Strafrecht

Hauptverhandlung, Angeklagte, Abschiebung, Kosovo, Freiheitsstrafe, Einkommen, Angeklagter, Untersuchungshaft, Bescheid, Ausweisung, Angeklagten, Eintragung, Erkrankung, Jugendstrafe, Bundesrepublik Deutschland, Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus, psychische Erkrankung

Aktenzeichen  1 KLs 8 Js 7992/20 jug

Datum:
20.7.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 48054
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Deggendorf
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Angeklagten B. und A. sind jeweils schuldig der gefährlichen Körperverletzung.
2. Gegen den Angeklagten B. wird ein Dauerarrest von 3 Wochen verhängt.
Ihm wird darüber hinaus folgende Weisung erteilt:
Er hat binnen sechs Monaten nach Rechtskraft ein Antiaggressionstraining bei dem Verein … e.V., H. straße 6, 9… R1., auf eigene Kosten zu absolvieren.
3. Der Angeklagte A. wird zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren 6 Monaten verurteilt.
4. Die Angeklagten tragen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Nebenklägers.
Angewandte Vorschriften:
Angeklagter A.:
§§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 2, Nr. 4, Nr. 5, 25 Abs. 2 StGB Angeklagter B.:
§§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 4, 25 Abs. 2 StGB, §§ 1, 8 Abs. 1 S. 1, 10 Abs. 1 S. 1, S. 2,
S. 3 Nr. 6, 16 Abs. 1, Abs. 4, 105 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2 JGG

Gründe

A. Persönliche Verhältnisse
I. Angeklagter A.
1. Grunddaten und Familienverhältnisse
Der Angeklagte A. wurde am … 1999 in D. geboren. Er ist kosovarischer Staatsangehöriger, ledig und hat keine Kinder. Der Vater des Angeklagten A., ein KosovoAlbaner, Jahrgang 1972, betreibt ein Fitnessstudio in P. Die Mutter des Angeklagten A., eine Türkin, Jahrgang 1980, arbeitet als Fitnesstrainerin im Fitnessstudio des Vaters. Der Angeklagte A. hat einen jüngeren Bruder und eine jüngere Schwester. Er erlebte in seiner Kindheit keine häusliche Gewalt und wurde nicht geschlagen. In der Ehe der Eltern des Angeklagten A. kam es im Jahr 2014 zu einem Streit, der zur Trennung der Eltern und im Jahr 2018 zur Scheidung der Eltern führte; mittlerweile leben die Eltern jedoch wieder zusammen. Der Angeklagte A. hat zu seinen Eltern und seinen Geschwistern einen guten Kontakt und hat eine feste Freundin.
2. Schulische Entwicklung, beruflicher Werdegang, wirtschaftliche Verhältnisse
Nach dem Kindergarten besuchte der Angeklagte A. die Grundschule in P. und die Mittelschule in P.; in der Mittelschule kam es zu Auffälligkeiten in Gestalt von Verweisen und Auseinandersetzungen mit Mitschülern. Er beendete die Schule im Jahr 2015 mit dem qualifizierenden Mittelschulabschluss. Danach besuchte er von 2015 bis 2017 die Wirtschaftsschule in D., die er jedoch, nachdem er begonnen hatte, an Prüfungen nicht mehr teilzunehmen, ohne Abschluss beendete. Er begann am 01.09.2017 eine Ausbildung zum Anlagenmechaniker, wurde jedoch am 06.01.2018 in anderer Sache inhaftiert. Nach seiner Haftentlassung am 02.09.2020 beabsichtigte er, seine Ausbildung wieder aufzunehmen, wurde jedoch bereits am 22.10.2020 in dieser Sache inhaftiert. Bis zu seiner Inhaftierung in dieser Sache am 22.10.2020 lebte er bei seinen Eltern in P. und erhielt ein Taschengeld von seinem Vater. Er hat Schulden in Höhe von ca. 2.500,00 € aus einem Täter-Opfer-Ausgleich und in Höhe von ca. 6.500,00 € aus einer Versicherungsforderung des Opfers im Zusammenhang mit einem versuchten Totschlag am 05.01.2018 (siehe hierzu im Einzelnen unter A.I.4., BZR Ziffer 4). Er verfügt über kein nennenswertes Vermögen.
3. Gesundheit und Suchtanamnese
In körperlicher Hinsicht ist der Angeklagte A. gesund. Seine Geburt und seine frühkindliche Entwicklung verliefen unauffällig, erhebliche Erkrankungen, Operationen oder Unfälle sind nicht bekannt. Er ist sportlich, spielte früher Fußball und betreibt Kraftsport.
In geistiger Hinsicht besteht bei dem Angeklagten A. eine dissoziale und narzisstische Persönlichkeitskomponente mit einer erhöhten Kränkbarkeit und Provozierbarkeit; insofern besteht die Verdachtsdiagnose einer Persönlichkeitsstörung mit dissozialen und narzisstischen Zügen. Darüber hinaus bestehen bei dem Angeklagten A. keine Hinweise auf eine psychiatrische Erkrankung, z.B. im Sinne einer endogenen oder exogenen Psychose. Seine Intelligenz liegt im Durchschnittsbereich.
Der Angeklagte konsumierte Alkohol in Gesellschaft in normalen Mengen; ca. drei Monate vor seiner Inhaftierung in anderer Sache am 06.01.2018 begann er, Alkohol in größeren Mengen zu konsumieren. Daneben konsumierte er über einen Zeitraum von ca. eineinhalb Jahren bis in das Jahr 2017 in Gesellschaft ca. 1-2 g Cannabis wöchentlich; nachdem es in dem Zusammenhang zu einer Hausdurchsuchung gekommen war, schickte ihn sein Vater zur Strafe ca. einen Monat zu einem Onkel in den Kosovo; dort konsumierte er größere Mengen Alkohol. Sonstige Drogen konsumierte er nicht. Zwischen seiner Haftentlassung in anderer Sache am 02.09.2020 und seiner Inhaftierung in dieser Sache am 22.10.2020 konnte ein nennenswerter Konsum von Alkohol oder Drogen nicht festgestellt werden. Er befand sich bislang nicht in einer Entgiftungs- oder Entwöhnungsbehandlung.
4. Vorstrafen
Der Angeklagte A. ist bereits strafrechtlich in Erscheinung getreten; die Auskunft aus dem Bundeszentralregister weist für den Angeklagten A. vier Eintragungen auf:
1. Mit Urteil des Amtsgerichts D. vom 26.03.2014, rechtskräftig seit 26.03.2014, Az. 5 Ds 6 Js 324/14 jug, wurde dem Angeklagten A. wegen vorsätzlicher Körperverletzung die Weisung erteilt, nach näherer Weisung durch die Jugendgerichtshilfe 49 Arbeitsstunden zu erbringen und die laufende Schulausbildung mit FIeiß und ohne jede unerlaubte Abwesenheit fortzusetzen und mit der vorgesehenen Prüfung abzuschIießen, wobei die Hausaufgaben vollständig zu erledigen sind und er sich beanstandungsfrei zu betragen hat (= BZR Ziffer 1).
Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde:
„Am 16.12.2013 gegen 11:20 Uhr verletzte der Angeklagte in der Mittelschule in P. in der -Straße _ in 94447 P. vor dem Pausenhofverkauf den Geschädigten S. ohne rechtfertigenden Grund, indem er ihm mindestens dreimal mit der Faust gegen sein rechtes Auge schlug. Hierdurch erlitt der Geschädigte – wie vom Angeklagten vorhergesehen und billigend in Kauf genommen – ein Schädelhirntrauma I. Grades, ein Monokelhämatom, sowie nicht unerhebliche Schmerzen. Der Geschädigte begab sich in zweitägige stationäre Behandlung im Donau-Isar-Klinikum D.. Dem Ausraster des Angeklagten ging womöglich eine geringfügige Provokation seitens des Geschädigten voraus.
Strafantrag wurde form- und fristgerecht gestellt.
Die Staatsanwaltschaft halt im Übrigen wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts wegen für geboten.
Bei Tatbegehung verfügte der Angeklagte über die gem. § 3 JGG erforderliche Reife, das Unrecht der Tat einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln.“
2. Mit Urteil des Amtsgerichts D. vom 02.11.2016, rechtskräftig seit 02.11.2016, Az. 5 Ds 6 Js 11504/16 jug, wurde dem Angeklagten A. wegen vorsätzlicher Körperverletzung die Weisung erteilt, nach näherer Weisung des Kontakt e.V. ein Antiaggressionstraining bei Kontakt e.V. zu absolvieren (= BZR Ziffer 2); die Weisung wurde mit Beschluss des Amtsgerichts D. vom 23.03.2017 dahingehend abgeändert, dass der Angeklagte nach näherer Weisung des Kontakt e.V. an einem sozialen Trainingskurs bei Kontakt e.V. teilzunehmen hat.
Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde:
„S. F. und die jüngere Schwester des Angeklagten hatten seit längerem eine, auch sexuelle, Beziehung. Da S.F. intime Fotos von der Schwester des Angeklagten zumindest an den Angeklagten und aus Sicht des Angeklagten auch an dritte Personen versandt hatte, wollte der Angeklagte S. F. deshalb zur Rede stellen.
Deshalb trafen sich die beiden am 20.04.2016 gegen 15:30 Uhr auf dem Parkplatz der Berufsschule in der -Straße in P.. Da der Angeklagte und S. F. keine Einigung erzielen konnten, schlug der Angeklagte S. F. ohne rechtfertigenden Grund mehrfach mit der Faust gegen den Kopf und den Oberkörper. Nachdem der Geschädigte aufgrund der Schläge zu Boden gegangen war und dort eine schützende Stellung eingenommen hatte, ließ der Angeklagte von ihm ab. Nicht nachgewiesen werden konnte, dass der Angeklagte darüber hinaus auf das am Boden sitzende Opfer mit dem Fuß gegen Kopf und Oberkörper eingetreten hatte.
Durch die Behandlung des Angeklagten erlitt der Geschädigte, wie vom Angeklagten zumindest vorhergesehen und billigend in Kauf genommen, eine Gehirnerschütterung, eine Schürfwunde am Kopf, sowie eine Schürfwunde und Prellungen am Rücken. Aufgrund der Verletzungen wurde der Geschädigte zur Beobachtung über Nacht stationär im Krankenhaus aufgenommen.
Strafantrag wurde form- und fristgerecht gestellt.
Bei Tatbegehung besaß der Angeklagte die gem. § 3 JGG erforderliche Reife, das Unrecht der Tat einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln.“
3. Mit Urteil des Amtsgerichts D. vom 20.09.2017, rechtskräftig seit 20.09.2017, Az. 5 Ds 9 Js 3403/17 jug, wurde dem Angeklagten A. wegen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln in drei tatmehrheitlichen Fällen die Auflage bzw. die Weisung erteilt, einen Geldbetrag in Höhe von 400,00 € zu zahlen zugunsten der Suchtprävention D. e.V. und binnen zwei Monaten einen Erstkontakt zum Gesundheitlichen Dienst des Landratsamts D. aufzunehmen, um sich eingehend über Wege aus dem schädlichen Konsum von Drogen zu informieren, sich für die Dauer von 12 Monaten jeglichen Konsums von Drogen nach dem BtMG zu enthalten und nach Weisung der Jugendgerichtshilfe D. Urin- bzw. Haarproben abzugeben beim Gesundheitsamt D. für Drogenscreenings auf Staatskosten (= BZR Ziffer 3).
Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde:
„1. Zu einem nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkt im Sommer 2016 kaufte und übernahm der Angeklagte von dem anderweitig Verfolgten J. in der Nähe der Realschule in 94447 P. 1-2 Gramm Marihuana zum Preis von 12,00 €.
2. Zu einem nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkt zwischen 24.01.2017 und 27.01.2017 kaufte und übernahm der Angeklagte vom anderweitig Verfolgten A. N. in W. 5 Gramm Marihuana zum Grammpreis von 10,00 €.
3. Am 22.04.2017 kaufte und übernahm der Angeklagte vom anderweitig Verfolgten P. in 94447 P. 8 Gramm Haschisch zum Grammpreis von 10,00 €. Davon hatte er am 27.04.2017 noch 2 Gramm in Besitz.
Das Betäubungsmittel hatte jeweils mindestens einen Wirkstoffgehalt von 5% THC.
Wie der Angeklagte wusste, besaß er nicht die für den Umgang mit Betäubungsmitteln erforderliche Erlaubnis.
Bei Tatbegehung besaß der Angeklagte die gemäß § 3 JGG erforderliche Reife, das Unrecht der Tat einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln.“
4. Mit Urteil des Landgerichts D. vom 13.07.2018 in Verbindung mit Urteil des Landgerichts D. vom 01.08.2019, rechtskräftig seit 09.08.2019, Az. 1 KLs 8 Js 208/18 jug, wurde der Angeklagte A. wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Jugendstrafe von 3 Jahren 8 Monaten verurteilt (= BZR Ziffer 4).
Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde:
“1. Vorgeschichte
a) Am 31.12.2017 kam es zwischen dem Angeklagten und dem Geschädigten M. C. auf dem Bahnhofsgelände in P. zu einem Streit, in dessen Verlauf der Geschädigte C. ein Messer vorzeigte.
Am 02.01.2018 kam es zu einem weiteren Vorfall. Der Geschädigte suchte zusammen mit M. G. die elterliche Wohnung des Angeklagten auf. Dort trafen sie auf dessen Vater und erkundigten sich nach dem Angeklagten. Als dieser hinzukam, forderten C. und G. ihn im Beisein seines Vaters zu einem Kampf auf. Daraufhin verwies Herr S. A. den Geschädigten und M. G. aus der Wohnung. Als Herr A. ihnen nachging, befanden sich auf dem Parkplatz vor seinem Anwesen ca. 20 weitere Jugendliche, die offenbar zu M. C. gehörten. Zu einer Auseinandersetzung kam es aber nicht.
b) Der Angeklagte hatte an seinen Bruder zwischenzeitlich mittels Textnachrichten geschrieben, er werde den Geschädigten C. töten, wobei dies „verbale Kraftmeierei“ und nicht ernst gemeint war. Gleichwohl erkundigte sich der Angeklagte im Zusammenhang mit seinen Drohungen bei seinem Bruder nach einem Messer. Dieser beschrieb ihm – auch mittels Textnachrichten -, wo er ein solches in seinem Zimmer verwahrte. Der Angeklagte nahm das Messer, welches er später bei der Tat einsetzte, am Abend des 01.01.2018 an sich und führte es seitdem in seiner Hosentasche verborgen mit sich.
Am 05.01.2018 begab sich der Angeklagte in Begleitung der Zeugen H., F., S., G., B. und W. von P. nach D., um zu feiern. Nachdem man zunächst in einer Tiefgargage in der Nähe des Kinos am Westlichen Stadtgraben Alkohol konsumiert hatte, wobei der Angeklagte im Zeitraum von ca. 20:30 Uhr bis ca. 22:00 Uhr zwei Becher eines Mischgetränkes aus Wodka und Red Bull zu sich nahm, begab sich die Gruppe auf den S.platz in 9. D., um dort Lokale bzw. Clubs zu besuchen. Gegen 23:00 Uhr traf der Angeklagte am S.platz in 9. D. in der Nähe des Lokals „Kochlöffel“ zufällig auf den M. G., der von Freunden, insb. von den Zeugen S., K., B., K. und E. begleitet wurde. G. hatte mit dem Geschädigten M. C. vereinbart, dass er den C. anrufen werde, wenn er den Angeklagten treffe. M. C. lag mit dem Angeklagten seit der Auseinandersetzung vom 31.12.2017 im Streit und es gab Bestrebungen, dies körperlich zu klären. Nachdem M. C. von M. G. angerufen worden war, kam er herbei und traf in der Nähe des H+M auf den Angeklagten.
Es kam zu einer verbalen Auseinandersetzung mit gegenseitigen Beleidigungen, in deren Verlauf der Angeklagte mit dem Geschädigten übereinkam, unmittelbar im Anschluss in der nahen Tiefgarage „1 gegen 1“ zu kämpfen. Dabei wurden sie aus der Gruppe um M. G. angestachelt oder zumindest bestärkt.
2. Tatgeschehen
Anschließend begaben sich der Angeklagte und M. C. mit ihren Begleitern gegen 23:05 Uhr in die Tiefgarage „Kulturviertel“ am M. W. Platz in 9. D. Dort standen sich der Angeklagte und M. C. zunächst wortlos gegenüber und umkreisten sich dann. Erst auf Zurufe und Anfeuerungen der Umstehenden schlug der Angeklagte den Geschädigten C. mit der Faust in das Gesicht und nahm dessen Kopf in den „Schwitzkasten“, indem er diesen mit den Armen umgriff und M. C. in eine gebückte Haltung zwang. Im Anschluss daran kam es zu gegenseitigen Faustschlägen. Als der Angeklagte stolperte, gelang es M. C., nunmehr den Angeklagten in den „Schwitzkasten“ zu nehmen. Während des folgenden Gerangels stieß der Angeklagte mit seinem Kopf gegen eine Betonmauer. Der Angeklagte zog sich dabei eine 1 bis 2 cm lange Kopfplatzwunde und eine Verletzung an der Nase zu. Schließlich biss der Angeklagte den M. C. schmerzhaft in den Bereich um die linke Hüfte und den linken Bauch, um sich aus dem „Schwitzkasten“ zu befreien. Der Angeklagte sah diesen Biss als letzte Möglichkeit, um aus dem Griff seines zu dieser Zeit überlegenen Kontrahenten zu entkommen. M. C. schrie auf Grund des Bisses laut auf und lockerte seinen Griff, so dass sich der Angeklagte befreien konnte. M. G. und F. S. gingen auf Grund des Bisses auf die beiden zu, um sie zu trennen. F. S. packte den Angeklagten an den Oberarmen und zog ihn von dem Geschädigten weg. M. G. hielt den Geschädigten C. zurück. Der Angeklagte stand nun einige Meter entfernt vom Geschädigten C..
Der Geschädigte kehrte dem Angeklagten nun in nach vorne geneigter Haltung den Rücken zu und unterhielt sich mit M. G., wobei er sein T-Shirt hochzog, um die Bissspuren vorzuzeigen. Für beide Kontrahenten war der Kampf zu dieser Zeit noch nicht beendet, sie waren „noch heiß“ und wollten weiterkämpfen. Als der Angeklagte kurz darauf erkannte, dass F. S. seinen Griff gelockert hatte, riss er sich von diesem los und stürmte in Richtung des Geschädigten. Dabei nahm er – zunächst unbemerkt von den übrigen Beteiligten – sein in der Hosentasche mitgeführtes Einhandmesser mit einer Klingenlänge von etwa 8,5 cm in die rechte Hand, öffnete es und ballte die Hand zur Faust. Der Geschädigte wurde erst kurz bevor der Angeklagte ihn erreicht hatte auf die Situation aufmerksam und drehte sich etwas in Richtung des Angeklagten. Der Angeklagte stach im selben Moment mit dem in der erhobenen Faust gehaltenen Messer von oben mit ganz erheblicher Wucht auf den Geschädigten ein, um wieder die Oberhand im Kampf zu gewinnen, den Geschädigten zu verletzen und diesem Angst zu machen. Bei dem Stich war es dem Angeklagten egal, wo er den Geschädigten treffen werde. Der Messerstich traf den Geschädigten C. von oben mittig auf dem Kopf. C. verspürte sofort starke Schmerzen. Durch den Stich wurde die Schädeldecke durchbohrt und die Klinge des Messers drang ca. 1,5 cm in den Schädel des Geschädigten ein. C. erlitt ein Schädel-Hirn-Trauma mit einer Kontusionsblutung im Frontallappen des Gehirns. Nur dem Zufall ist es zu verdanken, dass der Stich nicht zum Tode des Geschädigten C. führte. Der Stich verlief knapp vorbei am Sinus Sagittalis. Wäre dieser verletzt worden, so wäre der Geschädigte vor Ort verblutet und hätte die Gefahr einer Luftembolie bestanden. Auch das durch den Stich verursachte offene Schädel-HirnTrauma hätte bei ungünstigem Verlauf zu einem tödlichen Ausgang führen können. Dies nahm der Angeklagte ebenso wie die entstandenen Verletzungen zumindest billigend in Kauf.
Der Angeklagte zog das Messer sogleich nach dem Stich wieder aus dem Schädel des C. heraus und behielt es zunächst in der Hand. Er wurde sogleich von den Umstehenden, insbesondere von M. G., zurückgehalten. Der Geschädigte lief sodann davon, ebenso der Angeklagte.
Der Geschädigte musste sich zur Wundversorgung, diagnostischen Abklärung und Beobachtung stationär in das Donau-Isar-Klinikum D. begeben. Er leidet noch immer an gelegentlich wiederkehrenden Kopfschmerzen und bekommt Schweißausbrüche, wenn er sich – etwa beim Lernen – konzentrieren muss. Weitergehende gesundheitliche Folgen hatte die Verletzung nicht.
