Aktenzeichen 24 T 1530/17
Leitsatz
Bei ordnungsgemäßer Benachrichtigung des zuständigen Konsulats, kann nicht von einem Verstoß gegen Art. 36 Abs. 1 b WÜK ausgegangen werden kann (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
9 XIV 45/17 2017-09-29 Bes AGINGOLSTADT AG Ingolstadt
Tenor
1. Die Beschwerde des Betroffenen vom 06.10.2017 in der Fassung vom 16.10.2017 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Ingolstadt vom 29.09.2017, Az. 9 XIV 45/17 wird zurückgewiesen.
2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
3. Der Antrag auf Gewährung von Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird zurückgewiesen.
4. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Der Betroffene ist marokkanischer Staatsangehöriger. Er wurde am 21.07.2017 gegen 18:20 Uhr im Zug M79040 (Strecke Salzburg – München) auf Höhe Prien am Chiemsee von der PIF Traunstein einer grenzpolizeilichen Einreisekontrolle unterzogen. Er konnte keine für seine Einreise und Aufenthalt legitimierenden Ausweisdokumente vorweisen sondern lediglich auf seinem Handy ein Foto seiner bereits abgelaufenen Aufenthaltsgestattung. Er wurde daraufhin zur weiteren Sachbearbeitung an die Bundespolizeiinspektion Rosenheim überstellt.
Nach Überprüfung des Betroffenen stellte sich heraus, dass dieser im INPOL zur Strafvollstreckung ausgeschrieben war. Ausweislich des AZR war sein Asylantrag in Deutschland bereits am 07.06.2017 als unbegründet abgelehnt und ihm am 29.05.2017 seine Abschiebung angedroht worden. Wegen der näheren Einzelheiten wird auf Bl. 1/41 Bezug genommen.
Aufgrund dessen betrieb die beteiligte Bundespolizeiinspektion Rosenheim die Abschiebung des Betroffenen nach Marokko und stellte mit Schreiben vom 11.04.2017 (sic!), beim Amtsgericht Ingolstadt eingegangen am 25.07.2017, Antrag auf Verlängerung der Anordnung der Freiheitsentziehung bis längstens 14.10.2017.
Mit Beschluss vom 26.07.2017 ordnete das Amtsgericht Ingolstadt gegen den Betroffenen – wie beantragt – Haft zur Sicherung der Abschiebung bis längstens 14.10.2017 an. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 51/57 der Akte Bezug genommen.
Die hiergegen eingelegte Beschwerde des Parteivertreters des Betroffenen vom 03.08.2017, begründet mit Schriftsatz vom 28.08.2017, hat das Landgericht Ingolstadt mit Beschluss vom 15.09.2017 mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Haft spätestens am 03.10.2017 endet. Ausweislich dieses Beschlusses sah sich die Kammer aufgrund der ergänzenden Stellungnahme der Bundespolizeiinspektion vom 04.09.2017 veranlasst, die Haftzeit auf den 03.10.2017 zu begrenzen. Wegen der konkreten Gründe wird auf Bl. 82/91 der Akten Bezug genommen.
II.
Mit Schreiben vom 27.09.2017 beantragte die beteiligte Polizeiinspektion Rosenheim die Verlängerung der bereits beantragten Haft bis längstens 06.10.2017, da für den Betroffenen ein konkreter Flug nach Casablanca erst am 26.09.2017 für den 05.10.2017 bestätigt werden konnte. Wegen der Einzelheiten wird auf den Antrag Bl. 82/102 der Akte Bezug genommen.
Mit Beschluss vom 29.09.2017 ordnete das Amtsgericht Ingolstadt – nach Anhörung des Betroffenen am selben Tag – die Verlängerung der Haft zur Sicherung der Abschiebung bis längstens 06.10.2017 antragsgemäß an. Insoweit wird auf den Beschluss Bl. 109/113 der Akte Bezug genommen.
Mit Schriftsatz vom 06.10.2017 legte der Verfahrensbevollmächtigte des Betroffenen gegen diesen Beschluss Beschwerde ein und begründete diese mit Schreiben vom 16.10.2017 dahingehend, dass zum einen ein Verstoß gegen Art. 36 Abs. 1 b WÜK vorliege, da die konsularische Vertretung des Betroffenen trotz dessen ausdrücklichen Wunsches nicht von der fortdauernden Inhaftierung informiert worden sei. Zum anderen liege ein Verstoß gegen das faire Verfahren vor, da der Verfahrensbevollmächtigte vor der Entscheidung des Amtsgerichts nicht von dem Verlängerungsantrag der beteiligten Bundespolizeiinspektion in Kenntnis gesetzt worden sei.
III.
