Verwaltungsrecht

Unzulässiger Eilantrag gegen Vollzug der Bürgermeisterwahl

Aktenzeichen  RO 3 E 16.71

Datum:
28.1.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GLkrWG § 51a Nr. 1, Nr. 2

 

Leitsatz

Einem Antragsteller fehlt es an der für einen Eilantrag mit dem Ziel, den Vollzug der Bürgermeisterwahl einstweilen außer Kraft zu setzen, notwendigen Antragsbefugnis, wenn er weder als Gewählter oder unterlegener Bewerber selbst betroffen ist, noch mindestens fünf im Wahlkreis wahlberechtigte Personen seinem Eilantrag beigetreten sind. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
…, …, …, … F., wird zum Verfahren beigeladen.
II.
Der Antrag nach § 123 VwGO wird abgelehnt.
III.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
IV.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
V.
Der Streitwert wird auf 2.500 € festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen den Vollzug der Wahl zum ersten Bürgermeister in der Gemeinde F. und begehrt Prozesskostenhilfe hierfür.
Am 4. Oktober 2015 fand in der Gemeinde F. die Wahl zum ersten Bürgermeister statt. Von den möglichen 1.207 Stimmen entfielen auf den Kandidaten … 1… 254 Stimmen (21,04%), auf die Kandidatin … 2… 447 Stimmen (37,04%) und auf den Beigeladenen … 506 Stimmen (41,92%).
Aufgrund der Stimmenanteile wurden Frau 2… und der Beigeladene zur Stichwahl zugelassen. Bei der am 18. Oktober 2015 durchgeführten Stichwahl erhielten von den 1.263 gültigen Stimmen der Beigeladene 677 Stimmen (53,6%), Frau 2… 586 Stimmen (46,4%).
Der Wahlausschuss der Gemeinde F. beschloss das Ergebnis der Wahl am 18. Oktober 2015 einstimmig. Die stellvertretende Wahlleiterin verkündete das Ergebnis am 18. Oktober 2015 um 19.36 Uhr.
Mit Telefaxen vom 18. und 19. Oktober 2015 focht der Antragsteller gegenüber dem Landratsamt … die Wahlen zum ersten Bürgermeister in der Gemeinde F. vom 4. und 18. Oktober 2015 an. Zur Begründung wurde zum einen vorgetragen, dass die Kandidatin 2… unzulässigerweise das Wappen der Gemeinde auf ihren Wahlplakaten und einem am 16. Oktober 2015 im Briefkasten des Antragstellers vorgefundenen Schreiben verwendet habe. Zum anderen rügte der Antragsteller, dass für die Wählergemeinschaft H. aufgrund der (teilweise) fehlenden Unterschriften des Leiters und der Helfer der Aufstellungsversammlung auf dem Protokoll über die Aufstellung des Bürgermeisterkandidaten bei der Nominierungsversammlung kein gültiger Wahlvorschlag habe eingereicht werden können; damit sei dem mit absoluter Mehrheit bei der Nominierungsversammlung gewählten Kandidaten seine Kandidatur für die Bürgermeisterwahl verwehrt worden.
Die Wahlanfechtung wies das Landratsamt … mit Bescheid vom 21. Dezember 2015, dem Antragsteller am 22. Dezember 2015 mit Postzustellungsurkunde zugestellt, zurück. Die Frage der Berücksichtigung des Wahlvorschlags der Wählergemeinschaft H. sei durch den Wahlausschuss der Gemeinde F. geklärt worden. Die Rechtsaufsichtsbehörde habe im Rahmen der Wahlprüfung keine Wahlrechtsverstöße feststellen können. Die Behauptung, dass die Kandidatin 2… durch Verwendung des Gemeindewappens das Neutralitätsverbot verletzt habe, werde zurückgewiesen. Der Anschein einer amtlichen Verwendung sei nicht erweckt worden; weder der Flyer noch die Wahlplakate seien als „öffentliche“ Broschüren anzusehen.