Zur Tatzeit befand sich der Angeklagte bedingt durch die mit dem Kampfgeschehen einhergehende affektive Erregung in Verbindung mit den Beeinträchtigungen durch den Umstand, dass er mit dem Kopf gegen die Betonwand stieß oder gestoßen wurde, in einer psychogenen Ausnahmesituation, wodurch seine Steuerungsfähigkeit nicht ausschließbar erheblich beeinträchtigt war. Seine Alkoholisierung zur Tatzeit war nur geringgradig, wahrscheinlich im Bereich von 0,25 Promille.“
Der Angeklagte A. befand sich in jener Sache von 06.01.2018 bis 08.08.2019 in Untersuchungshaft und ab 09.08.2019 im Vollzug der Jugendstrafe in der Justizvollzugsanstalt E.. Mit Beschluss des Amtsgerichts Bamberg vom 30.08.2020, rechtskräftig seit 04.09.2020, Az. II VRJs 364/19, wurde der Rest der Jugendstrafe von 3 Jahren 8 Monaten aus dem Urteil des Landgerichts D. vom 01.08.2019 ab 02.09.2020 zur Bewährung ausgesetzt; die Bewährungszeit wurde auf 3 Jahre festgesetzt. Der Angeklagte A. wurde am 02.09.2020 aus der Haft entlassen. Der Strafrest für den Fall des Widerrufs der Bewährung beträgt 368 Tage.
5. Ausländerrechtliche Situation
Mit Bescheid des Landratsamts D. vom 13.01.2020 wurde der Angeklagte A. aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen, wobei die Wirkung der Ausweisung für die Dauer von fünf Jahren befristet wurde und für die Dauer der Frist ein Einreiseverbot und ein Aufenthaltsverbot in der Bundesrepublik Deutschland ausgesprochen wurde; zugleich wurde die Abschiebung des Angeklagten A. in den Kosovo angeordnet. Gegen den Bescheid des Landratsamts D. vom 13.01.2020 erhob der Angeklagte A. Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Regensburg. Dort schlossen der Angeklagte A. und der Freistaat Bayern, vertreten durch das Landratsamt D., einen Vergleich mit folgendem Inhalt:
„I. Der Bescheid des Beklagten vom 13. Januar 2020 gilt nach Maßgabe folgender Bestimmungen:
1. Die Ausweisung wird aufschiebend bedingt in dem Zeitpunkt bestandskräftig wirksam und damit vollziehbar, in welchem der Kläger vor Ablauf eines Zeitraumes von fünf Jahren nach der Haftentlassung am 2. September 2020 einen Verstoß gegen die Rechtsordnung begeht, der in der Bundesrepublik Deutschland den Tatbestand einer vorsätzlichen Straftat erfüllt und rechtskräftig mit einer Geldstrafe von mindestens 40 Tagessätzen oder mit Freiheitsstrafe geahndet wird. Dies gilt auch dann, wenn der Verstoß erst nach Ablauf von fünf Jahren nach der Haftentlassung bekannt und/oder geahndet wird.
2. Der Bescheid vom 13. Januar 2020 ist insgesamt als gegenstandslos zu behandeln, wenn die Ausweisung nicht nach Ziffer I.1. wirksam wird.
(…)“
6. Haft
Der Angeklagte A. wurde am 21.10.2020 vorläufig festgenommen und befindet sich aufgrund Haftbefehls des Amtsgerichts D. vom 22.10.2020, Gz. 5 Gs 1380/20, zuletzt abgeändert durch Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 29.04.2021, Gz. 4d Ws 191/21 H, in dieser Sache seither in Untersuchungshaft gemäß § 112 StPO, zunächst in der Justizvollzugsanstalt Landshut, seit 17.11.2020 in der Justizvollzugsanstalt Mühldorf am Inn.
II. Angeklagter B.
1. Grunddaten und Familienverhältnisse
Der Angeklagte B. wurde am 31.05.2000 in K. geboren. Er ist deutscher Staatsangehöriger, ledig und hat keine Kinder. Sein Vater und seine Mutter stammen aus dem Kosovo. Sie übersiedelten vor ca. 26 Jahren nach Deutschland und heirateten in Deutschland. Sie bewohnten ca. 20 Jahre eine Mietwohnung in P. und zogen im Jahr 2019 in ein eigenes Haus in P.. Beide Eltern sind berufstätig in Vollzeit, der Vater arbeitet im Schichtbetrieb. Der Angeklagte B. hat eine ältere Schwester und eine jüngere Schwester. Es ergaben sich keine Hinweise auf häusliche Gewalt in der Familie. Zu seinen Eltern und seinen Geschwistern hat der Angeklagte B. einen guten Kontakt. Er wohnt bei seinen Eltern und beabsichtigt bislang nicht, in eine eigene Wohnung zu ziehen.
2. Schulische Entwicklung, beruflicher Werdegang, wirtschaftliche Verhältnisse
Nach dem Kindergarten besuchte der Angeklagte B. die Grundschule in P. und die Mittelschule in P.. Er beendete die Schule im Jahr 2016 mit dem erfolgreichen Mittelschulabschluss. Danach begann er eine Ausbildung zum Anlagenmechaniker, die er im Februar 2020 abschloss. Seither arbeitet er als Anlagenmechaniker in Festanstellung in einem Betrieb in P. und erzielt ein monatliches Nettoeinkommen in Höhe von ca. 1.400,00 €; von seinem Einkommen muss er keinen Beitrag für Unterkunft und Verpflegung an seine Eltern abgeben. Er hat keine Schulden und verfügt über kein nennenswertes Vermögen.
3. Gesundheit und Suchtanamnese
Der Angeklagter B. ist in körperlicher und geistiger Hinsicht gesund. Er ist sportlich, spielte früher Fußball und betreibt Kraftsport und Boxen. Seine Intelligenz liegt im Durchschnittsbereich. Es ergaben sich keine Hinweise auf einen auffälligen Konsum von Alkohol oder Drogen.
4. Vorstrafen
Der Angeklagte B. ist bereits strafrechtlich in Erscheinung getreten; die Auskunft aus dem Bundeszentralregister weist für den Angeklagten B. eine Eintragung auf: 1. Mit Verfügung der Staatsanwaltschaft D. vom 16.07.2018 wurde hinsichtlich des Angeklagten B. von der Verfolgung wegen gefährlicher Körperverletzung (Datum der Tat: 31.12.2017) gemäß § 45 Abs. 3 JGG unter Erteilung einer Ermahnung und einer Geldauflage abgesehen (= BZR Ziffer 1).
5. Haft
Der Angeklagte B. befindet sich nicht in Haft.
B. Festgestellter Sachverhalt
I. Vorgeschichte
Am 21.10.2020 gegen 17:00 Uhr hatte der Angeklagte B. in einem Gespräch beim Abendessen im Haus seiner Eltern im in P. durch die Schilderung seiner jüngeren 17-jährigen Schwester F. B. erfahren, dass der 18-jährige albanische Lehrling K., ein gemeinsamer Bekannter des Angeklagten B. und des Angeklagten A., seine Schwester F. B. über soziale Medien kontaktiert hatte, indem er ihr mehrere Nachrichten gesandt und sein Interesse an einem Kennenlernen mitgeteilt hatte. Dies missbilligte der Angeklagte B., da sich seine Schwester F. B. durch die Kontaktaufnahme des K., jedenfalls nach der Wahrnehmung des Angeklagten B., belästigt gefühlt habe. Der Angeklagte B. fasste deshalb den Entschluss, den K. zu treffen und ihn zur Rede zu stellen, und verließ nach dem Gespräch mit seiner Schwester F. B. das Haus; seine Schwester F. B. billigte den Entschluss nicht, sondern sandte dem Angeklagten B., nachdem er das Haus verlassen hatte, um 17:56 Uhr über den Messengerdienst WhatsApp die folgende Nachricht:
„übertreib nicht mach keine probleme wo keine sind“
Nachdem der Angeklagte B. das Haus seiner Eltern verlassen hatte, fuhr er mit dem Pkw Mercedes E-Klasse, amtliches Kennzeichen, zur Wohnung des Angeklagten A. in der in P., um dort den Angeklagten A., einen guten Freund, wie zuvor verabredet, abzuholen. Der Angeklagte A. stieg in den Pkw des Angeklagten B. und setzte sich auf den Beifahrersitz; in der Jacke trug er ein Klappmesser mit einer Klingenlänge von ca. 7 cm bei sich.
Anschließend fuhren die Angeklagten im Pkw des Angeklagten B. zum Schnellrestaurant McDonald’s in der in P.; auf der Fahrt dorthin teilte der Angeklagte B. dem Angeklagten A. mit, dass er eine Angelegenheit mit dem K., die seine Schwester betreffe, klären müsse. Im Schnellrestaurant McDonald’s forderte der Angeklagte B. den K. auf, sich für eine Aussprache nach P. zu begeben, indem er ihm um 18:01 Uhr und 18:02 Uhr über den Onlinedienst Instagram in albanischer Sprache die folgenden Nachrichten sandte:
„M. wo bist du“
„komm P.“
„wir haben etwas zu besprechen“
Da K. nicht sogleich auf die Nachrichten des Angeklagten B. geantwortet hatte, rief der Angeklagte B. den K. um 18:11 Uhr auf dem Mobiltelefon an und forderte ihn telefonisch auf, nach P. zu kommen; K. teilte dem Angeklagten B. mit, er könne nicht nach P. kommen, da er kein Auto habe; daraufhin beendete der Angeklagte B. das Telefonat. Der Angeklagte A., der bei dem Telefonat zugegen war, sagte zu dem Angeklagten B.: „dann trefft euch doch in D.“; er schrieb dem K. über den Messenger Snapchat, ob K. nach P. kommen könne; K. teilte dem Angeklagten A. ebenfalls mit, er könne nicht nach P. kommen, da er kein Auto habe; daraufhin schrieb der Angeklagte A. dem K., er und der Angeklagte B. könnten nach D. kommen, um sich mit ihm zu treffen. Damit war K., der sich in seiner Wohnung in der in D. aufhielt, einverstanden und schlug als Ort des Treffens den Parkplatz des Verbrauchermarktes Norma in der in D. vor, da sich der Verbrauchermarkt in der Nähe seiner Wohnung befand und innerhalb weniger Minuten zu Fuß von ihm erreicht werden konnte; die Angeklagten waren mit dem Vorschlag einverstanden.
Sodann fuhren die Angeklagten im Pkw des Angeklagten B. nach D., um sich mit dem K. zu treffen. Bei der Einfahrt nach D. sandte der Angeklagte A. dem K. über den Messenger Snapchat ein Foto der Ortstafel von D. und teilte dem K. mit, er und der Angeklagte B. würden in zwei Minuten am Ort des Treffens sein. Tatsächlich trafen die Angeklagten kurz vor 18:30 Uhr auf dem Parkplatz des Verbrauchermarktes Norma in der R2. straße 30 in D. ein und warteten im Pkw des Angeklagten B.; dort teilte der Angeklagte A. dem K. über den Messenger Snapchat mit, dass sie nun da seien und auf ihn warten würden. Daraufhin machte sich K. zu Fuß auf den Weg zum Verbrauchermarkt Norma.
Während die Angeklagten auf den K. warteten, traf auf dem Parkplatz der 21-jährige kosovarische Arbeiter A. A., ein Cousin des Angeklagten A. und guter Freund des K., auf dem Nachhauseweg von der Arbeit mit einem Firmenfahrzeug seines Arbeitgebers ein, um im Verbrauchermarkt Norma Brot und Semmeln für seine Familie zu kaufen. Die Angeklagten bemerkten den A. A., stiegen aus dem Pkw des Angeklagten B. aus und begrüßten den A. A.; dieser wusste von K., dass die Angeklagten auf den K. warteten, ging jedoch davon aus, dass die Angeklagten, wie ihm von K. mitgeteilt worden war, sich mit dem K. zum Kaffeetrinken – neben dem Verbrauchermarkt Norma befindet sich eine Bäckerei mit Café – treffen wollten. Nach einer kurzen Begrüßung begab sich A. A. in den Verbrauchermarkt Norma, um dort einzukaufen, während die Angeklagten weiter auf den K. warteten.
II. Tatgeschehen
Gegen 18:30 Uhr traf K. zu Fuß auf dem Parkplatz des Verbrauchermarktes Norma in der in D. ein. Die Angeklagten und K. begrüßten sich und der Angeklagte B. forderte den K. auf, mit ihm ein paar Meter zur Seite zu gehen, da er mit ihm etwas zu besprechen habe. Daraufhin begaben sich der Angeklagte B. und K. ein paar Meter in die Nähe einer Hecke an der südlichen Begrenzung des Parkplatzes, wohingegen der Angeklagte A. zunächst wartend in der Nähe des Pkws des Angeklagten B. blieb. Dort, in der Nähe der Hecke, fragte der Angeklagte B. den K.: „Weißt du, worum es geht, warum ich dich angerufen habe?“ K. antwortete: „Nein, ich weiß nicht, worum es geht.“ Der Angeklagte B. sagte: „Überleg mal!“ K. sagte: „Nein.“ Der Angeklagte B. fragte den K.: „Kennst du eine F.?“ K. sagte: „Nein.“ Der Angeklagte B. sagte: „Das ist meine Schwester.“ K. sagte: „Was ist mit der? Was soll mit der sein?“ Daraufhin schlug der Angeklagte B. dem K. mit der rechten Faust in die linke Gesichtshälfte. K. setzte sich zur Wehr, indem er den Angeklagten B. wegschubste und dem Angeklagten B. mit der Faust in das Gesicht schlug. Es entspann sich ein Schlagabtausch zwischen dem Angeklagten B. und K., in dessen Verlauf der Angeklagte B. dem K. noch mindestens sechsmal mit der Faust gegen den Kopf schlug und mindestens dreimal mit dem rechten Fuß gegen den linken Oberschenkel trat; er selbst erhielt von K. mindestens zwei Faustschläge in das Gesicht gegen die Nase und den Kiefer.
Der Angeklagte A., der das Geschehen aus einiger Entfernung beobachtet hatte, fasste den Entschluss, in die Auseinandersetzung einzugreifen und seinen Freund, den Angeklagten B., im Kampf gegen den K. zu unterstützen. Er näherte sich dem K. und schlug dem K. mit der Faust gegen den die rechte Seite des unteren Hinterkopfs, wobei der Schlag durch ein Abrutschen an der rechten Schulter und ein Auftreffen an der rechten Seite des Halses abgelenkt wurde, jedoch bei K. eine leichte Benommenheit auslöste.
Anschließend schlugen die Angeklagten aufgrund stillschweigenden Einvernehmens in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken von vorn auf den K. ein. Dabei schlug der Angeklagte B. dem K. mit der Faust mindestens einmal gegen den Kopf und mindestens einmal gegen den Oberkörper und trat ihm mit dem rechten Fuß mindestens einmal gegen den Oberkörper in den Bereich der Rippen. Zugleich schlug der Angeklagte A. dem K. einmal mit der Faust in das Gesicht und mindestens einmal mit der Faust gegen den Oberkörper.
Nachdem sich die Auseinandersetzung im Verlauf des beweglichen Kampfgeschehens zur Mitte des Parkplatzes verlagert hatte, fasste der Angeklagte A. den Entschluss, die Entscheidung des Kampfes durch den Einsatz des Klappmessers, das er in der Jacke bei sich trug, herbeizuführen; das Klappmesser hatte einen schwarzen Griff und eine einseitig geschliffene und leicht gekrümmte Klinge mit einer Klingenlänge von ca. 7 cm. Er nahm das Klappmesser, von K. unbemerkt, aus seiner Jacke, öffnete es und hielt es verdeckt mit der Klinge nach unten in der zur Faust geformten rechten Hand. Sodann schlug er dem K. mit der Kante der rechten Hand, in der er das Klappmesser hielt, gegen die Brust, so dass die Klinge des Klappmessers die Jacke und den Pullover des K. durchdrang und dem K. eine ca. 1 cm tiefe, bis in die oberste Muskelschicht hineinreichende, und ca. 1 cm lange Stichwunde, ca. 2,5 cm unterhalb und ca. 2 cm rechts der linken Brustwarze, zufügte. Der Stich war geeignet, den K. lebensgefährlich zu verletzen; dies hatte der Angeklagte A. erkannt, jedoch billigend in Kauf genommen. K. hatte den Stich als Schlag gegen die Brust wahrgenommen; erst als er daraufhin einen Schritt nach hinten machte, bemerkte er das Messer in der rechten Hand des Angeklagten A..
Alsdann schlug der Angeklagte B. dem K., der sich im Zurückweichen befand, noch einmal mit der Faust gegen den Kopf; nachdem K. einige Schritte zurückgetreten war, gingen die Angeklagten erneut auf den K. zu, um den Kampf gegen den K. fortzusetzen.
In diesem Moment lief A. A., der seinen Einkauf beendet hatte und den letzten Schlag des Angeklagten B. gegen den K. durch die Fenster des Verbrauchermarktes Norma beobachtet hatte, aus dem Verbrauchermarkt Norma heraus, ließ das eingekaufte Brot fallen und rief den Angeklagten und dem K. mit lauter Stimme zu: „Was ist passiert?“ Er lief zu den Angeklagten und dem K. hin, stellte sich zwischen die Angeklagten und den K. und rief zu den Angeklagten: „Schämt euch!“ K., der bemerkt hatte, dass er an der Brust blutete, öffnete seine Jacke und zeigte den Angeklagten den Blutfleck auf seinem Pullover; er sagte zu dem Angeklagten A.: „Schau, was du gemacht hast! Du hast mich gestochen!“ Der Angeklagte A. erwiderte: „Wo soll ich dich gestochen haben?“ Daraufhin gingen die Angeklagten schnellen Schrittes zum Pkw des Angeklagten B.; der Angeklagte B. rief dem A. A. im Weggehen zu: „Er hat meiner Schwester geschrieben.“ Sodann stiegen die Angeklagten in den Pkw des Angeklagten B. ein und fuhren in Richtung P. davon.
Durch die Schläge der Angeklagten gegen den Kopf und den Oberkörper erlitt K. Hämatome im Gesichtsbereich, eine Schürfwunde an der rechten Stirnseite, eine Schürfwunde am rechten Oberlid, einen Schleimhautdefekt an der linken Seite der Oberlippe und nicht nur unerhebliche Schmerzen am Kopf, insbesondere im Bereich der Stirn, der beiden Schläfen, des linken Mittelgesichts, der linken Seite der Nase und der linken Seite des Unterkiefers, und am Oberkörper. Durch die Tritte des Angeklagten B. gegen den linken Oberschenkel und gegen den Oberkörper erlitt K. ein Hämatom und nicht nur unerhebliche Schmerzen am linken Oberschenkel und nicht unerhebliche Schmerzen an der rechten Seite des Oberkörpers. Infolge der Stichwunde an der Brust erlitt K. nicht nur unerhebliche Schmerzen im Bereich der Stichwunde.
III. Nachtatgeschehen
Nachdem sich die Angeklagten vom Parkplatz entfernt hatten, sah A. A., dass K. an der Brust blutete und fragte den K.: „Was ist passiert?“ K. antwortete: „Ich hatte Stress mit D. und S..“ Daraufhin brachte A. A. den K., der leicht benommen war, zu dem geparkten Firmenfahrzeug seines Arbeitgebers; dort ließ er den K. auf der Beifahrerseite einsteigen, während er auf der Fahrerseite einstieg. Da A. A. zunächst beabsichtigte, den K. in das Klinikum D. zu fahren, fuhr er aus dem Parkplatz auf die in Richtung auf der Fahrt gelangten A. A. und K. jedoch zu dem Entschluss, dass es besser sei, über den Notruf den Rettungsdienst zu verständigen; daher drehte A. A. im Bereich der Unterführung der unter der um und fuhr zurück auf den Parkplatz des Verbrauchermarktes Norma. Dort wählte K., da er besser deutsch sprach als A. A., um 18:50 Uhr den Notruf und verständigte den Rettungsdienst; bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes warteten A. A. und K. im Fahrzeug.
Zwischen 18:43 Uhr und 19:00 Uhr tätigte der Angeklagte A. sechzehn Anrufe auf das Mobiltelefon des A. A. und einen Anruf auf das Mobiltelefon des K.. Lediglich bei drei Anrufen um 18:43 Uhr, 18:44 Uhr und 18:47 Uhr kam jeweils ein Gespräch mit A. A. mit einer Dauer von 50 Sekunden, 36 Sekunden und 41 Sekunden zustande; dabei brachte A. A. lautstark seine Missbilligung des Geschehens zum Ausdruck, indem er schimpfend in das Telefon rief: „Schämt euch!“ Ein Gespräch mit K. kam nicht zustande. Der Angeklagte B. erhielt um 18:51 Uhr einen Anruf des A. A. und tätigte um 18:55 Uhr einen Anruf auf das Mobiltelefon des A. A.; ein Gespräch kam jeweils nicht zustande. Nach dem Eintreffen des Rettungsdienstes wurde K. in den Rettungswagen gebracht und mit dem Rettungswagen in das Klinikum D. transportiert; dort wurde die Stichwunde genäht und K. zur Beobachtung über Nacht stationär aufgenommen. Die Angeklagten wurden am 21.10.2020 um 19:56 Uhr (B.) bzw. um 20:21 Uhr (A.) in P. vorläufig festgenommen. K. wurde am 22.10.2020 aus dem Klinikum D. entlassen. Die erlittenen Schmerzen spürte K. in abnehmender Intensität noch mindestens eine Woche nach der Tat, insbesondere beim Gehen und beim Heben von Gewichten. Er befand sich aufgrund der erlittenen Verletzungen nach der Entlassung aus dem Klinikum D. in hausärztlicher Behandlung und war zumindest eine Woche arbeitsunfähig. Er hat durch die Tat keine dauerhaften körperlichen oder seelischen Folgen davongetragen.
