkeit der Nummern 1 und 3 des Bescheides wurde angeordnet (Nr. 4) und der Antragsteller aufgefordert, das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland bis spätestens 29.02.2016 zu verlassen (Nr. 5). Für den Fall, dass der Antragsteller der Ausreiseaufforderung nicht oder nicht fristgerecht nachkomme, wurde die zwangsweise Abschiebung in die Bundesrepublik Nigeria oder einen anderen aufnahmebereiten Staat angedroht (Nr. 6). Es wurde verfügt, dass der Antragsteller einen Wechsel seiner Wohnung oder das Verlassen des Bezirks der Ausländerbehörde für mehr als drei Tage vorher anzuzeigen habe (Nr. 7). Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Frist für die Aufenthaltserlaubnis des Antragstellers sei gemäß § 7 Abs. 2 S. 2 AufenthG nachträglich verkürzt worden, weil die Voraussetzung für die dem Antragsteller erteilte Aufenthaltserlaubnis, das Bestehen einer familiären Lebensgemeinschaft zwischen dem Antragsteller und seinem Kind, nicht mehr erfüllt sei. Laut Angaben der Kindsmutter habe der Antragsteller überhaupt keinen Kontakt mehr mit seinem Kind und übe sein Besuchsrecht nicht aus. Somit lägen keinerlei familiäre Beziehungen vor, welche die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AufenthG rechtfertigen würden. Auch eine Erteilung eines Aufenthaltstitels als eigenständiges, vom Zweck des Familiennachzugs unabhängiges Aufenthaltsrecht scheide aus. Die Ausreise des Antragstellers sei nicht aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich. Er könne freiwillig nach Nigeria ausreisen. Der Antrag auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis sei abzulehnen gewesen, da es schon an der familiären Lebensgemeinschaft mit der Tochter fehle und kein weiterer Aufenthaltsgrund für den Antragsteller im Bundesgebiet gegeben sei. Die Anordnung der Einziehung des Aufenthaltstitels sei erfolgt, da dieser mit Bekanntgabe des Bescheides seine Gültigkeit verliere und gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG erloschen sei. Die sofortige Vollziehbarkeit der Nummern 1 und 3 des Bescheides sei nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO im öffentlichen Interesse angeordnet worden. Mit Beendigung der häuslichen und familiären Lebensgemeinschaft sei auch die Verpflichtung für den Staat entfallen, die Familie zu schützen und zu fördern. Es stehe im öffentlichen Interesse, dass der vom Staat ursprünglich gewährte Schutz nicht über Gebühr in Anspruch genommen werde. Ein Zuwarten bis zur Unanfechtbarkeit der Entscheidung hätte zu Folge, dass dem Antragsteller unberechtigt weiter Schutz für eine nicht mehr bestehende familiäre Lebensgemeinschaft mit seiner Tochter gewährt würde. Es sei ihm zuzumuten, die eventuelle Beschreitung des Rechtswegs von seinem Heimatland aus zu betreiben. Bei Abwägung der widerstreitenden Interessen würden die für eine Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit entsprechenden Gründe überwiegen. Die Ausreisepflicht zum 29.02.2016 sei erforderlich und angemessen. Der Antragsteller sei vollziehbar ausreisepflichtig nachdem die Verkürzung der Geltungsdauer der Aufenthaltserlaubnis für sofort vollziehbar erklärt worden sei.
Der Bescheid wurde dem Antragsteller laut Postzustellungsurkunde am 09.01.2016 zugestellt.
Gegen diesen Bescheid erhob der Prozessbevollmächtigte des Klägers per Telefax am 09.02.2016 Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth mit dem Antrag, den Bescheid der Antragsgegnerin vom 08.01.2016 aufzuheben und die Antragsgegnerin zu verpflichten, dem Kläger eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen.
Gleichzeitig hat er beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 08.01.2015 anzuordnen,
die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit der Nummern 1 und 3 des Bescheids vom 08.01.2015 aufzuheben,
die Antragsgegnerin zu verpflichten, dem Antragsteller den Aufenthaltstitel, den er abgegeben habe, wieder auszuhändigen sowie dem Antragsteller Prozesskostenhilfe zu bewilligen und ihm seinen Prozessbevollmächtigten beizuordnen.
