Verwaltungsrecht

Medizinische Versorgung in Albanien ist ausreichend – Kein Abschiebungsverbot

Aktenzeichen  M 11 S 16.30020

Datum:
22.2.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 29a
AufenthG AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1
GG GG Art. 16a

 

Leitsatz

Ein Abschiebungsverbot wegen einer erheblichen konkreten Gefahr aus gesundheitlichen Gründen nach § 60 Abs. 7 AufenthG liegt nur vor bei einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde; eine der medizinischen Versorgung in Deutschland gleichwertige Versorgung im Herkunftsland wird nicht vorausgesetzt. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Die Antragsteller haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Gründe

I.
Die Antragsteller sind albanische Staatsangehörige. Sie stellten am 02. Juni 2014 einen Asylantrag.
Bei ihrer Anhörung beim Bundesamt … (Bundesamt) am 10. Juni 2014 brachten sie im Wesentlichen vor, der Antragsteller zu 4) leide am Down-Syndrom und sei herzkrank. Der Antragsteller zu 1) habe bei einer Explosion den rechten Unterarm verloren und sein rechtes Auge sei verletzt worden. Mit Schriftsatz des Bevollmächtigten vom 29. Oktober 2015 wurde zudem vorgetragen, der Antragsteller zu 1) leide unter einer posttraumatischen Belastungsstörung und Bandscheibenproblemen.
Mit Bescheid vom 11. Dezember 2015 lehnte das Bundesamt den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und den Antrag auf Asylanerkennung jeweils als offensichtlich unbegründet sowie den Antrag auf subsidiären Schutz ab und verneinte Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG. Die Antragsteller wurden aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche ab Bekanntgabe des Bescheides zu verlassen. Für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise wurde die Abschiebung nach Albanien oder in einen anderen Staat angedroht, in den sie einreisen dürfen oder der zu ihrer Rückübernahme verpflichtet ist. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 7 AufenthG wurde angeordnet und auf 10 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet. Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und die Anerkennung als Asylberechtigte lägen offensichtlich nicht vor. Nach § 29 a AsylG kämen die Antragsteller aus einem sicheren Herkunftsland, daher werde vermutet, dass sie nicht verfolgt werden, solange sie nicht Tatsachen vortragen, die die Annahme begründen würden, dass sie entgegen dieser Vermutung verfolgt werden. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus nach § 4 Abs. 1 AsylG seien nicht gegeben, aus dem Sachvortrag ergäben sich keine Anhaltspunkte, dass die Antragsteller aus den in § 4 AsylG genannten Gründen Verfolgung zu befürchten hätten. Es drohe den Antragstellern auch keine individuelle Gefahr für Leib oder Leben, die zur Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG führen würde. § 60 Absatz 7 Satz 1 AufenthG solle dem Ausländer nicht die Heilung von Krankheit unter dem Einsatz des sozialen Netzes in Deutschland sichern, sondern vor gravierender Beeinträchtigung seiner Rechtsgüter Leib und Leben bewahren, daher müssten sich die Antragsteller auf den medizinischen Standard in Albanien verweisen lassen. Die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots sei im vorliegenden Fall angemessen.
Der Bescheid wurde am 21. Dezember 2015 versandt.
Mit Schriftsatz vom 05. Januar 2016 erhoben die Antragsteller Asylklage (Az. M 11 K 16.30018) und stellten weiter den Antrag,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Zur Begründung wurde mit Schriftsatz vom 19. Januar 2016 ausgeführt, der Antragsteller zu 4) leide am Down-Syndrom und einem Herzfehler. Bereits in Albanien sei festgestellt worden, dass er nicht die erforderliche Versorgung erhalten könne. In Deutschland habe sich sein Zustand verbessert. Der Antragsteller zu 1) sei aufgrund seiner Amputation an der rechten Hand auf Behandlungen angewiesen, obwohl im Augenblick kein Bedarf bestehe. Die Familie habe in einem kleinen Dorf … in der Provinz … gelebt. Dort sei nur eine elementare Versorgung gewährleistet. Der Weg nach Tirana betrage 2 Stunden und kostet ca. 50 Euro.
Mit weiterem Schriftsatz vom 29. Januar 2016 wurde beantragt,
den Antragstellern Prozesskostenhilfe zu gewähren.
Die Antragsgegnerin übersandte nach mehrfacher Aufforderung durch das Gericht am 18. Februar 2016 die Akten, ohne einen Antrag zu stellen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte in diesem Verfahren und im Klageverfahren sowie auf die vorgelegte Behördenakte verwiesen.
II.
Der Antrag bleibt ohne Erfolg.
