Arbeitsrecht

Anspruch des Arbeitnehmers auf Freistellung von der Arbeit für die in die Kernarbeitszeit fallende Tätigkeit als Kreisrat

Aktenzeichen  1 Ca 323/15

Datum:
24.3.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
ArbG
Gerichtsort:
Passau
Rechtsweg:
Arbeitsgerichtsbarkeit
Normen:
ZPO ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2, § 256 Abs. 1
TVöD-AT TVöD-AT § 29 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1, Abs. 3 S. 2
BGB BGB § 275 Abs. 1, § 326 Abs. 1 S. 1, § 616
BV BV Art. 121 S. 2
LKrO Art. 14a, Art. 17

 

Leitsatz

§ 29 Abs. 2 S. 1 TVöD verpflichtet Beschäftigte des öffentlichen Dienstes, für die Ausübung eines öffentlichen Ehrenamtes Gleitzeit in Anspruch zu nehmen, soweit ihnen dies aufgrund einer Gleitzeitvereinbarung möglich ist (Anschluss an BAG BeckRS 2009, 60409; BAG BeckRS 9998, 148666 zu § 52 Nr. 5 BAT); für die Ausübung eines kommunalen Wahlmandats (hier als Kreisrat) gilt dies gleichermaßen. (red. LS Alke Kayser)
Bei der Ausübung eines kommunalen Wahlmandats handelt es sich nicht um die Erfüllung einer allgemeinen staatsbügerlichen Pflicht; eine Arbeitsbefreiung (in der Kernarbeitszeit) gemäß § 29 Abs. 2 S. 1 TVöD kommt daher für die Ausübung des kommunalen Wahlmandats nicht in Betracht (Anschluss an LAG Bremen BeckRS 2010, 72375 unter 1; vgl. auch BAG BeckRS 9998, 22862). (red. LS Alke Kayser)
Bei Ausübung eines kommunalen Wahlmandats ist aber das Ermessen gemäß § 29 Abs. 3 S. 2 TVöD dahin auszuüben, dass dem Beschäftigten in begründeten Fällen kurzfristige Arbeitsbefreiung (in der Kernarbeitszeit) bei Verzicht auf das Entgelt zu gewähren ist, wenn nicht im Einzelfall ausnahmsweise zwingende dienstliche oder betriebliche Gründe entgegenstehen. (red. LS Alke Kayser)
Der Beschäftigte, dem zur Ausübung des kommunalen Wahlmandats eine Freistellung gewährt worden ist, ist nicht verpflichtet, die in die Kernarbeitszeit fallende Zeit der Freistellung nachzuarbeiten; dies folgt aus dem Fixschuldcharakter der Arbeitsleistung (vgl. auch BVerwG BeckRS 2011, 54248 Rn. 10). (red. LS Alke Kayser)

Tenor

1. Es wird festgestellt, dass der Kläger die Zeit, für die er von der Beklagten zur Ausübung des Ehrenamts als Kreisrat des Landkreises F.-G. bezahlt oder unbezahlt freizustellen ist und die in seine Kernarbeitszeit fällt, nicht nachzuarbeiten hat.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
4. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000,00 € festgesetzt.