Zur Begründung wird ausgeführt, die Aufenthaltserlaubnis des Antragstellers sei verkürzt worden, weil angeblich keine Beziehung zu seiner Tochter mehr vorhanden wäre. Diese Annahme sei jedoch falsch und resultiere ausschließlich aus einer Behauptung der Kindsmutter, von der sich der Kläger getrennt habe. Bereits während der bestehenden Beziehung hätten Meinungsverschiedenheiten bestanden. Nach der Trennung habe die Kindsmutter immer wieder gedroht, ihn „abschieben zu lassen“. Tatsächlich habe der Antragsteller ein sehr gutes persönliches, dauerhaft seit der Geburt gewachsenes und inniges Verhältnis zu seiner Tochter. Bereits seit 2008 habe der Antragsteller mit der Kindsmutter zusammengelebt, die Tochter sei am 21.08.2009 zur Welt gekommen. Ca. Mitte 2011 habe sich der Antragsteller eine eigene Wohnung gesucht. In der Folgezeit habe er fast jedes Wochenende und im Jahr 2012 noch jedes zweite Wochenende in der Wohnung der Kindsmutter verbracht, um seine Tochter sehen zu können. Ende 2012 sei er faktisch wieder dort eingezogen. Zu der endgültigen Trennung sei es erst im April 2014 gekommen. Die Tochter sei damals fast fünf Jahre alt gewesen. Während des Zusammenlebens habe sich der Antragsteller immer intensiv um sie gekümmert, sie gewickelt, schlafen gelegt und gefüttert. Es könne daher keine Rede davon sein, dass keine Beziehung zur Tochter vorhanden wäre. Insofern möge ein Bericht des Jugendamtes eingeholt werden. Auch nach der Trennung im April 2014 habe sich der Antragsteller um die Tochter gekümmert, bis Anfang Juni 2014 regelmäßig mindestens einmal in der Woche in der Wohnung der Kindsmutter. Manchmal sei er sogar zwei Tage geblieben, um mit der Tochter mehr unternehmen zu können. Anfang Juni 2014 habe die Kindsmutter den Umgang komplett blockiert, wahrscheinlich weil der Antragsteller eine andere Frau kennengelernt hatte. Bereits im September 2014 habe vor dem Familiengericht H. eine Einigung wegen des Umgangs mit der Tochter getroffen werden können. Im Rahmen dieses Verfahrens habe das Jugendamt sogar die Überlegung angestellt, dass M. auch beim Antragsteller leben könnte. Im Anschluss an die Entscheidung des Familiengerichts sei es in der Wohnung der Kindsmutter zu einer Versöhnung gekommen, so dass die Beziehung wieder aufgenommen worden sei, ohne dass der Antragsteller seine bisherige Wohnung aufgegeben habe. Faktisch habe er bis Januar 2015 wieder mit der Kindsmutter und der Tochter zusammengelebt. Im Februar 2015 sei er erneut ausgezogen, da sich die Beziehung nicht stabilisiert habe. Von Februar bis ca. Juni 2015 habe der Umgang mit dem Kind wieder recht unproblematisch funktioniert. Die vom Gericht getroffene Umgangsregelung sei teilweise obsolet gewesen, da der Antragsteller regelmäßig am Mittwochnachmittag und teilweise auch an Samstagen habe arbeiten müssen. Er habe die Zeiten somit nicht wegen Desinteresses nicht einhalten können, sondern aus beruflichen Zwängen heraus. Dennoch habe er die Tochter ca. einmal in der Woche besucht und einen Tag mit ihr in der Wohnung der Kindsmutter oder bei einem Ausflug verbracht. Drei oder viermal sei die Tochter dann auch über das Wochenende von Freitag bis Sonntag bei ihm in der Wohnung zu Besuch gewesen. Etwa im Juli 2015 habe die Kindsmutter den Umgang komplett blockiert. Der Grund für die Kontaktverweigerung sei dem Antragsteller bis heute nicht nachvollziehbar. Nach einem Monat habe die Kindsmutter wieder Besuche des Antragstellers bei seiner Tochter zugelassen, teilweise auch mit Übernachtung. Auch zu Weihnachten sei M. beim Antragsteller zu Besuch gewesen, wo dieser mit ihr spielerisch Schreiben und Rechnen geübt habe. Die Antragsgegnerin könne nicht eine einzige Äußerung einer verletzten Ex-Partnerin ausreichen lassen, um das Aufenthaltsrecht des Antragstellers aufzulösen.
