Bankrecht

Unbegründeter Rückerstattungsanspruch eines in eine Unternehmensbeteiligung investierten Betrages wegen verwirkten Widerrufsrechts

Aktenzeichen  3 U 234/15

Datum:
27.1.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 133123
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Bamberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 119 Abs. 1, § 242, § 355 Abs. 3 S. 3, § 357, § 779
EGBGB Art. 27 Abs. 2 S. 1, Art. 31
BGB-InfoVO § 14

 

Leitsatz

Verwirkung setzt voraus, dass der Berechtigte ein Recht längere Zeit nicht geltend gemacht hat, obwohl er dazu in der Lage gewesen wäre, der Gegner sich mit Rücksicht auf das gesamte Verhalten des Berechtigten darauf einrichten durfte und eingerichtet hat, dass dieser sein Recht auch in Zukunft nicht geltend machen werde, und die verspätete Geltendmachung daher gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstößt. (Rn. 47) (red. LS Andy Schmidt)

Verfahrensgang

12 O 451/14 Kap 2015-11-24 Endurteil LGBAMBERG LG Bamberg

Tenor

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Landgerichts Bamberg vom 24.11.2015, Az. 12 O 451/14 Kap, durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
2. Der Kläger erhält Gelegenheit, hierzu bis zum 24.02.2016 Stellung zu nehmen.

