Aktenzeichen 7 K 1769/15
Leitsatz
Gründe
Finanzgericht München
Az.: 7 K 1769/15
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
Stichwort:
In der Streitsache
…
Kläger
gegen
Familienkasse …
Beklagte
wegen Kindergeld hat der 7. Senat des Finanzgerichts München durch … als Einzelrichterin ohne mündliche Verhandlung
am 24. März 2016 für Recht erkannt:
1. Unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 26. Mai 2015 und des Ablehnungsbescheids vom 24. November 2014 wird die Beklagte verpflichtet, dem Kläger für seine Kinder A und B Kindergeld in voller gesetzlicher Höhe für die Monate Dezember 2012 und Juli bis Dezember 2013 zu gewähren. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger zu 70 v. H. und die Beklagte zu 30 v. H.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für den Kläger vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten des Klägers die Vollstreckung abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
1. Rechtsmittelbelehrung
Die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil kann durch Beschwerde angefochten werden.
Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Bundesfinanzhof einzulegen. Sie muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Der Beschwerdeschrift soll eine Abschrift oder Ausfertigung des angefochtenen Urteils beigefügt werden. Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Auch die Begründung ist bei dem Bundesfinanzhof einzureichen.
Rechtsmittel können auch über den elektronischen Gerichtsbriefkasten des Bundesfinanzhofs eingelegt und begründet werden, der über die vom Bundesfinanzhof zur Verfügung gestellte Zugangs- und Übertragungssoftware erreichbar ist. Die Software kann über die Internetseite „www.b…de“ lizenzkostenfrei heruntergeladen werden. Hier befinden sich auch weitere Informationen über die Einzelheiten des Verfahrens, das nach der Verordnung der Bundesregierung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesverwaltungsgericht und beim Bundesfinanzhof vom 26. November 2004 (BGBl. I S. 3091) einzuhalten ist.
Vor dem Bundesfinanzhof müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesfinanzhof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind nur Rechtsanwälte, niedergelassene europäische Rechtsanwälte, Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer oder vereidigte Buchprüfer zugelassen; zur Vertretung berechtigt sind auch Steuerberatungsgesellschaften, Rechtsanwaltsgesellschaften, Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und Buchprüfungsgesellschaften sowie Partnerschaftsgesellschaften, deren Partner ausschließlich Rechtsanwälte, niedergelassene europäische Rechtsanwälte, Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer oder vereidigte Buchprüfer sind. Ein Beteiligter, der nach Maßgabe des vorhergehenden Satzes zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten.
Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.
Der Bundesfinanzhof hat die Postanschrift: Postfach 86 02 40, 81629 München, und die Hausanschrift: Ismaninger Str. 109, 81675 München, sowie den Telefax-Anschluss: 089/92 31-201.
Lässt der Bundesfinanzhof aufgrund der Beschwerde die Revision zu, so wird das Verfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. Der Einlegung einer Revision durch den Beschwerdeführer bedarf es nicht. Innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses des Bundesfinanzhofs über die Zulassung der Revision ist jedoch bei dem Bundesfinanzhof eine Begründung der Revision einzureichen. Die Beteiligten müssen sich auch im Revisionsverfahren nach Maßgabe des vierten Absatzes dieser Belehrung vertreten lassen.
Tatbestand
Streitig ist das Bestehen eines Anspruchs auf Kindergeld für die Zeiträume August 2012 bis Dezember 2013, September 2014 bis Januar 2015 und Mai bis Juni 2015.
Der verheiratete Kläger ist Vater der Kinder A (geboren am 9. April 1991) und B (geb. 4. Mai 1996). Er ist polnischer Staatsangehöriger. Der gemeinsame Familienwohnsitz des Klägers, seiner Ehefrau E und der Kinder befindet sich in Polen (vgl. Bestätigung der polnischen Behörde vom 05.12.2014).