Ein gesteigertes Interesse, eine sofortige Vollziehbarkeit anzuordnen, sei nicht ersichtlich. Zunächst nach Nigeria zurückzukehren und von dort aus den Ausgang des vorliegenden Verfahrens abzuwarten, stelle eine höhere Belastung für den Antragsteller dar, als den Aufenthalt des Antragstellers, der keinerlei Sozialleistungen in Anspruch nehme, weiter hinzunehmen. Auch im Hinblick auf den wahrscheinlichen Ausgang des Hauptsacheverfahrens sei eine vorläufige Vollziehbarkeit nicht zumutbar. Er würde seine Tochter über einen längeren Zeitraum nicht mehr sehen können. Der Antragsteller halte sich seit acht Jahren in Deutschland auf, davon seit fast sieben Jahren legal und gehe einer versicherungspflichtigen Tätigkeit nach. Zur Glaubhaftmachung der Beziehung zwischen Vater und Tochter werde auf die Stellungnahme des Jugendamtes vom 04.09.2014 an das Amtsgericht H. verwiesen.
Mit Schriftsatz vom 10.2.2016 hat die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Zur Erwiderung wird ausgeführt, der Antragsteller habe sich im Anhörungsverfahren nicht geäußert. Es habe keine Veranlassung der Antragsgegnerin bestanden, sich in eigener Zuständigkeit bei anderen Ämtern oder Behörden Informationen zur Vater-Kind-Beziehung zu beschaffen. Maßgebend für eine Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung der Personensorge sei nicht nur das formale Bestehen des Sorgerechts. Der Sorgeberechtigte müsse nach außen hin erkennbar in ausreichendem Maße Verantwortung für die Betreuung und Erziehung des Kindes übernehmen. Lebe das Kind nicht in häuslicher Gemeinschaft mit dem sorgeberechtigten Elternteil, müsse die Vater-Kind-Beziehung näher sein als eine Begegnungsgemeinschaft. Diese Voraussetzung sei hier nicht gegeben. Der Antragsteller habe eingeräumt, dass seit Juni 2015 kein regelmäßiger Umgang mit seiner Tochter stattgefunden habe. Der Bericht des Jugendamtes vom August 2014 stelle nur eine Momentaufnahme dar. Die vom Antragsteller vorgelegten Spiel- und Malzettel der Tochter stammten ausschließlich von dem einzigen Treffen am 25.12.2015. Zwischen dem Antragsteller und seiner Tochter bestehe nur mehr eine Begegnungsgemeinschaft. Der Antragsteller habe keinerlei Nachweise erbracht, dass er seit Mitte des Jahres 2015 von gelegentlichen und unregelmäßigen Besuchen abgesehen in irgendeiner Weise vertieften Anteil an der Erziehung der Tochter genommen habe. Nach Aussagen der Kindsmutter habe die Tochter aufgrund des fehlenden Umgangs mit ihrem Vater keinen tieferen Bezug mehr zu ihm. Somit könne hier nicht mehr von einer schützenswerten Beziehung des Antragstellers zu seinem Kind ausgegangen werden. Die Entscheidung der Antragsgegnerin, die Geltungsdauer der Aufenthaltserlaubnis rückwirkend zu verkürzen, sei als rechtmäßig anzusehen. Gleiches gelte für die Ablehnung des Antrages auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis. Die erloschene Aufenthaltserlaubnis des Antragstellers sei einzuziehen gewesen. Ein Erfolg der Klage in der Hauptsache werde nicht gesehen. Schon im Hinblick darauf überwiege das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Entscheidung gegenüber dem Privatinteresse des Antragstellers an einen Verbleib im Bundesgebiet.
Mit Schriftsatz vom 22.02.2016 führte die Antragsgegnerin ergänzend aus, die Kindsmutter habe in einer Niederschrift vom 26.02.2016 erklärt, dass ihre Ausführungen vom 01.12.2015 der Wahrheit entsprächen. Der Antragsteller bemühe sich erst seit ihm ausländerrechtliche Maßnahmen drohten wieder um den Umgang mit seiner Tochter. Zu einem tatsächlichen Umgang sei es wegen seiner sehr kurzfristigen Kontaktaufnahmen bislang nicht gekommen. Auch wolle die Tochter nicht mehr ohne Begleitung Umgang mit ihrem Vater haben. Teilweise stehe der Antragsteller sehr früh (06:30 Uhr) unangemeldet vor der Tür und wolle sofort seine Tochter sehen. Dies allerdings auch erst seit ausländerrechtliche Maßnahmen drohten.
Mit Schriftsatz vom 08.03.2016 verwies die Antragstellerseite auf den am 07.03.2016 beim Familiengericht H. erhobenen Antrag auf Regelung des Umgangsrechts.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
1. Nach § 166 VwGO i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO ist einer Partei, die – wie der Antragsteller – nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann, Prozesskostenhilfe zu gewähren, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Solche Erfolgsaussichten sind im vorliegenden Fall gegeben (siehe unten 2.).