Gründe

I.
Die Parteien streiten um die Rückerstattung eines durch den Kläger in eine Unternehmensbeteiligung investierten Betrages nach erfolgtem Widerruf.
1. Die Beklagte betreibt eine Kapitalanlagegesellschaft amerikanischen Rechts und bietet Beteiligungen von Erdöl- und Erdgasförderungsexplorationen in A./USA an. Sie wird in Deutschland durch die Firma T. GmbH (im folgenden: T. GmbH) vertreten.
a) Der Kläger erwarb von der Beklagten am 11.03.2005 Anteile an einer Beteiligung „S2“ über einen Betrag von 10.000,00 $ zuzüglich Agio (Anlage B2). Diese nicht streitgegenständliche Beteiligung wurde am 19.04.2009 auf die Beklagte zurückübertragen.
b) Am 15.08.2006 suchte der als Vermittler der Beklagten tätige H. den Kläger in dessen Privatwohnung auf und stellte diesem die Beteiligung an der Beklagten als Kapitalanlage vor. Am selben Tag unterzeichnete der Kläger den als Anlage A1 vorgelegten Vertrag über den Erwerb einer Beteiligung an dem „S1“- Projekt, welches von der Beklagten am 30.08.2006 angenommen wurde. Dieser Vertrag enthält folgende Passage:
„… Widerrufsbelehrung: Sie können Ihre Vertragserklärung innerhalb von zwei Wochen ohne Angabe von Gründen in Textform (zum Beispiel Brief, Fax, Email) widerrufen. Die Frist beginnt frühestens mit Erhalt dieser Belehrung. Zur Wahrung der Widerrufsfrist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufes. Der Widerruf ist zu richten an die Verwaltung der Beteiligten: M. GmbH.
Im Falle eines wirksamen Widerrufes sind die beiderseits empfangenen Leistungen zurückzugewähren und gegebenenfalls gezogene Nutzungen (z. B. Zinsen) herauszugeben. Können Sie die empfangene Leistung nicht oder nur in verschlechtertem Zustand zurückgewähren, müssen Sie uns insoweit gegebenenfalls Wertersatz leisten. Ende der Widerrufsbelehrung.“
Am selben Tag unterzeichnete der Kläger einen Verwaltungsvertrag mit der M. GmbH (Anlage A2), welcher von der M. GmbH ebenfalls am 30.08.2006 unterzeichnet wurde. Anlage 3 zu dem genannten Vertrag (vorgelegt als Anlage B1) enthält unter anderem die folgenden Regelungen:
„14. Vorvertraglich anwendbares Recht:
Auf die vorvertraglichen Verhandlungen findet USamerikanisches Recht Anwendung. 15. Auf den Vertrag anwendbares Recht/Gerichtsstand:
Auf den Beteiligungsvertrag findet USamerikanisches Recht Anwendung. Gerichtsstand ist D., A., USA.“
Den Vertrag erhielt der Kläger wenige Tage nach Unterzeichnung zurück. In der Folgezeit zahlte der Kläger an die Beklagte einen Beteiligungsbetrag von 8.892,73 € (entsprach nach damaligem Wechselkurs 11.250,00 US-Dollar). Im Zeitraum von 2007 bis 2010 erhielt der Kläger 2.410,82 € Ausschüttungen aus der Beteiligung.
Am 20.08.2014 unterzeichnete der Kläger ein zuvor von der T. GmbH übersandtes Schreiben folgenden Inhalts (Anlage B4):
„Sehr geehrte Damen und Herren,
() Ich bin mit dem Verkauf des Eigentumsanteils an der Förderanlage „S1“ einverstanden. Nach Rückübertragung der Anteile gehen alle Rechte und Pflichten ab dem 01.01.2014 auf den Operator über.
() Ich lehne den Verkauf des Eigentumsanteils an der Förderanlage „S1“ ab. Über die Konsequenzen, die in dem Schreiben der M. … Inc. vom 08.08.2012 aufgeführt wurden, bin ich mir im Klaren.“
Der Kläger kreuzte bei diesem Schreiben die erste Alternative an und sandte dies an den Absender zurück. Am 19.09.2014 unterzeichnete der Kläger ein als „Assignment and Bill of Sale“ bezeichnetes und in englischer Sprache abgefasstes Schreiben; hierbei ließ er seine Unterschrift durch den Notar Ulbricht beglaubigen (Anlage B5).
Mit anwaltlichem Schreiben vom 10.10.2014 (Anlage A5) widerrief der Kläger seine Beitrittserklärung und forderte die Beklagte zur Zahlung seines Einlagenbetrages abzüglich der Ausschüttungen, dass heißt 6.481,91 € auf. Zugleich wurde die Rückgabe der Beteiligung angeboten. Für die Zahlung wurde eine Frist bis 23.10.2014 gesetzt. Ein weiteres Mahnschreiben vom 24.10.2014 (Anlage A6) blieb erfolglos.
Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 15.09.2015 vereinbarten die Parteien übereinstimmend, dass das Gericht unter Anwendung deutschen materiellen Zivilrechts entscheiden solle.