Der Kläger beantragte am 6. September 2013 bei der Beklagten (Familienkasse) Kindergeld. Er legte eine Gewerbeanmeldung bei der Stadt M vom 16. August 2012 (Anschrift der Betriebsstätte und Wohnanschrift: C-Str., M) und eine Meldebescheinigung der Gemeinde H vom 30. Juli 2013 (Einzugsdatum: 1. Juli 2013, Anschrift: D-Str., H) vor. Den Gegenstand seines Gewerbes bezeichnet er mit Trockenbau, Fliesenleger und Estrichleger. Da der Kläger trotz Aufforderung keine weiteren Unterlagen vorlegte, lehnte die Familienkasse mit Bescheid vom 24. November 2014 die Festsetzung von Kindergeld ab. Dagegen legte der Kläger fristgemäß Einspruch ein, der mit Einspruchsentscheidung vom 26. Mai 2015 als unbegründet zurückgewiesen wurde. Die anschließend erhobene Klage ging am 10. Juli 2015 bei Gericht ein.
Aus den nunmehr vorliegenden Unterlagen ergibt sich, dass der Kläger für die Jahre 2012 und 2013 vom Finanzamt O als unbeschränkt steuerpflichtig nach § 1 Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG) veranlagt wurde (Einkommensteuerbescheid für 2012 vom 28. Februar 2014, Einkommensteuerbescheid für 2013 vom 10. März 2015). Ein entsprechender Passus ist ausdrücklich in den Steuerbescheiden aufgenommen. Der Kläger ermittelte seinen Gewinn durch Einnahmen-Überschussrechnung gemäß § 4 Abs. 3 EStG. Für die Jahre 2014 und 2015 ist noch keine Einkommensteuerveranlagung erfolgt. Für die Mietverhältnisse legte der Kläger Bestätigungen von Herrn F vom 9. April 2015 und von Herrn G vom 14. April 2015 vor. Darin erklärt F, dass er für die Vermietung des Zimmers in der C-Str. in M im Zeitraum August 2012 bis Juni 2013 monatlich 200 € in bar erhalten habe. Ebenso bestätigt G Barzahlungen von monatlich 700 € für die Wohnung in der D-Str. in H seit Juni 2013. Weiter liegen vom Kläger erstellte Rechnungen für die Zeiträume Dezember 2012 und Mai 2013 bis Juli 2015 vor. Kontoauszüge über Zahlungseingänge fehlen.
Hinsichtlich der persönlichen Verhältnisse reichte der Kläger die Bescheinigung E 402 über den Schul-/Hochschulbesuch von K für den Zeitraum Oktober 2012 bis voraussichtlich September 2015, ausgestellt am 21. August 2014 ein. Für B übersandte er eine Schulbescheinigung vom 19. August 2014, in der der Schulbesuch für den Zeitraum September 2013 bis voraussichtlich April 2015 bestätigt wird. Aus einer weiteren Bescheinigung vom 2. Oktober 2015 ergibt sich, dass B ab Oktober 2015 ein Hochschulstudium aufgenommen hat. Schließlich legte der Kläger eine Bestätigung der zuständigen polnischen Behörde vor, wonach er und seine Frau seit April 1991 kein polnisches Kindergeld erhalten haben.
Während des gerichtlichen Verfahrens erteilte die Familienkasse einen Teilabhilfebescheid. Sie setzte volles Kindergeld für K für den Zeitraum Februar bis Mai 2015 und für B für Februar bis April 2015 fest. Zur Begründung gab sie an, es sei nachgewiesen, dass sich der Kläger in diesen Monaten im Inland gewöhnlich aufgehalten habe. Allerdings läge für B für den Streitmonat Mai 2015 kein Nachweis über einen Tatbestand des § 32 Abs. 4 EStG vor.
Zur Begründung der Klage trägt der Kläger im Wesentlichen vor: Er lebe seit 2012 durchgängig in Deutschland und übe seit August 2012 eine selbstständige Erwerbstätigkeit aus. Seine nicht erwerbstätige Ehefrau lebe mit den Kindern in Polen. Weder er noch E hätten in Polen einen Anspruch auf Kindergeld. Der Inlandsaufenthalt sei durch die Bescheinigungen der Vermieter nachgewiesen.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 24. November 2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 26. Mai 2015 die Familienkasse zu verpflichten, ihm Kindergeld für seine beiden Kinder A und B für die Zeiträume August 2012 bis Dezember 2013, September 2014 bis Januar 2015 und für Juni 2015 sowie nur für B für Mai 2015 zu gewähren.