2. Die Anträge nach § 80 Abs. 5 VwGO sind zulässig und begründet.
a) Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist – soweit er sich gegen die nachträgliche Verkürzung der Geltungsdauer der Aufenthaltserlaubnis auf den Zeitpunkt der Bekanntgabe des Bescheides vom 08.01.2016 (Nr. 1) und gegen die Verpflichtung zur Vorlage der Aufenthaltserlaubnis bei der Ausländerbehörde (Nr. 3) richtet – als Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage vom 09.02.2016 statthaft und zulässig.
Soweit er sich gegen die Abschiebungsandrohung (Nr. 6) richtet, ist er als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gemäß § 80 Abs. 5, Abs. 2 Satz 2 VwGO in Verbindung mit Art. 21a BayVwZVG statthaft und zulässig.
b) Die Anträge auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage sind begründet.
Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung einer infolge der Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO keine aufschiebende Wirkung entfaltenden Klage ganz oder teilweise wiederherstellen, wenn bei der vom Gericht vorzunehmenden Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit des angefochtenen Verwaltungsakts und dem Interesse des Betroffenen, vom Vollzug der behördlichen Verfügung vorerst verschont zu bleiben, das Interesse des Betroffenen überwiegt. Dabei ist auch auf die Erfolgsaussichten des in der Hauptsache eingelegten Rechtsbehelfs abzustellen, soweit diese sich bei der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung überschauen lassen.
aa) Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die nachträgliche Verkürzung der Geltungsdauer der Aufenthaltserlaubnis auf den Zeitpunkt der Bekanntgabe des Bescheides vom 08.01.2016 (Nr. 1) ist begründet.
(1) In den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO, in denen die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage entfällt, weil von der Behörde die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse angeordnet wurde, ist dieses besondere Vollziehungsinteresse gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO im Verwaltungsakt schriftlich zu begründen.
Diesem formellen Begründungserfordernis genügt der angefochtene Bescheid nicht, denn er lässt kein besonderes öffentliches Vollzugsinteresse erkennen, das im konkreten Einzelfall über das dem angefochtenen Verwaltungsakt inne wohnende allgemeine Interesse an seinem Vollzug hinausgeht. Das besondere öffentliche Interesse kann jedenfalls nicht allein darin gesehen werden, dass Ausländer, bei denen die Geltungsdauer der Aufenthaltserlaubnis nachträglich verkürzt worden ist, die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nicht mehr erfüllen und daher zur alsbaldigen Ausreise verpflichtet sind. Eine solche Begründung verkennt das in § 80 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 84 Abs. 1 AufenthG festgelegte Regel-Ausnahme-Verhältnis. Für den Fall der nachträglichen Verkürzung der Geltungsdauer der Aufenthaltserlaubnis hat der Gesetzgeber, wie der Katalog der ausländerbehördlichen Maßnahmen ohne aufschiebende Wirkung in § 84 Abs. 1 AufenthG verdeutlicht, bewusst von einer gesetzlichen Anordnung des Wegfalls der aufschiebenden Wirkung abgesehen und es beim Regelfall der aufschiebenden Wirkung einer Anfechtungsklage belassen. Die behördliche Anordnung der sofortigen Vollziehung kommt daher nur in Ausnahmefällen in Betracht, wenn die umgehende Aufenthaltsbeendigung des Ausländers aus besonderen Gründen erforderlich erscheint. Ein solches öffentliches Interesse könnte z.B. bei Wiederholungsgefahr von Straftaten oder Bezug von öffentlichen Leistungen vorliegen. Derartige Gründe sind im Falle des Antragstellers nicht erkennbar. Er ist erwerbstätig, bezieht keine öffentlichen Leistungen und ist bisher nicht in verfahrensrelevanter Weise strafrechtlich in Erscheinung getreten.
(2) Hinzu kommt, dass sich im summarischen Verfahren nicht eindeutig beurteilen lässt, ob die Voraussetzungen für eine Verkürzung der Geltungsdauer der Aufenthaltserlaubnis materiell-rechtlich vorliegen. Die Erfolgsaussichten der Klage sind derzeit vielmehr offen, so dass auch insoweit ein überwiegendes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung nicht besteht.
Gemäß § 7 Abs. 2 Satz 1 AufenthG ist die Aufenthaltserlaubnis unter Berücksichtigung des beabsichtigten Aufenthaltszwecks zu befristen. Gemäß § 7 Abs. 2 Satz 2 AufenthG kann die Frist nachträglich verkürzt werden, wenn eine für die Erteilung, die Verlängerung oder die Bestimmung der Geltungsdauer wesentliche Voraussetzung entfallen ist. Wird die Geltungsdauer der Aufenthaltserlaubnis nachträglich auf den Zeitpunkt der Zustellung des Befristungsbescheides nach § 7 Abs. 2 Satz 2 AufenthG verkürzt, ist dieser Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblich, wenn er vor der letzten mündlichen Verhandlung des Tatsachengerichts bzw. der Entscheidung ohne mündliche Verhandlung liegt (BVerwG, Beschluss v. 22.05.2013 – 1 B 25/12 Rn. 6).
