IT- und Medienrecht

Vollstreckung eines Unterhaltsanspruchs nach dem Haagener Übereinkommen – hier: Frist zur Begründung der Beschwerde

Aktenzeichen  12 UF 633/14

Datum:
1.2.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 125313
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
AUG § 43, § 57, § 59
FamFG § 58, § 117 Abs. 1 S. 3
ZPO § 574

 

Leitsatz

1 Bei dem Verfahren der Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Unterhaltstitels handelt es sich kraft Verfahrenszusammenhangs um eine Unterhaltssache (Rn. 12). (redaktioneller Leitsatz)
2 Daher finden auf dieses Verfahren gem. § 2 AUG die für Unterhaltssachen geltenden Vorschriften des FamFG Anwendung, insbesondere auch § 117 FamFG, sodass es einer fristgerechten Beschwerdebegründung bedarf (Rn. 12). (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

554 F 2741/14 2014-03-13 AGMUENCHEN AG München

Tenor

1. Das Ruhen des Verfahrens ist beendet.
2. Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts München vom 13.3.2014 wird verworfen.
3. Der Antrag der Antragsgegnerin auf Wiedereinsetzung in die versäumte Beschwerdebegründungsfrist wird abgewiesen.
4. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Gründe

I.
Das Verfahren betrifft die Vollstreckbarerklärung eines türkischen Urteils.
Der Antragsteller hatte zunächst mit Antrag vom 27.1.2014 die Erteilung einer Vollstreckungsklausel für das Urteil des Amtsgerichts 29.3.2012, mit dem die Antragsgegnerin zur Zahlung eines Geldbetrags verurteilt worden ist, bei dem Landgericht München I beantragt. Nachdem das Landgericht den Antragsteller darauf hingewiesen hatte, dass dem titulierten Anspruch ein pauschalierter nachehelicher Unterhaltsanspruch für den Fall des Scheiterns der Ehe der Beteiligten zugrundeliege, die Vollstreckbarerklärung sich deshalb nach dem HUVÜ 1973 richte und das Amtsgericht – Familiengericht – nach dem AUG zuständig sei, hat das Landgericht mit Beschluss vom 25.2.2014 das Verfahren auf Antrag des Antragstellers an das sachlich ausschließlich zuständige Amtsgericht München verwiesen.
Mit Beschluss vom 13.3.2014 hat das Amtsgericht München das Urteil des Amtsgericht D0B vom 29.3.2012, wonach die Antragsgegnerin an den Antragsteller 1.482.976,05 YTL nebst Zinsen sein 11.6.2003 zuzüglich 89.933,10 YTL nebst Zinsen seit 12.3.2003 sowie 32..692 YTL zuzüglich 38.785; 45 YTL zu zahlen hat, für vollstreckbar erklärt. Zur Begründung hat das Amtsgericht München ausgeführt, dass die Vollstreckbarerklärung auf dem Haager Übereinkommen vom 2.10.1973 über die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen beruhe und ein Anerkennungs- und Vollstreckungshindernis nicht bestehe.
Gegen den der Antragsgegnerin am 28.3.20.14 zugestellten Beschluss hat die Antragsgegnerin am 28.4.2015 beim Amtsgericht München Beschwerde eingelegt. Mit Verfügung vom 3.6.2014, der Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin am 6.6.2014 zugestellt, hat der Vorsitzende des zuständigen Senats die Antragsgegnerin darauf hingewiesen, dass die Beschwerde nicht begründet worden ist.
Am 20.6.2014 ging beim Oberlandesgericht München eine Beschwerdebegründung ein. Die Antragsgegnerin beruft sich auf die Unzulässigkeit des Verfahrens wegen doppelter Rechtshängigkeit, weil vor dem Landgericht München I ein Verfahren mit dem gleichen Sachverhalt anhängig sei; außerdem sei das Familiengericht für die Vollstreckbarerklärung gar nicht zuständig, da es sich um die Herausgabe eines gepfändeten und eingezogenen Geldbetrags, insbesondere aus einem eingelösten Wechsel handele.