IV. Schuldfähigkeit
Die Fähigkeit des Angeklagten A. und des Angeklagten B., das Unrecht der Tat einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln, war bei der Begehung der Tat weder aufgehoben noch vermindert. Die Angeklagten standen bei der Begehung der Tat nicht unter dem Einfluss von Alkohol oder Drogen.
C. Beweiswürdigung
I. Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen
1. Angeklagter A.
Die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten A. beruhen auf den Angaben des Angeklagten A. und den Angaben der Sachverständigen Dr. B. in der Hauptverhandlung, die der Angeklagte A. auf Nachfrage durch die Kammer als zutreffend bestätigt hat. Die Feststellungen zu den Vorstrafen des Angeklagten A. ergeben sich aus der Verlesung des Auszugs aus dem Bundeszentralregister vom 04.06.2021 in der Hauptverhandlung; ergänzend sind auszugsweise das Urteil des Amtsgerichts D. vom 26.03.2014 (= BZR Ziffer 1), das Urteil des Amtsgerichts D. vom 02.11.2016 (= BZR Ziffer 2) und der Beschluss des Amtsgerichts D. vom 23.03.2017 (= BZR Ziffer 2), das Urteil des Amtsgerichts D. vom 20.09.2017 (= BZR Ziffer 3), das Urteil des Landgerichts D. vom 13.07.2018 (= BZR Ziffer 4) und das Urteil des Landgerichts D. vom 01.08.2019 (= BZR Ziffer 4) verlesen worden; hinsichtlich der Vollstreckungsdaten in Bezug auf die letztgenannte Verurteilung sind auszugsweise die Aufnahmemitteilung der Justizvollzugsanstalt Ebrach vom 13.11.2019, der Beschluss des Amtsgerichts Bamberg vom 30.08.2020, die Entlassungsmitteilung der Justizvollzugsanstalt Ebrach vom 02.09.2020, die Verfügung des Amtsgerichts D. vom 17.09.2020 mit Strafzeitberechnung und das Protokoll der Bewährungsplaneröffnung des Amtsgerichts D. vom 28.09.2020 verlesen worden. Die Feststellungen zur ausländerrechtlichen Situation des Angeklagten A. ergeben sich aus der auszugsweisen Verlesung des Bescheids des Landratsamts D. vom 13.10.2020 und der Beschlüsse des Bayerischen Verwaltungsgerichts Regensburg vom 23.09.2020 und vom 02.10.2020 in der Hauptverhandlung.
2. Angeklagter B.
Die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten B. beruhen auf den Angaben des Angeklagten B. und den Angaben der Vertreterin der Jugendgerichtshilfe in der Hauptverhandlung, die der Angeklagte B. auf Nachfrage durch die Kammer als zutreffend bestätigt hat. Die Feststellungen zur Vorstrafensituation des Angeklagten B. ergeben sich aus der Verlesung des Auszugs aus dem Bundeszentralregister vom 04.06.2021 in der Hauptverhandlung.
II. Feststellungen zum Sachverhalt
1. Feststellungen zur Vorgeschichte
Die Feststellungen unter B.I. zur Vorgeschichte der Tat beruhen auf den Angaben der Angeklagten und der durchgeführten Beweisaufnahme.
Die Feststellung, dass K. die Schwester des Angeklagten B., F. B., kontaktiert hat, ergibt sich aus den Angaben des Angeklagten B. und den Angaben des Zeugen K.. Der Angeklagte B. hat angegeben, seine Schwester, F. B., habe ihm am 21.10.2020 gegen 17:00 Uhr beim Abendessen mitgeteilt, dass K. ihr über soziale Medien mehrere Nachrichten gesandt habe; nach seiner Wahrnehmung habe sich seine Schwester, F. B., durch die Kontaktaufnahme des K. belästigt gefühlt. Der Zeuge K. hat angegeben, er habe der F. B. geschrieben, da sie ihm gefallen habe; sie habe ihm geantwortet, dass sie nicht interessiert sei; er habe ihr noch ein glückliches Leben gewünscht; damit sei der Kontakt beendet gewesen; er habe sie weder berührt noch angesprochen.
Dass der Angeklagte B. den K. treffen hat wollen, um ihn wegen der Kontaktaufnahme zu seiner Schwester, F. B., zur Rede zu stellen, ergibt sich aus den Angaben der Angeklagten und den Angaben des Zeugen K.. Der Angeklagte B. hat angegeben, er habe sich mit dem K. treffen wollen, um ihn wegen der Kontaktaufnahme zu seiner Schwester, F. B., zur Rede zu stellen. Der Angeklagte A. hat angegeben, der Angeklagte B. habe ihm hinsichtlich des Treffens mit K. gesagt, er habe etwas mit dem K. zu klären, es ginge um seine Schwester, da K. ihr geschrieben habe. Der Zeuge K. hat angegeben, er habe den Grund des Treffens, dass es um die Schwester des Angeklagten B., F. B., gegangen sei, erst nach dem Geschehen erfahren; er habe nicht gewusst, dass es sich bei F. B. um die Schwester des Angeklagten B. gehandelt habe.
Dass F. B. den Entschluss des Angeklagten B., den K. zu treffen und zur Rede zu stellen, nicht gebilligt hat, ergibt sich aus der Verlesung des WhatsApp-Chatverlaufs zwischen B. und F. B. aus dem Mobiltelefon des Angeklagten B. vom 21.10.2020, 16:43:03 (UTC+2) – 18:31:58 (UTC+2), insbesondere aus der um 17:56 Uhr an den Angeklagten B. übersandten Nachricht: „übertreib nicht mach keine probleme wo keine sind“, die sich aufgrund des zeitlichen Zusammenhangs mit dem Gespräch des Angeklagten B. mit seiner Schwester, F. B., offensichtlich auf das Treffen des Angeklagten B. mit K., bezieht; eine andere inhaltliche Zuordnung der Nachricht hat auch der Angeklagte B. nicht getroffen. Dass der Angeklagte B. den Angeklagten A. mit dem Auto abgeholt hat, dass die Angeklagten zunächst zum Schnellrestaurant McDonald’s gefahren sind, dass der Angeklagte B. den Angeklagten A. auf der Fahrt über die Angelegenheit, die er mit dem K. zu klären habe, unterrichtet hat und dass der Angeklagte B. im Schnellrestaurant McDonald’s das Treffen mit K. in D. vereinbart hat, ergibt sich aus den Angaben der Angeklagten. Die Nachrichten, die der Angeklagte B. am 21.10.2020 um 18:01 Uhr und 18:02 Uhr gesandt hat, ergeben sich aus der Verlesung des Instagram-Chatverlaufs zwischen B. und K. aus dem Mobiltelefon des Angeklagten B. von 14.10.2020, 00:27 (UTC+2), bis 21.10.2020, 18:02 (UTC+2), in deutscher Übersetzung (Originalsprache: Albanisch) in der Hauptverhandlung.
Die Feststellungen zur Vereinbarung des Treffens mit K. ergeben sich aus den Angaben der Angeklagten und des Zeugen K.; demnach habe K. ein Treffen in P. abgelehnt, da er kein Auto habe; den Vorschlag, sich in D. zu treffen, habe der Angeklagte A. gemacht; den Vorschlag, sich in D. auf dem Parkplatz des Verbrauchermarktes Norma in der R2. straße 30 zu treffen, habe K. gemacht; dass der Angeklagte B. und K. am 20.11.2020 um 18:11 Uhr telefoniert haben, ergibt aus der Verlesung der Anrufliste des Mobiltelefons des Angeklagten B. vom 21.10.2020, 18:01:42 (UTC+2) – 18:55:00 (UTC+2) in der Hauptverhandlung.
Die Feststellungen zur Anfahrt der Angeklagten, zum Eintreffen in D. bzw. am Treffpunkt und zum Fußmarsch des K. zum Treffpunkt, ergeben sich aus den Angaben der Angeklagten und des Zeugen K..
Die Feststellungen zum Erscheinen des A. A., zur Begrüßung des A. A. und zum Warten der Angeklagten auf den K. auf dem Parkplatz ergeben sich aus den Angaben der Angeklagten und den Angaben des Zeugen A. A..
2. Feststellungen zum Tatgeschehen
Die Feststellungen unter B.II. zum Tatgeschehen beruhen auf den Einlassungen der Angeklagten, soweit ihnen gefolgt werden konnte, und der durchgeführten Beweisaufnahme.
a) Der Angeklagte B. räumt ein, dem K. bis zum Eingreifen des Angeklagten A. mehrere Faustschläge gegen den Kopf und mehrere Fußtritte gegen den Beinbereich gegeben zu haben. Er behauptet jedoch, K. habe in der Auseinandersetzung mit ihm ein Messer zur Drohung eingesetzt; daraufhin habe sich der Angeklagte A. zwischen ihn und K. gestellt und habe den K. weggedrängt; der Angeklagte A. habe den K. nicht geschlagen; ein Messer habe er bei dem Angeklagten A. nicht wahrgenommen.
aa) In der Hauptverhandlung hat er das Geschehen wie folgt geschildert: Nachdem K. auf dem Parkplatz erschienen sei, habe er den K. zur Seite genommen und ihn gefragt, ob er wisse, worum es gehe; dies habe K. immer wieder verneint; er habe ihn gefragt, ob er seine Schwester kenne und habe ihm ihren Vornamen gesagt; hierauf habe K. gesagt: „Was ist mit der? Was soll mit der sein?“ Da habe er den ersten Schlag gegen K. ausgeführt und es habe sich ein Schlagabtausch entwickelt; wie viele Schläge, ob drei, vier oder mehr, er gegen den K. ausgeführt habe, könne er nicht mehr sagen; er habe selbst Schläge gegen den Kiefer und die Nase erhalten. Plötzlich habe K. ein Messer gezogen, es gehalten und gefragt: „willst du es wirklich?“; als er das Messer gesehen habe, sei er zurückgegangen; da sei der Angeklagte A. nach vorne gekommen und habe den K. weggedrängt. In dem Moment sei A. A. gekommen, habe die Sachen vom Einkauf fallen lassen und habe die Situation aufgelöst, indem er herumgeschrien habe und sich zwischen ihn, den Angeklagten A. und K. gestellt habe. Als er und der Angeklagte A. sich aufgemacht hätten, zum Auto zu gehen, habe K. ihnen einen roten Fleck gezeigt; er könne nicht mehr sagen, welche Gespräche dabei geführt worden seien. Auf der Rückfahrt nach P. habe er den Angeklagten A. gefragt, ob dieser wisse, woher der rote Fleck bei K. stamme; der Angeklagte A. habe jedoch keine Erklärung gehabt; ob darüber gesprochen worden sei, ob der Angeklagte A. ein Messer gehabt habe, könne er nicht mehr sagen. Er habe jedenfalls nicht gesehen, dass der Angeklagte A. ein Messer gehabt habe; der Angeklagte A. habe den K. nicht geschlagen. Er selbst habe den K. nach dem Eingreifen des Angeklagten A. auch nicht mehr geschlagen.
bb) In seiner polizeilichen Vernehmung vom 22.10.2020, welche durch die Vernehmung des damals vernehmenden KHK H., der noch eine eigene Erinnerung an die Vernehmung hatte, in die Hauptverhandlung eingeführt worden ist, führte er darüber hinaus noch an, A. habe bei der Heimfahrt noch gesagt, er habe bei K. ein Messer gesehen. Darüber hinaus habe dieser ausgeführt, zwar selbst auch ein Messer dabeigehabt zu haben, ohne es jedoch eingesetzt zu haben.
b) Der Angeklagte A. bestreitet, den K. geschlagen bzw. mit einem Messer gestochen zu haben. Er behauptet, er habe in der Auseinandersetzung zwischen dem Angeklagten B. und K. lediglich schlichten wollen; dabei habe er den K. am Körper berührt, ihn jedoch nicht geschlagen oder gestochen; stattdessen habe K. in der Auseinandersetzung mit dem Angeklagten B. ein Messer zur Drohung eingesetzt, das er ihm habe abnehmen wollen. Er selbst habe zwar ein Messer mitgeführt, das sich jedoch im Zeitpunkt der Auseinandersetzung in einem Seitenfach im Auto des B. befunden habe.
aa) In der Hauptverhandlung hat er das Geschehen wie folgt geschildert: Nachdem K. auf dem Parkplatz erschienen sei und K., der Angeklagte B. und er sich begrüßt hätten, habe der Angeklagte B. den K. gebeten, kurz mitzukommen, weil sie reden müssten; der Angeklagte B. und K. seien dann auf dem Parkplatz in Richtung der Hecke gegangen, während er am Eingang der Norma gewartet habe; plötzlich habe er ein dumpfes Knallen gehört, das sich nach einem Faustschlag angehört habe; er sei in Richtung der Hecke gegangen und habe gesehen, dass sich der Angeklagte B. und K. geschlagen hätten. Da habe K. auf einmal ein Messer aus der Kleidung gezogen und sei mit dem Messer in bedrohlicher Weise dagestanden, so dass der Angeklagte B. ein paar Schritte zurückgegangen sei; in dem Moment sei er hingelaufen und habe sich zwischen dem Angeklagten B. und K. gestellt. Er habe zu K. gesagt, er solle aufhören und sich beruhigen, sei auf ihn zugegangen und habe ihn mit beiden Händen leicht an den Oberarmen, an der Brust und an den Schultern angepackt; dann habe er versucht, den K. zu entwaffnen und diesem das Messer, das dieser in der rechten Hand gehalten habe, wegzunehmen, indem er mit einer Hand das Handgelenk des K. gepackt habe und mit der anderen Hand dessen Finger zu lösen versucht habe; es sei hin- und hergezogen worden, bis er mit dem Daumen an die Klinge des Messers gekommen sei; als er einen Schnitt am Daumen gespürt habe, habe er abgelassen. In dem Moment habe er den A. A. schreien gehört, habe sich umgedreht und habe gesehen, dass A. A. am Eingang der Norma ein Brot habe fallen lassen; in dem Moment habe der Angeklagte B. noch einmal auf den K. eingeschlagen. A. A. habe sich dann vor den Angeklagten B. und ihn hingestellt und gesagt, sie sollten aufhören; es habe ein kleines Gerangel gegeben; dabei habe sich K. ein paar Schritte entfernt, habe sich an die Brust gefasst, die Jacke aufgemacht, wobei man Blut gesehen habe, und zu ihm gesagt: „Schau, was du gemacht hast, du hast mich gestochen“; er habe den K. gefragt: „Wo soll ich dich gestochen haben?“ Daraufhin hätten der Angeklagte B. und er sich entfernt, seien zum Auto gegangen und nach P. gefahren.
In Bezug auf die Frage, ob er selbst ein Messer mitgeführt habe, hat er (erstmals) in der Hauptverhandlung angegeben, in der Jacke, die er getragen habe, bei der es sich um die Trainingsjacke seines Bruders gehandelt habe, habe sich tatsächlich ein Messer befunden; dies habe er jedoch erst bemerkt, als er bereits bei dem Angeklagten B. im Auto gesessen sei; dort habe er das Messer – auf der Hinfahrt – in das Seitenfach gelegt, ohne dass B. dies bemerkt habe. Später – auf der Rückfahrt – sei ihm eingefallen, dass sich im Seitenfach noch das Messer befinde; da er sich gedacht habe, dass man es dort finden werde und ihm niemand glauben würde, habe er es wieder aus dem Seitenfach genommen und habe es eingesteckt; zu Hause in P. habe er das Messer im Mülleimer in der Küche entsorgt, da er befürchtet habe, dass man ihm nicht glauben würde.
bb) Bei seiner Vernehmung durch die Ermittlungsrichterin am 22.10.2020, über deren Inhalt die Zeugin Direktorin des Amtsgerichts N., die damalige Ermittlungsrichterin, die sich noch gut an die Vernehmung erinnern konnte, berichtet hat, hat der Angeklagte A. behauptet, er habe in der Auseinandersetzung zwischen dem Angeklagten B. und K. lediglich schlichten wollen; dabei habe er den K. angefasst und festgehalten, ihn jedoch nicht geschlagen oder mit einem Messer gestochen; er habe überhaupt kein Messer dabeigehabt. Hingegen habe K. „immer“ ein Messer dabei; es habe sich möglicherweise um ein „Versehen“ gehandelt; dieser habe die Jacke aufgemacht, ihm die Stichwunde, sichtbar als roter Fleck, gezeigt und ihm gesagt, dass er ihn gestochen habe. Dass K. in der Auseinandersetzung mit dem Angeklagten B. ein Messer zur Drohung eingesetzt hätte, hat der Angeklagte A. damals noch nicht berichtet; dass er selbst ein Messer mitgeführt habe, hat er damals noch bestritten.
cc) Bei seiner Vernehmung durch die Ermittlungsrichterin am 25.11.2020, über deren Inhalt die Zeugin Direktorin des Amtsgerichts N., die damalige Ermittlungsrichterin, aus eigener Erinnerung berichtet hat, hat der Angeklagte A. behauptet, er habe dem Angeklagten B. gesagt, dass er kein Messer dabeihabe, als dieser ihn danach im Auto nach dem Vorfall gefragt habe. Dass K. in der Auseinandersetzung mit B. ein Messer zur Drohung eingesetzt hätte, hat der Angeklagte A. damals nicht berichtet; dass er selbst ein Messer mitgeführt habe, hat er damals bestritten.
c) Beide Angeklagten stellten in den Raum, K. sei nicht von ihnen gestochen worden, sondern habe sich seine Stichverletzung selbst zugefügt. Auf konkrete Wahrnehmungen oder auch nur Vermutungen gründeten sie diesen Verdacht nicht. Auch die Beweisaufnahme konnte keinen Anhaltspunkt ermitteln, der einen solchen Verdacht hätte wecken können. Der von den Angeklagten geschilderte Geschehensablauf lässt eine solche Vermutung ebenfalls als ausgeschlossen erscheinen.
Die Überzeugung, dass sich das Tatgeschehen so zugetragen hat, wie oben unter B.II. dargestellt, stützt die Kammer nach Durchführung der Beweisaufnahme auf die folgenden Tatsachen und Umstände:
aa) Der Zeuge K. führte hinsichtlich der Stichverletzung in der Hauptverhandlung aus, nicht mehr zu wissen, welchem der beiden Angeklagten der Stich mit dem Messer zuzuordnen sei. Zwar sei er sich sicher, dass er das Messer, von einer Hand gehalten, vor seinem Körper gesehen habe; es habe sich um ein Klappmesser mit einem schwarzen Griff gehandelt; den Griff habe er am Ansatz der Klinge noch sehen können. Allerdings wisse er nun nicht mehr, in wessen Hand sich das Messer befunden habe, also ob in der Hand des Angeklagten A. oder in der Hand des Angeklagten B.. Bevor er das Messer gesehen habe, habe er jedenfalls einen stumpfen Schlag gegen die Brust verspürt.
bb) Dass K. eine ca. 1 cm tiefe, bis in die oberste Muskelschicht hineinreichende, und ca. 1 cm lange Stichwunde, ca. 2,5 cm unterhalb und ca. 2 cm rechts der linken Brustwarze, erlitten hat, ergibt sich aus der Verlesung des Aufnahmebogens des Klinikums D. für K. vom 21.10.2020 und des Entlassungsbriefes des Klinikums D. für K. vom 22.10.2020 und aus dem Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. P., der das Gutachten auf der Grundlage der körperlichen Untersuchung des K., die am 23.10.2020 stattgefunden hat, und der polizeilich gefertigten Lichtbilder der Stichwunde und der Oberbekleidung, die in der Hauptverhandlung in Augenschein genommen worden sind, erstattet hat und ausgeführt hat, es handele sich um eine schlitzartige, glattrandige Hautverletzung, wobei die Glattrandigkeit der Wundränder eindeutig für eine scharfe Gewalteinwirkung mit einem spitzen oder schneidenden Werkzeug spreche; zwar lasse sich nach dem Verletzungsbild für sich genommen nicht differenzieren, ob die Verletzung als Stichwunde oder Schnittwunde einzuordnen sei, jedoch sei die Stichkomponente unter Berücksichtigung der Defekte an der Oberbekleidung als plausibler zu bewerten; die festgestellte Verletzung lasse sich zwanglos durch den durch den Zeugen K. geschilderten Messerstich erklären, insbesondere erreiche man mit einem Messer mit einer Klingenlänge von ca. 7 cm nach Durchstechung der Oberbekleidung mühelos die betroffenen Gewebestrukturen, wenngleich die konkrete Stichrichtung im Sinne der Achsenstellung aus dem morphologischen Verletzungsbild aufgrund der geringen Tiefe des Stichkanals nicht rekonstruiert werden habe können. Der Umstand, dass bei einer durchdringenden Stichverletzung der Defekt der Kleidung nicht mit dem Defekt der Haut übereinstimmt, sei im Rahmen eines dynamischen Geschehens infolge eines Hochrutschens der getragenen Kleidung mit einer Verschiebung auf der Vertikalachse nicht ungewöhnlich.
cc) Dass sich K. die Stichwunde bewusst selbst zugefügt hat, hält die Kammer auf der Grundlage des Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. P. für ausgeschlossen. Zur Frage der Selbstverletzung hat der Sachverständige Prof. Dr. P. ausgeführt, die betreffende Hautdurchtrennung liege zwar an einer für den K., der Rechtshänder sei, selbst erreichbaren Region auf der linken Körperpartie, jedoch seien im konkreten Fall die typischen Kriterien einer Selbstverletzung nicht erfüllt gewesen; so hätten bei dem K. keine Zauderschnitte festgestellt werden können, außerdem sei die betroffene Körperregion nicht freigelegt gewesen, sondern mit Jacke und Pullover bekleidet gewesen, an denen Stichdefekte festgestellt werden hätten können; überdies fehlten typische Kriterien wie Parallelität und Oberflächlichkeit, wie sie häufig bei Selbstbeibringungen gefunden werden könnten. Im Übrigen hat die Kammer bereits im Ansatz keinen schlüssigen Beweggrund für eine bewusste Selbstverletzung des K. finden können. Auch die Angeklagten beschreiben nicht, daß der Zeuge K. ein Messer gegen seine eigene Brust geführt habe.
dd) Daneben ergibt sich weder aus der Einlassung des Angeklagten A. noch aus der Einlassung des Angeklagten B. eine schlüssige Beschreibung für eine versehentliche Selbstbeibringung der Stichwunde durch den K..