2. Der Kläger hat erstinstanzlich vorgetragen,
dass die internationale Zuständigkeit des Landgerichts Bamberg nach § 12 ff. ZPO sei gegeben. Es liege ein Haustürgeschäft vor, so dass die Zuständigkeit sich aus § 29a ZPO ergebe.
Der Vertrag sei im Rahmen einer Haustürsituation geschlossen worden, weil der Kläger als Verbraucher anzusehen sei. Der Vermittler H., ein ehemaliger Schulkamerad des Klägers, habe sein Kommen zwar angekündigt, jedoch ohne einen konkreten Anlass mitzuteilen. Der Kläger habe zwar im Vorfeld mehrere Versicherungen über diesen abgeschlossen, für einer Bestellung im Sinne von § 312 Abs. 3 Nr. 1 BGB a. F. lägen aber keine Anhaltspunkte vor.
Hinsichtlich des Vertragsschlusses fehle es an einer Einigung über die essentialia negotii. Nach der vertraglichen Gestaltung sei unklar, welche konkreten Förderrechte der Kläger als Gegenleistung für seine Geldzahlung erhalten solle. Die Bezeichnung „S1 Projekt“ sei kein konkreter Vertragsgegenstand, später sei von „S1 C-Projekt“ die Rede gewesen. Außerdem sei die Einnahmen- und Ausgabenverteilung ebenso wie etwaige Umweltauflagen, Pacht oder Miete unklar. Der Kläger habe bis heute keinen Gesellschaftsvertrag oder eine Broschüre erhalten.
Der Kläger hat weiter vorgetragen, dass er einen wirksamen Widerruf erklärt habe. Die Widerrufsbelehrung verstoße gegen das Deutlichkeitsgebot. Sie sei in sprachlicher Hinsicht irreführend, da unklar sei, wann die Widerrufsfrist tatsächlich beginne, wenn darauf verwiesen werde, dass diese frühestens mit dem Erhalt „dieser Belehrung“ beginne. Die Beklagte könne sich auch nicht auf die Schutzfunktion der BGB-InfoV berufen, da diese nicht in ihrer vollständigen Fassung übernommen worden sei.
Das Vorliegen eines Rückabwicklungsvertrages bestreite er, ebenso, dass er höhere als die angegebenen 2.410,82 € an Ausschüttungen erhalten habe.
Der Kläger hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,
1.Die Beklagte wird verurteilt an den Kläger 6.481,91 € nebst 5% Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 24.10.2014 zu bezahlen.
2.Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für das vorgerichtliche Tätigwerden der Klägervertreter weitere 650,33 € nebst 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz nach § 247 BGB seit Klageerhebung zu bezahlen.
3.Die Beklagte hat beantragt,
Die Klage wird abgewiesen.
Die Beklagte hat erstinstanzlich die Zuständigkeit des Landgerichts Bamberg gerügt. Sitz der Beklagten sei A., Gerichtsstand sei D. in A.
Weiter hat die Beklagte vorgetragen, dass entgegen der Auffassung des Klägers die Kaufsache hinreichend konkretisiert sei. Der Kaufgegenstand sei im Prospekt (Anlage B12) ausreichend deutlich beschrieben. Auch die genaue Lage sei beschrieben, was sich aus der Imagebroschüre Anlage B13 ergebe, die der Kläger auch erhalten habe.
Ein Widerrufsrecht wegen eines Haustürgeschäfts stehe dem Kläger nicht zu. Bei Abschluss der Beteiligung habe keine Haustürsituation vorgelegen, weil sich der Vermittler vorher angemeldet habe. Zudem habe der Kläger die Art der Anlage auch schon aus der vorherigen Zeichnung der S.-Beteiligung, die mit dem hier streitgegenständlichen Projekt nahezu identisch sei, gekannt. Der Widerruf des Klägers sei verfristet, weil die Frist bereits zu laufen begonnen habe. Die verwendete Widerrufsbelehrung entspreche der Musterbelehrung in der gültigen Fassung der BGB-InfoV zum damaligen Zeitpunkt.
Jedenfalls stehe dem Kläger aufgrund der Rückabwicklung der Beteiligung ein Widerrufsrecht nicht mehr zu. Wie aus den Anlagen B4 und B5 hervorgehe, hätten sich die Parteien mit dem „Assignment and Bill of Sale“ am 19.09.2014 darüber geeinigt, die Beteiligung auf die Beklagte zu übertragen. Das Vertragsverhältnis existiere daher nicht mehr, das Schuldverhältnis sei aufgehoben.
Die Beklagte hat den Einwand unzulässiger Rechtsausübung und die Einrede der Verjährung erhoben. Daneben hat sie die Schadenshöhe bestritten.