Am 15. Januar 2016 hat der Antragsteller beim Verwaltungsgericht Regensburg gegen den Bescheid des Landratsamtes … vom 21. Dezember 2015 „Anfechtungsklage“ (Az. RO 3 K 16.72) erhoben mit den Anträgen, den Bescheid des Landratsamts … vom 21. Dezember 2015 aufzuheben (Nr. 1), der Anfechtung der Wahl zum ersten Bürgermeister der Gemeinde F. vom „19. Oktober 2015“ stattzugeben (Nr. 2) sowie die Bürgermeisterwahl der Gemeinde F. vom Oktober 2015 für nichtig zu erklären und eine Neuwahl einschließlich der (erneuten) Nominierung der Bürgermeisterkandidaten, jedenfalls des Bürgermeisterkandidaten für die Wählergemeinschaft H., durchzuführen (Nr. 3). Zugleich hat der Antragsteller um einstweiligen Rechtsschutz gegen die Bürgermeisterwahl in F. nachgesucht mit dem Ziel der Außerkraftsetzung ihres Vollzugs. Zur Begründung gibt der Antragsteller an, dass durch die Verwendung des Gemeindewappens auf den Wahlplakaten und den Werbeflyern der Kandidatin 2… eine unzulässige Wählerbeeinflussung und ein Verstoß gegen ihre Neutralitätspflicht als dritte Bürgermeisterin und Gemeinderätin vorgelegen hätten. Ferner sei das Recht auf eine freie Wahl verletzt worden durch die (teilweise) fehlenden Unterschriften des Leiters und der Helfer der Aufstellungsversammlung für den Bürgermeisterkandidaten der Wählergruppe H. auf dem Protokoll über die Aufstellung des Bürgermeisterkandidaten bei der Nominierungsversammlung. Schließlich sei die im Vorfeld der Wahl erfolgte Weitergabe seiner Adressdaten durch die Gemeinde ebenso wie die verfrühte Vereidigung des Beigeladenen am 19. Oktober 2015 rechtswidrig.
Der Antragsteller beantragt,
im Wege der einstweiligen Anordnung den Vollzug des Wahlergebnisses der Wahl des ersten Bürgermeisters der Gemeinde F. vom 18. Oktober 2015 außer Kraft zu setzen und ihm hierfür Prozesskostenhilfe zu bewilligen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Hinsichtlich der Zulässigkeit des Antrags verweist der Antragsgegner auf Art. 51a Nr. 2 GLKrWG und die danach für die Antrags- und Klagebefugnis erforderlichen fünf Beitrittserklärungen, die nicht vorliegen würden. Darüber hinaus sei der Antrag wegen der Rechtmäßigkeit des Bescheids des Landratsamtes … vom 21. Dezember 2015 auch unbegründet. Zur Begründung werden im Hinblick auf die Wappenverwendung durch die Kandidatin 2… und den (teilweise) nicht unterschriebenen Wahlvorschlag der Wählergruppe H. die Ausführungen aus dem Bescheid des Landratsamtes … vom 21. Dezember 2015 wiederholt und vertieft. Bezüglich der Weitergabe der Adressdaten für Wahlwerbungszwecke verweist der Antragsgegner auf Art. 32 Abs. 1 des Meldegesetzes und den nicht erhobenen Widerspruch des Antragstellers gegen die Weitergabe der Wahldaten. Schließlich wird der Vorwurf der verfrühten Vereidigung des ersten Bürgermeisters am 19. Oktober 2015 zurückgewiesen. Unabhängig von einer möglichen Wahlanfechtung werde der Gewählte bei Annahme der Wahl kraft Gesetzes mit dem Beginn der Amtszeit (hier: 19.10.2015) kommunaler Wahlbeamter.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakte verwiesen.
II.