Da zwischen den Beteiligten Vergleichsverhandlungen geführt wurden, haben sie das Ruhen des Verfahrens beantragt. Mit Beschluss des Senats vom 21.7.2014 wurde das Ruhen des Verfahrens angeordnet. Nachdem der Antragsteller am 24.11.2015 mitgeteilt hatte, dass die Vergleichsverhandlungen zwischen den Beteiligten gescheitert seien, hat er die Fortsetzung des Verfahrens beantragt. Mit Verfügung vom 2.12.2015, zugestellt am 8.12.2015, wies der Vorsitzende des zuständigen Senats die Antragsgegnerin nochmals darauf hin, dass keine fristgerecht eingegangene Beschwerdebegründung vorliege. Mit Schriftsatz vom 17.12.2015, eingereicht zu einem Verfahren 21 U 5331/08 OLG München, beantragt die Antragsgegnerin die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist. Zur Begründung führt die Antragsgegnerin aus, dass ihrer Verfahrensbevollmächtigten am 13.3.2014 eine Verfügung des Gerichts zugegangen sei (gemeint ist offensichtlich der angefochtene Beschluss vom 13.3.2014). Die mit der Führung des Fristenkalenders beauftragte Büroangestellte … angewiesen worden, die Fristen im Terminskalender und im Computer einzutragen und zu überwachen. Sie habe jedoch versehentlich die Beschwerdebegründungsfrist nicht eingetragen, sondern nur die Beschwerdefrist. Der Fehler sei erst auf Grund der Verfügung des Vorsitzenden vom 2.12.2015 bemerkt worden.
Die Antragsgegnerin beantragt,
ihr Wiedereinsetzung in die versäumte Beschwerdebegründungsfrist zu bewilligen, den angefochtenen Beschluss des Amtsgerichts München vom 13.3.2014 aufzuheben und das Urteil des Amtsgerichts Denizli nicht für vollstreckbar zu erklären.
Der Antragsteller beantragt,
den Wiedereinsetzungsantrag abzuweisen.
Er hält die Beschwerde für unzulässig, weil die Beschwerdebegründungsfrist versäumt worden sei und die Antragsgegnerin keinen fristgerechten Wiedereinsetzungsantrag gestellt habe.
II.
Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist unzulässig und daher gem. §§ 2, 57, 43 AUG i. V. m. § 117 I S. 4 FamFG, 522 I S. 2 ZPO zu verwerfen, da die Beschwerde nicht gem. § 117 I S. 3 FamFG innerhalb der bis zum 28.5.2014 laufenden Beschwerdebegründungsfrist begründet worden ist.
Bei dem durch das Amtsgericht D00B titulierten Anspruch handelt es sich, wie das Landgericht München I in seinem Verweisungsbeschluss vom 25.2.2014, dem der Senat nach eigener Sachprüfung folgt und auf den zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, zutreffend ausgeführt hat, um einen Unterhaltsanspruch. Da Deutschland und die Türkei Vertragsstaaten des Haager Übereinkommens vom 2.10.1973 über die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen (HUVÜ 1973) sind und dieses Übereinkommen gem. Art. 1 I Nr. 1 HUVÜ 1973 auf Unterhaltsansprüche zwischen den Beteiligten anzuwenden ist, richtet sich die Vollstreckbarerklärung nach diesem Übereinkommen, das innerstaatlich durch das AUG ergänzt wird (vgl. §§ 1 I Nr. 2 b, 57 ff AUG). Die Beschwerdeformalien für die Einlegung der Beschwerde, die sich aus §§ 57, 59, 43 AUG i. V. m. § 58 ff FamFG ergeben, wurden von der Antragsgegnerin beachtet; insbesondere wurde die Beschwerde frist- und formgerecht eingelegt.
