Aktenzeichen 483 C 15231/14 WEG
WEG § 10 Abs. 6 S. 3 Hs. 1, § 14 Nr. 1, § 15 Abs. 3, § 22
Leitsatz
Ist durch eine bauliche Veränderung nicht der Zustand dergestalt verändert, dass durch den Rückbau der ursprüngliche Zustand wieder hergestellt wird, sondern ist das Gemeinschaftseigentum beschädigt, ist nicht der einzelne Eigentümer, sondern die Gemeinschaft anspruchsberechtigt. Dieser steht die Entscheidung darüber zu, ob Naturalrestitution oder Geldersatz gefordert wird. (Rn. 18 – 20) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1) Die Klage wird abgewiesen.
2) Die Kläger tragen die Kosten des Rechtsstreits und haben den Streithelfern deren außergerichtliche Kosten zu ersetzen.
3) Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
4) Der Streitwert wird auf 50.000 € festgesetzt
Gründe
1) Die Klage ist zulässig. Das AG München ist örtlich und sachlich ausschließlich zuständig nach § 23 Nr. 2 c GVG und §§ 43 I Nr. 1, 62 I WEG n.F., weil das Grundstück in München liegt.
2) Die Klage ist allerdings unbegründet. Der Klägerin stehen gegenüber der Beklagten keine Rückbauansprüche nach § 1004 BGB i.V.m. §§ 15 III, 14 Nr. 1 WEG zu.
a) Zum Sachantrag 1 (Verschließen Deckendurchbruch zu Raum 1 etc.):
Ein Rückbauanspruch steht den Klägerin nicht zu. Es kann dahinstehen, ob § 6 der Teilungserklärung und § 15 des Kaufvertrags der Beklagten mit der Klägerin nur zu Änderungen der Teilungserklärung und Gemeinschaftsordnung ermächtigen, wie der Wortlaut nahelegt, oder auch zu einzelnen baulichen Veränderungen i.S.v. § 22 WEG. Denn unzweifelhaft gibt es keinen einzigen Nachtrag zur Teilungserklärung samt Aufteilungsplan, der den Raum 1 unter der Wohnung Nr. 1 der Streithelfer bildet. Es gibt lediglich den 4. Nachtrag, der jedoch keinen Text enthält, wonach eine neue Aufteilung mit Schaffung des Raums 1 im Keller vorgesehen ist, sondern nur ein Sondernutzungsrecht an einem im Aufteilungsplan nicht vorgesehen Raum. Es gibt keinen Aufteilungsplan, der Raum 1 im Keller vorsieht. Entgegen der Ansicht der Beklagten enthält der Aufteilungsplan, der als Anlage 2 der Teilungserklärung beiliegt, auch nicht den Raum 1. Zum einen enthält die Anlage 2, die der Teilungserklärung beiliegt, den Eintrag „N.U.“. Das heißt bei objektiver und normativer Auslegung „nicht unterkellert“. Damit ist gesagt, dass unter der EG-Wohnung kein Raum vorgesehen ist. Zum anderen zeigen die nachfolgenden Baumaßnahmen, dass für den Raum 1 im Keller erst ein Betonboden hergestellt werden musste. Ohne Boden, der eine Abtrennung zum Erdreich begründet, gibt es aber keinen Raum. Darüber hinaus zeigt der Plan Anlage 2 zur Teilungserklärung nicht den jetzt tatsächlichen Raum 1. Denn dort, wo in der Anlage 2 für drei Bereiche „N. U.“ steht, befindet sich tatsächlich ein gemeinsamer Raum gem. Sondernutzungsplan zum 4. Nachtrag. Gibt es aber keinen Aufteilungsplan, der den Raum 1 in seiner jetzigen Form vorsieht, so kann an dem Raum kein Gemeinschafs- oder Sondereigentum entstanden sein. Denn solches entsteht nur im Rahmen des Aufteilungsplans (BGH 20.11.2015 – V ZR 284/14). Gibt es Raum 1 also rechtlich nicht, kann daran auch kein Sondernutzungsrecht entstanden sein (vgl. BGH 04.12.2014 – V ZB 7/13 zum fehlenden Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs bei unzulässigen Eintragungen). Auch der Generalübernehmervertrag v. 13.12.2010 sieht den Raum 1 im UG nicht vor.
