Aktenzeichen M 11 K 18.4234
Leitsatz
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
Die Klage ist nicht begründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung der begehrten Baugenehmigung. Der Bescheid des Landratsamtes vom 31. Juli 2018 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 und 5 VwGO).
Der Erteilung der Baugenehmigung steht entgegen, dass das Vorhaben bauplanungsrechtlich unzulässig ist.
Das Vorhaben liegt im Außenbereich (§ 35 BauGB), da kein Bebauungsplan vorhanden ist und das Vorhabengrundstück nicht innerhalb eines Ortsteils im Sinne des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB liegt. Ortsteil in diesem Sinne ist jeder Bebauungskomplex im Gebiet einer Gemeinde, der nach der Zahl der vorhandenen Bauten ein gewisses Gewicht besitzt und Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur ist (st. Rspr. des BVerwG, z. B. Urteil vom 30. Juni 2015 – 4 C 5/14 – juris Rn. 11). Der Bebauungskomplex auf den Grundstücken Flurnummern 130, 134, 135, 137 und 139 besteht – abgesehen von insoweit unbedeutenden Nebengebäuden – aus insgesamt nur 5 Gebäuden, die unter Berücksichtigung des beim Augenschein gewonnenen Eindrucks insgesamt nicht das Gewicht haben, um einen eigenständigen Ortsteil bilden zu können. Auf die Frage, ob und inwieweit Wochenendhäuser insoweit berücksichtigt werden können, weil Gebäude, die nicht dem ständigen Aufenthalt von Menschen dienen, grundsätzlich für sich genommen die prägende Kraft in Bezug auf das Vorliegen eines Ortsteils fehlt (BVerwG, Urteil vom 8. Dezember 2016 – 4 C 7/15 – juris Rn. 13; Urteil vom 30. Juni 2015 – a. a. O. Rn. 19, 21), kommt es dabei nicht an. Selbst wenn alle 5 Häuser als Wohnhäuser genehmigt wären, wäre die Ortsteilqualität zu verneinen. Im Übrigen hat der Kläger explizit lediglich für das Gebäude auf dem nördlichen Nachbargrundstück Flurnummer 137 behauptet, dass es als Wohnhaus genehmigt sei. Das Landratsamt ist dem entgegengetreten. Für die übrigen 4 Häuser ist eine Genehmi- gung als Wohnhaus weder den Angaben des Klägers noch denjenigen des Landratsamts in der Klageerwiderung vom 9. April 2019 zu entnehmen. Nicht berücksichtigt werden können bei der Beurteilung der Ortsteilqualität die nordöstlich vom Vorhabenstandort auf den Grundstücken Flurnummern 127/2 und 127/1 gelegenen Häuser sowie der Bebauungskomplex im Norden, beginnend auf den Flurnummern 121 und 121/1. Diese Anwesen sind nach dem beim Augenschein gewonnenen Eindruck zu weit entfernt, um mit dem Bebauungskomplex auf den Flurnummern 130, 134, 135, 137 und 139 noch in einem Bebauungszusammenhang zu stehen. Sie können deshalb zur Begründung der Ortsteilqualität nicht mehr herangezogen werden.
Das Vorhaben ist weder nach § 35 Abs. 1 BauGB privilegiert noch nach § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 5 BauGB zulässig. Das Bestandsgebäude auf dem Vorhabengrundstück ist nur als Wochenendhaus genehmigt. § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 5 BauGB ist auf Wochenendhäuser nicht anwendbar (BVerwG, Beschluss vom 13. September 1988 – 4 B 155/88 – juris – Rn. 2).
Das Vorhaben ist deshalb bauplanungsrechtlich an § 35 Abs. 2 BauGB zu messen. Es ist unzulässig, weil es öffentliche Belange beeinträchtigt. Denn es lässt jedenfalls i. S. d. § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB die Verfestigung einer Splittersiedlung, wenn nicht sogar deren Erweiterung befürchten.