Wegen der weiteren Einzelheiten und der in erster Instanz gestellten Anträge wird auf die dort gewechselten Schriftsätze und auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 143 – 148 d.A.) verwiesen.
4. Das Landgericht hat die Klage ohne Beweisaufnahme abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt:
a) Die Klage sei zulässig. Es sei deutsches Recht anwendbar, weil dies die Parteien im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 15.09.2015 nach Art. 27 Abs. 2 EGBGB a.F. vereinbart hätten. Das Landgericht Bamberg sei auch sachlich und örtlich nach § 29c ZPO zuständig.
b) Die Klage sei allerdings in der Sache unbegründet. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Rückzahlung von 6.481,91 € gem. §§ 346 Abs. 1, 357 Abs. 1, 355 Abs. 1, S. 1, 312 Abs. 1, S. 1 BGB a. F. Zwar habe ihm ein Widerrufsrecht zugestanden. Dieses könne er jedoch nach Abschluss der Vereinbarung vom 20.8.2014 nicht mehr geltend machen kann.
Es liege ein wirksamer Vertragsschluss mit den essentialia negotii zwischen den Parteien vor. Allerdings habe dem Kläger trotz Ablauf der zweiwöchigen Widerrufsfrist (zunächst noch) ein Widerrufsrecht nach § 312 Abs. 1 S. 1 BGB a.F. zugestanden. Eine Haustürsituation sei gegeben gewesen. Die in der Widerrufsbelehrung bzw. § 355 BGB a.F. genannte zweiwöchige Widerrufsfrist habe bei Erhalt der Widerrufsbelehrung noch nicht zu laufen begonnen, weil sie über den Beginn der Frist zum Widerruf nicht ordnungsgemäß belehrt habe. Dem Kläger stehe sein Widerrufsrecht allerdings aufgrund des zwischen den Parteien geschlossenen „Assignment and Bill of Sale“ nicht mehr zu. Dieser sei als Vergleichsvertrag einzuordnen. Nach Sinn und Zweck der Vereinbarung sollten neben den dort getroffenen Regelungen keine weiteren Ansprüche mehr bestehen, so dass der Kläger auf sein Widerrufsrecht verzichtet habe. Hieran müsse sich der Kläger festhalten lassen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gründe des angefochtenen Urteils (Bl. 149 – 155 d.A.) verwiesen.
5. Gegen das ihm am 30.11.2015 zugestellte Urteil hat der Kläger am 14.12.2015 Berufung eingelegt und diese gleichzeitig begründet. Er verfolgt seinen erstinstanzlichen Anspruch bis auf einen Betrag von 125,43 € weiter. Er begründet seine Berufung unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens wie folgt:
„Die Beklagte habe dem Kläger am 01.07.2015 den Betrag von 125,43 € überwiesen. Dieser sei von der Klageforderung in Abzug zu bringen.“
Das Landgericht habe zwar zutreffend erkannt, dass der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag in einer Haustürsituation unter Verwendung einer falschen Widerrufsbelehrung abgeschlossen worden sei. Unzutreffend sei, dass der Kläger auf sein Widerrufsrecht verzichtet habe. Das Landgericht habe seine Auffassung nicht begründet, es fehle an jeglicher Argumentation bzw. Subsumtion. Tatsächlich spreche nichts für einen Verzicht.
Selbst wenn ein konkludenter Verzicht vereinbart worden wäre, könne sich die Beklagte hierauf nicht berufen. Der Kläger habe seine Anteile nicht an die Beklagte abgetreten, sondern, wie die Beklagte mit ihrem Schreiben vom 08.08.2014 mitgeteilt habe, an die C. LLC. Das „Assignment and Bill of Sale“, aus dem der Vertragsschluss mit der Beklagten hervorgehe, habe ihm nur in englischer Sprache vorgelegen. Vertragsenglisch beherrsche er jedoch nicht. Er, der Kläger, sei deshalb davon ausgegangen, dass die C. LLC sein Vertragspartner sei. Der Kläger habe deshalb keinen Vertrauenstatbestand geschaffen, dass er sich nicht mehr auf ein Widerrufsrecht berufen würde.
Selbst wenn dem Kläger kein Widerrufsrecht zugestanden hätte, stünde ihm aufgrund einer Vielzahl von Auskunftspflichtverletzungen ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte zu.
Der Kläger beantragt,
Die Beklagte wird unter Abänderung des Urteils des Landgericht Bamberg vom 24.11.2015, Az.: 12 O 451/14 Kap, verurteilt, an den Kläger 6.481,91 € nebst 5% Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 24.10.2104, abzüglich von am 01.07.2015 geleisteter 125,43 €, zu bezahlen.
II.
Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers einstimmig durch Beschluss zurückzuweisen, weil sie nach derzeitigem Sach- und Streitstand aussichtslos und offensichtlich unbegründet ist (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO) und auch die sonstigen Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO vorliegen.
Das Urteil des Landgerichts ist im Ergebnis und im Wesentlichen auch in der Begründung richtig. Ergänzend ist in Hinblick auf das Berufungsvorbringen Folgendes auszuführen:
1. Zu Recht ist das Landgericht von der Anwendbarkeit deutschen Rechts ausgegangen. Die Parteien haben in der mündlichen Verhandlung vom 15.09.2015 erklärt, dass der „Fall unter Anwendung deutschen Zivilrechts“ zu entscheiden sei. Dementsprechend ist aufgrund der Vorschrift des Art. 27 Abs. 2 S. 1, Art. 31 EGBGB a.F. auf den am 15.08.2006 unterschriebenen Vertrag deutsches Recht anzuwenden, auch wenn die Parteien dort vereinbart hatten, dass amerikanisches Recht maßgeblich sein solle.
Dieselbe Rechtsfolge ergibt sich für den von den Parteien am 20.08.2014 bzw. 19.09.2014 geschlossenen Vertrag, der als „Assignment and Bill of Sale“ bezeichnet ist. Rechtsgrundlage hierfür ist Art. 1 Abs. 1, 3 Abs. 2 S. 1, 10 Abs. 1 Rom I-VO.
2. Im Ergebnis ist auch der Auffassung des Landgerichts beizutreten, dass durch den Abschluss des „Assignment and Bill of Sale“ vom 19.09.2014 ein Widerrufsrecht des Klägers jedenfalls nicht mehr besteht.
a) Zutreffend ist zunächst die Auffassung des Landgerichts, dass die dem Kläger bei Abschluss der streitgegenständlichen Beteiligung erteilte Widerrufsbelehrung nicht ausreichend war. Der Senat nimmt hier zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen des Landgerichts vollumfänglich Bezug. Das Widerrufsrecht des Klägers war daher nicht durch Fristablauf erloschen, weil gemäß § 355 Abs. 3 S. 3 BGB die Widerrufsfrist mangels ordnungsgemäßer Belehrung nicht in Gang gesetzt worden war (s. hierzu BGH NJW 2012, S. 3298).
b) Im Ergebnis ist dem Landgericht auch darin zuzustimmen, dass durch das „Assignment and Bill of Sale“ ein Widerrufsrecht des Klägers nicht mehr besteht.
aa) Entgegen der Auffassung des Klägers ist dieses Vertragsverhältnis zwischen den Parteien tatsächlich zustande gekommen. Dies ist aus der Vertragsurkunde erkennbar, die den Kläger als Verkäufer der Anteile und die Beklagte als Käuferin ausweist. Unbeachtlich ist die Behauptung des Klägers, dass er davon ausgegangen sei, dass nicht die Beklagte, sondern die C. LLC sein Vertragspartner sei. Der Irrtum über die Person des Vertragspartners stellt keinen Grund für eine Unwirksamkeit der Vereinbarung, sondern lediglich einen Grund zur Anfechtung nach der Vorschrift des § 119 Abs. 1 BGB dar (Wendtland in Beck’scher Online-Kommentar BGB, § 119 Rnr. 35; Armbrüster in Münchener Kommentar zum BGB, 7. Aufl., § 119 Rnr. 76). Eine Anfechtung des Vertrages durch den Kläger ist jedoch bislang nicht erfolgt; eine „unverzügliche“ Anfechtung gemäß § 121 Abs. 1 BGB ist jedenfalls zum jetzigen Zeitpunkt auch nicht mehr möglich. Im Übrigen hat der Kläger nicht hinreichend dargelegt, aus welchen Gründen er den Vertrag bei Kenntnis der Sachlage und bei verständiger Würdigung des Falles nicht abgeschlossen hätte, insbesondere warum er die streitgegenständliche Beteiligung nicht an die Beklagte hätte verkaufen wollen. Eine nähere Darlegung wäre vor allem vor dem Hintergrund erforderlich gewesen, dass der Kläger bereits die Beteiligung an der „S2“ ebenfalls an die Beklagte zurück verkauft hat.
bb) Entgegen der Auffassung des Landgerichts handelt es sich bei dem „Assignment and Bill of Sale“ allerdings nicht um einen Vergleichsvertrag nach der Vorschrift des § 779 BGB. Die Parteien haben hierdurch nicht den Streit oder die Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis im Wege gegenseitigen Nachgebens beseitigt. Sie haben sich vielmehr über eine umfassende Aufhebung und Abwicklung der streitgegenständlichen Beteiligung geeinigt. Dies stellt einen Änderungs- bzw. Aufhebungsvertrag im Sinne der Vorschrift des § 311 Abs. 1 BGB dar.