1. Die (notwendige) Beiladung des gewählten ersten Bürgermeisters beruht auf § 65 Abs. 2 VwGO. Die in der Bürgermeisterwahl unterlegenen Bewerber waren nicht gemäß § 65 VwGO beizuladen. Denn ihnen stehen im Falle der vom Antragsteller begehrten einstweiligen Außervollzugssetzung der Bürgermeisterwahl als nicht gewählte Kandidaten weder eigene Rechte noch Anwartschaftsrechte zu, die von der Gerichtsentscheidung tangiert werden könnten (vgl. Büchner, Kommunalwahlrecht in Bayern, Kommentar für die Praxis, Stand: November 2015, zu Art. 51a GLKrWG, Nr. 2.3; BayVGH, B. v. 9.12.2002 – 4 C 02.2905; VG München, B. v. 28.10.2002 – M 7 K 02.3783 – juris).
2. Der als Antrag nach § 123 VwGO ausgelegte Eilantrag des Antragstellers hat keinen Erfolg.
Der Antragsteller begehrt mit seiner Klage, die Wahl zum ersten Bürgermeister in F. vom 4. und 18. Oktober 2015 wegen Verstoßes gegen Wahlvorschriften für ungültig zu erklären, mit seinem Eilantrag, den Vollzug der Wahlen einstweilen außer Kraft zu setzen.
Da das Verwaltungsgericht eine Wahl nicht selbst für ungültig erklären, sondern nur den Antragsgegner verpflichten kann, dies zu tun (vgl. Büchner, Kommunalwahlrecht in Bayern, Kommentar für die Praxis, Stand: November 2015, zu Art. 51a GLKrWG, Nr. 2.1), ist in der Hauptsache die Verpflichtungsklage und demzufolge nicht ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO, sondern ein solcher nach § 123 VwGO statthaft.
Der im Interesse des Antragstellers so verstandene (statthafte) Eilantrag erweist sich mangels Antragsbefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO analog) als unzulässig.
Nach Art. 51a des Gesetzes über die Wahl der Gemeinderäte, der Bürgermeister, der Kreistage und der Landräte (Gemeinde- und Landkreiswahlgesetz – GLKrWG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. November 2006 (GVBl S. 834), zuletzt geändert durch Gesetz vom 16. Februar 2012 (GVBl S. 30), ist klage- und somit auch eilantragsbefugt, wer geltend machen kann, durch die Entscheidung der Rechtsaufsichtsbehörde über eine Wahlanfechtung in seinen Rechten verletzt zu sein (Nr. 1), oder eine andere Person, die die Wahl angefochten hat, wenn ihrer Klage mindestens fünf im Wahlkreis wahlberechtigte Personen beitreten (Nr. 2).
Diese Voraussetzungen sind nicht gegeben. Eine Antragsbefugnis wegen eigener Betroffenheit als Gewählter oder unterlegener Bewerber i. S. v. Art. 51a Nr. 1 GLKrWG scheidet aus, da der Antragsteller nicht zu den Kandidaten der Bürgermeisterwahl gehörte. Für eine Antragsbefugnis des Antragstellers (nur) als Wahlberechtigter nach Art. 51a Nr. 2 GLKrWG fehlt es daran, dass – weder bis zum Ende der Klagefrist noch bis zum Zeitpunkt der gerichtlichen Eilentscheidung – mindestens fünf im Wahlkreis wahlberechtigte Personen seiner Klage bzw. seinem Eilantrag beigetreten sind.
3. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist ungeachtet der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers nach Maßgabe von § 166 VwGO i. V. m. §§ 114, 121 ZPO abzulehnen, weil der beabsichtigten Rechtsverfolgung, wie vorstehend dargelegt, keine hinreichende Aussicht auf Erfolg zukommt.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
5. Der Streitwert wird gemäß § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2 GKG unter Berücksichtigung von Nr. 22.1.1 i. V. m. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit auf 2.500 € festgesetzt.

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