Die Familienkasse beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung beruft sie sich im Wesentlichen auf ihre Einspruchsentscheidung. Ergänzend trägt sie vor, für die weiterhin geltend gemachten Zeiträume lägen die notwendigen Nachweise nicht vor.
Mit Aufklärungsanordnung vom 22. Januar 2016 verbunden mit einer Fristsetzung nach § 79 b Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) bis spätestens 1. März 2016 wurde der Kläger aufgefordert, die bereits von der Familienkasse angeforderten Unterlagen nunmehr vorzulegen. Auf den Inhalt der Schreiben wird Bezug genommen. Die Anforderung blieb ohne Ergebnis.
Zur Ergänzung des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die vorgelegten Akten, die Einspruchsentscheidung vom 26. Mai 2015 und die eingereichten Schriftsätze Bezug genommen. Die Beteiligten haben, auch für den Fall der Übertragung des Rechtsstreits auf den Einzelrichter, auf mündliche Verhandlung verzichtet. Mit Beschluss vom 26. Januar 2016 wurde der Rechtsstreit gemäß § 6 Abs. 1 FGO dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.
Entscheidungsgründe
1. Die Klage ist lediglich hinsichtlich des Monats Juni 2015 unzulässig.
a) Nach ständiger Rechtsprechung kann das Finanzgericht den Anspruch auf Kindergeld grundsätzlich nur in dem zeitlichen Umfang in zulässiger Weise zum Gegenstand einer Inhaltskontrolle machen, in dem die Familienkasse den Kindergeldanspruch geregelt hat. Im Falle eines zulässigen, in der Sache aber unbegründeten Einspruchs gegen einen Ablehnungsbescheid ist der Familienkasse längstens eine Regelung bis zum Ende des Monats der Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung möglich. Begehrt ein Kläger mit seiner Klage über diesen Zeitraum hinaus Kindergeld, ist sie insoweit unzulässig (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 24. Juli 2013 XI R 24/12, BFH/NV 2013, 1920; BFH-Beschluss vom 18. November 2014 V S 30/14, BFH/NV 2015, 346 m. w. N.)
b) Im Streitfall datiert die Einspruchsentscheidung vom 26. Mai 2015. Das Finanzgericht kann deshalb über den Kindergeldanspruch bis längstens Mai 2015 entscheiden. Da der Kläger aber ausdrücklich den Kindergeldanspruch von August 2012 bis Juni 2015 beantragt, ist die Verpflichtungsklage für die Monate Juni 2015 als unzulässig abzuweisen.
2. Im Übrigen ist die am 10. Juli 2015 erhobene Klage zulässig. Die Klagefrist des § 47 Abs. 1 FGO wurde eingehalten.
Zwar datiert die Einspruchsentscheidung bereits vom 26. Mai 2015 und wurde am Tag darauf zur Post gegeben. Entgegen § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO gilt sie jedoch nicht als am dritten Tage nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben, weil die Zugangsvermutung wegen eines Poststreiks in den Monaten Mai und Juni 2015 erschüttert ist. Dem Vortrag des Klägers, ihm sei die Einspruchsentscheidung erst am 12. Juni 2015 zugegangen, ist zu folgen. Die Familienkasse hat auch davon abgesehen, den Beweis über den Zugang der Einspruchsentscheidung vor dem 12. Mai 2015 anzutreten.
3. Die Klage ist teilweise begründet. Für die Monate Dezember 2012 sowie Juli bis Dezember 2013 ist der angegriffene Ablehnungsbescheid rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.