Da es sich bei dem Verfahren der Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Unterhaltstitels um eine Unterhaltssache kraft Verfahrenszusammenhangs handelt {vgl. Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, 36. Aufl., § 111 FamFG Rn. 12), finden auf dieses Verfahren gem. § 2 AUG die für Unterhaltssachen geltenden Vorschriften des FamFG Anwendung, insbesondere auch § 117 FamFG, sodass es einer fristgerechten Beschwerdebegründung bedarf (OLG München FamRZ 2015, 775; Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, vor § 1 AUG Rn. 10). Dem steht nicht entgegen, dass das AUG die Beschwerdebegründung nicht regelt, sondern nur Vorschriften zur Beschwerdeeinlegung enthält. Dies beruht darauf, dass vom Gesetzgebers für die Beschwerdeeinlegung besondere, vom FamFG abweichende Vorschriften geschaffen werden mussten, um den Besonderheiten des Vollstreckbarerklärungsverfahrens Rechnung zu tragen. Aus § 2 AUG folgt aber, dass soweit das AUG selbst nichts anderes regelt, das FamFG anzuwenden ist. Die Beschwerdebegründungsfrist begann gem. § 117 I S. 3 FamFG mit Zustellung des angefochtenen Beschlusses an die Antragsgegnerin am 28.3.2014 zu laufen und endete am 28.5.2014. Die Beschwerdebegründung ging jedoch erst am 20.6.2014 beim Oberlandesgericht München ein und damit außerhalb der Beschwerdebegründungsfrist.
Der Antragsgegnerin ist auf ihren Antrag auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Gem. § 2 AUG, § 117 V FamFG i. V. m. §§ 233, 234 III ZPO hat die Antragsgegnerin die Ausschlussfrist von einem Jahr, gerechnet von dem Ende der versäumten Frist, versäumt, da der Wiedereinsetzungsantrag erst am 18.12.2015 beim Oberlandesgericht einging. Auf das Fehlen einer Beschwerdebegründung hatte der Vorsitzende die Antragsgegnerin bereits mit Verfügung vom 3.6.2014 hingewiesen, auch wenn zum damaligen Zeitpunkt noch davon ausgegangen wurde, dass eine Beschwerdebegründung nicht zwingend erforderlich ist. Da die Antragsgegnerin vorträgt, ihre Verfahrensbevollmächtigte habe bei Eingang des Beschlusses vom 13.3.2014 erkannt, dass eine Beschwerdebegründungsfrist zu notieren sei, dies aber auf Grund eines Verschuldens der Büroangestellten unterblieben sei, kommt es auf die Frage, ob vorliegend wegen des Hinweises des Vorsitzenden eine Anwendung des § 234 III ZPO wegen des Grundsatzes des fair trial ausscheide (vgl. BVerfG NJW 2004, 2149; BGH NJW-RR 2004, 1651), nicht an. Daher kann dahin gestellt bleiben, ob hier überhaupt eine Wiedereinsetzung wegen fehlenden Verschuldens der Antragsgegnerin oder ihre Verfahrensbevollmächtigten in Betracht kommt. Der Lauf der Jahresfrist des § 234 III ZPO wurde auch nicht durch die Ruhensanordnung unterbrochen, da das Ruhen des Verfahrens auf den Fristablauf keinen Einfluss hat (§ 2 AUG, § 113 I FamFG, §§ 251 S. 2, 233 ZPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 243 FamFG. Es entspricht billigem Ermessen, der Antragsgegnerin als Unterlegenen die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
Eine Entscheidung über die Zulassung der Rechtsbeschwerde ist wegen §§ 57, 46 I AUG ebenso wenig veranlasst wie eine solche über den Verfahrenswert, da insoweit ein Festwert in Nr. 1720 KV-FamGKG in Höhe von € 360,00 vorgesehen ist. Die Voraussetzung für eine Entscheidung nach § 33 RVG liegen nicht vor.

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