Aktenzeichen M 9 S 17.53409
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1, § 11 Abs. 1
VO (EU) 604/2013 Art. 3 Abs. 1
Leitsatz
1. Gemäß § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG ordnet das Bundesamt die Abschiebung in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat an, sobald feststeht, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
2. Art. 3 Abs. 1 Dublin III-VO sieht vor, dass der Asylantrag von dem Mitgliedstaat geprüft wird, der nach den Kriterien des Kapitels III der Dublin III-VO als zuständiger Staat bestimmt wird. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen die bevorstehende Überstellung nach Österreich im Rahmen des sog. Dublin-Verfahrens.
Der Antragsteller ist (alles nach eigenen Angaben, der Antragsteller hat keine Personaldokumente seines Heimatlandes vorgelegt, allerdings liegt die Kopie einer Tazkira vor, Bl. 27 der Bundesamtsakte) afghanischer Staatsangehöriger und geboren am … 1995. Auf die Angaben im persönlichen Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats und die persönliche Anhörung zur Klärung der Zulässigkeit des gestellten Asylantrags am 10. November 2017, Bl. 42 – 45 der Bundesamtsakte, wird Bezug genommen. Er habe sein Heimatland etwa vor zwei Jahren und acht Monaten verlassen. Er sei über den Iran, die Türkei, Bulgarien, Serbien, Ungarn und Österreich, wo er zweieinhalb Jahre gelebt habe, nach Deutschland gekommen, wo er am 26. Oktober 2017 angekommen sei und wo er am 10. November 2017 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) – Außenstelle Manching einen Asylantrag gestellt hat. Er habe in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt.
Am 13. November 2017 fand die Anhörung zur Zulässigkeit des Asylantrags gem. § 29 Abs. 1 Nr. 1 – 4 AsylG i.V.m. § 25 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 AsylG statt. Dort gab der Antragsteller u.a. auf die Frage, ob es Gründe gebe, warum er nicht nach Österreich überstellt werden wolle, an, sein Asylantrag sei in Österreich abgelehnt worden. Er wolle nicht nach Österreich, denn wenn er dorthin zurückgehe, werde er nach Afghanistan abgeschoben. An sich sei er in Österreich sehr glücklich gewesen. Außerdem gab der Antragsteller auf entsprechende Frage an, dass sein „halber Kopf“ ein bis zwei Mal im Jahr wehtue. Er sei deswegen in Österreich behandelt worden. Ärztliche Atteste o.ä. habe er aber nicht. Auf die Niederschrift im Übrigen wird Bezug genommen (Bl. 71 – 74 bzw. Bl. 86 – 89 der Bundesamtsakten).
Ebenfalls am 13. November 2017 fand außerdem noch eine Anhörung gemäß § 25 AsylG statt. Auf die Niederschrift über die Anhörung wird Bezug genommen (Bl. 66 – 70 der Bundesamtsakten).
Für den Antragsteller folgt aus dem von der Antragsgegnerin vorgelegten Verwaltungsvorgang ein Eurodac-Treffer für Österreich (AT1150479265-10621653, Bl. 2 bzw. Bl. 5 bzw. Bl. 76 der Bundesamtsakten).
Auf ein Übernahmeersuchen der Antragsgegnerin vom 14. November 2017 an Österreich teilten die österreichischen Behörden mit Schreiben vom 16. November 2017 (Bl. 92f. der Bundesamtsakte) mit, dass dem Übernahmeersuchen stattgegeben wird.
Mit Bescheid vom 20. November 2017 lehnte das Bundesamt den Antrag als unzulässig ab (Nr. 1), stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Nr. 2) und ordnete die Abschiebung nach Österreich an (Nr. 3). Die Nr. 4 des Bescheids enthält die Befristungsentscheidung hinsichtlich des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 1 AufenthG. Auf den Bescheid und seine Begründung wird Bezug genommen.
Ausweislich der in der Bundesamtsakte enthaltenen Kopie der Empfangsbestätigung wurde der Bescheid am 23. November 2017 zugestellt.
Der Antragsteller erhob hiergegen am 23. November 2017 zur Niederschrift bei der auswärtigen Rechtsantragstelle des Verwaltungsgerichts München in Ingolstadt Klage (Az.: M 9 K 17.53408) mit dem Antrag, den Bescheid vom 20. November 2017 aufzuheben.
Außerdem wurde beantragt,
hinsichtlich der Abschiebungsanordnung nach Österreich die aufschiebende Wirkung der Klage gemäß § 80 Abs. 5 VwGO anzuordnen.
Zur Begründung der Rechtsbehelfe wird Bezug genommen auf die Angaben gegenüber dem Bundesamt und außerdem ausgeführt, dass der Antragsteller zweieinhalb Jahre in Österreich gelebt habe und dort auch zur Schule gegangen sei, dann sei sein Asylantrag zweimal abgelehnt worden und er habe nach Afghanistan zurückkehren bzw. Österreich innerhalb von neun Tagen verlassen sollen. Daraufhin sei er nach Deutschland gekommen. Er wolle hier bleiben, zumal er schon ein wenig Deutsch schreiben könne. In Afghanistan habe er niemanden mehr.
Die Antragsgegnerin legte die Behördenakten vor, äußerte sich in der Sache aber nicht.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten in diesem und im dazugehörigen Klageverfahren und der Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der Antrag hat keinen Erfolg.
Für das Gericht ist hinsichtlich der Sach- und Rechtslage der Zeitpunkt der Entscheidung maßgeblich (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 AsylG).
