Baurecht

Baugenehmigung, Vorhaben, Anfechtungsklage, Gemarkung, Bescheid, Nachbarschutz, Wohnbebauung, Neubau, Bauvorhaben, Naturschutz, Drittschutz, Genehmigungsverfahren, Nachbar, Streitwertfestsetzung, Anordnung der aufschiebenden Wirkung, Aussicht auf Erfolg, aufschiebenden Wirkung

Aktenzeichen  RN 6 S 21.355

Datum:
1.4.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 12459
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 5000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller, Eigentümer des Grundstücks FlNr. 1650 der Gemarkung …, wendet sich im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gegen eine der Beigeladenen vom Landratsamt Passau (LRA) erteilte Baugenehmigung für den Neubau eines Kinderhauses auf den Grundstücken mit den FlNrn. 244 und 1679/3 der Gemarkung … (… Straße …, …). Das Grundstück mit der FlNr. 1650 grenzt nördlich an die Grundstücke mit den FlNrn. 244 und 1679/3 an und wird vom Antragsteller konventionell landwirtschaftlich genutzt. Die Grundstücke liegen nicht innerhalb des Geltungsbereiches eines Bebauungsplans. Südlich unterhalb der Grundstücke mit den FlNrn. 244 und 1679/3 befindet sich die … Straße.
Der Antragsteller, Eigentümer des Grundstücks FlNr. 1650 der Gemarkung …, wendet sich im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gegen eine der Beigeladenen vom Landratsamt Passau (LRA) erteilte Baugenehmigung für den Neubau eines Kinderhauses auf den Grundstücken mit den FlNrn. 244 und 1679/3 der Gemarkung … (… Straße …, …). Das Grundstück mit der FlNr. 1650 grenzt nördlich an die Grundstücke mit den FlNrn. 244 und 1679/3 an und wird vom Antragsteller konventionell landwirtschaftlich genutzt. Die Grundstücke liegen nicht innerhalb des Geltungsbereiches eines Bebauungsplans. Südlich unterhalb der Grundstücke mit den FlNrn. 244 und 1679/3 befindet sich die … Straße.
Mit am 30. Juli 2019 beim LRA eingegangenem Bauantrag beantragte die Beigeladene die Baugenehmigung für den Neubau eines Kinderhauses auf den Grundstücken mit den FlNrn. 244 und 1679/3 der Gemarkung … Nach der zugehörigen Baubeschreibung soll die Brutto-Nutzfläche des Vorhabens 1471,50 m² betragen.
Mit Schreiben vom 16. August 2019 und vom 20. August 2019 gaben der Technische Umweltschutz und die Fachstelle für Wasserwirtschaft am LRA Stellungnahmen zum Vorhaben ab. Auf den Inhalt dieser Stellungnahmen wird Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 17. Februar 2020 erklärte das LRA gegenüber der Beigeladenen, das Vorhaben sei im Außenbereich geplant. Es handele sich um ein nicht privilegiertes Vorhaben. Das Vorhaben widerspreche den Darstellungen des Flächennutzungsplans, da für das Baugrundstück Grünland und keine Baufläche vorgesehen sei. Somit beeinträchtige es den öffentlichen Belang des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauGB. Es werde vorgeschlagen, zur Schaffung der Genehmigungsvoraussetzungen den Flächennutzungsplan zu ändern.
Mit Schreiben vom 27. Februar 2020 erklärte das Sachgebiet Naturschutz am LRA, dass dem Vorhaben nur zugestimmt werden könne, wenn die für Vorhaben im Außenbereich geltenden Vorschriften der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung berücksichtigt würden. Es müsse für das Bauvorhaben die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung gemäß den Vorgaben der bayerischen Kompensationsverordnung vom 7. August 2013 i.V.m. den §§ 14-17 BNatSchG und des BauGB abgehandelt werden. Der Nachweis über evtl. erforderliche Ausgleichsmaßnahmen sei im baurechtlichen Genehmigungsverfahren zu erbringen. Zusätzlich seien zur Einbindung in die Landschaft Eingrünungsmaßnahmen erforderlich, die in einem qualifizierten Freiflächengestaltungsplan in Abstimmung mit der unteren Naturschutzbehörde darzustellen seien.