Für eine versehentliche Selbstbeibringung der Stichwunde fehlt ebenfalls jeder Anhalt. Soweit die Angeklagten das Abwehrverhalten des Zeugen K. beschrieben haben, ging keine seiner Handbewegungen gegen die Brust. Der Angeklagte B. hatte zu einem vermeintlichen Messer ausgeführt, dies habe K. aus der Tasche gezogen und in der Hand gehalten, woraufhin er selbst auf Distanz gegangen sei und sich A. dazwischengestellt und K. weggedrängt habe. Soweit der Angeklagte A. ein Messer wahrgenommen haben will, kann sich der Zeuge mit diesem Messer nicht verletzt haben. Nach seiner Einlassung will A. gleich auf den Zeugen losgegangen und an beiden Oberarmen gepackt haben, als K. auf einmal sein Messer aus der Kleidung gezogen habe. Er habe dann mit einer Hand das Handgelenk der messerführenden Hand gepackt und es sei hin und hergezogen worden. Ein Kampf ums Messer im Bereich der Brust ergibt sich aus diesem Geschehensablauf jedoch nicht. Weder B. noch A. kämpften mit K. im Bereich der Brust um das Messer. Auch der Sachverständige Prof. Dr. P. hat ausgeführt, er habe aus rechtsmedizinischer Sicht dem geschilderten Geschehensablauf nichts entnommen, was für eine versehentliche Selbstverletzung sprechen würde.
Überdies ist ein Messer des K. nach dem Geschehen, trotz großflächiger Absuche des Parkplatzes durch die Polizei, über die der Zeuge KHK Hu. in der Hauptverhandlung berichtet hat, nicht aufgefunden worden. Ferner hat der Zeuge A. A., der in der Schlussphase der Auseinandersetzung hinzugekommen ist, bekundet, dass er kein Messer bei K. gesehen habe. Schließlich ergaben sich keine Anhaltspunkte für eine Entsorgung eines Messers durch den K. auf der kurzen Fahrt vom Parkplatz zur Unterführung der unter der und zurück zum Parkplatz; über die Entsorgung eines Messers durch den K. hat der Zeuge A. A., der sich bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes in unmittelbarer Nähe des K. befand, nichts berichten können.
Darüber hinaus spricht auch die Beschreibung des Messerstichs durch den Zeugen K. als stumpfer Schlag für eine Fremdverletzung; insofern hat der Sachverständige Prof. Dr. P. ausgeführt, die Beschreibung, die der Zeuge K. abgegeben habe, wonach er nicht einen Stich, sondern einen Schlag gespürt habe, sei die klassische Beschreibung für die Wahrnehmung einer Messerstichverletzung, die man bei charakteristischen Abläufen im Rahmen einer körperlichen Auseinandersetzung, wenn das Opfer den Stich nicht sehe, erwarten würde; in derartigen Fällen werden eine Stichverletzung subjektiv typischerweise nicht als Stich, sondern als stumpfe Gewalt wahrgenommen
d) Hinsichtlich des Eintreffens aller Beteiligten auf dem Parkplatz, der Begrüßung, zum Gespräch zwischen B. und K., zum Beginn der körperlichen Auseinandersetzung und zum Schlagabtausch zwischen beiden stimmen die Einlassungen der Angeklagten und des Zeugen K. im wesentlichen überein. Insbesondere räumt der Angeklagte B. ein, dem K. bis zum Eingreifen des A. mehrere Faustschläge gegen den Kopf und mehrere Fußtritte gegen den Beinbereich gegeben zu haben.
Der Zeuge K. hat in der Hauptverhandlung bekundet, er sei zu Fuß zur Norma gegangen; auf dem Parkplatz habe er A. und B. begrüßt; B. habe gesagt, er solle kurz mit ihm mitgehen, da er mit ihm etwas zu besprechen habe; er habe sich daher einige Meter mit B. von A. entfernt. B. habe ihn dann gefragt, ob er wisse, weshalb er ihn angerufen habe; er habe geantwortet, dass er es nicht wisse; B. habe gesagt, er solle mal gut überlegen; er sei davon ausgegangen, dass B. sich mit ihm zum Kaffeetrinken habe treffen wollen; B. habe nochmals gesagt, er solle gut überlegen. Dann habe B., ohne noch etwas zu sagen, sofort zugeschlagen; er (B.) habe mit den Fäusten geschlagen und mit den Füßen getreten. Er (K.) habe versucht, den B. wegzuschubsen, habe es jedoch nicht geschafft, da B. sehr schnell gewesen sei und fortgefahren habe, mit den Fäusten zu schlagen und mit den Füßen zu treten; er habe bis zum Eingreifen des A. nach Art eines Boxkampfs mit den Fäusten mehrmals gegen seinen Kopf geschlagen und mit den Füßen mehrmals gegen seinen Oberschenkel getreten.
Hinsichtlich der zeitlichen Einordnung hat der Zeuge K. die Fußtritte gegen den linken Oberschenkel in der Hauptverhandlung, anders als in der Vernehmung vom 26.10.2020, auf Nachfrage durch die Kammer nachvollziehbar dem Zeitabschnitt vor dem Eingreifen des Angeklagten A. zugeordnet; insofern stimmen seine Angaben in der Hauptverhandlung mit den Angaben des Angeklagten B. in der Vernehmung vom 22.10.2020 überein. Zur Anzahl der Faustschläge des B. hat der Zeuge K. keine konkreten Angaben machen können und sich darauf beschränkt, dass es sich um mehrere Faustschläge gehandelt habe; insofern geht die Kammer mit Blick auf die Angaben des Angeklagten B. in der Vernehmung vom 22.10.2020 davon aus, dass es sich jedenfalls um sieben Faustschläge gehandelt hat. Die Anzahl der Fußtritte hat er in der Hauptverhandlung nicht beziffern können, in der Vernehmung vom 26.10.2020 jedoch ca. vier Fußtritte gegen den linken Oberschenkel geschildert; unter Berücksichtigung der Angaben des Angeklagten B., der in der Vernehmung vom 21.10.2020 ca. zwei bis drei Fußtritte in Richtung des Beinbereichs eingeräumt hat, geht die Kammer davon aus, dass der Angeklagte B. jedenfalls dreimal mit dem rechten Fuß gegen den linken Oberschenkel des K. eingetreten hat. Hinsichtlich des Verteidigungsverhaltens des K. hat die Kammer keinen Zweifel, dass K. den Angeklagten B. nicht nur wegschubste, sondern sich mit Faustschlägen in das Gesicht des B. zur Wehr setzte; zwar hat der Zeuge K. in der Hauptverhandlung unter Vermeidung einer Selbstbelastung angegeben, den Angeklagten B. lediglich weggeschubst, nicht jedoch geschlagen zu haben; diesbezüglich hat er jedoch bereits in der Vernehmung vom 21.10.2020 angegeben, er habe sich gewehrt und mit den Fäusten auf den Kopf des B. eingeschlagen; dies entspricht der Schilderung des Angeklagten B., der angegeben hat, von K. Schläge gegen den Kiefer und die Nase erhalten zu haben, und stimmt mit den in Augenschein genommenen Lichtbildern des Gesichts des Angeklagten B. die am 21.10.2020 angefertigt worden sind und deutliche Rötungen zeigen, überein. Überdies lassen sich die Faustschläge und Tritte des Angeklagten B. zwanglos mit den festgestellten Verletzungsfolgen des K. in Einklang bringen. Aus den Angaben des Zeugen A. A. ergibt sich hinsichtlich der Verletzungshandlungen in dem betreffenden Zeitabschnitt kein darüber hinausgehender Befund, da sich der Zeuge A. A. in dem betreffenden Zeitabschnitt noch beim Einkaufen in der Norma befand und insoweit keine eigenen Wahrnehmungen machen konnte.
e) Dass sich der Angeklagte A. eingreifend in das Kampfgeschehen begab, ergibt sich bereits aus den Einlassungen der Angeklagten. Allerdings schilderte der Zeuge K. von diesen Einlassungen abweichend, er habe ihm von hinten einen Faustschlag gegen den rechten Hinterkopf versetzt. Diesen Faustschlag habe er zunächst an der rechten Schulter verspürt, die A. aber nicht richtig getroffen habe. Der Faustschlag sei nämlich an der rechten Schulter abgerutscht und gegen die rechte Seite des Halses abgelenkt worden. Der unerwartete Schlag von hinten habe ihn „geschockt“ und in der Folge in seiner Abwehrfähigkeit eingeschränkt.
Danach habe Angeklagte B. pausenlos und ununterbrochen mit den Fäusten zugeschlagen und mit den Füßen getreten; seine Schläge seien nach dem Eingreifen des Angeklagten A. noch intensiver geworden, wobei die Schläge nicht nur den Kopf, sondern auch den Oberkörper getroffen hätten; überdies habe ihn der Angeklagte B. mit dem rechten Fuß in den Bereich der Rippen getreten. Gleichzeitig habe der Angeklagte A. mit der Faust zugeschlagen, wobei er mit einem Schlag im Gesicht und mit mindestens einem weiteren Schlag am Oberkörper getroffen worden sei; insgesamt habe er von dem Angeklagten A. drei bis höchstens vier Faustschläge erhalten; getreten worden sei er von dem Angeklagten A., im Gegensatz zu dem Angeklagten B., nicht.
In seiner polizeilichen Vernehmung vom 26.10.2020, deren Inhalt der damals vernehmende KHK W. aus eigener Erinnerung wiedergeben konnte, hatte der Zeuge den ersten Schlag als einen Schlag mit der Faust gegen die rechte Seite des Hinterkopfes beschrieben, durch den er „etwas benebelt“ gewesen sei. Insoweit hat der Zeuge den Faustschlag in der Hauptverhandlung präzisierend geschildert. Ergänzend führte er auch noch einen Tritt des Angeklagten B. den Bereich der Rippen nach dem Eingreifen des Angeklagten A. in das Geschehen an, wobei er betonte, nicht vom Angeklagten A. getreten worden zu sein. Dieser Ergänzung der Aussage schenkt die Kammer Glauben, weil sich ein Fußtritt in den Bereich der Rippen mit dem Befund der körperlichen Untersuchung des K. plausibel in Einklang bringen läßt. Die körperliche Untersuchung fand zeitnah am 23.10.2020 statt, deren Ergebnisse der Sachverständige Prof. Dr. P. in der Hauptverhandlung sachkundig eingeführt hat. Diese ergab unter anderem im mittleren Drittel der rechten seitlichen Rumpfpartie im Bereich der hinteren Achsellinie eine hämatomartige Hautveränderung mit Druckschmerz.
Daß der Zeuge den Faustschlag nicht schon bei der ersten Vernehmung gleich nach der Tat in der Notaufnahme des Klinikums dem vernehmenden KHK Hu. geschildert hatte, führt die Kammer auf den Umstand zurück, daß es bei dieser ersten Vernehmung nur darum gegangen war, den wesentlichen Geschehensablauf festzuhalten. Der als Zeuge vernommene Vernehmungsbeamte KHK Hu., der über diese Vernehmung aus eigener Erinnerung berichten konnte, führte dazu aus, daß er sich bei seiner Befragung auf die Kernpunkte beschränkt habe, da es sich lediglich um eine viertelstündige „Festlegungsvernehmung“ in der Notaufnahme des Klinikums gehandelt habe. Dies erklärt auch, daß in dieser Vernehmung nicht bereits die einzelnen Interaktionen, wie einzelne Schläge oder Tritte näher thematisiert worden sind.
Da der Zeuge K. die Anzahl der Schläge und Tritte, die der Angeklagte B. nach dem Eingreifen des Angeklagten A. in das Geschehen ausgeführt hat, nicht konkret beziffern hat können, nimmt die Kammer zugunsten des Angeklagten B. insoweit an, dass der Angeklagte B. dem K. mit der Faust mindestens einmal gegen den Kopf und mindestens einmal gegen den Oberkörper geschlagen hat und ihm mit dem Fuß mindestens einmal gegen den Oberkörper in den Bereich der Rippen getreten hat.
f) Die näheren Feststellungen zum Messerstich des Angeklagten A. in die Brust des K. ergeben sich insbesondere aus den Angaben des Zeugen K., die er im Ermittlungsverfahren gemacht hat. Zwar hat der Zeuge K. den Messerstich in der Hauptverhandlung nicht mehr dem Angeklagten A. zugeordnet; jedoch ist die Kammer überzeugt, dass die Angaben des Zeugen K., die er im Ermittlungsverfahren gemacht hat, richtig sind und der Wahrheit entsprechen; eine nachvollziehbare Erklärung für die Änderung seines Aussageverhaltens in der Hauptverhandlung hat der Zeuge K. nicht liefern können.
aa) Bereits im Rahmen des Notrufs am 21.10.2020 um 18:50 Uhr hat K., wie sich aus der Verlesung des Notrufprotokolls ergibt, gegenüber der Integrierten Leitstelle mitgeteilt, er sei von einem Mann mit einem Messer im Bereich der Brust verletzt worden.
bb) Bei seiner polizeilichen Vernehmung am 21.10.2020, die von 20:50 Uhr bis 21:05 Uhr, mithin lediglich zwei Stunden nach dem Tatgeschehen, in der Notaufnahme des Klinikums D., in deutscher Sprache, d.h. ohne Dolmetscher, stattgefunden hat und über deren Inhalt der Zeuge KHK Hu., der damalige Vernehmungsbeamte, aus eigener Erinnerung berichtet hat, hat der Zeuge K. angegeben, der Angeklagte A. habe ihm einen Schlag an den Oberkörper, im Brustbereich, verpasst; als A. die Hand zurückgezogen habe, habe er in dessen Hand ein Messer gesehen; das Messer habe er zuvor nicht gesehen gehabt; der Angeklagte A. habe das Messer bei dem Schlag mit der Klinge nach unten in der Faust gehalten; er sei nach dem Schlag einen Schritt zurückgegangen und habe nur einmal zugestochen. Er (K.) habe nach ca. 30 Sekunden gefühlt, dass es an der Brust warm sei; er habe dann an sich an der Kleidung heruntergeschaut und habe bemerkt, dass alles voller Blut sei. Bei dem Messer habe es sich um ein Klappmesser mit einem schwarzen Griff und einer ca. 5 cm langen Klinge gehandelt. Hinsichtlich der Haltung des Messers hat der Vernehmungsbeamte, der Zeuge KHK Hu., berichtet, der Zeuge K. habe im Rahmen der Vernehmung die Griffhaltung nach der Art eines „Eispickelgriffs“, d.h. mit der Klinge nach unten, beschrieben, wobei der Begriff des „Eispickelgriffs“, bei dem es sich um einen Fachbegriff im Messerkampf handele, auf den Vernehmungsbeamten zurückgeht. Die Frage, ob er selbst ein Messer dabeigehabt habe, hat der Zeuge K. im Rahmen der Vernehmung vom 21.10.2020 verneint. Hinsichtlich der Frage der Verständigung hat der Vernehmungsbeamte, der Zeuge KHK Hu., berichtet, er habe keine Verständigungsschwierigkeiten festgestellt; der Zeuge K. habe mitgeteilt, einen Dolmetscher nicht zu benötigen; dies erscheint der Kammer mit Blick auf die in der Hauptverhandlung getätigte Aussage, er habe in der Berufsschule im letzten Jahreszeugnis im Fach Deutsch die Note 4 erreicht, nachvollziehbar; im Übrigen hat der Zeuge K. in der Hauptverhandlung eingeräumt, die Angaben im Rahmen der Vernehmung vom 22.10.2020 so, wie sie der Zeuge KHK Hu. geschildert hat, getätigt zu haben.
cc) Bei seiner polizeilichen Vernehmung am 26.10.2020, die lediglich fünf Tage nach dem Tatgeschehen in albanischer Sprache, d.h. mit Unterstützung eines muttersprachlichen albanischen Dolmetschers, stattgefunden hat und über deren Inhalt der Zeuge KHK W., der damalige Vernehmungsbeamte, aus eigener Erinnerung berichtet hat, hat der Zeuge K. nach mündlicher Belehrung, dass seine Angaben der Wahrheit entsprechen müssen und er niemanden zu Unrecht beschuldigen darf, angegeben, er sei im Rahmen des Kampfgeschehens zuletzt von dem Angeklagten A. mit der Handkante der rechten Faust gegen die Brust geschlagen worden; als er einen Schritt zurückgegangen sei, habe er bemerkt, dass der Angeklagte A. in seiner rechten Faust ein Messer gehalten habe; dabei habe er die Klinge und einen Teil des Griffs gesehen; die Klinge des Messers sei nur an einer Seite geschliffen gewesen, die andere Seite sei, wie bei einem Klappmesser, leicht gekrümmt gewesen; der Griff des Messers sei schwarz gewesen. Er habe zunächst keine Schmerzen gehabt, jedoch habe er dann den Reißverschluss der Jacke aufgemacht und festgestellt, dass er an der linken Brust geblutet habe. Die Klingenlänge hat der Zeuge K., so der Zeuge KHK W., in der Vernehmung unter Einsatz eines Lineals auf ca. 7 cm geschätzt. Die Frage, ob er selbst ein Messer dabeigehabt habe, hat der Zeuge K. im Rahmen der Vernehmung vom 26.10.2020 wiederum verneint.
dd) Schließlich hat der Zeuge K. bei seiner polizeilichen Vernehmung am 03.12.2020, die in albanischer Sprache, d.h. mit Unterstützung eines muttersprachlichen Dolmetschers, stattgefunden hat und über deren Inhalt der Zeuge KHK W., der damalige Vernehmungsbeamte, aus eigener Erinnerung berichtet hat, nach mündlicher Belehrung, dass seine Angaben der Wahrheit entsprechen müssen und er niemanden zu Unrecht beschuldigen darf, nach nochmaliger Befragung bekundet, er bleibe dabei, dass ihn der Angeklagte A. mit einem Messer verletzt habe; nachdem ihm der Angeklagte A. mit der Faust gegen die Brust geschlagen und die Faust zurückgezogen habe, habe er gesehen, dass der Angeklagte A. in der Faust ein Messer gehalten habe. Die Frage, ob er selbst ein Messer dabeigehabt habe, hat der Zeuge K. im Rahmen der Vernehmung vom 03.12.2020 abermals verneint.
ee) Demnach hat der Zeuge K. im Ermittlungsverfahren, wie er im Übrigen selbst in der Hauptverhandlung eingeräumt hat, in drei polizeilichen Vernehmungen angegeben, der Angeklagte A. habe ihm mit einem Messer in die Brust gestochen; die Frage, ob er selbst ein Messer dabeigehabt habe, hat er jeweils entschieden verneint.