Allerdings erscheinen die Kläger für die gem. Sachantrag 1 geltenden gemachten Ansprüche nicht allein ausübungsbefugt. Der klassische Anspruch nach § 1004 BGB, der jedem einzelnen Mitglied der WEG zusteht, betrifft bauliche Veränderungen in der Gestalt, dass zusätzlich etwas gebaut wurde, was beseitigt werden soll. Nach Beseitigung der baulichen Veränderung besteht dann der ursprüngliche Zustand. Hier dagegen wurde nicht etwas Zusätzliches an Bestehendes drangebaut, sondern ein Deckendurchbruch und ein neuer Raum geschaffen. An der Decke ist offensichtlich ein Schaden entstanden. Nach Ansicht der Kläger sollen dadurch Risse im Gemäuer entstanden sein. Für die Frage, welche Ansprüche deswegen geltend gemacht werden, ist aber die Eigentümergemeinschaft zuständig. Die Wahl zwischen Naturalrestitution (§ 249 Abs. 1 BGB) und Geldersatz (§ 249 Abs. 2 BGB) muss gemeinschaftlich getroffen (BGH 07.02.2014 – V ZR 25/13). Die von den Klägern geltend gemachten Ansprüche müssen insgesamt als gemeinschaftsbezogene Rechte im Sinne von § 10 Abs. 6 Satz 3 Halbsatz 1 WEG bewertet werden. Die Kläger dürfen diese Rechte also nicht allein geltend machen, ihre Klage war insoweit abzuweisen.
b) Zu den Sachanträgen 3, 4 und 5 (Vorflurbereich Nr. 2, Hausmeisterraum)
Auch hier erscheinen die Kläger für die diese geltenden gemachten Ansprüche nicht allein ausübungsbefugt. Der klassische Anspruch nach § 1004 BGB, der jedem einzelnen Mitglied der WEG zusteht, betrifft bauliche Veränderungen in der Gestalt, dass zusätzlich etwas gebaut wurde, was beseitigt werden soll. Nach Beseitigung der baulichen Veränderung besteht dann der ursprüngliche Zustand. Hier dagegen wurde nicht etwas Zusätzliches an Bestehendes drangebaut, sondern letztlich die Größe der Einheit Nr. 2 um den Vorflurbereich vergrößert, der Öffnungswinkel der Hauseingangstüre verkleinert, der ursprünglich Hausmeisterraum abgerissen und ein neuer im Keller geschaffen. Für die Frage, welche Ansprüche deswegen geltend gemacht werden, ist aber die Eigentümergemeinschaft zuständig. Die Wahl zwischen Naturalrestitution (§ 249 Abs. 1 BGB) und Geldersatz (§ 249 Abs. 2 BGB) muss gemeinschaftlich getroffen (BGH 07.02.2014 – V ZR 25/13). Auch gilt hier im Übrigen BGH 20.11.2015 – V ZR 284/14: Die plangerechte Herstellung von Gemeinschaftseigentum ist Aufgabe aller Eigentümer, nicht einzelner Mitglieder der WEG. Die von den Klägern geltend gemachten Ansprüche müssen insgesamt als gemeinschaftsbezogen im Sinne von § 10 Abs. 6 Satz 3 Halbsatz 1 WEG bewertet werden.
Die Klage war daher insgesamt abzuweisen.
3) Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 I, 101 ZPO. Der Streitwert wurde gemäß § 49 a Abs. 1 Gerichtskostengesetz festgesetzt.
4) Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit gründet sich auf § 709 ZPO.