Am 11. März 2020 stimmte der Stadtrat der Stadt Pocking der Änderung des Landschafts- und Flächennutzungsplans insofern zu, als die bisher für das Grundstück FlNr. 244 vorgesehene Landwirtschaftsfläche in eine Gemeinbedarfsfläche umgeändert werden solle. In der Behördenakte findet sich ab Seite 65 ein Vorentwurf zu besagter Änderung, der unter anderem auch einen Umweltbericht enthält. Auf den Inhalt dieses Vorentwurfes wird Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 12. August 2020 wandte sich der Bevollmächtigte des Antragstellers an das LRA mit der Bitte um Akteneinsicht und der Ankündigung sich anschließend zum weiteren Verfahren zu äußern. Mit Schreiben vom 25. August 2020 erklärte er, trotz der Mitteilung, eine Baugenehmigung sei bislang nicht erteilt, werde inzwischen mit Baumaßnahmen begonnen. Es werde daher beantragt, dies bauaufsichtlich zu prüfen und – sofern rechtswidrig – zu unterbinden.
Mit E-Mail vom 28. August 2020 übersandte das Bauamt der Beigeladenen den Entwurf für einen Freiflächengestaltungsplan samt textlicher Festsetzungen zum streitgegenständlichen Bauvorhaben. Ausweislich des Plans ist für das Bauvorhaben an der Grenze zum Grundstück des Antragstellers auf der gesamten Länge die Bepflanzung mit Naschhecken mit Beerenobst vorgesehen.
Mit notarieller Urkunde vom 17. September 2020 bestellte die Stadt Pocking an dem Grundstück FlNr. 246 der Gemarkung … (Grundstück mit 50 Parkplätzen) zugunsten des jeweiligen Eigentümers des Grundstücks FlNr. 244 der Gemarkung … eine Grunddienstbarkeit dergestalt, dass 7 der vorhandenen 50 Parkplätze vom Eigentümer des Grundstücks FlNr. 244 genutzt werden können sollen, gleichermaßen die Zu- und Abfahrtswege.
Mit Schreiben vom 28. September 2020 erklärte das Sachgebiet Naturschutz, es bestünden gegenüber dem Vorhaben keine grundsätzlichen Bedenken, sofern der Freiflächengestaltungsplan vom 29. Juni 2020 zum Bestandteil der Baugenehmigung gemacht werde und die grünordnerischen Maßnahmen des Freiflächengestaltungsplans bis spätestens eine Vegetationsperiode nach Beendigung der Baumaßnahme vorgenommen würden.
Mit Bescheid vom 6. Oktober 2020 erteilte das LRA die Baugenehmigung für das Bauvorhaben.
Mit am 28. Oktober 2020 beim Verwaltungsgericht Regensburg eingegangenem Telefax seines Bevollmächtigten hat der Antragsteller Klage gegen den Bescheid vom 6. Oktober 2020 erheben lassen, über die noch nicht entschieden ist (Az. RN 6 K 20.2615). Mit am 1. März 2020 beim Verwaltungsgericht Regensburg eingegangenem Telefax seines Bevollmächtigten hat der Antragsteller um einstweiligen Rechtsschutz nachsuchen lassen. Zur Begründung wird ausgeführt, es handele sich um ein nicht privilegiertes Vorhaben im Außenbereich. Es widerspreche der Darstellung im Flächennutzungsplan. Dieser solle zwar geändert werden, das Verfahren sei aber noch nicht abgeschlossen. Zudem seien die Nachbarn nicht ordnungsgemäß beteiligt worden. Auch erschienen die Planungsunterlagen hinsichtlich der Einordnung des Bauvorhabens als solches im Innen- oder Außenbereich widersprüchlich. Der Antragsteller werde auch in seinen Rechten verletzt. Das Bauvorhaben verletze das Gebot der Rücksichtnahme gegenüber der Ackernutzung auf dem Grundstück des Antragstellers. Es seien Bewirtschaftungseinschränkungen zu befürchten. Es werde mit dem Zaun bis an den Rand zum Feld gegangen. Der Baukörper sei höchstens 5 m von der Grenze entfernt. Weiter hinten seien beiderseitig Erweiterungsflächen vorgesehen. Diese würden aufgrund der Winkelanstellung des Baukörpers den Abstand zu Selbigem weiter verringern. An der Grenze sei eine Naschhecke geplant, was die Bewirtschaftung des Feldes des Antragstellers noch weiter erschwere, da diese direkt an die Grenze gesetzt werde. Der Mindestabstand, der bei Bebauung zum Feld