In der Hauptverhandlung hat er behauptet, nicht mehr zu wissen, welchem der beiden Angeklagten der Stich mit dem Messer zuzuordnen sei. Er hat nunmehr bekundet, er bleibe insoweit bei seinen im Ermittlungsverfahren getätigten Aussagen, als er sich sicher sei, dass er das Messer, das von einer Hand gehalten worden sei, vor seinem Körper gesehen habe; es habe sich um ein Klappmesser mit einem schwarzen Griff gehandelt; den Griff habe er am Ansatz der Klinge noch sehen können; in wessen Hand sich das Messer befunden habe, ob in der Hand des Angeklagten A. oder in der Hand des Angeklagten B., könne er heute jedoch nicht mehr sicher sagen; er könne daher heute nicht mehr sicher sagen, welcher der beiden Angeklagten ihm den Stich mit dem Messer zugefügt habe; insoweit wolle er seine frühere Behauptung widerrufen.
ff) Eine nachvollziehbare Erklärung für die Änderung seines Aussageverhaltens in der Hauptverhandlung hat der Zeuge K. indessen nicht liefern können. Er hat behauptet, er habe anfangs gedacht, dass es der Angeklagte A. gewesen sei, der ihm den Messerstich zugefügt habe, da der Angeklagte A. schon einmal wegen einer körperlichen Auseinandersetzung, deren Hintergründe ihm jedoch nicht bekannt seien, in Haft gewesen sei („wegen seiner Vergangenheit“); außerdem habe er in letzter Zeit gelegentliche Provokationen und Einschüchterungsversuche des Angeklagten B. erlebt, der ihn bei zufälligen Treffen in der Stadt böse angeblickt habe und auffällig mit dem Gaspedal seines Pkw gespielt habe, wenn er ihn gesehen habe; daher könne er sich vorstellen, dass es der Angeklagte B. gewesen sein könnte, der ihm den Messerstich zugefügt habe. Eine nachvollziehbare Erklärung für die Änderung seines Aussageverhaltens ergibt sich hieraus jedoch nicht; insbesondere hat der Zeuge K. den Umstand, dass sich das Messer in der Hand des Angeklagten A. befunden habe, im Ermittlungsverfahren in drei Vernehmungen jeweils als sinnhafte Wahrnehmung geschildert, nicht jedoch als bloße Schlussfolgerung behauptet; einen Irrtum in der damaligen Wahrnehmung können jedoch weder der Hinweis auf die Vergangenheit des A. noch der Hinweis auf etwaige Provokationen und Einschüchterungsversuche des Angeklagten B. nachvollziehbar erklären. Vielmehr steht anzunehmen, dass der Zeuge K., der im Übrigen freundschaftlich mit dem Zeugen A. A., dem Cousin des Angeklagten A. verbunden ist, jetzt nicht mehr gewillt ist, den Angeklagten A. hinsichtlich des Messerstichs zu belasten; eine aussagekräftige Stütze findet die Annahme in der Aussage des Zeugen K. S., eines gemeinsamen Bekannten der Angeklagten und des K.; dieser hat in der Hauptverhandlung bekundet, er habe mit K. ca. drei bis vier Monate nach dem Vorfall über das Tatgeschehen gesprochen; dabei habe ihm K. berichtet, dass er von dem Angeklagten A. mit dem Messer verletzt worden sei, dass er dies jedoch jetzt nicht mehr sagen dürfe; wörtlich habe K. gesagt: „Ich darf das jetzt nicht mehr so sagen, ich muss das jetzt so sagen, sonst bin ich der Gearschte.“ Die Angaben des Zeugen K. S. hält die Kammer insbesondere deshalb für glaubhaft, da er die Äußerungen des K., ohne insofern konkret danach gefragt worden zu sein, in freier Schilderung von sich aus berichtet hat und keinen Hehl daraus gemacht hat, dass er einen Messerstich eher dem K. als dem Angeklagten A. zutrauen würde. Wenngleich die näheren Beweggründe des Zeugen K., der sich dem Verfahren im Übrigen als Nebenkläger angeschlossen hat, für die Änderung seines Aussageverhaltens letztlich im Dunkeln geblieben sind, zumal sich für die Kammer keine konkreten Anhaltspunkte für eine Einflussnahme auf den Zeugen ergeben haben, geht die Kammer aus den dargelegten Gründen davon aus, dass seine Angaben, die er im Ermittlungsverfahren gemacht hat, richtig sind und der Wahrheit entsprechen.
gg) Eine nachvollziehbare Erklärung für die Änderung des Aussageverhaltens des Zeugen K. hat sich auch nicht aus den Angaben des Zeugen Rechtsanwalt R., der den K. als Nebenklägervertreter vertritt, ergeben; dieser hat sich in der Hauptverhandlung, als Zeuge vernommen, sichtlich überrascht über die Kehrtwende im Aussageverhalten des Zeugen K. gezeigt. Er hat bekundet, er sei gegen Anfang des Jahres von K. aufgesucht und mandatiert worden; dieser habe mitgeteilt, er sei gestochen worden und wolle Schmerzensgeld, da er sich das nicht gefallen lassen wolle. Er habe sodann Akteneinsicht genommen und dem K. einige Kopien aus den Akten überlassen; die näheren Details des Geschehens habe er mit K. nicht besprochen, da er davon ausgegangen sei, dass sich das Geschehen so, wie in den Akten niedergelegt, zugetragen habe. Es sei aufgefallen, dass K. mit Beginn des Hauptverfahrens nicht mehr für ihn zu erreichen gewesen sei; aus heutiger Sicht gehe er davon aus, dass auf K. Druck ausgeübt worden sei und er deshalb nicht mehr mit ihm sprechen habe wollen. Er habe erst im Hauptverhandlungstermin am 02.07.2021, während einer kurzen Sitzungsunterbrechung, von K. erfahren, dass dieser seine im Ermittlungsverfahren getätigten Aussagen nicht mehr gelten lassen wolle; er habe ihn über ein mögliches Aussagedelikt belehrt, insofern sei K. jedoch nicht zugänglich gewesen; er könne sich die Änderung des Aussageverhaltens des Zeugen K. nur so erklären, dass im Hintergrund Druck auf den Zeugen K. ausgeübt worden sein müsse, um den Angeklagten A. hinsichtlich des Messerstichs zu entlasten.
hh) Auch aus den Angaben des Zeugen A. A., bei dem es sich um den Cousin des Angeklagten A. handelt, ergeben sich keine Zweifel daran, dass der Angeklagte A. das Messer geführt hat. Zwar hat der Zeuge A. A. bei seiner polizeilichen Vernehmung am 22.10.2020, die in deutscher Sprache, d.h. ohne Dolmetscher, stattgefunden hat und über deren Inhalt die Zeugin KHKin S., die damalige Vernehmungsbeamtin, aus eigener Erinnerung berichtet hat, angegeben, er habe den K., nachdem sich die Angeklagten entfernt hätten, auf dem Parkplatz gefragt, wer ihn gestochen habe; K. habe geantwortet, er wisse es nicht. Überdies hat er bei seiner polizeilichen Vernehmung am 28.10.2020, die in albanischer Sprache, d.h. mit Unterstützung eines muttersprachlichen albanischen Dolmetschers, stattgefunden hat und über deren Inhalt der Zeuge KHK W., der damalige Vernehmungsbeamte, aus eigener Erinnerung berichtet hat, angegeben, K. habe am Parkplatz nicht zum ihm gesagt, dass er bei dem Angeklagten A. ein Messer gesehen habe. Ferner hat er bei seiner polizeilichen Vernehmung am 26.11.2020, die in albanischer Sprache, d.h. mit Unterstützung eines muttersprachlichen albanischen Dolmetschers, stattgefunden hat und über deren Inhalt der Zeuge KHK W., der damalige Vernehmungsbeamte, aus eigener Erinnerung berichtet hat, angegeben, er habe den K. gefragt, was passiert sei; K. habe jedoch lediglich die Schultern hochgehoben und nichts gesagt. Schließlich hat er in der Hauptverhandlung bekundet, er habe den K., als er das Blut gesehen habe, gefragt was passiert sei; K. habe die Schultern gehoben und gesagt, er wisse es nicht; auf Vorhalt der Aussage vom 22.10.2020, wonach K. auf die Frage, wer ihn gestochen habe, geantwortet habe, er wisse es nicht, hat er angegeben, K. habe das so erzählt, er habe ihn jedoch nicht ausdrücklich gefragt, wer ihn gestochen habe („ich konnte ja nicht hellsehen, dass er gestochen wurde“). Indessen hält die Kammer die Angaben des Zeugen A. A. insoweit nicht für aussagekräftig; denn der Zeuge K. hat in der Hauptverhandlung, obschon er in der Sache von seinen im Ermittlungsverfahren getätigten Angaben, dass der Angeklagte A. den Messerstich ausgeführt habe, abgerückt ist, bekundet, er habe dem A. A. damals auf dem Parkplatz sehr wohl gesagt, dass er von A. gestochen worden sei, wenngleich er sich heute nicht mehr sicher sei, welcher der beiden Angeklagten ihm den Stich mit dem Messer zugefügt habe; überdies ergibt sich bereits aus der Einlassung des Angeklagten A., dass K. den Messerstich noch vor Ort dem A. zugeordnet hat, indem er dem Angeklagten A. – zu einem Zeitpunkt, in dem sich A. A. bereits bei den Angeklagten und dem K. befunden hat – zugerufen hat: „Schau, was du gemacht hast! Du hast mich gestochen!“ Eine mögliche Erklärung für die Aussage des Zeugen A. A. kann die Kammer, abgesehen von der Möglichkeit einer falschen Wahrnehmung oder Erinnerung, allein in dem Bestreben finden, den Angeklagten A., seinen Cousin, nicht zu belasten.
g) Daneben hat die Kammer die Hypothese eines Messerstichs durch den Angeklagten B. in den Blick genommen, jedoch hierfür keinen Anhaltspunkt finden können. Dass der Angeklagte B. bei dem Geschehen ein Messer bei sich gehabt oder eingesetzt hätte, haben weder die Angeklagten noch die Zeugen K. und A. A. jemals behauptet. Unterstellt, der Angeklagte B. hätte ein Messer bei sich gehabt, so erschließt sich jedoch nicht, welchen Grund der Angeklagte A. für ein Eingreifen in das Kampfgeschehen gehabt hätte und welchen Grund die an den Angeklagten A. nach dem Geschehen im Auto gerichtete Frage des Angeklagten B., ob A. ein Messer dabeigehabt habe, über die der Angeklagte A. bei seiner Vernehmung am 25.11.2020 gegenüber der Ermittlungsrichterin berichtet hat, gehabt hätte. Überdies erschließt sich dann wiederum nicht, welchen Grund der Angeklagte A. gehabt hätte, sein eigenes Messer, wie er geschildert hat, nach dem Geschehen im Mülleimer der Wohnung seiner Eltern in P. zu entsorgen, hätte es sich doch dann um ein Beweismittel zur Entlastung des Angeklagten A. gehandelt. Im Übrigen hatte der Angeklagte B. nach der Schilderung des Geschehens durch den Zeugen K., wonach der Angeklagte B. „pausenlos“ und „ununterbrochen“ auf ihn eingeschlagen habe, keine Gelegenheit, ein Messer hervorzuholen und einzusetzen.
h) Letztlich wurden die in Betracht kommenden Alternativhypothesen widerlegt. Der Angeklagte A. hat selbst eingeräumt, auf der Fahrt nach D. ein Messer bei sich getragen zu haben; seine Wunde am rechten Daumen deutet darauf hin, dass er im Rahmen des Geschehens einen körperlichen Kontakt mit einem Messer gehabt hat; dabei kann die Entstehung der Wunde, ein feiner Ritzer, nach der Einschätzung des Sachverständigen Prof. Dr. P. zwanglos dadurch erklärt werden, dass sich der Angeklagte A. aus Versehen selbst verletzt hat, als er das Messer gegen den K. eingesetzt hat. Es gibt für die von ihm behauptete Entsorgung des Messers im Mülleimer der Wohnung seiner Eltern in P. nur dann einen Grund, wenn er mit dem Messer auf den K. eingestochen hat, nämlich um das Messer, an dem sich dann Spuren des K. befinden, als Beweismittel, das ihn überführen könnte, zu vernichten; andernfalls hätte es keinen Grund gegeben, das Messer zu entsorgen, hätte es sich doch dann um ein Beweismittel zur Entlastung gehandelt.
aa) Es erschließt sich nicht, welchen Grund der Angeklagte A. gehabt haben sollte, gegen den mit einem Messer bewaffneten, das Messer jedoch lediglich haltenden K. vorzugehen, zumal er bei dem geschilderten Geschehen, mit ganz erheblichen eigenen Stich- oder Schnittverletzungen hätte rechnen müssen. Statt dessen hätte es zur Gefahrenabwehr ausgereicht, wenn der Angeklagte B. vom Zeugen K. abgelassen hätte. Nach der Schilderung des B. soll er mit dem Messer lediglich zur Abwehr dessen Angriffes gedroht haben.
bb) Der Umstand, dass sich der Angeklagte A. eine kleine Wunde am rechten Daumen zugezogen hat, ist nicht geeignet, die Schilderung des Angeklagten A. zu stützen; diesbezüglich hat der Sachverständige Prof. Dr. P. mit Blick auf das polizeilich gefertigte Lichtbild der Wunde vom 21.10.2020, das die Kammer in Augenschein genommen hat und auf dem eine kleine Hautverletzung am rechten Daumen des Angeklagten A. sichtbar ist, sachkundig ausgeführt, die Verletzung weise nicht das typische Bild einer Abwehrverletzung beim Vorgehen gegen einen mit einem Messer bewaffneten Täter auf; insofern wäre typischerweise eine fischmaulartige Schnittverletzung zu erwarten, vorliegend handele es sich jedoch lediglich um einen feinen Ritzer, der zwanglos dadurch erklärt werden könne, dass sich der Angeklagte A. verletzt habe, als er selbst ein Messer eingesetzt habe.
In der Gesamtschau der aufgeführten Tatsachen und Umstände hat die Kammer mithin keinen Zweifel, dass der Angeklagte A. dem K. den Messerstich, wie oben unter B.II. dargestellt, zugefügt hat.
i) Die Feststellung, dass der Angeklagte B. nach dem Messerstich des Angeklagten A. noch einen Faustschlag gegen den Kopf des K. ausgeführt hat, stützt die Kammer auf die Angaben des Angeklagten A. und die Angaben des Zeugen A. A., der den Schluss der Auseinandersetzung durch die Fenster der Norma beobachten hat können und zur Befriedung des Geschehens zu den Beteiligten hingeeilt ist.
Der Angeklagte A. hat in seiner Einlassung angegeben, der Angeklagte B. habe zum Schluss der Auseinandersetzung, als sich A. A. dem Geschehen genähert habe, nochmals auf den K. eingeschlagen. Dies lässt sich unschwer mit den Angaben des Zeugen A. A. in Einklang bringen, der angegeben hat, er habe, nachdem er in der Norma den Kassenbereich passiert habe und zum Ausgang gegangen sei, durch die Fenster der Norma beobachtet, dass der Angeklagte B. dem K. einen Faustschlag gegen den Kopf gegeben habe; zu diesem Zeitpunkt sei der Angeklagte A. ca. vier Meter von K. entfernt gestanden; er sei hinausgelaufen, habe das Brot, das er gekauft habe, verloren und sei zu den Angeklagten und dem K. hingelaufen; dabei habe er freie Sicht auf das Geschehen gehabt und die Angeklagten und den K. im Blick gehabt.
Dementsprechend hat der Zeuge A. A. bereits bei seinen polizeilichen Vernehmungen am 22.10.2020 und am 28.10.2020, über deren Inhalt die Zeugin KHKin S. (22.10.2020) und der Zeuge KHK W. (28.10.2020), die damaligen Vernehmungsbeamten, jeweils aus eigener Erinnerung berichtet haben, angegeben, er habe beim Herausgehen aus dem Geschäft beobachtet, dass der Angeklagte B. dem K. einen Faustschlag in das Gesicht bzw. gegen den Kopf gegeben habe.
Die Kammer hat keinen Zweifel, dass die Angaben des Zeugen A. A., die insofern mit den Angaben des Angeklagten A. in Übereinstimmung stehen, zutreffend sind, insbesondere ergibt sich aus den polizeilich gefertigten Lichtbildern im Kassen- und Ausgangsbereich der Norma, die in der Hauptverhandlung in Augenschein genommen worden sind, dass durch die Fenster durchgehend ein freies Sichtfeld auf den Parkplatz, auf dem das Geschehen stattgefunden hat, bestanden hat. Der Überzeugungsbildung der Kammer steht nicht entgegen, dass der Zeuge K. den Faustschlag des Angeklagten B. nach dem Messerstich des Angeklagten A. nicht gesondert berichtet hat; nach seiner Schilderung habe der Angeklagte B. bis zum Erscheinen des A. A. „pausenlos“ und „ununterbrochen“ auf ihn eingeschlagen; er sei unter „Schock“ gestanden; nach dem Messerstich seien die Angeklagten erneut auf ihn zugegangen, um ihn anzugreifen; insofern lässt sich ein weiterer Faustschlag des Angeklagten B. am Schluss des Geschehens zwanglos mit seiner Schilderung in Einklang bringen; überdies hat er angegeben, bereits nach dem ersten Faustschlag des Angeklagten A. leicht benommen gewesen zu sein; der Zeuge A. A. hat den K. am Schluss des Geschehens als „geschockt“ beschrieben.
j) Die näheren Feststellungen zum Ende des Tatgeschehens ergeben sich – in der Zusammenschau mit den Einlassungen der Angeklagten – aus den Angaben der Zeugen K. und A. A.. Der Zeuge K. hat zum Ende des Tatgeschehens angegeben, A. A. sei aus der Norma gekommen, habe das Brot fallen lassen und habe gerufen: „Was ist passiert?“ Er sei zu ihm und den Angeklagten hingelaufen und habe zu den Angeklagten gerufen: „Schämt euch!“ An das Gespräch mit dem Angeklagten A. hat er sich nicht mehr erinnern können; er sei unter „Schock“ gestanden. Die Angeklagten seien dann zum Auto gegangen und weggefahren.
k) Die näheren Feststellungen zu den Verletzungen und Verletzungsfolgen, die K. durch das Tatgeschehen erlitten hat, beruhen auf der Verlesung des Aufnahmebogens des Klinikums D. für K. vom 21.10.2020, des Röntgenbefundes des Klinikums D. für K. vom 21.10.2020 und des Entlassungsbriefes des Klinikums D. für K. vom 22.10.2020 und auf dem Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. P., der das Gutachten auf der Grundlage der körperlichen Untersuchung des K., die am 23.10.2020 stattgefunden hat, und der polizeilich gefertigten Lichtbilder der Stichwunde, des Gesichts, des Oberkörpers und der Oberbekleidung, die in der Hauptverhandlung in Augenschein genommen worden sind, erstattet hat; nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. P. lassen sich die bei dem K. festgestellten Verletzungen plausibel mit dem durch den K. geschilderten Tathergang in Einklang bringen; umgekehrt sei bei der Betrachtung des geschilderten Tathergangs nicht zwingend ein „Mehr“ an Verletzungen zu erwarten, insbesondere da hinsichtlich der Körpertreffer die dämpfende Wirkung der Kleidung zu berücksichtigen sei.
In Bezug auf die Stichverletzung habe eine konkrete Lebensgefährdung für den K. zwar nicht bestanden, jedoch sei der Messerstich abstrakt betrachtet geeignet gewesen, bei dem K. lebensgefährliche Verletzungen hervorzurufen, da bei dem Stich in die Brustregion das Risiko bestehe, die Brusthöhle zu eröffnen und innere Organe, z.B. das Herz, die Lunge, die Milz, die Bauchspeicheldrüse oder die Leber, oder Gefäße zu verletzen, zumal die Stichtiefe durch den Täter kaum zu kontrollieren sei; insbesondere bestehe bei einer Eröffnung der Brusthöhle das Risiko eines Pneumothorax, der je nach Ausprägung ohne sofortige notärztliche Behandlung lebensbedrohlich sein könne.
Die subjektiven Beschwerden, die der Zeuge K. geschildert hat, nämlich Schmerzen und Beeinträchtigungen beim Gehen und beim Heben von Gewichten hat der Sachverständige Prof. Dr. P. vor dem Hintergrund des geschilderten Tathergangs als plausibel bewertet.
Die Dauer der Arbeitsunfähigkeit des K. hat die Kammer zugunsten der Angeklagten auf zumindest eine Woche geschätzt. Zwar ergibt aus der verlesenen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung der Ärztin Dr. I. B. eine voraussichtliche Arbeitsunfähigkeit des K. bis 06.11.2020; auch hat der Zeuge S. T., der Personalleiter des damaligen Ausbildungsbetriebs des K., angegeben, K. sei von 21.10.2020 bis 13.11.2020, von 18.11.2020 bis 19.11.2020, am 23.11.2020, von 08.12.2020 bis 11.12.2020, von 22.11.2020 bis 23.11.2020 und von 04.01.2021 bis 08.01.2021 arbeitsunfähig gemeldet gewesen. Indessen hat die Kammer Zweifel, dass die aufgeführten Arbeitsunfähigkeitszeiten noch in einem ursächlichen Zusammenhang mit den durch das Tatgeschehen erlittenen Verletzungen und Beschwerden gestanden sind; insofern hat der Sachverständige Prof. Dr. P. bereits die Dauer der Krankschreibung durch die Ärztin Dr. I. B. in Anbetracht der zu erwartenden Dauer der Wundheilung bei einem jungen Menschen als vergleichsweise lang bewertet. Vor diesem Hintergrund hat sich die Kammer veranlasst gesehen, die tatsächliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit des K. im Wege der Schätzung nach unten zu korrigieren.
3. Feststellungen zum Nachtatgeschehen
Die Feststellungen unter B.III. zum Nachtatgeschehen beruhen auf den Angaben der Angeklagten und der durchgeführten Beweisaufnahme.