Gründe

Die Klage hat mit den zuletzt (in der mündlichen Verhandlung am 18.02.2016) gestellten Anträgen nur zum Teil Erfolg.
I.
Die Leistungsanträge des Klägers (Hauptantrag I. Satz 1 und Hilfsantrag II. Satz 1) werden als unzulässig abgewiesen.
1. Der Leistungsantrag auf Verurteilung der Beklagten, den Kläger unter Fortzahlung der Vergütung für die Zeit freizustellen, die er für die Ausübung des Ehrenamts als Kreisrat benötigt und die zugleich in die Regelarbeitszeit fällt, es sei denn, der Kläger ist konkret für diesen Zeitraum unabkömmlich (Hauptantrag I. Satz 1), ist nicht hinreichend bestimmt im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.
Die mangelnde Bestimmtheit ergibt sich aus dem Zusatz „es sei denn, der Kläger ist konkret für diesen Zeitraum unabkömmlich“. Im Falle eines stattgebenden Urteils würde keine Rechtsklarheit geschaffen, sondern ein neuer Streit der Parteien über die Frage der Unabkömmlichkeit wäre geradezu vorprogrammiert, zumal die Beklagte meint, zu den Notfällen, in denen sie die Arbeitsbefreiung des Klägers verweigern könne, zählten unter Umständen auch Urlaub und Erkrankung anderer Arbeitnehmer im Bauamt, wenn dies für die Beklagte nicht vorhersehbar gewesen sei.
Im Übrigen ist auch das Rechtsschutzbedürfnis für diesen Antrag zweifelhaft, denn soweit es dem Kläger um die Bezahlung von Freistellungszeiten geht, kann er gegebenenfalls eine bezifferte Zahlungsklage oder eine Klage auf entsprechende Gutschrift auf dem Arbeitszeitkonto erheben.
2. Der hilfsweise gestellte Leistungsantrag auf Verurteilung der Beklagten, den Kläger ohne Fortzahlung der Vergütung für die Zeit freizustellen, die er für die Ausübung des Ehrenamts als Kreisrat benötigt und die zugleich in die Regelarbeitszeit fällt, es sei denn, der Kläger ist konkret für diesen Zeitraum unabkömmlich (Hilfsantrag II. Satz 1), ist aus dem nämlichen Grund wie der Hauptantrag nicht hinreichend bestimmt im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.
Bezüglich dieses Hilfsantrags ist zudem das Rechtsschutzbedürfnis zweifelhaft, denn die Beklagte hat dem Kläger bisher in allen Fällen seiner – in der Regel am Nachmittag beginnenden – Teilnahme an Sitzungen des Kreistages und des Bauausschusses gestattet und ihm zumindest unbezahlte Arbeitsbefreiung gewährt.
II.
Die Anträge, mit denen der Kläger bezüglich der bezahlten bzw. der unbezahlten Freistellung (vgl. Hauptantrag I. Satz 2 bzw. Hilfsantrag II. Satz 2) die Feststellung begehrt, dass er die Zeiträume, die er für die Ausübung dieses Ehrenamtes als Kreisrat benötigt, nicht nachzuarbeiten hat, haben im Wesentlichen Erfolg.
1. Die Feststellungsanträge sind zulässig.
Nach dem Vorbringen des Klägers geht es ihm letztendlich darum, dass er für die Ausübung des Ehrenamts als Kreisrat – bezahlt oder unbezahlt – freigestellt wird und die durch das Mandat als Kreisrat bedingten Fehlzeiten nicht nachzuarbeiten hat. Der Kläger hat ein rechtliches Interesse im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO daran, dass durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde, ob er im Falle der Freistellung die betreffende Zeit nachzuarbeiten hat oder nicht. Die Problematik des Nacharbeitens wird auch in künftigen Fällen, solange der Kläger sein Kreistagsmandat ausübt, auftreten. Der Umstand, dass die Beklagte den gerichtlichen Vergleichsvorschlag vom 18.02.2016 (Bl. 149/150 d. A.) nicht angenommen hat, deutet darauf hin, dass auch sie an einer rechtlichen Klärung interessiert ist. Bei der umstrittenen Verpflichtung zur Nacharbeit handelt es sich auch um ein der Feststellung zugängliches Rechtsverhältnis im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO.