eingehalten werden müsse, betrage in Bayern alleine schon 0,5 m im sog. Schwengelrecht. Dazu kämen dann noch die Abstände für Sträucher und Bäume. All dies werde laut Plan durch die Bebauung bis auf die Grundstücksgrenze per Zaun missachtet. Die angefochtene Planung halte keinen Abstand zum Ackergrundstück des Antragstellers. Dieser sei konventioneller Landwirt und schütze seine Pflanzen im modernen, integrierten Anbau. Dazu verwende er Pflanzenschutzmittel, Dünger, Gülle und Ähnliches. Es erfolge durch die Bebauung mit einem „Kinderhaus“ eine massive Entwertung des Feldes des Antragstellers, weil er dann Abstandsauflagen einzuhalten hätte und in einem derart sensiblen Bereich mit Protesten von Eltern gegen seine Bewirtschaftung rechnen müsse. Dies gelte umso mehr, als im Grenzbereich „Speiseterrassen“ vorgesehen seien. Darüber hinaus sei die Erschließung nicht gesichert. Es sei hier eine sehr schmale Gemeindestraße vorhanden, auf der jetzt schon LKW und PKW Probleme bei der Vorbeifahrt aneinander hätten. Wenn dann auch noch auf der Straße geparkt werde, was zu erwarten sei, seien chaotische Zustände gegeben. Auch sei in unmittelbarer Nähe ein Gewerbebetrieb gegeben, Schulbusse würden vorbeifahren und der Friedhof sei in direkter Nähe. Das Ordnungsamt Pocking habe schon auf den Nachteil hingewiesen, jedoch sei in den Akten kein Nachweis dazu enthalten. Auch wenn eine Zufahrt zum Kindergarten geplant sei, müsse bei der Einfahrt ein öffentlicher Radweg gekreuzt werden und eine direkte Zufahrt auf das Grundstück sei aufgrund des vorgelagerten Nebengebäudes nicht möglich. Es entstehe eine Gefahrensituation durch Hol- und Bringverkehr und kreuzende Radfahrer. Zudem sei in unmittelbarer Nähe die Westtangente geplant. Rund 550 m weiter sei westlich ein Kreisverkehr für die Einfahrt/Ausfahrt …straße geplant. Viel zusätzlicher Verkehr werde über diese Straße geleitet und in Verbindung mit parkenden Eltern seien Gefährdungen der Kinder und Verkehrsstau als Folgeerscheinung zu erwarten. Die zudem zu erwartende Nutzung des Fußweges als Parkmöglichkeit sei eine weitere Gefahrenquelle. Zusätzlich seien Konflikte mit dem Radverkehr zu erwarten. Auch hätte die Angelegenheit niemals als laufende Angelegenheit gewertet werden dürfen.
Der Antragsteller beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage vom 28. Oktober 2020 gegen den Bescheid des LRA Passau vom 6. Oktober 2020 anzuordnen sowie eine Zwischenverfügung (§ 80 Abs. 8 VwGO) zu erlassen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung wird ausgeführt, das Vorhaben verletze den Antragsteller nicht in ihn schützenden Rechten. Das Vorhaben befinde sich im Außenbereich gem. § 35 BauGB. Hier gebe es Drittschutz lediglich über die Vorschrift des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB. Auf das Abweichen von Darstellungen des Flächennutzungsplans könne sich der Antragsteller daher nicht berufen. Auch auf eine fehlende Nachbarbeteiligung könne sich der Antragsteller nicht berufen, da deren Konsequenz nur darin bestehe, dass den Nachbarn die Baugenehmigung zuzustellen sei. Das Vorbringen des Antragstellers zu den befürchteten Bewirtschaftungseinschränkungen könne dem Antrag auch nicht zum Erfolg verhelfen, da zum einen Abstandsflächenrecht nicht verletzt sei und zum anderen sei auch das Rücksichtnahmegebot nicht verletzt. Dies sei deswegen der Fall, weil der Antragsteller zumindest keine Einschränkung in privilegiertem Baubestand geltend machen könne und er Nutzungseinschränkungen zumindest in nordöstlicher Richtung in Zusammenhang mit Wohnbebauung bereits hinnehmen müsse. Ein geltend gemachter Verstoß gegen Vorschriften über die Voraussetzung einer gesicherten Erschließung könne nicht relevant sein, da diese Vorschriften nicht drittschützenden Charakters seien.