Die Feststellung, dass die Angeklagten nach dem Geschehen zurück nach P. gefahren sind, ergibt sich aus den Angaben der Angeklagten. Die Feststellung, dass A. A. und K. zunächst im Firmenfahrzeug des A. A. in das Klinikum D. fahren wollten, aus dem Parkplatz bis zur Unterführung der unter der fuhren, sich dann jedoch entschlossen, den Rettungsdienst zu verständigen, und auf den Parkplatz zurückfuhren, ergibt sich aus den Angaben der Zeugen K. und A. A.. Der Zeitpunkt und der Inhalt des Notrufs, den K. getätigt hat, ergibt sich aus dem in der Hauptverhandlung verlesenen Notrufprotokoll.
Die Feststellungen zu den Anrufen bzw. Anrufversuchen nach dem Geschehen ergeben sich aus der Verlesung der Anrufliste des Mobiltelefons des Angeklagten A. vom 21.10.2020, 18:43:01 (UTC+2) – 19:00:36 (UTC+2), und der Anrufliste des Mobiltelefons des Angeklagten B. vom 21.10.2020, 18:01:42 (UTC+2) – 18:55:00 (UTC+2), in der Hauptverhandlung. Zum Inhalt der Telefonate hat der Angeklagte A. angegeben, es sei nicht zu einem wirklichen Gespräch gekommen, da A. A. sofort angefangen habe, zu schreien. Der Zeuge K. hat hierzu angegeben, die Angeklagten hätten nach dem Vorfall bei ihm und A. A. angerufen; A. A., der sehr aufgebracht gewesen sei, habe ihnen gesagt, sie sollten sich schämen; er habe dann aufgelegt.
Die Feststellungen zur Einlieferung des K. in das Klinikum D. ergeben sich aus den Angaben der Zeugen K., A. A. und KHK Huber und aus der Verlesung des Aufnahmebogens des Klinikums D. für K. vom 21.10.2020.
Die Feststellungen zur vorläufigen Festnahme der Angeklagten ergeben sich aus den Angaben der Zeugen POM Donnerbauer und KHK Weinberger.
III. Feststellungen zur Schuldfähigkeit
1. Angeklagter A.
Die Feststellungen unter B.IV. zur Schuldfähigkeit des Angeklagten A. beruhen auf dem widerspruchsfreien, nachvollziehbaren und auf zutreffenden Anknüpfungstatsachen gründenden mündlichen Gutachten der Sachverständigen Dr. B. in der Hauptverhandlung, dem sich die Kammer nach kritischer Würdigung aus eigener Überzeugung anschließt.
Die Sachverständige Dr. B., der die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft D., die Straferkenntnisse zu den Vorstrafen des Angeklagten A. und das Vorgutachten des Sachverständigen Dr. M. vom 15.03.2020 zur Verfügung gestanden haben und die das Gutachten nach Aktenlage erstattet hat, da der Angeklagte A. eine persönliche Exploration und eine testpsychologische Zusatzuntersuchung sowohl bei einem Besuch der Sachverständigen in der Justizvollzugsanstalt Mühldorf am Inn am 17.02.2021 als auch auf Nachfrage durch die Kammer in der Hauptverhandlung abgelehnt hat, ist zu dem Ergebnis gelangt, dass eine Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit des Angeklagten A. bei der Begehung der Tat nicht vorgelegen hat.
Sie hat in der Hauptverhandlung ausgeführt, dem Angeklagten A. könne in Bezug auf den Tatzeitpunkt eine Diagnose mit forensischer Relevanz nicht attestiert werden; es hätten sich bei dem Angeklagten A. keine Hinweise auf eine Intelligenzminderung oder eine psychische Erkrankung im Sinne einer endogenen oder exogenen Psychose ergeben; überdies sei bei dem Angeklagten A. keine Suchtmittelproblematik erkennbar, die das Ausmaß einer Abhängigkeitserkrankung oder eines schädlichen Gebrauchs erreichen würde. Jedoch zeichne sich in der Gesamtbetrachtung eine Persönlichkeitsproblematik ab, wobei in erster Linie von einer narzisstischen und dissozialen Persönlichkeitskomponente auszugehen sei; die Diagnose einer Persönlichkeitsstörung könne hingegen nicht mit Sicherheit gestellt werden; sie erreiche jedenfalls – aus medizinischer Sicht – nach Ausmaß und Schwere nicht den Grad einer Psychose.
Die Diagnose einer Persönlichkeitsstörung umfasse nach der Internationalen Klassifikation psychischer Störungen tief verwurzelte, anhaltende Verhaltensmuster, die sich in starren Reaktionen auf unterschiedliche persönliche und soziale Lebenslagen zeigten. Während in der Vorbegutachtung durch den Sachverständigen Dr. M. vom 15.03.2020 bei dem Angeklagten A. noch von einem jugendtypischen Narzissmus ohne Krankheitswert ausgegangen worden sei, scheine sich – so die Sachverständige Dr. B. – bei dem Angeklagten A. zunehmend eine Persönlichkeitsstörung mit narzisstischen und dissozialen Zügen abzubilden, die sich in wiederholenden starren Denk- und Handlungsmustern niederschlage. Bei dem Angeklagten A. müsse als prädisponierender Faktor eine Tendenz zur externalen Konfliktlösung unter Einsatz körperlicher Gewalt gesehen werden; aufgrund der bei dem Angeklagten A. bereits mehrfach vorliegenden Vorahndung wegen des Tatbestands der Körperverletzung müsse Gewalt als persönlichkeitsimmanente Handlungsstrategie bezeichnet werden; es zeige sich, dass Gewaltanwendung im Denken des Angeklagten A. als legitimes und naheliegendes Mittel der Konfliktlösung angesehen werde. Als partizipierender Faktor sei ein vorausgehender Angriff oder eine vorausgehende Kränkung zu sehen; dieser Faktor habe bei der Betrachtung der gegenständlichen Tat zwar nicht ihn selbst, jedoch seinen Freund, den Angeklagten B. betroffen; dabei sei hervorzuheben, dass sich der Angeklagte A. bewusst, ohne die möglichen Konsequenzen zu berücksichtigen, in die Tatsituation hineinbegeben habe. Die beiden Faktoren seien – so die Sachverständige Dr. B. – in der narzisstischen und dissozialen Persönlichkeitsstruktur des Angeklagten A. verankert, die einen jugendlichen Narzissmus deutlich übersteige. Es zeige sich ein eingeschliffenes Denk- und Handlungsmuster mit einer deutlich erhöhten Gewaltbereitschaft, einer erhöhten Kränkbarkeit und Provozierbarkeit und einer erkennbar erniedrigten Frustrationstoleranz. Überdies trete eine mangelnde Fähigkeit, aus negativen Erfahrungen zu lernen und die möglichen Konsequenzen des eigenen Handelns zu bedenken, zutage, die das Scheitern in der Bewährung und die erneute Straffälligkeit wenige Wochen nach der Haftentlassung konstelliert habe. In der Gesamtschau bilde sich bei dem Angeklagten A. das Bild einer Persönlichkeitsstörung mit dissozialen und narzisstischen Zügen ab, jedoch habe die Diagnose einer Persönlichkeitsstörung ohne persönliche Exploration und testpsychologische Zusatzuntersuchung nicht mit letzter Sicherheit gestellt werden können.
Doch auch unter der Annahme, dass bei dem Angeklagten A. eine manifeste Persönlichkeitsstörung vorliegt, ist die Sachverständige Dr. B. bei der Beurteilung der forensischen Erheblichkeit der Persönlichkeitsstörung im psychopathologischen Referenzsystem – aus medizinischer Sicht – zu der Einschätzung gelangt, dass das Störungsbild bei dem Angeklagten A. nach Ausmaß und Schwere nicht den Grad einer Psychose erreicht. Denn bei der Betrachtung der Vergangenheit des Angeklagten A. werde zwar die dissoziale und narzisstische Persönlichkeitskomponente des Angeklagten A. deutlich, jedoch sei das psychosoziale Funktionsniveau des Angeklagten A. nicht in allen Bereichen des täglichen Lebens derart eingeschränkt gewesen, dass das Ausmaß der Einschränkungen mit einer endogenen oder exogenen Psychose, d.h. einer krankhaften seelischen Störung, vergleichbar sein würde. Es zeige sich zwar im strafrechtlichen Bereich eine erkennbare Auffälligkeit, jedoch seien der schulische Werdegang und der berufliche Leistungsbereich als ausreichend stabil zu beurteilen, insbesondere sei der Angeklagte A. immer wieder in der Lage gewesen, sich eine Arbeitsstelle zu sichern; überdies scheine das psychosoziale Funktionsniveau des Angeklagten A. im Beziehungsbereich nicht derart eingeschränkt. Im Ergebnis – so die Sachverständige Dr. B. – könne bei dem Angeklagten A. – aus medizinischer Sicht – ein Eingangsmerkmal im Sinne des § 20 StGB nicht festgestellt werden. Im Übrigen habe sich bei der Betrachtung des Tatgeschehens kein Hinweis auf eine aufgehobene oder verminderte Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit ergeben.
Die Kammer ist nach eigenständiger Überprüfung von der Richtigkeit des gewissenhaft erstellten, in sich widerspruchsfreien, auch in den Details nachvollziehbaren und von großer Sachkunde getragenen Gutachtens der Sachverständigen Dr. B. überzeugt. Insbesondere teilt die Kammer, soweit im Rahmen der Schuldfähigkeitsbeurteilung unter Heranziehung des Zweifelssatzes bei dem Angeklagten A. von einer dissozialen bzw. narzisstischen Persönlichkeitsstörung auszugehen ist, bei der Beurteilung der Schwere der Störung in rechtlicher Hinsicht bei wertender Betrachtung die Einschätzung der Sachverständigen, dass die Persönlichkeitsstörung nicht dem Schweregrad einer krankhaften seelischen Störung gleichsteht (vgl. BGH, Urteil vom 04.06.1991, Az. 5 StR 122/91; Beschluss vom 11.02.2015 Az. 4 StR 498/14; Beschluss vom 11.04.2018, Az. 2 StR 71/18); insofern hat die Kammer unter Berücksichtigung der bisherigen Entwicklung und des persönlichen Eindrucks des Angeklagten A., den die Kammer in der Hauptverhandlung gewonnen hat, maßgebend in den Blick genommen, dass es bei dem Angeklagten A. im Alltagsleben, außerhalb der bisherigen Straffälligkeit, nicht zu erkennbaren Einschränkungen des schulischen, beruflichen und sozialen Handlungsvermögens gekommen ist (vgl. BGH, Urteil vom 21.01.2004, Az. 1 StR 346/03; Beschluss vom 03.08.2004, Az. 1 StR 293/04; Beschluss vom 30.01.2007, Az. 4 StR 603/06). Eine Beeinträchtigung, die in ihren konkreten Auswirkungen auf die intellektuellen und emotionalen Anteile der Persönlichkeit die Motivations-, Entscheidungs- und Handlungsmöglichkeiten des Angeklagten A. in einem solchen Maße eingeengt hätte, dass er bei der Begehung der Tat die ihm von Rechts wegen abverlangte psychische Kraft zu normgemäßem Verhalten nicht oder lediglich eingeschränkt aufzubringen vermocht hätte (vgl. Fischer, StGB, 67. Auflage 2020, § 20 Rn. 42a), hat sich bei wertender Betrachtung nicht ergeben. Das Störungsbild erfüllt mithin nicht die Voraussetzungen einer schweren anderen seelischen Störung (früher: schwere andere seelische Abartigkeit) im Sinne des § 20 StGB.
Die Feststellung, dass der Angeklagte A. bei der Begehung der Tat nicht unter dem Einfluss von Alkohol oder Drogen stand, beruht auf der Verlesung des Antrags auf Feststellung des Alkohol- und/oder Drogengehalts im Blut vom 21.10.2020, aus dem sich eine Atemalkoholkonzentration in Höhe von 0,00 mg/l am 21.10.2020 um 20:33 Uhr ergibt, des ärztlichen Berichts vom 21.10.2020, aus dem sich ergibt, dass bei dem Angeklagten A. zum Zeitpunkt der Blutentnahme am 21.10.2020 um 22:53 Uhr ein äußerlicher Anschein des Einflusses von Alkohol oder Drogen nicht bemerkbar gewesen ist, und der immunologischen Vortestbefunde des Universitätsklinikums B. vom 27.10.2020 und des rechtsmedizinischen Gutachtens des Universitätsklinikums B. vom 10.11.2020, aus denen bzw. aus dem sich hinsichtlich der Untersuchung der am 21.10.2020 um 22:53 Uhr bei dem Angeklagten A. entnommenen Blutprobe in Bezug auf Amphetamine, Methamphetamin, Ecstasy-Derivate, Cocain, Opiate und Cannabinoide nebst Derivaten bzw. Metaboliten jeweils ein negativer Befund ergibt.
2. Angeklagter B.
Hinsichtlich des Angeklagten B. ergaben sich bereits im Ansatz keine Anhaltspunkte für ein Störungsbild im Sinne eines Eingangsmerkmals des § 20 StGB, das bei der Begehung der Tat zu einer Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit geführt haben könnte.
Die Feststellung, dass der Angeklagte B. bei der Begehung der Tat nicht unter dem Einfluss von Alkohol oder Drogen stand, beruht auf der Verlesung des Antrags auf Feststellung des Alkohol- und/oder Drogengehalts im Blut vom 21.10.2020, aus dem sich eine Atemalkoholkonzentration in Höhe von 0,00 mg/l am 21.10.2020 um 20:09 Uhr ergibt, des ärztlichen Berichts vom 21.10.2020, aus dem sich ergibt, dass bei dem Angeklagten B. zum Zeitpunkt der Blutentnahme am 21.10.2020 um 22:49 Uhr ein äußerlicher Anschein des Einflusses von Alkohol oder Drogen nicht bemerkbar gewesen ist, und der immunologischen Vortestbefunde des Universitätsklinikums B. vom 27.10.2020 und des rechtsmedizinischen Gutachtens des Universitätsklinikums B. vom 09.11.2020, aus denen bzw. aus dem sich hinsichtlich der Untersuchung der am 21.10.2020 um 22:49 Uhr bei dem Angeklagten B. entnommenen Blutprobe in Bezug auf Amphetamine, Methamphetamin, Ecstasy-Derivate, Cocain, Opiate und Cannabinoide nebst Derivaten bzw. Metaboliten jeweils ein negativer Befund ergibt.
D. Rechtliche Würdigung
Die Angeklagten haben sich aufgrund des festgestellten Sachverhalts jeweils der gefährlichen Körperverletzung zum Nachteil des K. schuldig gemacht, der Angeklagte A. gemäß §§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 2, Nr. 4, Nr. 5, 25 Abs. 2 StGB, der Angeklagte B. gemäß §§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 4, 25 Abs. 2 StGB.
Der Angeklagte A. hat eine Körperverletzung mittels eines gefährlichen Werkzeugs gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB begangen, indem er dem K. vorsätzlich ein Messer mit einer einseitig geschliffenen Klinge und einer Klingenlänge von ca. 7 cm in die Brust gestochen hat und hierdurch dem K. vorsätzlich eine ca. 1 cm tiefe und ca. 1 cm lange Stichwunde in der oberen Muskelschicht der Brust zugefügt hat; bei dem Messer handelt es sich nach seiner objektiven Beschaffenheit und der Art seiner Benutzung und mit Blick auf die Erheblichkeit der Verletzung um ein gefährliches Werkzeug im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB.
Gleichzeitig hat der Angeklagte A. die Körperverletzung mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB begangen, da der Stich mit dem Messer in die Brust des K. nach den Umständen des Einzelfalls, wenngleich nicht konkret lebensgefährlich, generell geeignet war, das Leben des K. zu gefährden (vgl. BGH, Urteil vom 25.02.2010, Az. 4 StR 575/09); dabei hat der Angeklagte A. die Umstände erkannt, aus denen sich die allgemeine Gefährlichkeit seines Tuns in der konkreten Situation für das Leben des K. ergibt, selbst wenn er sie nicht als lebensgefährdend bewertet hat (vgl. BGH, Urteil vom 07.03.1990, Az. 2 StR 615/89). Überdies hat der Angeklagte A. die Körperverletzung mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB begangen; er hat bewusst am Tatort mit dem Angeklagten B. gemeinsam bei der Körperverletzung zum Nachteil des K. zusammengewirkt, indem er in die körperliche Auseinandersetzung zwischen dem Angeklagten B. und dem K., die der Angeklagte B. begonnen hat, eingegriffen hat und den Angeklagten B. im Kampf gegen den K. aktiv und physisch als Täter unterstützt hat (vgl. BGH, Urteil vom 03.09.2002, Az. 5 StR 210/02; Urteil vom 22.12.2005, Az. 4 StR 347/05).
Der Angeklagte B. hat die Körperverletzung mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB begangen, indem er bewusst mit dem Angeklagten A. gemeinsam bei der Körperverletzung zum Nachteil des K. zusammengewirkt hat. Zwar hat der Angeklagte B. den K. zunächst allein mit Faustschlägen gegen den Kopf angegriffen und dadurch zunächst lediglich den Grundtatbestand der vorsätzlichen Körperverletzung gemäß § 223 Abs. 1 StGB verwirklicht. Jedoch hat der Angeklagte B., nachdem der Angeklagte A. in das Kampfgeschehen eingegriffen hat, das Eingreifen des Angeklagten A. stillschweigend gebilligt und gemeinsam mit dem Angeklagten A. auf den K. körperlich eingewirkt, indem er ihn geschlagen und getreten hat.
E. Rechtsfolgen
I. Angeklagter A.
1. Strafzumessung
a) Normalstrafrahmen
Bei der Strafzumessung hinsichtlich des Angeklagten A. hatte die Kammer vom Strafrahmen des § 224 Abs. 1 Hs. 1 StGB auszugehen, der Freiheitsstrafe von 6 Monaten bis zu 10 Jahren vorsieht.
b) Kein minder schwerer Fall im Sinne des § 224 Abs. 1 Hs. 2 StGB
Die Kammer hat das Vorliegen eines minder schweren Falles im Sinne des § 224 Abs. 1 Hs. 2 StGB geprüft, im Ergebnis jedoch verneint. Eine Gesamtbetrachtung, bei der alle Umstände und Aspekte herangezogen und gewürdigt worden sind, die für die Wertung der Tat und des Täters in Betracht kommen, gleichgültig ob sie der Tat innewohnen, sie begleiten, ihr vorausgehen oder nachfolgen, ergibt, dass kein minder schwerer Fall gegeben ist.
Dabei hat die Kammer zugunsten des Angeklagten A. berücksichtigt, dass K. nach dem Ausmaß des Verletzungsbildes keine schwerwiegenden Verletzungen erlitten hat; der Stich mit dem Messer hat lediglich zu einer kleinen, ca. 1 cm langen Stichwunde geführt und hat die Haut lediglich ca. 1 cm tief bis in die oberste Muskelschicht durchstoßen; der Stich ist nicht in die Brusthöhle durchgedrungen, innere Organe, z.B das Herz oder die Lunge, sind nicht verletzt worden. Daneben haben die drei Faustschläge des Angeklagten A. bei K. lediglich zu oberflächlichen Hautverletzungen geführt; zu einer Verletzung von Knochen oder inneren Organen ist es hierdurch nicht gekommen. Überdies hat die Kammer zugunsten des Angeklagten A. berücksichtigt, dass die Verletzungen lediglich einen kurzen stationären Krankenhausaufenthalt des K. in der Nacht von 21.10.2020 auf 22.10.2020 erforderlich gemacht haben und im Nachgang des Geschehens lediglich zu leichten schmerzbedingten Einschränkungen des Alltagslebens des K. geführt haben, wobei die Kammer zugunsten des Angeklagten A. lediglich von einer Dauer der Arbeitsunfähigkeit des K. von einer Woche ausgegangen ist. Überdies hat die Kammer unter Anwendung des Zweifelssatzes das Vorliegen einer dissozialen bzw. narzisstischen Persönlichkeitsstörung und die dadurch bedingte Schwächung der Hemmkraft zugunsten des Angeklagten A. berücksichtigt, wenngleich die Störung nach dem Schweregrad nicht die Voraussetzungen einer schweren anderen seelischen Störung im Sinne des § 20 erfüllt hat und deshalb bereits im Ansatz nicht zu einer erheblichen Verminderung der Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB führen konnte (siehe hierzu im Einzelnen unter C.III.1.).