Gemäß § 62 Abs. 1 EStG hat Anspruch auf Kindergeld, wer als freizügigkeitsberechtigter Ausländer im Inland einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (Nr. 1) oder ohne Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt nach § 1 Abs. 3 EStG als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt wird (Nr. 2 b). Als Kinder werden gemäß § 63 Abs. 1 i. V. m. § 32 Abs. 1 EStG die leiblichen Kinder des Anspruchstellers berücksichtigt, sofern diese ihren Wohnsitz im Inland oder in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union haben. Polen ist seit 1. Mai 2004 Mitglied der Europäischen Union.
a) Zeitraum August 2012 bis Dezember 2013
aa) Für die Monate Juli bis Dezember 2013 besteht ein Anspruch auf Kindergeld nach § 62 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 EStG für beide Kinder.
a) Zwar kann das Bestehen eines inländischen Wohnsitzes in den Monaten August 2012 bis Dezember 2013 nicht festgestellt werden. Es besteht deshalb kein Kindergeldanspruch nach § 62 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 EStG für den gesamten Zeitraum.
Gemäß § 8 AO hat jemand einen Wohnsitz dort, wo er eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird. Das Innehaben einer Wohnung bedeutet, dass der Anspruchsteller tatsächlich über sie verfügen kann und sie als Bleibe entweder ständig benutzt oder sie doch mit einer gewissen Regelmäßigkeit – wenn auch in größeren Zeitabständen – aufsucht (vgl. BFH-Urt. vom 23. November 2000 VI R 107/99, BStBl II 2001, 294; vom 8. Mai 2014 III R 21/12, BStBl II 2015, 135). Das Innehaben der Wohnung muss unter Umständen erfolgen, die darauf schließen lassen, dass die Person die Wohnung beibehalten wird (vgl. BFH in BStBl II 2015, 135). Ein Wohnsitz wird durch tatsächliches Handeln begründet, der bloße Wille des Steuerpflichtigen ist dagegen nicht entscheidend (vgl. BFH-Urt. vom 7. April 2011 III R 77/09, BFH/NV 2011, 1351; vom 12. September 2013 III R 16/11, BFH/NV 2014, 320). Von ausschlaggebender Bedeutung ist die tatsächliche Gestaltung der Verhältnisse, d. h. der objektive Zustand (vgl. BFH in BFH/NV 2011, 1351). Unerheblich ist die Anmeldung eines Wohnsitzes beim inländischen Einwohnermeldeamt (BFH-Urteile vom 17. Mai 1995 I R 8/94, BStBl II 1996, 2; vom 20. November 2008 III R 53/05, BFH/NV 2009, 564; vom 27. Februar 2014 V R 15/13, BFH/NV 2014, 1030). Das Vorliegen der Voraussetzungen des § 8 AO ist nach den objektiv erkennbaren Umständen zu beurteilen (BFH-Urt. vom 22. August 2007 III R 89/06, BFH/NV 2008, 351, m. w. N.).
Es kann nicht zur Überzeugung des Gerichts festgestellt werden, dass der Kläger im streitigen Zeitraum über einen inländischen Wohnsitz verfügt hat. Zwar trägt er im vorliegenden Verfahren vor, dass er durchgehend einen inländischen Wohnsitz hatte, nämlich vom August 2012 bis Juni 2013 in der C-Str. in M und vom seit Juli 2013 in der D-Str. in H. Diese Behauptung begegnet jedoch erheblichen Zweifeln. Primär ist darauf hinzuweisen, dass im Besteuerungsverfahren gegenüber dem Finanzamt O genau das Gegenteil angegeben wurde. Weiter vermögen die Bestätigungen der Vermieter über den Erhalt von Barzahlungen nicht den vollen Beweis zu erbringen. Es liegen weder Mietverträge vor noch Nebenkostenabrechnungen oder Überweisungsbelege für die Mietzahlungen. Bei dem Vermieter F handelt es sich um einen Geschäftspartner des Klägers. Es kann bei beiden angeblichen Mietverhältnissen nicht ausgeschlossen werden, dass es sich um Gefälligkeitsbestätigungen handelt. Für die Monate August 2012 bis Oktober 2012, Januar bis März 2013 und Mai bis Juni 2013 liegen auch keine Rechnungen über im Inland ausgeführte Arbeitsleistungen vor. Schließlich verschwieg der Kläger gegenüber der Familienkasse seinen polnischen Familienwohnsitz und gab stets an, nur E und die Kinder würden dort wohnen. Dies ist durch die Bestätigung seiner Heimatgemeinde vom 5. Dezember 2014 widerlegt. Bei einer Gesamtwürdigung dieser Umstände verbleiben Zweifel am inländischen Wohnsitz, die zulasten des Klägers gehen, da dieser die Feststellungslast für ihn begünstigende Tatsachen trägt.
