Europarecht

Wirksame Zustellung an einen abberufen Geschäftsführer

Aktenzeichen  M 8 K 14.4135

Datum:
22.2.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 60, § 80 Abs. 5, § 117 Abs. 3, Abs. 5, § 124, § 124 a Abs. 4
BGB BGB § 242
GmbHG GmbHG § 38
HGB HGB § 15 Abs. 1

 

Leitsatz

Tenor

I.
Der Wiedereinsetzungsantrag vom 10. September 2014 wird abgelehnt.
II.
Die Klagen werden abgewiesen.
III.
Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
IV.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.
Den Antrag der Klägerin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 60 VwGO wegen der versäumten Klagefrist des § 42 Abs. 1 VwGO war abzulehnen, da bereits formale Voraussetzungen eines entsprechenden Antrages nicht gegeben sind.
Gemäß § 60 Abs. 2 Satz 2 VwGO sind die Tatsachen zur Begründung des Antrages bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Die Klägerin hat vorliegend keine Tatsachen vorgebracht, aus denen sich ergeben würde, dass die Klagefrist bezüglich des Bescheids der Beklagten vom 9. Januar 2014 ohne Verschulden der Klägerin versäumt wurde. Im Schreiben vom 10. September 2014 führte sie lediglich aus, der streitgegenständliche Bescheid vom 9. Januar 2014 sei der Klägerin nicht wirksam bekannt gemacht worden. Eine weitere Begründung und Glaubhaftmachung der vorgebrachten Tatsachen erfolgte nicht.
Im Übrigen lag eine wirksame Zustellung des Bescheids vom 9. Januar 2014 an die Klägerin vor (vgl. unter II, 1), so dass der Antrag auch in der Sache ohne Erfolg bleibt.
II.
Hinsichtlich der Entscheidungsgründe wird gemäß § 117 Abs. 5 VwGO analog (vgl. Eyermann, Komm. Zur VwGO, 14. Aufl., § 117 Rn. 11) vollumfänglich auf die Entscheidungsgründe des Beschlusses vom 4. November 2014 im Verfahren M 8 S 14.4133 verwiesen.
1. Die in dem Schriftsatz vom 4. Februar 2016 und in der mündlichen Verhandlung klägerseits vorgebrachten Argumente rechtfertigen keine andere Entscheidung als im Beschluss der Kammer vom 4. November 2014. Insbesondere greift die Argumentation der Klägerin, Herr Rechtsanwalt … sei zum Zeitpunkt der Einlegung des Bescheids vom 9. Januar 2014 in den Geschäftsbriefkasten der Klägerin nicht mehr Geschäftsführer der Klägerin gewesen, weshalb eine Adressierung des Bescheids zu seinen Händen einer wirksamen Zustellung entgegenstehe, nicht durch.
Denn selbst wenn zugunsten der Klägerin die Wirksamkeit des als Anlage K 1 in Kopie vorgelegten Gesellschafterbeschlusses vom 26. November 2013 unterstellt wird, liegt eine wirksame Zustellung des streitgegenständlichen Bescheids an die Klägerin vor. Aus dem Beschluss der Gesellschafterversammlung geht zwar hervor, dass Herr … … mit Wirkung zum 1. Dezember 2013 als Geschäftsführer der Klägerin abberufen und gleichzeitig ein anderer Geschäftsführer bestellt wurde. Mit der Abberufung des Geschäftsführers (§ 38 GmbHG) wird seine Organstellung beendet. Die Wirksamkeit der Abberufung setzt grundsätzlich keine Eintragung in das Handelsregister voraus (vgl. Zöllner/Noack in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 20. Aufl. 2013, § 38 Rn. 99). Allerdings ist für die Beseitigung des Verkehrsschutzes eine Eintragung in das Handelsregister gleichwohl erforderlich. Bis zur Eintragung des Widerrufs der Bestellung zum Geschäftsführer gilt zum Schutz Dritter die Publizität des Handelsregisters nach § 15 Abs. 1 HGB (Zöllner/Noack in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 20. Aufl. 2013, § 38 Rn. 99 und 101). Dritte können sich über § 15 Abs. 1 HGB auf die Vertretungsbefugnis beziehen, solange die Beendigung der Organstellung nicht im Handelsregister eingetragen und bekanntgemacht wurde (Zöllner/Noack in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 20. Aufl. 2013, § 38 Rn. 101). Die Tatsache, dass es sich bei der Eintragung des Widerrufs der Bestellung zum Geschäftsführer einer GmbH um eine deklaratorische Eintragung handelt, ändert nichts an den Wirkungen des § 15 Abs. 1 HGB, da diese Vorschrift sowohl für deklaratorische als auch für konstitutive Eintragungen gilt (Hopt in: Baumbach/Hopt, HGB, 36. Aufl. 2014, § 15 Rn. 5). Nach § 15 Abs. 1 HGB soll sich ein Dritter beim geschäftlichen Verhalten auf das Handelsregister verlassen können. Entsprechendes gilt auch für prozessuale und sonstige Zustellungen (vgl. Hopt in: Baumbach/Hopt, HGB, 36. Aufl. 2014, § 15 Rn. 8 m. w. N.).
In den dem Gericht vorliegenden Behördenakten findet sich eine elektronische Auskunft aus dem Handelsregister, wonach Herr … … noch am 27. Dezember 2013 – und auch noch zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung – als alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer der Klägerin im Handelsregister eingetragen war. Zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheids vom 9. Januar 2014 durfte die Beklagte nach § 15 Abs. 1 HGB darauf vertrauen, dass Herr … … als Geschäftsführer der Klägerin eine wirksame Vertretungsbefugnis besitzt.
Die Anwendung des § 15 Abs. 1 HGB scheitert vorliegend auch nicht an der Kenntnis der Beklagten von der Abberufung des Geschäftsführers. Bei der Anwendung des § 15 Abs. 1 HGB ist nur positive Kenntnis der fehlenden Vertretungsbefugnis beachtlich. Ein Kennenmüssen reicht hierzu nicht aus, weil der Dritte nicht zu Nachforschungen verpflichtet sein soll (Hopt in: Baumbach/Hopt, HGB, 36. Aufl. 2014, § 15 Rn. 7). Hier hatte die Beklagte keine Kenntnis von der Abberufung des Geschäftsführers. Insbesondere ist eine handschriftliche Aufschrift auf dem an die Beklagte zurückgesendeten Umschlag „RA … nicht mehr Geschäftsführer“ nicht geeignet, die Kenntnis der Beklagten von dem Geschäftsführerwechsel zu begründen, da die Rücksendung des Umschlags an die Beklagte erst nach Zustellung des Bescheids durch Einlegung in den Briefkasten erfolgte.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung erfolgt gemäß § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.
Rechtsmittelbelehrung:
Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München, Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof, Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.
Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf EUR 22.000,- festgesetzt (§ 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz -GKG-).

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