Im Hinblick auf die Abweisung beider Leistungsanträge (Hauptantrag I. Satz 1 und Hilfsantrag II. Satz 1) wird über die Feststellungsanträge sowohl bezüglich der bezahlten Freistellung (Hauptantrag I. Satz 2) als auch bezüglich der unbezahlten Freistellung (Hilfsantrag II. Satz 2) entschieden.
2. Die Feststellungsanträge sind begründet, soweit es um die Kernarbeitszeit des Klägers geht.
Der Kläger ist nicht verpflichtet, die Zeit, für die er von der Beklagten zur Ausübung des Ehrenamts als Kreisrat des Landkreises F.-G. bezahlt oder unbezahlt freizustellen ist und die in seine Kernarbeitszeit fällt, nachzuarbeiten.
a) Zunächst ist festzuhalten, dass sich die Problematik der Freistellung und des Nacharbeitens nur hinsichtlich der Kernarbeitszeit des Klägers stellt.
Soweit die Ausübung des Ehrenamts als Kreisrat und als Mitglied des Bauausschusses des Kreistags weder in die Kernarbeitszeit noch in die Gleitzeit des Klägers, sondern in dessen Freizeit fällt, ist eine Freistellung ohnehin nicht nötig.
Soweit die Ausübung des Ehrenamts als Kreisrat und als Mitglied des Bauausschusses des Kreistags aufgrund der „Dienst- bzw. Arbeitszeitvereinbarung“ vom 17.09.2014 (Bl. 10/12 d. A.) in die Gleitzeit des Klägers gelegt werden kann, hat der Kläger für die Ausübung des Ehrenamts Gleitzeit in Anspruch zu nehmen. Das Bundesarbeitsgericht hat für die Ausübung allgemeiner staatsbürgerlicher Pflichten die Auffassung vertreten, § 29 Abs. 2 Satz 1 TVöD verlange von den im öffentlichen Dienst beschäftigten Arbeitnehmern, ihre allgemeinen staatsbürgerlichen Pflichten soweit wie möglich außerhalb der Arbeitszeit zu erfüllen. Demzufolge sei ein ehrenamtlicher Richter, soweit er selbst auf die Gestaltung seiner Arbeitszeit Einfluss nehmen könne, z. B. bei Gleitzeitregelungen, auch dazu verpflichtet, von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen und für sein Ehrenamt Gleitzeit in Anspruch zu nehmen (vgl. BAG, Urt. v. 22.01.2009 – 6 AZR 78/08 = BAGE 129, 170ff. = NZA 2009, 735 = betreffend die Ausübung des Amtes einer ehrenamtlichen Richterin bei einem Landesarbeitsgericht; vgl. auch BAG, Urt. v. 16.12.1993-6 AZR 236/93 = BAGE 75, 231 ff. = NZA 1994, 854 = ). Diese Erwägungen können auf die Ausübung eines kommunalen Wahlmandats übertragen werden, auch wenn es sich dabei nicht um eine allgemeine staatsbürgerliche Pflicht handelt (vgl. dazu BAG, Urt. v. 20.06.1995 – 3 AZR 857/94 = NZA 1996, 383 = betreffend das kommunale Wahlmandat eines Ratsherrn; Landesarbeitsgericht Bremen, Urt. v. 17.11.2009- 1 Sa 131/08-Juris).
b) Soweit die Ausübung des Ehrenamts als Kreisrat und als Mitglied des Bauausschusses des Kreistags in die Kernarbeitszeit des Klägers fällt, wird die Beklagte in der Regel ihr Ermessen dahingehend auszuüben haben, dass sie dem Kläger zumindest unbezahlte Arbeitsbefreiung gewährt.
§ 29 TVöD enthält unter anderem folgende Bestimmung über die Arbeitsbefreiung von Beschäftigten:
(1) Als Fälle nach § 616 BGB, in denen Beschäftigte unter Fortzahlung des Entgelts nach § 21 im nachstehend genannten Ausmaß von der Arbeit freigestellt werden, gelten nur die folgenden Anlässe:
[…]