ß) Der Kläger hatte jedoch in den Monaten Juli bis Dezember 2013 seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland und ist deshalb kindergeldberechtigt nach § 62 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 EStG. Den gewöhnlichen Aufenthalt hat gemäß § 9 Satz 1 AO jemand dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Als gewöhnlicher Aufenthalt ist stets und von Beginn an ein zeitlich zusammenhängender Aufenthalt von mehr als sechs Monaten Dauer anzusehen, § 9 Satz 2 AO.
Vorliegend ist ein zusammenhängender Aufenthalt für die Monate Juli 2013 bis einschließlich Januar 2014 durch Rechnungen über im Inland vom Kläger persönlich ausgeführten Bauleistungen nachgewiesen. Ein gewöhnlicher Aufenthalt im Sinne des § 9 AO ist somit ab Juli 2013 bis Dezember 2013 zu bejahen. Dagegen wurde der Nachweis des gewöhnlichen Aufenthalts im Inland für den Zeitraum August 2012 bis Juni 2013 nicht erbracht. Es liegen lediglich Rechnungen für die Leistungszeiträume November und Dezember 2012 (Rechnungen Nr. 01/2012 vom 12. Dezember 2012, Nr. 02/2012 vom 14. Dezember 2012, Nr. 03/2012 vom 19. Dezember 2012, Nr. 04/2012 vom 05. Dezember 2012) sowie April 2013 (Rechnung Nr. 0113 vom 13. Mai 2013) vor. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger sich über die abgerechneten Leistungszeiträume (November, Dezember 2012, April 2013) hinaus im Inland aufgehalten hätte. Die nachgewiesenen Anwesenheitszeiten reichen für die Annahme eines gewöhnlichen Aufenthalts im Inland nicht aus. Ein Anspruch auf Kindergeld nach § 62 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 EStG besteht vor der Begründung des gewöhnlichen Aufenthalts – hier ab Juli 2013 – nicht (vgl. BFH-Urt. vom 24. Oktober 2012 V R 43/11, BStBl II 2013, 491; vom 24. Juli 2013 XI R 8/12, BFH/NV 2014, 495; vom 14. Mai 2014 XI R 56/10, BFH/NV 2015, 169).
Die weiteren Voraussetzungen für Kindergeld nach §§ 63 Abs. 1 i. V. m. § 32 EStG, § 65 EStG sind unstreitig gegeben (vgl. Schreiben und Abhilfebescheid der Familienkasse vom 16. November 2015 für den Zeitraum Februar bis April bzw. Mai 2015). Nähere Ausführungen erübrigen sich deshalb.
Y) Der Kläger wurde in den Jahren 2012 und 2013 antragsgemäß nach § 1 Abs. 3 EStG veranlagt. § 1 Abs. 3 EStG in der Fassung des Jahressteuergesetzes 1996 regelt mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 1996 die erweiterte unbeschränkte Steuerpflicht von im Ausland wohnenden, im Inland arbeitenden Personen. Gemäß § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b) EStG ist kindergeldberechtigt, wer nach § 1 Abs. 3 EStG als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt wird. Entgegen der Auffassung der Familienkasse steht die Veranlagung des Klägers nach § 1 Abs. 3 EStG der Berücksichtigung für Kindergeld nach § 62 Abs. 1 Nr. 1 EStG nicht entgegen (vgl. Urt. des Sächsischen FG vom 9. Dezember 2015 8 K 656/15 Kg, juris). Ob der Anspruchsteller im Sinne des § 62 Abs. 1 Nr. 1 EStG im Inland einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, müssen die Familienkasse und das FG ohne Bindung an die im Einkommensteuerfestsetzungsverfahren vom zuständigen Finanzamt getroffenen Feststellungen selbstständig entscheiden (vgl. BFH-Urt. vom 20. November 2008 III R 53/05, BFH/NV 2009, 564; vom 18. Juli 2013 III R 9/09, BStBl II 2014, 802). Die vorliegend erfolgte unzutreffende Veranlagung nach § 1 Abs. 3 EStG entfaltet keine Sperrwirkung für die Kindergeldfestsetzung, da tatsächlich zeitweise ein gewöhnlicher Aufenthalt vorlag.