Mit am 1. April 2020 beim Verwaltungsgericht Regensburg eingegangenem Telefax seiner Bevollmächtigten ließ der Antragsteller ergänzend vortragen. Auf den Inhalt dieses Schriftsatzes wird Bezug genommen.
Für weitere Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage des Antragstellers ist unbegründet.
Die Anfechtungsklage eines Nachbarn gegen eine dem Bauherrn erteilte Baugenehmigung hat grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) i.V.m. § 212a Abs. 1 Baugesetzbuch (BauGB)), er kann jedoch die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Anfechtungsklage nach § 80 Abs. 5 VwGO beantragen. Ein derartiger Antrag hat nur dann Erfolg, wenn das Aussetzungsinteresse des Antragstellers das öffentliche Interesse am Sofortvollzug des streitgegenständlichen Verwaltungsakts überwiegt. Da an der Umsetzung eines rechtswidrigen Verwaltungsakts kein öffentliches Interesse besteht, richtet sich diese Interessenabwägung in der Regel nach den Erfolgsaussichten in der Hauptsache bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO. Sind die Erfolgsaussichten einer Klage offen, findet eine Abwägung der gegenseitigen Interessen statt.
Vorliegend überwiegt das Interesse am Vollzug der angefochtenen Baugenehmigung das Aussetzungsinteresse des Antragstellers, da die Klage nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage keine Erfolgsaussichten besitzt. Der Antragsteller wird durch die Erteilung der Baugenehmigung vom 6. Oktober 2020 nicht in eigenen Rechten im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO verletzt.
1. Nach Art. 68 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Art. 59 f. BayBO ist eine Baugenehmigung zu erteilen, wenn dem Bauvorhaben keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen, die im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen sind.
Einem Nachbarn des Bauherrn steht ein Anspruch auf Versagung der Baugenehmigung grundsätzlich nicht zu. Er kann eine Baugenehmigung nur dann mit Aussicht auf Erfolg anfechten, wenn Vorschriften verletzt sind, die auch seinem Schutz dienen, oder wenn das Vorhaben es an der gebotenen Rücksichtnahme auf das Grundstück des Nachbarn fehlen lässt und dieses Gebot im Einzelfall Nachbarschutz vermittelt. Nur daraufhin ist das genehmigte Vorhaben in einem nachbarrechtlichen Anfechtungsprozess zu prüfen (vgl. OVG Münster, B.v. 5.11.2013 – 2 B 1010/13 – juris; BVerwG, B.v. 28.7.1994 – 4 B 94/94 – juris; BVerwG, U.v. 19.9.1986 – 4 C 8.84; BVerwG, U.v. 13.6.1980 – IV C 31.77 – juris; VG Würzburg, U.v. 11.8.2016 – W 5 K 15.830 – juris, Rn. 51). Es ist daher unerheblich, ob die Baugenehmigung einer vollständigen Rechtmäßigkeitsprüfung standhält.
2. Die streitgegenständliche Baugenehmigung vom 6. Oktober 2020 wurde – zu Recht – im Baugenehmigungsverfahren nach Art. 60 BayBO erteilt, da es sich beim Vorhaben um einen Sonderbau im Sinne von Art. 2 Abs. 4 Nr. 12 BayBO handelt, denn es ist ein Kinderhaus geplant, in dem 105 Kinder betreut werden sollen, mithin eine außerschulische Tageseinrichtung zur regelmäßigen Bildung, Erziehung und Betreuung von Kindern und somit eine Kindertageseinrichtung im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Satz 1 des Bayerischen Gesetzes zur Bildung, Erziehung und Betreuung von Kindern in Kindergärten, anderen Kindertageseinrichtungen und in Tagespflege (Bayerisches Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz – BayKiBiG) v. 8.7.2005 (GVBl S. 236).
Der Nachbar kann die im Verfahren nach Art. 60 BayBO erteilte Baugenehmigung insoweit angreifen, wie die verletzte Norm zum Prüfprogramm Art. 60 BayBO zählt und daher von der Feststellungswirkung der Baugenehmigung umfasst wird.