Die Beteiligten streiten um die Frage, ob der Antragsteller, dem die Personensorge für seine 2009 geborene Tochter mit Ausnahme des Aufenthaltsbestimmungsrechts noch zusteht, diese Personensorge noch tatsächlich „ausübt“, d. h. ob die Voraussetzungen für eine Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG noch vorliegen. Die Antragsgegnerin stützt sich dabei auf Angaben der Kindsmutter, die am 01.12.2015 und erneut am 26.02.2016 erklärt hat, dass sich der Antragsteller nicht mehr bzw. erst wieder seit dem aufenthaltsrechtlichen Verfahren um einen Umgang mit der Tochter bemüht und das Kind keinen Bezug mehr zum Vater habe. Demgegenüber schildert der Antragsteller ausführlich wie sich sein Verhältnis zu seiner Tochter ab deren Geburt entwickelt hat. Demnach hat er die ersten beiden Jahre mit der Tochter und der Kindsmutter in einer Wohnung gelebt, ab Mitte 2011 eine eigene Wohnung bewohnt, bis Ende 2012 aber fast jedes oder jedes zweite Wochenende in der Wohnung der Kindsmutter mit der Tochter verbracht. Ende 2012 bis zur erneuten Trennung im April 2014 sei er sogar dort wieder eingezogen. Danach hat der Antragsteller im September 2014 vor dem Familiengericht H. ein Umgangsrecht erstritten. Eine weitere Versöhnung mit der Kindsmutter habe von Ende 2014 bis Februar 2015 gedauert, wobei der Umgang mit dem Kind bis Juni 2015 ohne Probleme funktioniert habe. Erst ab Juli 2015 habe die Kindsmutter den Umgang blockiert.
Diesen Angaben des Antragstellers hat die Antragsgegnerin nicht Substantiiertes entgegengesetzt. Es ist jedenfalls schwer vorstellbar, dass das Kind, vorausgesetzt es hat in den Monaten zwischen Juli und Dezember 2015 tatsächlich kein Umgang stattgefunden, „überhaupt keinen Bezug mehr zum Vater“ haben soll, wie die Mutter angibt. Möglicherweise kann durch das familiengerichtliche Verfahren auf Umgangsregelung, das der Antragsteller aktuell in Gang gebracht hat, darüber Aufschluss erlangt werden. Ansonsten wird es erforderlich sein, im Hauptsacheverfahren – ggf. durch Zeugeneinvernahme – näher aufzuklären, ob, inwieweit und mit welchen Motiven der Antragsteller sein Personensorgerecht ausübt.
bb) Die aufschiebende Wirkung der Klage war auch hinsichtlich der in Nr. 3 des Bescheids verfügten und für sofort vollziehbar erklärten Pflicht zur Aushändigung der Aufenthaltserlaubnis an die Behörde wiederherzustellen.
Da die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die nachträgliche Verkürzung der Geltungsdauer der Aufenthaltserlaubnis wiederherstellt wurde (aa), ist auch die Voraussetzung für eine Verpflichtung nach § 48 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG auf Aushändigung des Aufenthaltstitel an die Ausländerbehörde, soweit dies zur Durchführung oder Sicherung von aufenthaltsrechtlichen Maßnahmen erforderlich ist, der Boden entzogen, denn vor einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren sind aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht zulässig. Für eine Erforderlichkeit sonstiger Maßnahmen nach dem Aufenthaltsgesetz ist nichts ersichtlich. Da der Antragsteller der Verpflichtung bereits nachgekommen ist und die Aufenthaltserlaubnis abgegeben hat, ordnet das Gericht gemäß § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO die Aufhebung der Vollziehung, d. h. die erneute Aushändigung der Aufenthaltserlaubnis an den Antragsteller an.
c) Wegen der Entscheidungen des Gerichts zu aa) und bb), ist nunmehr auch die Androhung der Abschiebung des Antragstellers fehlerhaft, da es an einer vollziehbaren Ausreisepflicht des Antragstellers als Voraussetzung für eine Abschiebungsandrohung fehlt.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, wonach der unterliegende Teil die Kosten des Verfahrens trägt.
4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1 und § 52 Abs. 1 GKG