Die „Erweiterung“ einer Splittersiedlung unterscheidet sich von deren „Verfestigung“ dadurch, dass im ersten Fall die Splittersiedlung räumlich ausgedehnt und im zweiten Fall der schon bisher in Anspruch genommene räumliche Bereich aufgefüllt wird (BVerwG, Urteil vom 3. Juni 1977 – IV C 37.75 – juris Rn. 24). Die Ansicht des Klägers, im vorliegenden Fall komme von vornherein allenfalls eine Verfestigung infrage, beruht wohl auf der Erwägung, dass auf dem Vorhabengrundstück der räumliche Bereich der Splittersiedlung zum See hin nicht an der westlichen Außenwand des Bestandsgebäudes ende, sondern – weil dieses Gebäude gegenüber dem nördlichen und dem südlichen Nachbargebäude einige Meter zurückversetzt errichtet ist – an einer gedachten Verbindungslinie zwischen den westlichen Außenwänden des nördlichen und des südlichen Nachbargebäudes, wodurch der Wintergarten noch „in“ der Splittersiedlung zum Liegen käme, diese also nicht ausdehne. Ob dieser Ansicht zu folgen ist, kann offenbleiben, weil auch dann, wenn man zugunsten des Klägers annimmt, dass das Vorhaben innerhalb der Splittersiedlung liegt und diese nicht räumlich ausdehnt, zumindest eine zu missbilligende Verfestigung der Splittersiedlung zu befürchten wäre. Eine „Verfestigung“ läge vor, weil der Wintergarten im Verhältnis zur gesamten Splittersiedlung von seinen Abmessungen her nicht unbedeutend ist und aufgrund seiner Lage das Erscheinungsbild der Splittersiedlung vom See her nicht unerheblich mitprägen würde. Auch in der Verfestigung einer Splittersiedlung ist regelmäßig ein zu missbilligender Vorgang der Zersiedelung zu sehen (BVerwG a. a. O. Rn. 24). Allerdings bedarf diese Annahme im Gegensatz zur Situation bei der Erweiterung einer Splittersiedlung im Falle der Verfestigung einer konkreten Begründung (BVerwG a. a. O. Rn. 27). Diese liegt im vorliegenden Fall darin, dass das Vorhaben eine nicht genau abschätzbare negative Vorbildwirkung für die anderen Gebäude in der Splittersiedlung hat. Das Vorhaben könnte Erweiterungswünsche der anderen Eigentümer der Grundstücke in der Splittersiedlung zur Folge haben. Der Augenschein hat insbesondere gezeigt, dass sich auf dem südlichen Nachbargrundstück vor der zum See hin ausgerichteten Außenwand eine mit einem Satteldach überdachte Terrasse befindet. Die Befürchtung, dass der Eigentümer dieses Gebäudes das Vorhaben des Klägers zum Anlass nehmen könnte, seine überdachte Terrasse ebenfalls in einen Wintergarten umzubauen, ist nicht von der Hand zu weisen. Außerdem sind die einzelnen Gebäude der Splittersiedlung unterschiedlich groß. Die Zulassung des Vorhabens könnte zur Folge haben, dass insbesondere der Eigentümer des südlichsten Gebäudes der Splittersiedlung ebenfalls eine bauliche Erweiterung anstreben könnte, weil dieses Gebäude nicht unerheblich kleiner ist als die 3 mittleren Gebäude.
Der Ansicht des Klägers, die Versagung der Baugenehmigung sei jedenfalls aus Gründen der Gleichbehandlung rechtswidrig, kann nicht gefolgt werden. Dem Landratsamt ist hinsichtlich der Frage, ob der Kläger eine Baugenehmigung beanspruchen kann, kein Ermessensspielraum eingeräumt. Es handelt sich um eine gebundene Entscheidung. Da Art. 3 Abs. 1 GG keinen Anspruch auf Gleichheit im Unrecht gewährt, ist daher unerheblich, ob das Landratsamt in der Umgebung des Vorhabengrundstücks zu Recht oder zu Unrecht Baugenehmigungen erteilt hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.