Im Baugenehmigungsverfahren nach Art. 60 BauGB prüft die Bauaufsichtsbehörde nach Satz 1 der Vorschrift die Übereinstimmung mit den Vorschriften über die Zulässigkeit der baulichen Anlagen nach den §§ 29 bis 38 BauGB (Nr. 1), Anforderungen nach den Vorschriften dieses Gesetzes und auf Grund dieses Gesetzes (Nr. 2) sowie andere öffentlich-rechtliche Anforderungen, soweit wegen der Baugenehmigung eine Entscheidung nach anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften entfällt, ersetzt oder eingeschlossen wird (Nr. 3).
3. Der Baugenehmigungsbescheid verletzt den Antragsteller nicht in subjektiven Rechten, des im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens zu prüfenden Bauplanungs- und Bauordnungsrechts.
a) Zunächst kann der gerügte Verstoß gegen die Vorschriften über die Nachbarbeteiligung dem Antrag nicht zum Erfolg verhelfen. Die Vorschrift über die Nachbarbeteiligung hat den Zweck, einen Weg für die Behörde zu schaffen, sich möglichst umfassend über den entscheidungserheblichen Sachverhalt zu informieren, der Schutzzweck der Vorschrift liegt jedoch nicht in der Wahrung der Beteiligungsrechte selbst. Nachbarschutz kommt dieser Vorschrift nicht zu (BayVGH, B.v. 9.1.2018 – 9 CS 17.88 – juris Rn.3; B.v. 28.1.2016 – 9 ZB 12.839 – juris Rn.7; B.v. 6.2.2017 – 15 ZB 16.398). Eine unterlassene Nachbarbeteiligung hat allein zur Folge, dass der Baugenehmigungsbescheid dem Nachbarn gem. Art. 66 Abs. 1 Satz 6 BayBO zuzustellen ist, wobei diese Zustellung den Fristlauf für eine Klageerhebung auslöst (vgl. BayVGH, B.v. 9.1.2018 – 9 CS 17.88 – juris Rn. 3; B.v. 6.2.2017 – 9 CS 17.88 – juris Rn.17).
b) Zudem ist bei summarischer Prüfung auch kein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot ersichtlich. Dabei kann im Rahmen des Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes dahingestellt bleiben, ob das Vorhaben als solches im Innen- oder im Außenbereich zu werten und entsprechend nach § 34 BauGB oder § 35 BauGB zu beurteilen ist, da die entscheidenden Wertungsmaßstäbe unabhängig davon ermittelt werden können, ob sich das Gebot der Rücksichtnahme im konkreten Fall aus dem Merkmal des „sich-einfügens“ in § 34 BauGB oder aus § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB ableiten lässt, wenngleich hier vieles für die Einordnung des Baugrundstückes als dem Außenbereich zugehörig spricht.
Insbesondere ergibt sich aus dem Vortrag des Antragstellers nicht, dass ein Nutzungskonflikt insofern entstehen könnte, als das Vorhaben durch die landwirtschaftliche Bewirtschaftung des Ackers schädlichen Umwelteinwirkungen ausgesetzt wäre und die Realisierung des Vorhabens für den Antragsteller aufgrund zu befürchtender Einschränkungen im konkreten Fall unzumutbar erschiene.
Schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des § 3 Abs. 1 Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) sind Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen. Solche Einwirkungen sind den Betroffenen grundsätzlich unzumutbar (BVerwG, U.v. 25. 2. 1977 – 4 C 22/75 – beck-online). Unzumutbarkeit in diesem Zusammenhang ist nicht im enteignungsrechtlichen Sinne gemeint, sondern legt die Grenze im Vorfeld fest, ab der dem Betroffenen eine nachteilige Einwirkung im konkreten Einzelfall billigerweise nicht mehr zugemutet werden soll (BVerwG, U.v. 21. 5. 1976 – 4 C 80/74 – beck-online). Liegt keine schädliche Umwelteinwirkung im Sinne des BImSchG vor, kommt eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots in der Regel nicht in Betracht (BVerwG, U.v. 27. 6. 2017 – 4 C 3/16 – beck-online; Battis/Krautzberger/Löhr/Mitschang/Reidt, 14. Aufl. 2019, BauGB § 35 Rn. 80).