(2) Bei Erfüllung allgemeiner staatsbürgerlicher Pflichten nach deutschem Recht, soweit die Arbeitsbefreiung gesetzlich vorgeschrieben ist und soweit die Pflichten nicht außerhalb der Arbeitszeit, gegebenenfalls nach ihrer Verlegung, wahrgenommen werden können, besteht der Anspruch auf Fortzahlung des Entgelts nach § 21 nur insoweit, als Beschäftigte nicht Ansprüche auf Ersatz des Entgelts geltend machen können. Das fortgezahlte Entgelt in Höhe des Ersatzanspruchs als Vorschuss auf die Leistungen der Kostenträger. Die Beschäftigten haben den Ersatzanspruch geltend zu machen und die erhaltenen Beträge an den Arbeitgeber abzuführen.
(3) Der Arbeitgeber kann in sonstigen dringenden Fällen Arbeitsbefreiung unter Fortzahlung des Entgelts nach § 21 bis zu drei Arbeitstagen gewähren. In begründeten Fällen kann bei Verzicht auf das Entgelt kurzfristige Arbeitsbefreiung gewährt werden, wenn die dienstlichen oder betrieblichen Verhältnisse es gestatten.
Protokollerklärung zu Absatz 3 Satz 2:
Zu den „begründeten Fällen“ können auch solche Anlässe gehören, für die nach Absatz 1 kein Anspruch auf Arbeitsbefreiung besteht (z. B. Umzug aus persönlichen Gründen).
(4) …
(5) …
Eine Arbeitsbefreiung nach § 616 BGB (Vorübergehende Verhinderung) ist hier nicht einschlägig, weil die im Geltungsbereich des TVöD insoweit in Betracht kommenden Fälle in § 29 Abs. 1 TVöD abschließend aufgezählt sind und der Fall der Ausübung eines Ehrenamts oder der Fall der Wahrnehmung eines kommunalen Wahlmandats dort nicht genannt sind.
Eine Arbeitsbefreiung nach § 29 Abs. 2 TVöD scheidet hier aus, weil es sich – wie bereits erwähnt – bei der Ausübung eines kommunalen Wahlmandats nicht um die Erfüllung einer allgemeinen staatsbürgerlichen Pflicht handelt (vgl. BAG, Urt. v. 20.06.1995 – 3 AZR 857/94 = NZA 1996, 383 = ; Landesarbeitsgericht Bremen, Urt. v. 17.11.2009- 1 Sa 131/08-juris).
Eine Arbeitsbefreiung nach § 29 Abs. 3 Satz 1 TVöD scheidet ebenfalls aus, weil die Ausübung des kommunalen Wahlmandats keinen sonstigen dringenden Fall darstellt, insbesondere kein unverschuldeter in der Person des Beschäftigten liegender Grund für das Fernbleiben von der Arbeit gegeben ist.
In Betracht kommt somit allenfalls die in § 29 Abs. 3 Satz 2 TVöD vorgesehene kurzfristige Arbeitsbefreiung, welche in begründeten Fällen bei Verzicht auf das Entgelt gewährt werden kann, wenn die dienstlichen oder betrieblichen Verhältnisse es gestatten. Mit Rücksicht auf Art. 121 Satz 2 der Verfassung des Freistaates Bayern, wonach Staat und Gemeinden den ehrenamtlichen Einsatz für das Gemeinwohl fördern, wird die Beklagte dem Kläger das ihr eingeräumte Ermessen regelmäßig dahingehend auszuüben haben, dass sie den Kläger – wie bisher geschehen – für die Ausübung des Ehrenamts als Kreisrat und als Mitglied des Bauausschusses des Kreistags freistellt, sofern nicht im Einzelfall ausnahmsweise zwingende dienstliche oder betriebliche Gründe entgegenstehen. Der Umstand, dass die beklagte Verwaltungsgemeinschaft und ihre Mitgliedsgemeinden zum Landkreis F.-G. gehören, spricht zusätzlich dafür, dass die Beklagte dem Kläger Arbeitsbefreiung zur Ausübung seines Ehrenamts als Kreisrat und Mitglied des Bauausschusses des Kreistags gewährt. Soweit sich die Beklagte auf die personelle Besetzung sowie den Arbeitsanfall bzw. Arbeitsumfang im Bauamt beruft, ist darauf hinzuweisen, dass sich die Kreisratstätigkeit des Klägers nur an wenigen Tagen im Jahr für einige Stunden mit seiner Arbeitszeit überschneidet und dass etwa bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit des Klägers gegebenenfalls erheblich längere Abwesenheitszeiten überbrückt werden müssten. Unberührt bleibt ohnehin die Verpflichtung des Klägers zur Ableistung von Überstunden und Mehrarbeit nach Maßgabe der Nebenabrede in § 6 des Arbeitsvertrages.