cc) Allerdings kann der Abschluss eines solchen Vertrages zur Folge haben, dass aus dem ursprünglichen Vertrag keine wechselseitigen Ansprüche mehr bestehen und auch nicht mehr ein Widerrufsrecht ausgeübt werden kann. Bei dem Widerrufsrecht handelt es sich um ein besonders ausgestaltetes Rücktrittsrecht des Verbrauchers. Die Rechtsfolgen des wirksamen Widerrufs sollen nach § 357 BGB dazu dienen, dem Verbraucher ein umfassendes Lösungsrecht von dem Vertrag zu gewähren. Die widerrufliche Willenserklärung und der Vertrag sind also zunächst gültig und lösen beiderseitige Erfüllungsansprüche aus. Dementsprechend führt erst ein wirksamer Widerruf zum Wegfall der primären Leistungspflichten der Beteiligten und zu der mit exnunc-Wirkung eintretenden Umwandlung des Verbrauchervertrages in ein Rückabwicklungsverhältnis (Masuch in Münchener Kommentar zum BGB, 7. Auflage, § 355 Rn. 39, 50; Müller-Christmann in Beck’scher Online-Kommentar zum BGB, § 355 Rnr. 29).
Wird allerdings der ursprüngliche Vertrag vollständig durch einen nachfolgenden Vertrag ersetzt, können die gesetzlich gewollten Rechtsfolgen des wirksamen Widerrufs nicht (mehr) eintreten. Der Verbraucher benötigt kein Lösungsrecht von einem Vertrag, der gar nicht mehr existiert. Der Widerruf geht in Bezug auf die vertraglichen Leistungspflichten ins Leere, da solche, die infolge des Widerrufs wegfallen könnten, nicht mehr vorhanden sind. Im Fall ihrer vollständigen Ersetzung durch einen neuen Vertrag waren sie lediglich noch die Rechtsgrundlage für in der Vergangenheit erbrachten Leistungen der Parteien. Die Ausübung des Widerrufsrechts kommt daher nicht mehr in Betracht (OLG Düsseldorf, ZIP 2015, S. 1164; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 18.01.2012, Az.: 6 W 221/11).
c) Im Übrigen wäre ein Widerrufsrecht des Kläger nach der Vorschrift des § 242 BGB verwirkt.
aa) Einer Verwirkung steht grundsätzlich nicht entgegen, dass die Vorschrift des § 355 Abs. 3 S. 3 BGB a.F. dem Verbraucher im Falle einer nicht ordnungsgemäßen Belehrung ein unbefristetes Widerrufsrecht einräumt. Dies bedeutet lediglich, dass das Widerrufsrecht des nicht ordnungsgemäß belehrten Verbrauchers keiner gesetzlichen Ausübungs- oder Ausschlussfrist unterliegt, nicht aber, dass es ungeachtet der Grundsätze von Treu und Glauben nach § 242 BGB gleichsam unbegrenzt ausgeübt werden könnte. Insoweit gelten für ein unbefristetes Widerrufsrecht prinzipiell die gleichen Beschränkungen wie für andere, nicht an die Einhaltung bestimmter Fristen gebundene Gestaltungsrechte.
bb) Verwirkung setzt voraus, dass der Berechtigte ein Recht längere Zeit nicht geltend gemacht hat, obwohl er dazu in der Lage gewesen wäre, der Gegner sich mit Rücksicht auf das gesamte Verhalten des Berechtigten darauf einrichten durfte und eingerichtet hat, dass dieser sein Recht auch in Zukunft nicht geltend machen werde, und die verspätete Geltendmachung daher gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstößt (BGH NJW-RR 2005, 180; BGH WM 2004, S. 1518). Die erforderliche Zeitdauer, die seit der Möglichkeit der Geltendmachung des Rechts verstrichen sein muss, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Zu berücksichtigen sind vor allem die Art und Bedeutung des Anspruchs, die Intensität des von dem Berechtigten geschaffenen Vertrauenstatbestandes und das Ausmaß der Schutzbedürftigkeit des Verpflichteten.
(1) Nach diesen Vorgaben sieht der Senat das sogenannte Zeitmoment in Anbetracht der Tatsache, dass der Kläger, nachdem ihm die Widerrufsbelehrung vom 15.08.2006 vorlag, mehr als acht Jahre hat verstreichen lassen, bevor er den Widerruf erklärt hat, als erfüllt an. Insbesondere kommt es in diesem Zusammenhang nicht darauf an, ob er von dem trotz Fristablaufs tatsächlich fortbestehenden Widerrufsrecht Kenntnis hatte (BGH NJW 2007, S. 2183). Das ist jedenfalls dann unbedenklich, wenn es – wie hier – nicht um eine (vollständig) fehlende, sondern nur um eine formal missverständliche und allein deshalb nicht ordnungsgemäße Widerrufsfrist geht. Die dem Kläger erteilte