1. Der Antrag, die kraft Gesetzes (§ 75 AsylG) ausgeschlossene aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung im streitgegenständlichen Bescheid des Bundesamtes nach § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung -VwGO- anzuordnen, ist zulässig.
2. Der Antrag ist jedoch nicht begründet, da keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen (vgl. Art. 16 a Abs. 4 GG, § 36 Abs. 4 AsylG).
2.1. Entsprechend der Gesetzeslage des Art. 16 a GG, § 36 Abs. 4 AsylG kann das Verwaltungsgericht auf Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO die Aussetzung der Abschiebung anordnen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen. Tatsachen und Beweismittel, die von den Beteiligten nicht angegeben worden sind, bleiben unberücksichtigt, es sei denn, sie sind gerichtsbekannt oder offenkundig. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts liegen ernstliche Zweifel i. S.v. Art. 16 a Abs. 4 Satz 1 GG vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – BVerfGE 94, 166 ff.).
Im Rahmen der Entscheidung über einen solchen Antrag ist im Hinblick auf den durch Art. 19 Abs. 4 GG gebotenen effektiven Rechtsschutz zu prüfen, ob das Bundesamt zu Recht davon ausgegangen ist, dass der geltend gemachte Anspruch auf die Feststellung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG offensichtlich nicht besteht – wobei eine nur summarische Prüfung nicht ausreicht – und ob diese Ablehnung weiterhin Bestand haben kann (BVerfG B.v. 2.5.1984 – 2 BvR 1413/83 – DVBl 84, 673 ff. – juris Rn. 40). Offensichtlich unbegründet ist ein Asylantrag dann, wenn die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigter (Art. 16 a GG) und die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§ 3 AsylG) offensichtlich nicht vorliegen (§ 30 Abs. 1 AsylG). Dies ist nach ständiger Rechtsprechung dann anzunehmen, wenn an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen vernünftigerweise keine Zweifel bestehen, und bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung sich die Abweisung geradezu aufdrängt (vgl. BVerfG, B.v. 5.2.1993 – 2 BvR 1294/92 – InfAuslR 1993, 196).
Bei der Berufung auf eine Individualverfolgung kann das Offensichtlichkeitsurteil unter anderem dann gerechtfertigt sein, wenn die im Einzelfall behauptete Gefährdung offensichtlich nicht asylrelevant ist, den erforderlichen Grad der Verfolgungsintensität nicht erreicht oder sich das Vorbringen des Asylbewerbers insgesamt als eindeutig unglaubhaft erweist.
2.2. Gemessen an diesen Grundsätzen bestehen hier keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der insoweit seitens des Bundesamts getroffenen Entscheidungen.
Für das Gericht ist offensichtlich, dass der geltend gemachte Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft den Antragstellern nicht zusteht.
Ein Verfolgungs- oder Lebensschicksal, das die Zuerkennung einer Rechtsstellung als Flüchtling rechtfertigen würde, haben die Antragsteller mit ihrem Vortrag nicht glaubhaft gemacht.
Das Gericht folgt der zutreffenden Begründung der Antragsgegnerin im angegriffenen Bescheid (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Ernstliche Zweifel bestehen ebenfalls nicht hinsichtlich der Versagung subsidiären Schutzes.
Ferner bestehen keine Anhaltspunkte für Abschiebungsverbot i. S. des § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG.
§ 60 Absatz 7 Satz 1 AufenthG soll dem Ausländer nicht die Heilung von Krankheit unter dem Einsatz des sozialen Netzes in Deutschland sichern, sondern vor gravierender Beeinträchtigung seiner Rechtsgüter Leib und Leben bewahren, daher müssen sich die Antragsteller auf den medizinischen Standard in Albanien verweisen lassen. Zwar mag der Antragsteller zu 4) in Albanien keine oder weniger Förder- bzw. Behandlungsmöglichkeiten haben, dass dadurch aber Leib und Leben gravierend beeinträchtigt werden, wurde nicht nachgewiesen.
Nach dem Attest des behandelnden Arztes vom 8. Juli 2015 soll der Antragsteller zu 1) in eine stationäre psychosomatische Behandlung kommen. Dieses Attest genügt nicht, wie die Beklagte im streitgegenständlichen Bescheid zutreffend ausführt, um nachzuweisen, dass sich der Zustand des Antragstellers wesentlich verschlechtert.
Das Gericht folgt der zutreffenden Begründung der Antragsgegnerin im angegriffenen Bescheid (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Vor diesem Hintergrund ist auch die nach Maßgabe der §§ 34, 36 Abs. 1 Satz 1 AsylG i. V. m. § 59 AufenthG erlassene Abschiebungsandrohung nicht zu beanstanden.
Der Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO, § 83 b AsylG abzulehnen. Mangels Erfolgsaussichten des Eilantrags wurde der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe abgelehnt (§ 166 VwGO i. V. m. §§ 114 ff. ZPO).
Dieser Beschluss ist nach § 80 AsylG unanfechtbar.

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