bb) Hinsichtlich des verbleibenden Zeitraums August 2012 bis Juni 2013 besteht lediglich für den Monat Dezember 2012 ein Anspruch auf Kindergeld gemäß § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG für beide Kinder.
Bei einer Kindergeldberechtigung nach § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG besteht ein Anspruch nur in den Monaten des betreffenden Kalenderjahres, in denen der Anspruchsberechtigte inländische Einkünfte i. S. des § 49 EStG erzielt hat (ständ. Rspr., vgl. BFH-Urteile vom 24. Oktober 2012 V R 43/11, BStBl II 2013, 491; vom 18. April 2013 VI R 70/11, BFH/NV 2013, 1554; vom 18. Juli 2013 III R 59/11, BStBl II 2014, 843 und vom 12. März 2015 III R 14/14, BFH/NV 2015, 1187). Hierbei handelt es sich um diejenigen Monate, in denen die Einkünfte des Klägers nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. § 11 EStG zeitlich zu erfassen sind (BFH-Urteile vom 5. September 2013 XI R 22/12, BFH/NV 2014, 313, m. w. N., und in BStBl II 2014, 843).
Der Kläger wurde für die Jahre 2012 und 2013 nach § 1 Abs. 3 EStG veranlagt. Im streitigen Zeitraum hat er im Dezember 2012 (Rechnungen Nr. 01/2012 vom 12. Dezember 2012, Nr. 02/2012 vom 14. Dezember 2012, Nr. 03/2012 vom 19. Dezember 2012, Nr. 04/2012 vom 05. Dezember 2012) und im Mai 2013 (Rechnung Nr. 0113 vom 13. Mai 2013) Rechnungen erteilt. Den Gewinn aus Gewerbebetrieb hat er in beiden Jahren gemäß § 4 Abs. 3 EStG ermittelt. Bei dieser Gewinnermittlungsart beeinflussen Forderungen den Gewinn grundsätzlich nicht, der Gewinn wird erst bei Zahlungseingang berührt (vgl. Heinicke in Schmidt, EStG, § 4 Rz. 400). Dieser ist nicht bekannt, da der Kläger keine Kontoauszüge vorgelegt hat. Allerdings hat er im Veranlagungszeitraum 2012 Leistungen im Gegenwert von insgesamt 8.116 € abgerechnet. Der Gewinn aus Gewerbebetrieb beträgt laut dem Einkommensteuerbescheid für 2012 8.100 €. Daraus kann gefolgert werden, dass die in Rechnung gestellten Beträge dem Kläger noch im Dezember 2012 zugeflossen sein müssen, da sie als Jahresgewinn erklärt wurden. Demgemäß besteht für diesen Monat ein Anspruch auf Kindergeld.
Für das erste Halbjahr 2013 kann die Klage aufgrund der fehlenden Mitwirkung des Klägers keinen Erfolg haben. Das Gericht ist nicht in der Lage, festzustellen, in welchen Monat ihm das Entgelt für die im April 2013 erbrachte Leistung zugeflossen ist. Trotz Aufforderung mit Fristsetzung nach § 79b Abs. 2 FGO hat der Kläger keine Nachweise für einen tatsächlichen Zahlungszufluss (z. B. Kontoauszüge) beigebracht. Die fehlende Möglichkeit, die notwendigen Feststellungen zu treffen, geht zulasten des Klägers, der gemäß § 76 Abs. 1 FGO zur Mitwirkung verpflichtet ist (vgl. BFH-Beschluss vom 8. Februar 2008 VII B 123/07, BFH/NV 2008, 993).
b) Zeitraum September 2014 bis Januar 2015
Für diesen Zeitraum liegen lediglich die Rechnungen Nr. 1014 vom 4. Dezember 2014 (Leistungszeitraum: November 2014) und Nr. 1114 vom 15. Dezember 2014 (Leistungszeitraum 1.- 13. Dezember 2014) vor. Eine Veranlagung zur Einkommensteuer ist nicht erfolgt. Nach Ende des streitigen Zeitraums kehrte der Kläger ab 2. Februar 2015 wieder nach Deutschland zurück.