Demgegenüber hat die Kammer zulasten des Angeklagten A. berücksichtigt, dass der Angeklagte A. seit Beginn der Strafmündigkeit wiederholt mit Körperverletzungen in zunehmender Intensität strafrechtlich in Erscheinung getreten ist, die für die Tatopfer jeweils einen stationären Krankenhausaufenthalt zur Folge hatten (siehe hierzu im Einzelnen unter A.I.4.), wobei die Kammer insbesondere die Parallelen zu der hier gegenständlichen Tat in den Blick genommen hat; bereits die mit Urteil des Amtsgerichts D. vom 26.03.2014 (= BZR Ziffer 1) und die mit Urteil des Amtsgerichts D. vom 02.11.2016 (= BZR Ziffer 2) geahndeten Taten hatten Körperverletzungen in Gestalt von Faustschlägen zum Gegenstand und erfolgten jeweils aus einem vergleichsweise geringfügigen Anlass im Zusammenhang mit einem gefühlten Kränkungserleben des Angeklagten A.. Zuletzt musste gegen den Angeklagten A. mit Urteil des Landgerichts D. vom 13.07.2018 in Verbindung mit Urteil des Landgerichts D. vom 01.08.2019 (= BZR Ziffer 4) wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung eine Jugendstrafe von 3 Jahren 8 Monaten verhängt werden; die dort gegenständliche Tat wurde mit einem Faustschlag des Angeklagten A. eingeleitet und gipfelte in einem Messerstich des Angeklagten A. in den Kopf des Tatopfers; die Tat erfolgte aus einem vergleichsweise geringfügigen Anlass und stand im Zusammenhang mit einem gefühlten Kränkungserleben des Angeklagten A.; sie hatte für das Tatopfer einen stationären Krankenhausaufenthalt zur Folge. In der vorliegenden Sache begann der Angeklagte A. die Tat wiederum mit Faustschlägen und setzte wiederum ein Messer zur Verletzung des Tatopfers ein, ohne dass es in der Tatsituation einen nachvollziehbaren Anlass für ein aggressives und eskalierendes Eingreifen des Angeklagten A. in das laufende Kampfgeschehen gegeben hätte, zumal die Auseinandersetzung mit K. nicht ihn selbst, sondern den Angeklagten B. betraf. Zugleich hat die Kammer zulasten des Angeklagten A. berücksichtigt, dass er bei der Begehung der Tat unter offener Reststrafenbewährung hinsichtlich der mit Urteil des Landgerichts D. vom 13.07.2018 in Verbindung mit Urteil des Landgerichts D. vom 01.08.2019 (= BZR Ziffer 4) wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung verhängten Jugendstrafe von 3 Jahren 8 Monaten stand; dabei stellt sich das Bewährungsversagen des Angeklagten A. als besonders gewichtig dar, weil er sich, nachdem er sich von 06.01.2018 bis 08.08.2019 in Untersuchungshaft und von 09.08.2019 bis 02.09.2020 im Vollzug der Jugendstrafe befand, durch den Hafteindruck nicht von der Begehung einer neuen gleichartigen Straftat hat abhalten lassen, sondern die hier gegenständliche Tat mit hoher Rückfallgeschwindigkeit nur sieben Wochen nach seiner Haftentlassung am 02.09.2020 begangen hat. Überdies hat die Kammer zulasten des Angeklagten A. berücksichtigt, dass er der Anzahl nach drei Faustschläge gegen den K. ausgeführt hat und es hinsichtlich des Stichs mit dem Messer lediglich dem Zufall zu verdanken war, dass der Stich mit dem Messer nicht in die Brusthöhle durchgedrungen ist und innere Organe, z.B das Herz oder die Lunge, verletzt hat. Schließlich hat die Kammer zulasten des Angeklagten A. berücksichtigt, dass er durch die Tat drei Qualifikationsmerkmale des § 224 Abs. 1 StGB verwirklicht hat.
Die Voraussetzungen eines vertypten Milderungsgrundes waren nicht erfüllt, insbesondere ist der Angeklagte A. für die begangene Tat uneingeschränkt strafrechtlich verantwortlich.
Insgesamt weicht daher das gesamte Bild der Tat vom Durchschnitt der gewöhnlich vorkommenden Fälle der gefährlichen Körperverletzung nicht so sehr ab, dass die Anwendung des Strafrahmens für einen minder schweren Fall, der von 3 Monaten bis zu 5 Jahren reicht, geboten erscheint; dies gilt auch unter Berücksichtigung des drohenden Widerrufs der mit Beschluss des Amtsgerichts Bamberg vom 30.08.2020 zur Bewährung ausgesetzten Restjugendstrafe von 368 Tagen.
c) Strafzumessung im engeren Sinn
Bei der Strafzumessung im engeren Sinn hat die Kammer zugunsten des Angeklagten A. nochmals berücksichtigt, dass K. nach dem Ausmaß des Verletzungsbildes keine schwerwiegenden Verletzungen erlitten hat, dass die Verletzungen lediglich einen kurzen stationären Krankenhausaufenthalt des K. in der Nacht von 21.10.2020 auf 22.10.2020 erforderlich gemacht haben und im Nachgang des Geschehens lediglich zu leichten schmerzbedingten Einschränkungen des Alltagslebens des K. geführt haben; dabei ist die Kammer zugunsten des Angeklagten A. lediglich von einer Dauer der Arbeitsunfähigkeit des K. von einer Woche ausgegangen. Überdies hat die Kammer nochmals unter Anwendung des Zweifelssatzes das Vorliegen einer dissozialen bzw. narzisstischen Persönlichkeitsstörung und die dadurch bedingte Schwächung der Hemmkraft zugunsten des Angeklagten A. berücksichtigt, wenngleich die Störung nach dem Schweregrad nicht die Voraussetzungen einer schweren anderen seelischen Störung im Sinne des § 20 erfüllt hat und deshalb bereits im Ansatz nicht zu einer erheblichen Verminderung der Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB führen konnte. Im Übrigen hat die Kammer zugunsten des Angeklagten A. berücksichtigt, dass er sich in dieser Sache seit neun Monaten in Untersuchungshaft befindet und ihn der Freiheitsentzug – es handelt sich um seine erste Inhaftierung im Erwachsenenvollzug – erkennbar beeindruckt hat, zumal die Besuchsmöglichkeiten in der Haftanstalt aufgrund der COVID-19-Pandemie außergewöhnlich stark eingeschränkt gewesen sind.
Demgegenüber hat die Kammer zulasten des Angeklagten A. nochmals berücksichtigt, dass der Angeklagte A. in den letzten sieben Jahren wiederholt mit Körperverletzungen in zunehmender Intensität strafrechtlich in Erscheinung getreten ist und gegen ihn zuletzt mit Urteil des Landgerichts D. vom 13.07.2018 in Verbindung mit Urteil des Landgerichts D. vom 01.08.2019 (= BZR Ziffer 4) wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung eine Jugendstrafe von 3 Jahren 8 Monaten verhängt wurde. Zugleich hat die Kammer zulasten des Angeklagten A. nochmals berücksichtigt, dass er bei der Begehung der Tat unter offener Reststrafenbewährung stand und dass er die hier gegenständliche Tat, nachdem er sich von 06.01.2018 bis 08.08.2019 in Untersuchungshaft und von 09.08.2019 bis 02.09.2020 im Vollzug der Jugendstrafe befand, mit hoher Rückfallgeschwindigkeit nur sieben Wochen nach seiner Haftentlassung am 02.09.2020 begangen hat. Überdies hat die Kammer zulasten des Angeklagten A. nochmals berücksichtigt, dass er der Anzahl nach drei Faustschläge gegen den K. ausgeführt hat und es hinsichtlich des Stichs mit dem Messer lediglich dem Zufall zu verdanken war, dass der Stich mit dem Messer nicht in die Brusthöhle durchgedrungen ist und innere Organe verletzt hat. Schließlich hat die Kammer zulasten des Angeklagten A. nochmals berücksichtigt, dass er durch die Tat drei Qualifikationsmerkmale des § 224 Abs. 1 StGB verwirklicht hat.
Unter Abwägung aller Umstände, insbesondere unter Berücksichtigung der vorgenannten Strafzumessungsgesichtspunkte, hält die Kammer eine Freiheitsstrafe von 2 Jahren 6 Monaten für tat- und schuldangemessen; bei der Bemessung der Freiheitsstrafe hat die Kammer gemäß § 46 Abs. 1 S. 2 StGB angesichts des drohenden Widerrufs der mit Beschluss des Amtsgerichts Bamberg vom 30.08.2020 zur Bewährung ausgesetzten Restjugendstrafe von 368 Tagen das den Angeklagten treffende Gesamtstrafübel von 3 Jahren 6 Monaten 3 Tagen in den Blick genommen und zugunsten des Angeklagten berücksichtigt, indem von einer höheren Freiheitsstrafe abgesehen worden ist (vgl. BGH, Beschluss vom 09.09.2020, Az. 2 StR 281/20; Beschluss vom 12.11.2020, Az. 1 StR 372/20).
2. Maßregeln der Besserung und Sicherung
Eine Maßregel der Besserung und Sicherung hat die Kammer nicht angeordnet.
a) Keine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus, § 63 StGB
Die Unterbringung des Angeklagten A. in einem psychiatrischen Krankenhaus war nicht anzuordnen, weil die Voraussetzungen des § 63 StGB nicht vorliegen. Einen überdauernden, die Schuldfähigkeit beeinträchtigenden Zustand im Sinne des § 63 S. 1 StGB hat die Kammer bei dem Angeklagten A. – in Übereinstimmung mit der Einschätzung der Sachverständigen Dr. B. (siehe hierzu im Einzelnen unter C.III.1.) – nicht festgestellt.
b) Keine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt, § 64 StGB
Die Unterbringung des Angeklagten A. in einer Entziehungsanstalt war nicht anzuordnen, weil die Voraussetzungen des § 64 StGB nicht vorliegen. Einen Hang im Sinne des § 64 S. 1 StGB, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, hat die Kammer bei dem Angeklagten A. – in Übereinstimmung mit der Einschätzung der Sachverständigen Dr. B. (siehe hierzu im Einzelnen unter C.III.1.) – nicht festgestellt (siehe zur Suchtanamnese im Einzelnen unter A.I.3.).
c) Keine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung, § 66 StGB
Die Unterbringung des Angeklagten A. in der Sicherungsverwahrung hat die Kammer im Rahmen der zu treffenden Ermessensentscheidung gemäß § 66 Abs. 3 S. 1 StGB unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit (§ 62 StGB) nicht angeordnet; ein Fall der obligatorischen Anordnung der Sicherungsverwahrung gemäß § 66 Abs. 1 StGB liegt nicht vor.
Zwar sind die formellen Voraussetzungen für eine Ermessensanordnung gemäß § 66 Abs. 3 S. 1 StGB erfüllt. Der Angeklagte A. ist in der vorliegenden Sache wegen einer besonderen Anlasstat gemäß § 66 Abs. 3 S. 1 StGB, nämlich wegen gefährlicher Körperverletzung gemäß § 224 StGB, zu einer Freiheitsstrafe von mindestens 2 Jahren, hier zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren 6 Monaten, verurteilt worden. Er ist vor der hier gegenständlichen Tat, begangen am 21.10.2020, wegen einer Katalogtat im Sinne des § 66 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 a) StGB bzw. des § 66 Abs. 3 S. 1 StGB, nämlich wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, mit Urteil des Landgerichts D. vom 13.07.2018 in Verbindung mit Urteil des Landgerichts D. vom 01.08.2019, rechtskräftig seit 09.08.2019, Az. 1 KLs 8 Js 208/18 jug, schon einmal zu einer Freiheitsstrafe von mindestens 3 Jahren, dort zu einer Jugendstrafe von Jugendstrafe von 3 Jahren 8 Monaten, verurteilt worden (siehe hierzu im Einzelnen unter A.I.4., BZR Ziffer 4); bei der Verurteilung zu einer Jugendstrafe handelt es sich um eine taugliche Vorverurteilung (vgl. BGH, Urteil vom 04.11.1958, Az. 5 StR 441/58; Beschluss vom 20.12.2001, Az. 2 StR 513/01). Er hat wegen der mit Urteil des Landgerichts D. vom 13.07.2018 in Verbindung mit Urteil des Landgerichts D. vom 01.08.2019 abgeurteilten Tat vor der hier gegenständlichen Tat, begangen am 21.10.2020, für die Zeit von mindestens 2 Jahren Freiheitsstrafe (Jugendstrafe) verbüßt, § 66 Abs. 3 S. 1 i.V.m. Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StGB, indem er sich von 06.01.2018 bis 08.08.2019 in Untersuchungshaft und von 09.08.2019 bis 02.09.2020 im Vollzug der Jugendstrafe befand; die Untersuchungshaft gilt als verbüßte Strafe im Sinne des § 66 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StGB, vgl. § 66 Abs. 4 S. 2 StGB. Die Verjährungsregelung des § 66 Abs. 4 S. 3 Hs. 1 StGB steht einer Anordnung der Sicherungsverwahrung nicht entgegen, weil zwischen der mit Urteil des Landgerichts D. vom 13.07.2018 in Verbindung mit Urteil des Landgerichts D. vom 01.08.2019 abgeurteilten Tat, begangen am 05.01.2018, und der hier gegenständlichen Tat, begangen am 21.10.2020 nicht mehr als 5 Jahre verstrichen sind.
Überdies ergaben sich in materieller Hinsicht, insbesondere nach dem Gutachten der Sachverständigen Dr. B., deutliche Anzeichen, dass der Angeklagte A. infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist, § 66 Abs. 3 S. 1 i.V.m. Abs. 1 S. 1 Nr. 4 StGB. Als Hang im Sinne des § 66 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 StGB ist nach ständiger Rechtsprechung eine auf charakterlicher Anlage beruhende oder durch Übung erworbene intensive Neigung zu Rechtsbrüchen zu verstehen (vgl. BGH, Urteil vom 06.06.2002, Az. 3 StR 113/02; Urteil vom 11.09.2002, Az. 2 StR 193/02; Urteil vom 28.11.2002, Az. 5 StR 330/02; Urteil vom 27.10.2004, Az. 5 StR 130/04; Beschluss vom 29.07.2008, Az. 1 StR 248/08). Das Merkmal des Hangs verlangt einen eingeschliffenen inneren Zustand des Täters, der ihn immer wieder neue Straftaten begehen lässt. Hangtäter ist danach derjenige, der dauernd zu Straftaten entschlossen ist oder der aufgrund einer fest eingewurzelten Neigung, deren Ursache unerheblich ist, immer wieder straffällig wird, wenn sich die Gelegenheit dazu bietet. Die Feststellung eines Hangs setzt nach ständiger Rechtsprechung eine Gesamtwürdigung voraus, d.h. eine wertende Beurteilung der Gesamtheit der die Persönlichkeit des Täters prägenden Umstände einschließlich seiner psychischen Befindlichkeiten (vgl. BGH, Urteil vom 27.10.2004, Az. 5 StR 130/04; Beschluss vom 29.07.2008, Az. 1 StR 248/08; Beschluss vom 15.10.2008, Az. 2 StR 391/08; Urteil vom 17.12.2009, Az. 3 StR 399/09; Beschluss vom 02.08.2011, Az. 3 StR 208/11, Beschluss vom 27.06.2019, Az. 1 StR 612/18). Diesbezüglich hat die Sachverständige Dr. B. bei dem Angeklagten A. auf der Grundlage der Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft D., der Straferkenntnisse zu den Vorstrafen des Angeklagten A. und des Vorgutachtens des Sachverständigen Dr. M. vom 15.03.2020, jedoch ohne persönliche Exploration und testpsychologische Zusatzuntersuchung, die der Angeklagte A. abgelehnt hat, ein eingeschliffenes Verhaltensmuster, das ihn immer wieder neue Straftaten begehen lässt, aus psychiatrischer Sicht als gegeben angesehen und den Angeklagten einer Kategorie von Tätern zugeordnet, bei denen aus der Begehungsweise, der Biografie und dem Querschnitt der Persönlichkeit eine besondere persönliche Inklination zur Begehung erheblicher Straftaten ableitbar ist. Bei der Betrachtung der Vorahndungen zeige sich in der Zusammenschau mit einer dissozialen und narzisstischen Persönlichkeitskomponente eine persönlichkeitsbedingte Neigung des Angeklagten A. zu aggressiven Verhaltensweisen, die sich seit seinem 14. Lebensjahr durch seine Biografie zögen und sich bis zum 18. Lebensjahr in zwei Eintragungen im Bundeszentralregister mit dem Tatbestand der vorsätzlichen Körperverletzung, begangen am 16.12.2013 (= BZR Ziffer 1) und am 20.04.2016 (= BZR Ziffer 2), und einer Eintragung im Bundeszentralregister mit dem Tatbestand des versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, begangen am 05.01.2018 (= BZR Ziffer 4), niedergeschlagen hätten. Den Tatsituationen sei jeweils eine gefühlte Kränkung bzw. eine gefühlte Provokation vorausgegangen, die jeweils eine gewalttätige und völlig unangemessene Reaktion des Angeklagten A. nach sich gezogen habe; daraus trete eine Inklination zu aggressivem und gewalttätigem Verhalten als inadäquate Lösungsstrategie hervor, die neben einer erhöhten Kränkbarkeit auf eine herabgesetzte Frustrationstoleranz zurückzuführen sei und zu einem aggressiven Ausagieren innerer Befindlichkeiten führe; dabei habe sich mit Blick auf die Verurteilung wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung (= BZR Ziffer 4), begangen in Gestalt eines Messerstichs in den Kopf des Tatopfers, eine enorme Steigerung der Intensität der Gewaltanwendung und der von dem Angeklagten A. ausgehenden Gefährlichkeit gezeigt. Bei der Betrachtung der gegenständlichen Tat zeige sich eine ähnlich gelagerte Tatkonstellation mit einer gefühlten Kränkung bzw. einer gefühlten Provokation, die ihn hier zwar nicht direkt, jedoch seinen Freund, den Angeklagten B., und damit indirekt betroffen habe und bei ihm eine völlig unangemessene Reaktion, wiederum unter Einsatz eines Messers, hervorgerufen habe; hervorzuheben sei dabei die erheblich gesteigerte Rückfallgeschwindigkeit im Sinne einer erneuten Straffälligkeit nach nicht einmal zwei Monaten nach der Haftentlassung, die darauf hinweise, dass eine Veränderung seiner Denk- und Verhaltensweisen durch die Inhaftierung im Jugendvollzug nicht stattgefunden habe. In der Zusammenschau mit der dissozialen und narzisstischen Persönlichkeitskomponente und dem Fehlen von enthemmenden Faktoren (z.B. Suchtmitteleinfluss) ist die Sachverständige Dr. B. zu der Einschätzung gelangt, dass die Straffälligkeit des Angeklagten A. ihre Wurzel in einer in der Persönlichkeit verankerten erhöhten Gewaltbereitschaft in Konfliktsituationen habe, die bislang nicht nachhaltig beeinflusst werden habe können. Es sei daher von einer negativen Legalprognose für das Risiko erneuter Straftaten im Bereich der Körperverletzungen auszugehen, wobei die Rückfallwahrscheinlichkeit im oberen Bereich der statistischen Basisrate von 40% bis 50% anzusiedeln sei.
Letztlich konnte das Vorliegen eines Hanges im Sinne des § 66 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 StGB, den die Kammer auf der Grundlage des lediglich nach Aktenlage erstatteten Gutachtens der Sachverständigen Dr. B. nicht mit der gebotenen Sicherheit feststellen konnte, jedoch dahinstehen, da die Anordnung der Sicherungsverwahrung gegen den Angeklagten A. jedenfalls nicht verhältnismäßig ist, § 62 StGB. Dabei hat die Kammer die Wirkungen eines langjährigen Strafvollzugs und die mit dem Fortschreiten des Lebensalters erfahrungsgemäß eintretenden Haltungsänderungen berücksichtigt und erwogen, ob die Anordnung der Maßregel angesichts der Strafhöhe unerlässlich ist (vgl. BGH, Beschluss vom 08.02.1996, Az. 4 StR 752/95; Beschluss vom 11.09.2003, Az. 3 StR 481/02; Beschluss vom 04.08.2009, Az. 1 StR 300/09, Beschluss vom 27.06.2019, Az. 1 StR 612/18). Diesbezüglich hat die Kammer zwar nicht übersehen, dass sich der Angeklagte A. vor der Begehung der gegenständlichen Tat für die Dauer von ca. 2 Jahren 8 Monaten im Jugendvollzug befunden hatte und die dort getroffenen Maßnahmen zur Resozialisierung bei ihm keine nachhaltige Wirkung gezeitigt haben, so dass er mit hoher Rückfallgeschwindigkeit nur sieben Wochen nach seiner Haftentlassung am 02.09.2020 erneut einschlägig straffällig geworden ist. Andererseits hat die Kammer bedacht, dass es sich bei dem Angeklagten A. um einen Menschen handelt, der erst einen Monat vor der Begehung der gegenständlichen Tat durch Vollendung des 21. Lebensjahres die Altersgrenze vom Heranwachsenden zum Erwachsenen überschritten hat, wobei die Tat nach Anlass und Beweggrund noch jugendtümliche Züge trägt und auf ein Fortwirken von Entwicklungskräften hindeutet. Wenngleich die Kammer in Übereinstimmung mit der Sachverständigen Dr. B. davon ausgeht, dass bei ihm eine dissoziale und narzisstische Persönlichkeitskomponente besteht und es sich bei ihm um einen Täter mit einer in der Persönlichkeit verankerten erhöhten Gewaltbereitschaft handelt, lässt sich hieraus in Anbetracht seines Alters nicht mit hinreichender Sicherheit darauf schließen, dass seine Denk- und Handlungsmuster durch die Wirkungen eines längeren Strafvollzugs nicht aufgebrochen werden könnten und hierdurch seine Persönlichkeit nicht eine nachhaltige Nachreifung erfahren könnte. Vielmehr bestehen konkrete Anhaltspunkte, dass ein längerer Strafvollzug mit begleitenden resozialisierenden und therapierenden Maßnahmen bei ihm zu einer Haltungsänderung führen wird, da der Angeklagte A. nun im Alter von 21 Jahren erstmals den Erwachsenenvollzug erlebt und ihn die Untersuchungshaft bereits erkennbar beeindruckt hat; dabei haben sich bislang keine Auffälligkeiten im Vollzugsverhalten ergeben. Es steht daher zu erwarten, dass der Vollzug der ausgesprochenen Freiheitsstrafe von 2 Jahren 6 Monaten ausreichend ist, um bei dem Angeklagten A. bis zum Ende des Strafvollzugs, bedingt durch das Fortschreiten seines Lebensalters in dieser Zeit, eine künftige Verhaltensänderung zu bewirken, zumal er darüber hinaus den Widerruf der mit Beschluss des Amtsgerichts Bamberg vom 30.08.2020 zur Bewährung ausgesetzten Restjugendstrafe von 368 Tagen zu gewärtigen hat. Im Übrigen hat die Kammer bei der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit der Maßregelanordnung nochmals berücksichtigt, dass das Tatopfer durch die Tat des Angeklagten A. keine schwerwiegenden Verletzungen erlitten und keine dauerhaften Folgen davongetragen hat. Insgesamt erschien der Kammer die Anordnung der Sicherungsverwahrung unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit nicht als unerlässlich.