Widerrufsbelehrung war zwar in diesem Sinne fehlerhaft, konnte einen durchschnittlichen Verbraucher aber über das Bestehen eines befristeten Widerrufsrechts als solches nicht im Unklaren lassen. Anders als etwa bei einer vollständig fehlenden Belehrung oder einer Belehrung, die das Widerrufsrecht von irgendwelchen Bedingungen abhängig macht oder an seine Ausübung unzulässige, nachteilige Rechtsfolgen knüpft, konnte sich der Kläger hier über die befristete Befugnis zum Widerruf seiner Vertragserklärungen nicht im Irrtum befinden. Die ihm erteilte Belehrung entsprach bis auf die vom Kläger dargelegten geringfügigen Abweichungen der damals gültigen Anlage 2 zur § 14 BGB-InfoVO und war jedenfalls nicht geeignet, ihn von einem Widerruf abzuhalten (OLG Frankfurt, Beschluss vom 10.03.2014, Az.: 17 W 11/14).
(2) Das sogenannte Umstandsmoment sieht der Senat in mehreren Umständen. Der Kläger hat zunächst über die erfolgten Ausschüttungen die Vorteile der Anlage in Anspruch genommen. Er hatte mit der Beteiligung an der „S2“ eine ähnliche gelagerte Beteiligung von der Beklagten erworben, die eine identische Widerrufsbelehrung enthielt. Der Kläger hat von diesem Recht jedoch keinen Gebrauch gemacht, sondern auch hier die Beteiligung bereits im Jahr 2009 an die Beklagte rückveräußert. Vor allem jedoch durfte sich die Beklagte mit dem Abschluss des „Assignment and Bill of Sale“ darauf einrichten, dass der Kläger die Anlage insgesamt als erledigt betrachtet und hieraus keine Ansprüche mehr geltend machen, insbesondere das Recht zum Widerruf nicht mehr ausüben würde. Vielmehr konnte die Beklagte im Hinblick auf diese Vereinbarung und auf das Verhalten des Klägers bei der Rückveräußerung der Beteiligung „S2“ auf den Bestand der vereinbarten Vertragsabwicklung vertrauen (OLG Köln, BKR 2012, S. 162; OLG Düsseldorf, BKR 2014, S. 287; OLG Frankfurt a.a.O.).
(3) In dem Zusammenhang kommt es nicht darauf an, ob der Kläger von dem eventuell fortbestehenden Widerrufsrecht Kenntnis erlangt hatten, bevor er den Rechtsrat seiner Prozessbevollmächtigten in Anspruch genommen hat (BGH Urteil vom 15. 12. 2009, Az.: XI ZR 45/09). Der Eintritt der Verwirkung hängt nicht notwendig davon ab, dass der Berechtigte über seine Rechtsposition in Unkenntnis war. Sofern der andere Teil dem Berechtigten nicht eine Rechtsposition treuwidrig verheimlicht hat, reicht dazu grundsätzlich aus, dass der Berechtigte sie objektiv hätte kennen können. Diese Voraussetzung war spätestens mit Veröffentlichung des Urteils des BGH vom 01.12.2010, VIII ZR 82/10 (NJW 2011, S. 1061) erfüllt (OLG Köln a.a.O.; OLG Düsseldorf a.a.O.).
3. Schadensersatzansprüche aus Verletzung einer Beratungspflicht hat der Kläger in erster Instanz nicht substantiiert dargelegt. Der Sachvortrag in der Berufungsinstanz ist ein neues Angriffsmittel, das nach der Vorschrift des § 531 Abs. 2 S. 1 ZPO zurückzuweisen ist.
III.
1. Auch die weiteren Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO liegen vor. Der Senat weicht nicht von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs oder anderer Obergerichte ab. Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Sie ist geprägt durch die ihr innewohnenden Besonderheiten eines Einzelfalles. Alle Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung sind bereits höchstrichterlich geklärt. Eine Zulassung der Revision wäre im Falle einer Entscheidung durch Urteil nicht geboten.
2. Auch eine mündliche Verhandlung ist in der vorliegenden Sache nicht veranlasst (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ZPO). Es ist auszuschließen, dass in einer mündlichen Verhandlung neue, im Berufungsverfahren zuzulassende Erkenntnisse gewonnen werden können, die zu einer anderen Beurteilung führen.
3. Abschließend und pflichtgemäß weist der Senat auf die im Falle einer Berufungsrücknahme in Betracht kommende Gerichtsgebührenermäßigung (KV GKG Nr. 1220, 1222) hin.
4. Der Senat beabsichtigt, den Streitwert des Berufungsverfahrens auf 6.356,48 € festzusetzen.

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