Ein Kindergeldanspruch nach § 62 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 EStG besteht nicht, da kein inländischer Wohnsitz nachgewiesen wurde. Die Ausführungen unter 3. a) aa) a) gelten entsprechend.
Eine Kindergeldberechtigung gemäß § 62 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 EStG ist ebenfalls nicht gegeben. Während des streitigen Zeitraums erbrachte der Kläger lediglich im November und Dezember Bauleistungen im Inland. Konkrete Hinweise für einen Inlandsaufenthalt während der übrigen streitigen Monate fehlen. Zwar hatte der Kläger ausweislich der von ihm gestellten Rechnungen in den Monaten Januar bis August 2014 Arbeitsleistungen im Rahmen seines inländischen Gewerbebetriebs erbracht und damit einen gewöhnlichen Aufenthalt begründet. Dieser war jedoch durch die nachfolgende, mindestens zwei Monate dauernde Abwesenheit wieder beendet worden. Es handelte sich hierbei nicht mehr um eine kurzfristige Unterbrechung im Sinne des § 9 Satz 2, 2. Halbsatz AO. Durch die Rückkehr im November und Dezember 2014 wurde kein neuer gewöhnlicher Aufenthalt begründet, da die Verweildauer von maximal sechs Wochen hierfür zu kurz war. Ein neuer gewöhnlicher Aufenthalt bestand erst wieder ab Februar 2015, insoweit hat die Familienkasse auch einen Abhilfebescheid erteilt.
c) Mai 2015
aa) Mit Abhilfebescheid vom 16. November 2015 hat die Familienkasse die Kindergeldberechtigung des Klägers nach § 62 Abs. 1 Nr. 1 EStG anerkannt, weil es den gewöhnlichen Aufenthalt im Inland in den Monaten Februar bis Mai 2015 als nachgewiesen angesehen hat (vgl. Schreiben der Familienkasse an das FG vom 16. November 2015). Dennoch hat sie lediglich für A und nicht auf für B Kindergeld festgesetzt. Zur Begründung führte sie aus, für B fehle es an einem Ausbildungsnachweis für den Monat Mai 2015.
bb) Gemäß §§ 62 Abs. 1 Nr. 1, 63 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. § 32 Abs. 4 EStG besteht eine Anspruch auf Kindergeld für ein volljähriges Kind nur dann, wenn dieses für einen Beruf ausgebildet wird (Abs. 4 Buchst. a), sich in einer Übergangszeit von höchstens vier Monaten befindet, die zwischen zwei Ausbildungsabschnitten liegt (Abs. 4 Buchst. b) oder wenn es eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatz nicht beginnen oder fortsetzen kann (Abs. 4 Buchst. c).
Das Kind B hat am 4. Mai 2014 das 18. Lebensjahr vollendet. Die Schulbescheinigung vom 19. August 2014 endet mit dem Monat April 2015 und deckt den Monat Mai 2015 nicht mehr ab. Eine Ausbildungsbescheinigung fehlt somit. Da die Hochschulausbildung erst ab Oktober 2015 begann, betrug die Übergangszeit zwischen den beiden Ausbildungsabschnitten auch mehr als vier Monate. Ein Nachweis, dass B sich im Mai bereits an der Hochschule beworben hat, wurde nicht beigebracht. Ein Berücksichtigungstatbestand liegt somit nicht vor. Die weiteren Tatbestände des § 32 Abs. 4 EStG sind vorliegend offensichtlich nicht einschlägig, ein Kindergeldanspruch für B besteht somit nicht.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO, die Entscheidung durch den Einzelrichter ohne mündliche Verhandlung auf §§ 6, 90 Abs. 2 FGO.