Der Antrag ist zwar zulässig, insbesondere ist er fristgerecht gestellt, § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylG i.V.m. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO.
Der Antrag ist jedoch unbegründet, denn die Hauptsacheklage hat voraussichtlich keinen Erfolg.
Der Bescheid der Antragsgegnerin vom 20. November 2017, auf den im Sinne von § 77 Abs. 2 AsylG Bezug genommen wird, ist voraussichtlich rechtmäßig.
Gemäß § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG ordnet das Bundesamt die Abschiebung in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat an, sobald feststeht, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann.
1. Österreich ist als Mitgliedstaat, über dessen Grenze der Antragsteller aus einem Drittstaat illegal eingereist ist, für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig.
Die Zuständigkeit für die Durchführung des Asylverfahrens richtet sich vorliegend nach der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaates, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Dublin III-VO). Die Zuständigkeitskriterien der Dublin III-VO finden nach Art. 49 Abs. 2 dieser Verordnung auf Asylanträge, die – wie hier – nach dem 1. Januar 2014 gestellt worden sind, Anwendung.
Art. 3 Abs. 1 Dublin III-VO sieht vor, dass der Asylantrag von dem Mitgliedstaat geprüft wird, der nach den Kriterien des Kapitels III der Dublin III-VO als zuständiger Staat bestimmt wird. Bei Anwendung dieser Kriterien ist ohne weiteres Österreich für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig. Gemäß Art. 13 Abs. 1 Satz 1 Dublin III-VO ist derjenige Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrags zuständig, über dessen Grenze der Asylbewerber aus einem Drittstaat illegal eingereist ist. Das ist auch nach dem eigenen Vortrag des Antragstellers Österreich; das wird auch bewiesen durch den Eurodac – Treffer mit der Kennzeichnung „AT1“. Die Ziffer „1“ steht für einen Antrag auf internationalen Schutz (Art. 24 Abs. 4 i.V.m. Art. 9 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 vom 26.6.2013 (Neufassung) (EURODAC-VO)). Die Zuständigkeit Österreichs ist auch nicht gemäß Art. 13 Abs. 1 Satz 2 Dublin III-VO erloschen. Damit ist vorliegend Österreich der für die Durchführung des Asylverfahrens zuständige Mitgliedstaat.
Die österreichischen Behörden haben ihre Zuständigkeit erklärt und dem Wiederaufnahmeersuchen der Antragsgegnerin stattgegeben, was die Verpflichtung nach sich zieht, die betreffende Person wieder aufzunehmen und angemessene Vorkehrungen für die Ankunft zu treffen (Art. 18 Abs. 1 Dublin III-VO). Soweit der Antragsteller geltend macht, dass sein Asylantrag in Österreich abgelehnt worden sei, ändert das nichts, da gemäß Art. 18 Abs. 1 Buchstabe d) Dublin III-VO auch in diesem Fall nach den Dublin-Regeln zu überstellen ist.
2. Die Abschiebung nach Österreich kann gemäß § 34a Abs. 1 AsylG auch durchgeführt werden.
Die Zuständigkeit ist nicht gem. Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 3 Dublin III-VO auf die Antragsgegnerin übergegangen, weil eine Überstellung an Österreich als den zuständigen Mitgliedstaat an Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO scheitern würde. Es bestehen keinerlei Zweifel daran, dass das Asylsystem einschließlich der Aufnahmebedingungen in Österreich den anzulegenden Maßstäben gerecht wird (vgl. VG München, U.v. 15.3.2017 – M 9 K 17.50031 – juris Rn. 41; VG Greifswald, B.v. 9.11.2017 – 4 B 2196/17 As HGW – juris Rn. 14).
Individuelle, außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO notwendig machen, liegen nicht vor. Ebenso wenig liegen inlandsbezogene oder zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse vor. Auch unter Berücksichtigung des Vortrags im Verwaltungssowie im Verwaltungsstreitverfahren ergibt sich kein anderes Ergebnis.
Der Vortrag in den Dublin-Anhörungen bezogen auf die Verhältnisse in Österreich begründet keine – nach dem oben Gesagten nicht vorliegenden – systemischen Schwachstellen des österreichischen Asylverfahrens; im Übrigen unterliegt es gerade nicht der Disposition des Antragstellers, wo er sein Asylverfahren zu durchlaufen hat. Der vom Antragsteller geltend gemachte Umstand, dass sein Asylantrag in Österreich abgelehnt worden sei und dass er befürchte, in sein Heimatland abgeschoben zu werden, ist nicht geeignet, systemische Mängel des österreichischen Asylverfahrens zu begründen, vielmehr ist die gegenseitige Anerkennung der jeweiligen Asylentscheidungen einschließlich von deren Folgen gerade das Kennzeichen des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems.
Die Angaben des Antragstellers im Rahmen der Anhörung nach § 25 AsylG führen ebenfalls nicht zu einem anderen Ergebnis. Hierbei handelt es sich um die Geltendmachung von Umständen, die für die Überstellung des Antragstellers im Rahmen der Anwendung der Dublin III-Verordnung nicht relevant sind, vielmehr handelt es sich um sog. zielstaatsbezogenes Vorbringen, das zum Asylantrag des Antragstellers gehört, für den die Antragsgegnerin aber gerade nicht zuständig ist.
Auch gegen die Rechtmäßigkeit der Entscheidungen in den Nummern 2 und 4 des streitgegenständlichen Bescheids bestehen daher keine Bedenken.
3. Der Antrag wird daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abgelehnt. Das Verfahren ist nach § 83b AsylG gerichtskostenfrei.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).