Aus den genannten Erwägungen hat die Kammer im Urteil auch nicht den Vorbehalt der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung gemäß § 66a Abs. 1 StGB angeordnet; die Kammer geht davon aus, dass sich der Angeklagte A. bereits die ausgesprochene Freiheitsstrafe hinreichend zur Warnung dienen lässt (vgl. BGH, Urteil vom 03.02.2011, Az. 3 StR 466/10; Urteil vom 19.02.2013, Az. 1 StR 275/12; Urteil vom 06.04.2017, Az. 3 StR 548/16).
II. Angeklagter B.
1. Anwendung von Jugendstrafrecht
Der Angeklagte B. war zum Zeitpunkt der Tat 20 Jahre alt und somit Heranwachsender im Sinne des § 1 Abs. 2 JGG. Seine Tat ist nach Jugendstrafrecht zu ahnden, da es sich nach den Feststellungen der Kammer um eine Jugendverfehlung im Sinne des § 105 Abs. 1 Nr. 2 JGG handelt. Eine Jugendverfehlung im Sinne des § 105 Abs. 1 Nr. 2 JGG liegt vor, wenn, unabhängig vom generellen Reifegrad des Angeklagten, die konkrete Tat auf jugendlichen Leichtsinn, Unüberlegtheit oder soziale Unreife zurückgeht (vgl. BGH, Urteil vom 17.10.2000, Az. 1 StR 261/00; Urteil vom 01.07.1998, Az. 1 StR 182/98). Die Tat des Angeklagten B. ist zurückzuführen auf eine fehlende Beherrschung seiner durch die Kontaktaufnahme des K. zu seiner Schwester hervorgerufenen Gefühle und ein großtuerisches Geltungsbedürfnis als Hüter der Familienehre. Nach seiner Wahrnehmung hatte sich seine Schwester durch die Kontaktaufnahme des K. belästigt gefühlt, so dass er sich berufen fühlte, den K., gegen den Wunsch seiner Schwester, zur Rede zu stellen. Statt in eine Diskussion der Angelegenheit mit K. einzutreten, ließ er sich jedoch im Überschwang der Gefühle aus einem jugendlichen Leichtsinn und einem Drang zur Selbstbestätigung zu einem körperlichen Kraftausbruch hinreißen, indem er den K. unvermittelt mit Faustschlägen und Tritten angriff, ohne die Folgen seines Handelns zu bedenken. Hierbei handelt es sich um ein für die Entwicklungsphase eines Jugendlichen nicht untypisches unüberlegtes Fehlverhalten des Angeklagten B..
Im Übrigen ergab die Gesamtwürdigung der Persönlichkeit des Angeklagten B., dass er zur Zeit der Tat nach seiner sittlichen und geistigen Entwicklung noch einem Jugendlichen gleichstand, § 105 Abs. 1 Nr. 2 JGG (vgl. zum Verhältnis von Entwicklungsrückständen und Jugendverfehlung BGH, Urteil vom 17.10.2000, Az. 1 StR 261/00). Nach dem bisherigen Werdegang und dem persönlichen Eindruck, den die Kammer in der Hauptverhandlung von dem Angeklagten B. gewonnen hat, besteht für die Kammer kein Zweifel daran, dass es sich bei dem Angeklagten B. um einen damals noch in der Entwicklung befindlichen, noch prägbaren Menschen gehandelt hat, bei dem Entwicklungskräfte noch in größerem Umfang wirksam gewesen sind (vgl. BGH, Beschluss vom 15.03.2011, Az. 5 StR 35/11; Beschluss vom 14.08.2012, Az. 5 StR 318/12; Urteil vom 20.05.2014, Az. 1 StR 610/13). Der Angeklagte B. hat zwar im Jahr 2016 die Schule mit dem erfolgreichen Mittelschulabschluss beendet und im Februar 2020 eine Ausbildung zum Anlagenmechaniker abgeschlossen und arbeitet seither in Festanstellung in einem Betrieb in P. mit einem monatlichen Nettoeinkommen in Höhe von ca. 1.400,00 €. Trotzdem hat es sich bei ihm nach den Gegebenheiten im Zeitpunkt der Tat am 21.10.2020 noch um einen Menschen gehandelt, dem es noch nicht gelungen ist, seine eigene Persönlichkeit zu finden und zu entwickeln. Er wohnt bislang bei seinen Eltern in P., ohne einen Beitrag für Unterkunft und Verpflegung leisten zu müssen; diesbezüglich hat er in der Hauptverhandlung als besonderen Vorzug des Wohnens bei den Eltern die Kochkunst seiner Mutter genannt; er beabsichtigt bislang nicht, in eine eigene Wohnung zu ziehen; insofern hat er bislang kaum Eigenständigkeit entwickelt; hinsichtlich der mittelfristigen Zukunft hat er noch keine näheren Lebenspläne gefasst. Überdies sind bei der Begehung der Tat bei dem Angeklagten B. noch jugendtypische Persönlichkeitszüge im Sinne eines Mangels an Ausgeglichenheit, Besonnenheit und Hemmungsvermögen und ein jugendtümlichen Verständnis von Ehre zutage getreten; bei der Betrachtung der Tat sind erhebliche Defizite hinsichtlich einer gewaltfreien Konfliktlösung unübersehbar. Sein Verhalten entsprang einer entwicklungsbedingten Unüberlegtheit; hinreichende Gedanken über die Folgen seines Handelns hat er sich offensichtlich nicht gemacht.
Der Empfehlung der Vertreterin der Jugendgerichtshilfe, die sich unter Hinweis auf den geradlinigen schulischen und beruflichen Werdegang des Angeklagten B. und sein abwertendes Frauenbild für die Anwendung von Erwachsenenstrafrecht ausgesprochen hat, hat die Kammer mangels hinreichender Würdigung der gesamten Persönlichkeit des Angeklagten B. und der Beweggründe und Veranlassung der Tat durch die Vertreterin der Jugendgerichtshilfe nicht folgen können.
2. Keine Verhängung von Jugendstrafe
Die Verhängung von Jugendstrafe war nicht erforderlich, da die Kammer bei ihm keine schädlichen Neigungen im Sinne des § 17 Abs. 2 JGG feststellen hat können. Schädliche Neigungen im Sinne des § 17 Abs. 2 JGG liegen dann vor, wenn bei dem Täter erhebliche Anlage- und Erziehungsmängel zu beobachten sind, die ohne eine längere Gesamterziehung die Gefahr weiterer Straftaten begründen; sie können in der Regel nur bejaht werden, wenn erhebliche Persönlichkeitsmängel schon vor der Tat – wenn auch gegebenenfalls verdeckt – angelegt waren und im Zeitpunkt des Urteils noch gegeben sind und deshalb weitere Straftaten befürchten lassen (vgl. BGH, Beschluss vom 06.02.2018, Az. 3 StR 532/17; Beschluss vom 26.01.2016, Az. 3 StR 473/15). Nach diesen Maßgaben war das Vorliegen von schädlichen Neigungen bei dem Angeklagten B. nicht zu bejahen. Zwar ist der Angeklagte B. am 31.12.2017 schon einmal mit einem Vergehen der gefährlichen Körperverletzung strafrechtlich in Erscheinung getreten, jedoch konnte durch die Staatsanwaltschaft von der Verfolgung gemäß § 45 Abs. 3 JGG unter Erteilung einer Ermahnung und einer Geldauflage abgesehen werden; eine Anordnung von Erziehungsmaßregeln, eine Ahndung mit Zuchtmitteln oder eine Verhängung von Jugendstrafe sind in Bezug auf den Angeklagten B. bislang nicht erfolgt. Überdies ist bei der Begehung der gegenständlichen Tat, die gekennzeichnet ist durch eine Vielzahl von Faustschlägen und Tritten, zwar eine erhebliche Gewaltbereitschaft des Angeklagten B. zum Ausdruck gekommen; sie lässt jedoch – entgegen der Auffassung der Vertreterin der Jugendgerichtshilfe, die sich für den Fall der Anwendung von Jugendstrafrecht für das Vorliegen von schädlichen Neigungen ausgesprochen hat – bei einer Betrachtung der gesamten Persönlichkeit des Angeklagten B. nicht auf so erhebliche Anlage- und Erziehungsmängel schließen, dass der Gefahr der Begehung erneuter Straftaten aus dem Deliktsbereich der Körperverletzungen nicht durch Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmittel, sondern nur durch eine längere Gesamterziehung begegnet werden könnte, und ist noch nicht Ausdruck einer bereits verfestigten erheblichen kriminellen Energie. Dabei hat die Kammer neben der Betrachtung des strafrechtlichen Vorlebens und der gegenständlichen Tat insbesondere berücksichtigt, dass der Angeklagte B. zielstrebig seine Schulausbildung und Berufsausbildung abgeschlossen hat und einer geregelten Erwerbstätigkeit nachgeht, dass er ein tragendes Beziehungsgefüge durch Familie, Beruf und Freunde hat und bei ihm keine Ansätze einer Suchtgefährdung bestehen. Überdies hat die Kammer berücksichtigt, dass der Angeklagte B. seine Tathandlungen im Wesentlichen eingeräumt hat und Einsicht in sein Fehlverhalten gezeigt hat, indem er in der Hauptverhandlung bekundet hat, die Tat zu bereuen und aus der Verhandlung gelernt zu haben. Eine erzieherische Einwirkung durch Erziehungsmaßregeln und Zuchtmittel erscheint daher ausreichend, um bei dem Angeklagten B. die erforderliche Nachreifung seiner Persönlichkeit zu bewirken und der Gefahr der Begehung künftiger Straftaten zu begegnen.
Darüber hinaus erfordert die Schwere der Schuld gemäß § 17 Abs. 2 JGG nicht die Verhängung von Jugendstrafe. Die Verhängung von Jugendstrafe wegen der Schwere der Schuld kommt im Ausgangspunkt nicht nur dann in Betracht, wenn der jugendliche oder heranwachsende Täter ein Kapitalverbrechen begangen hat, sondern auch, wenn eine andere besonders schwere Straftat abzuurteilen ist. Bei der Beurteilung der Schuldschwere im Sinne des § 17 Abs. 2 JGG kommt dem äußeren Unrechtsgehalt der Tat grundsätzlich keine selbständige Bedeutung zu (vgl. Eisenberg/Kölbel, JGG, 21. Auflage 2020, § 17 Rn. 46 ff.). Entscheidend ist vielmehr die innere Tatseite, d.h. inwieweit sich die charakterliche Haltung und die Persönlichkeit als ausschlaggebende Kriterien für die Frage, ob wegen der Schwere der Schuld aus erzieherischen Gründen die Verhängung von Jugendstrafe erforderlich ist (vgl. BGH, Beschluss vom 26.08.1994, Az. 3 StR 173/94; Urteil vom 16.03.2006, Az. 4 StR 594/05) sowie die Tatmotivation des Jugendlichen oder Heranwachsenden in vorwerfbarer Schuld niedergeschlagen haben (vgl. BGH, Beschluss vom 05.06.2013, Az. 2 StR 189/13). Der äußere Unrechtsgehalt der Tat ist nur insofern von Belang, als aus ihm Schlüsse auf die Persönlichkeit des Täters und die Höhe der Schuld gezogen werden können (vgl. BGH, Beschluss vom 19.11.2009, Az. 3 StR 400/09; Beschluss vom 05.06.2013, Az. 2 StR 189/13; Beschluss vom 17.12.2014, Az. 3 StR 521/14). Dabei ist zur Bestimmung der zurechenbaren Schuld des jugendlichen oder heranwachsenden Täters das Tatunrecht am Maßstab der gesetzlichen Strafandrohungen des Erwachsenenstrafrechts heranzuziehen; denn die Strafrahmen des allgemeinen Strafrechts behalten insoweit ihre Bedeutung, als in ihnen die Bewertung des Tatunrechts zum Ausdruck kommt (vgl. BGH, Beschluss vom 17.12.2014, Az. 3 StR 521/14). Das Gewicht des Tatunrechts ist – unter dem Primat des Erziehungsgedankens – gegen die Folgen der Strafe für die weitere Entwicklung des Jugendlichen oder Heranwachsenden abzuwägen (vgl. BGH, Beschluss vom 17.12.2014, Az. 3 StR 521/14). Dabei hat die Kammer im Ausgangspunkt bedacht, dass es sich bei der begangenen Tat, einer gefährlichen Körperverletzung im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB, nicht um ein Verbrechen, sondern lediglich um ein Vergehen handelt, das im Erwachsenenstrafrecht im Normalstrafrahmen mit Freiheitsstrafe von 6 Monaten bis zu 10 Jahren bedroht ist. Überdies liegt bei einer Parallelwertung im Erwachsenenstrafrecht ein minder schwerer Fall im Sinne des § 224 Abs. 1 Hs. 2 StGB vor, der im Erwachsenenstrafrecht zu einem gemilderten Strafrahmen von 3 Monaten bis zu 5 Jahren führt. Es war zwar nicht zu verkennen, dass der Angeklagte B. bei der Begehung der Tat mit einer erheblichen Gewaltbereitschaft und einer sprungbereiten Aggressivität handelte, indem er den K., noch ehe sich K. zum Vorwurf der Kontaktaufnahme gegenüber der Schwester des Angeklagten B. erklären konnte, unvermittelt körperlich angriff und gegen den K. eine Vielzahl von Faustschlägen und Tritten ausführte. Andererseits war zu berücksichtigen, dass der Angeklagte B. das Qualifikationsmerkmal des § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB nicht von Anfang an, sondern erst im Verlauf der Auseinandersetzung, nach dem Eingreifen des Angeklagten A., erfüllt hat und dass K. durch die Faustschläge und die Tritte des Angeklagten B. nach der Art und dem Ausmaß des Verletzungsbildes keine schwerwiegenden Verletzungen, sondern lediglich oberflächliche Hautverletzungen erlitten hat; zu einer Verletzung von Knochen oder inneren Organen ist es hierdurch nicht gekommen. Überdies war bei der Betrachtung des strafrechtlichen Vorlebens des Angeklagten B. zu berücksichtigen, dass der Angeklagte B. bislang nicht mit Erziehungsmaßregeln, Zuchtmitteln oder Jugendstrafe belegt werden musste; soweit er am 31.12.2017 schon einmal mit einem Vergehen der gefährlichen Körperverletzung strafrechtlich in Erscheinung getreten, jedoch konnte durch die Staatsanwaltschaft von der Verfolgung gemäß § 45 Abs. 3 JGG unter Erteilung einer Ermahnung und einer Geldauflage abgesehen werden. Schließlich war bei der Betrachtung des Nachtatverhaltens zu berücksichtigen, dass der Angeklagte B. seine Tathandlungen im Wesentlichen eingeräumt hat und Einsicht in sein Fehlverhalten gezeigt hat, indem er in der Hauptverhandlung bekundet hat, die Tat zu bereuen und aus der Verhandlung gelernt zu haben. Insgesamt kann in der Gesamtschau der Persönlichkeit des Angeklagten B., seiner charakterlichen Haltung, des äußeren Unrechtsgehalts der Tat und des Nachtatverhaltens nicht eine derartige Verwerflichkeit festgestellt werden, die gemäß § 17 Abs. 2 JGG wegen der Schwere der Schuld die Verhängung von Jugendstrafe erfordern würde.
3. Erziehungsmaßregeln und Zuchtmittel
Zur erzieherischen Einwirkung, zur Normverdeutlichung und zur individuellen Abschreckung war es ausreichend, den Angeklagten B. mit Erziehungsmaßregeln und Zuchtmitteln zu belegen; dadurch kann er wieder auf den rechten Weg gebracht werden.
Dabei hat die Kammer zugunsten des Angeklagten B. berücksichtigt, dass er bislang nicht mit Erziehungsmaßregeln, Zuchtmitteln oder Jugendstrafe belegt worden ist und dass er seine Tathandlungen im Wesentlichen eingeräumt hat und Einsicht in sein Fehlverhalten gezeigt hat. Überdies hat die Kammer zu seinen Gunsten berücksichtigt, dass der Angeklagte B. das Qualifikationsmerkmal des § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB nicht von Anfang an, sondern erst im Verlauf der Auseinandersetzung, nach dem Eingreifen des Angeklagten A., erfüllt hat und dass K. durch die Faustschläge und die Tritte des Angeklagten B. nach der Art und dem Ausmaß des Verletzungsbildes keine schwerwiegenden Verletzungen, sondern lediglich oberflächliche Hautverletzungen erlitten hat.
Demgegenüber hat die Kammer zulasten des Angeklagten B. berücksichtigt, dass er bei der Begehung der Tat mit einer erheblichen Gewaltbereitschaft und einer sprungbereiten Aggressivität handelte, indem er den K., noch ehe sich K. zum Vorwurf der Kontaktaufnahme gegenüber der Schwester des Angeklagten B. erklären konnte, ohne nachvollziehbaren Anlass unvermittelt körperlich angriff und gegen den K. der Anzahl nach zumindest neun Faustschläge gegen den Kopf bzw. den Oberkörper, zumindest drei Tritte gegen den linken Oberschenkel und zumindest einen Tritt gegen den Oberkörper in den Bereich der Rippen ausführte.
Im Übrigen hat die Kammer nicht unberücksichtigt gelassen, dass der Angeklagte B. zielstrebig seine Schulausbildung und Berufsausbildung abgeschlossen hat und einer geregelten Erwerbstätigkeit nachgeht, dass er ein tragendes Beziehungsgefüge durch Familie, Beruf und Freunde hat und bei ihm keine Ansätze einer Suchtgefährdung bestehen.
Unter Berücksichtigung sämtlicher Gesichtspunkte, in einer Gesamtschau und unter Abwägung aller für und gegen den Angeklagten B. sprechenden Umstände, insbesondere seiner Persönlichkeit, seiner charakterlichen Haltung und der von ihm gewonnenen und erstellten Sozialprognose, hält die Kammer nach Maßgabe der §§ 8 Abs. 1 S. 1, 10 Abs. 1 S. 1, S. 2, S. 3 Nr. 6, 16 Abs. 1, Abs. 4 JGG i.V.m. § 105 Abs. 1 JGG einen Dauerarrest von 3 Wochen und die Weisung, ein Antiaggressionstraining zu absolvieren, für erforderlich, aber auch für ausreichend, um zu seinem Wohl in dem gebotenen Maße erzieherisch nachhaltig auf ihn einzuwirken und ihn zu veranlassen, sich künftig straffrei zu führen. Durch das Zuchtmittel, das Verantwortungsappell sein und Denkzettelfunktion haben soll, und durch die erteilte Weisung kann dem Angeklagten B. geholfen und darüber hinaus in ausreichendem Maße zum Bewusstsein gebracht werden, dass und wie er, nämlich durch den Verlust seiner persönlichen Freiheit, für begangenes Unrecht einzustehen hat und was Freiheitsentzug bedeutet.
4. Maßregeln der Besserung und Sicherung
Maßregeln der Besserung und Sicherung waren hinsichtlich des Angeklagten B. nicht gemäß § 7 JGG i.V.m. § 105 Abs. 1 JGG anzuordnen, insbesondere lagen die Voraussetzungen für eine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) oder in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) bereits im Ansatz nicht vor.
F. Kosten
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 465 Abs. 1 S. 1, 472 Abs. 1 S. 1 StPO.
Hinsichtlich des Angeklagten B., auf den die Kammer Jugendstrafrecht angewendet hat, erschien es der Kammer nicht sachgerecht, gemäß § 74 JGG i.V.m. § 109 Abs. 2 S. 1 JGG von der Auferlegung der Kosten und Auslagen abzusehen, da der Angeklagte B. ein festes Einkommen erzielt und die finanzielle Belastung durch Kosten und Auslagen den Erziehungszweck hinsichtlich des Angeklagten B. unter Berücksichtigung seiner persönlichen Verhältnisse nicht erschwert.

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