Die Freistellung (in der Kernarbeitszeit des Klägers) für die Ausübung des kommunalen Wahlmandats des Klägers kann die Beklagte von einem Verzicht auf das Entgelt abhängig machen. Dies hat aber keine finanzielle Einbuße des Klägers zur Folge. Nach Art. 14a Abs. 1 Satz 1 der Landkreisordnung für den Freistaat Bayern (LKrO) haben ehrenamtlich tätige Personen Anspruch auf angemessene Entschädigung. Das Nähere wird durch Satzung bestimmt (Art. 14a Abs. 1 Satz 2 LKrO). Ehrenamtlich tätige Personen erhalten ferner nach Art. 14a Abs. 2 LKrO für die nach Maßgabe näherer Bestimmung in der Satzung zur Wahrnehmung des Ehrenamts notwendige Teilnahme an Sitzungen und Besprechungen oder anderen Veranstaltungen bestimmte Ersatzleistungen. So wird Arbeitnehmern nach Art. 14a Abs. 2 Nr. 1 LKrO der ihnen entstandene nachgewiesene Verdienstausfall ersetzt. Die vom Landkreis F.-G. aufgrund der Art. 14a und 17 LKrO erlassene Satzung zur Regelung von Fragen des Kreisverfassungsrechts vom 20.05.2014 (Amtsblatt des Landkreises F.-G. Nr. 10/2014, S. 19) sieht in § 5 Abs. 4 Folgendes vor: „Lohn- und Gehaltsempfänger erhalten außerdem Ersatz für die durch die Teilnahme an der Kreistags- oder Ausschusssitzung entgangenen Einkünfte aus nicht selbstständiger Tätigkeit in voller Höhe.“
c) Unabhängig davon, ob die Beklagte dem Kläger zur Ausübung des Ehrenamts als Kreisrat des Landkreises F.-G. bezahlte oder unbezahlte Freistellung gewährt, ist der Kläger nicht verpflichtet, die Zeit der Freistellung nachzuarbeiten, die in seine Kernarbeitszeit fällt.
Dies ergibt sich aus dem Fixschuldcharakter der Arbeitsleistung (vgl. dazu Schaub/Linck, Arbeitsrechts-Handbuch, 16. Aufl. 2015, Rn. 5 – mit weiteren Nachweisen). Der Arbeitnehmer schuldet dem Arbeitgeber die durch den Arbeitsvertrag in Verbindung mit § 611 Abs. 1 BGB versprochenen Dienste nicht „irgendwie, irgendwo, irgendwann“, sondern in zeitlicher Hinsicht innerhalb eines bestimmten Zeitfensters, das durch das Weisungsrecht des Arbeitgebers festgelegt wird, soweit es nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt ist (vgl. § 106 Satz 1 der Gewerbeordnung). Hier greift die „Dienst- bzw. Arbeitszeitvereinbarung“ vom 17.09.2014 (BL 10/12 d. A.) ein, wonach der Kläger die geschuldete Arbeitsleistung innerhalb einer feststehenden Kernarbeitszeit und im Übrigen innerhalb einer von ihm zu beeinflussenden Gleitzeit zu erbringen hat.
Bei innerhalb der Kernarbeitszeit nicht erbrachter Arbeitsleistung tritt grundsätzlich Unmöglichkeit nach § 275 Abs. 1 BGB ein. Der Kläger kann die innerhalb dieses Zeitfensters zu erbringende Arbeitsleistung in diesem Zeitfenster nicht mehr nachholen.
Selbst wenn der Arbeitnehmer verschuldet die Arbeitsleistung nicht erbringt oder sie sogar verweigert, ist er im Hinblick darauf, dass es sich um eine sog. Fixschuld handelt, nicht zur Nachleistung verpflichtet, sondern die Arbeitsleistung wird unmöglich (vgl. § 275 Abs, 1 BGB) und es entfällt der Anspruch auf die Gegenleistung, also auf die Vergütung (vgl. § 326 Abs. 1 Satz 1 BGB). Auch im Fall unverschuldeter Nichtleistung, etwa bei Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit, braucht der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung nicht nachzuholen, wobei er innerhalb der gesetzlichen oder tariflichen Vorschriften über die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für einen gewissen Zeitraum den Anspruch auf die Gegenleistung in Gestalt der Vergütung nicht verliert (vgl. § 3 des Entgeltfortzahlungsgesetzes, § 22 TVöD). Für den Fall des Annahmeverzugs des Arbeitgebers (vgl. §§ 293ff. BGB) ist in § 615 Satz 1 BGB ausdrücklich geregelt, dass der Arbeitnehmer die vereinbarte Vergütung verlangen kann, „ohne zur Nachleistung verpflichtet zu sein“.
Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Urteil vom 28.07.2011 – 2 C 45/09 -(= BVerwGE 140, 178ff. = NVwZ-RR 2012, 35 = BayVBl 2012, 220), betreffend die Freistellung eines ehrenamtlichen Richters nach § 45 Abs. 1 a Satz 2 des Deutschen Richtergesetzes (DRiG) von seiner Dienstleistungspflicht als Beamter, unter anderem ausgeführt: „Die Freistellungsregelung trifft keine Aussage zu der Frage, ob der ehrenamtliche Richter die versäumte Arbeitszeit nachzuholen hat. Vielmehr ergibt sich dies für Beamte aus dem Grundsatz, dass ausgefallener Dienst vom Beamten nicht nachzuholen ist, sondern nur besoldungs- und disziplinarrechtliche Folgen, etwa nach § 9 BBesG bei verschuldetem Fernbleiben den Verlust der Dienstbezüge, nach sich ziehen kann. Der vom Beamten geschuldete Dienst besteht in der Pflicht, die dienstlichen Aufgaben während eines bestimmten Zeitraums zu erfüllen. Für ein Nacharbeiten versäumter Arbeitszeit fehlt die rechtliche Grundlage […].“
Für die Freistellung eines Tarifbeschäftigten zur Ausübung eines kommunalen Ehrenamts gilt wegen des Fixschuldcharakters der Arbeitsleistung nichts anderes.
d) Nach alledem ist die Klage insoweit erfolgreich, als festgestellt wird, dass der Kläger die Zeit, für die er von der Beklagten zur Ausübung des Ehrenamts als Kreisrat des Landkreises F.-G. bezahlt oder unbezahlt freizustellen ist und die in seine Kernarbeitszeit fällt, nicht nachzuarbeiten hat.
Hinsichtlich der über die Kernarbeitszeit hinaus gehenden Arbeitszeit haben die Feststellungsanträge keinen Erfolg. Soweit die Ausübung des Ehrenamts als Kreisrat und als Mitglied des Bauausschusses des Kreistags aufgrund der „Dienst- bzw. Arbeitszeitvereinbarung“ vom 17.09.2014 (Bl. 10/12 d. A.) in die Gleitzeit des Klägers gelegt werden kann, hat der Kläger – wie bereits erwähnt – für die Ausübung des Ehrenamts Gleitzeit in Anspruch zu nehmen.
III.
Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 19.02.2016 erklärt, hilfsweise würden die Anträge exakt nach dem Vergleichsvorschlag des Gerichts [vom 18.02.2016: Bl. 149/150 d. A.] gestellt. Über diese „Anträge“, die nicht Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, ist jedoch nicht zu entscheiden.
Die mündliche Verhandlung war am 18.02.2016 geschlossen, was aus dem im Zusammenhang mit dem Vergleichsvorschlag der Kammer verkündeten Beschluss ersichtlich ist, wonach, falls eine gütliche Einigung nicht zustande kommt, Termin zur Verkündung einer Entscheidung bestimmt wird. Ein Grund für die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nach § 156 ZPO ist nicht ersichtlich.
IV.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 1 Satz 1, 495 ZPO in Verbindung mit § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG.
Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben, da jede Partei in etwa gleichem Umfang teils obsiegt, teils unterliegt.
Die Regelung des § 12a Abs. 1 Satz 1 ArbGG bleibt unberührt.
V.
Die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes beruht auf § 61 Abs. 1 ArbGG in Verbindung mit §§ 1 Abs. 2 Nr. 4, 48 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 GKG. Es erscheint angemessen, die Streitigkeit über verschiedene Rechtsfragen im Zusammenhang mit der ehrenamtlichen Tätigkeit als Kreisrat mit 5.000,00 € zu bewerten (in Anlehnung an § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG).

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