Die gemäß § 106 Abs. 2 AufenthG i. V. m. § 58 Abs. 1 FamFG statthafte Beschwerde wurde ordnungsgemäß eingelegt und sind damit zulässig.
Der Beschwerde muss im Ergebnis jedoch der Erfolg versagt bleiben. Die ursprüngliche Beschwerde hat sich durch die zwischenzeitlich erfolgte Abschiebung des Betroffenen erledigt.
Soweit der Verfahrensbevollmächtigte Rechtsanwalt F. mit Schriftsatz vom 16.10.2017 die Feststellung beantragt hat, dass der angefochtene Beschluss den Betroffenen in seinen Rechten verletzt hat, führt auch dieser Antrag nicht zum Erfolg, da die angegriffene Haftanordnung im Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses nicht zu beanstanden ist:
1. Hinsichtlich der vollziehbaren Ausreisepflicht des Betroffenen, des Einvernehmens der Staatsanwaltschaft gemäß § 72 Abs. 4 AufenthG sowie des Haftgrundes nach § 62 Abs. 3 S. 1 Nr. 5 i.V.m. § 2 Abs. 14 AufenthG wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Entscheidung der Kammer vom 15.09.2017 (Bl. 82/91 der Akte) Bezug genommen. Die Kammer hält insoweit an ihrer Einschätzung fest.
2. Auch dem nunmehr angegriffenen Beschluss des Amtsgerichts Ingolstadt vom 29.09.2017 lag ein zulässiger und ausreichend begründeter Haftantrag der beteiligten Bundespolizeiinspektion vom 27.09.2017 zu Grunde. Dieser hat insbesondere ergänzend zum vorausgegangenen Antrag dargelegt, warum eine Verlängerung der Haftanordnung nun doch noch bis 06.10.2017 notwendig ist und dies mit der Flugbuchung für den 05.10.2017 schlüssig und nachvollziehbar begründet.
3. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit war gewahrt. Mildere Mittel als die Anordnung der Haft waren nach wie vor nicht gegeben. Meldeauflagen, die Verwahrung des Passes oder die Verfügung, sich an einem bestimmten Ort aufzuhalten, waren nicht geeignet, um eine Abschiebung sicherzustellen. Abschiebungshindernisse bestanden ebenfalls nicht. Nachdem der Betroffene durch das Amtsgericht persönlich auch ordnungsgemäß zum Verlängerungsantrag angehört wurde, ist der angegriffene Beschluss in der Sache nicht zu beanstanden.
4. Das Beschwerdevorbringen ist in der Sache nicht geeignet, eine andere Entscheidung zu rechtfertigen. Entgegen der Darstellung des Verfahrensbevollmächtigten wurde das zuständige Konsulat ausweislich Bl. 113 der Akte ordnungsgemäß benachrichtigt, so dass nicht von einem Verstoß gegen Art. 36 Abs. 1 b WÜK ausgegangen werden kann.
Zwar ist dem Verfahrensbevollmächtigten grundsätzlich Recht zu geben, dass ihm vor Entscheidung in der Sache durch das Amtsgericht der Verlängerungsantrag der beteiligten Bundespolizeiinspektion hätte mitgeteilt werden müssen.
Dies ist im vorliegenden Fall jedoch nicht geeignet, eine entscheidungserhebliche Verkürzung rechtlichen Gehörs zu begründen, da der alleinige Einwand des Verfahrensbevollmächtigten – den er nunmehr mit der Beschwerde geltend gemacht hat – ein Verstoß gegen Art. 36 Abs. 1 b WÜK – in der Sache nicht zutrifft.
Für die begehrte Feststellung, dass die Betroffene durch den angefochtenen Beschluss in seinen Rechten verletzt wurde, besteht damit kein Raum, da der angefochtene Beschluss im Ergebnis zu Recht ergangen ist (s. o.).
IV.
Mangels Erfolgsaussicht des Beschwerdevorbringens war der Antrag auf Gewährung von Verfahrenskostenhilfe zurückzuweisen, § 76 Abs. 1 FamFG i. V. m. § 114 Satz 1 ZPO.
Verfahrenskostenhilfe war auch nicht aufgrund der Schwierigkeit bislang noch ungeklärter Rechtsfragen zu gewähren. Denn schwierige, bislang noch ungeklärte Rechtsfragen stellten sich im Beschwerdeverfahren vorliegend nicht. 24 T 1530/17 – Seite 5 – Die Verweigerung der Verfahrenskostenhilfe durch das Landgericht ist unanfechtbar (Zöller/Geimer, ZPO, 31. Auflage 2016, § 127 Rn 10).
V.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG.
VI.
Die Festsetzung des Beschwerdewerts beruht auf §§ 61 Abs. 1 Satz 1, 36 Abs. 3 GNotKG.