Dem Gebot der Rücksichtnahme kommt drittschützende Wirkung insoweit zu, als in qualifi-zierter und zugleich individualisierter Weise auf schutzwürdige Interessen eines erkennbar abgegrenzten Kreises Dritter Rücksicht zu nehmen ist. Die Anforderungen, die das Gebot der Rücksichtnahme im Einzelnen begründet, hängen dabei wesentlich von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zu Gute kommt, desto mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen. Abzustellen ist darauf, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zuzumuten ist (vgl. BVerwG, U.v. 18.11.2004 – 4 C 1.04 – juris, Rn. 22; BayVGH, B.v. 15.2.2019 – 9 CS 18.2638 – BeckRS 2019, 2302; BayVGH, B.v. 26.9.2018 – 9 CS 17.361 – juris, Rn. 18 m.w.N.).
Die vom Antragsteller schriftsätzlich dargestellte Problematik des Aufeinandertreffens der Grundstücksnutzung als Kindergarten und der landwirtschaftlichen Bewirtschaftung des Ackers des Antragstellers kann einen Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot nicht begründen.
Bei der Ausbringung von Pflanzenschutzmitteln ist der Anwender verpflichtet, die Regeln der guten fachlichen Praxis einzuhalten (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 1 Pflanzenschutzgesetz – PflSchG). Hierzu zählen gem. § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 PflSchG Maßnahmen zum Schutz vor sowie die Abwehr von Gefahren, die durch die Anwendung, das Lagern und den sonstigen Umgang mit Pflanzenschutzmitteln oder durch andere Maßnahmen des Pflanzenschutzes, insbesondere für die Gesundheit von Mensch und Tier und für den Naturhaushalt einschließlich des Grundwassers, entstehen können. Nach § 3 Abs. 2 PflSchG lassen sich die Grundsätze der guten fachlichen Praxis aus den vom Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz erstellten und im Bundesanzeiger veröffentlichten „Grundsätzen für die Durchführung der guten fachlichen Praxis im Pflanzenschutz“ (vgl. Bekanntmachung vom 30. März 2010, BAnz. Nr. 76a vom 21. Mai 2010) entnehmen. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA hat Leitlinien erarbeitet, die Methoden aufzeigen, wie Gesundheitsrisiken für Umstehende und Anwohner bei der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln zu bewerten sind (vgl. EFSA, Guidance on the assessment of exposure of operators, workers, residents and bystanders in risk assessment for plant protec-tion products; abrufbar unter: https://efsa.onlinelibrary.wiley.com/doi/epdf/10.2903/j.efsa.2014.3874). Darauf basierend hat das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit in einer Bekanntmachung vom 27. April 2016 (BVL 16/02/02 – BAnz AT 20.05.2016 B5) dargelegt, dass bei Flächenkulturen – wie dem Ackergrundstück des Antragstellers – ein Mindestabstand von 2 m zu Wohnbebauung, Gärten und unbeteiligten Dritten einzuhalten ist. Die Einhaltung dieses Mindestabstands ist Teil der Beachtung der Regeln einer guten fachlichen Praxis im Sinne von§ 3 Abs. 1 Satz 1 PflSchG.
Im vorliegenden Fall ist bei summarischer Prüfung davon auszugehen, dass trotz der Tatsache, dass das Baugrundstück letztlich bis zur Grundstücksgrenze ausgenutzt werden soll, ein Nutzungskonflikt zwischen dem Bauvorhaben und der Ackerbewirtschaftung nicht entstehen wird. Die Größe des landwirtschaftlichen Grundstücks des Antragstellers beträgt 62498 m². Ginge man davon aus, dass der Antragsteller die besagten 2 m Abstand auf der gesamten Länge des geplanten Bauprojektes einzuhalten hätte, so wäre festzustellen, dass dieser somit von Abdrift von Pflanzenschutzmitteln freizuhaltende Bereich sich im Vergleich zur beträchtlichen Gesamtgröße des Grundstücks im eher geringfügigen Bereich halten würde. Es erscheint für den Antragsteller bei summarischer Prüfung nach Lage der Dinge zumutbar, diese Einschränkung in seinem Bewirtschaftungsvorgehen hinzunehmen. Zudem stellt auch die an der Grenze hinter dem Zaun vorgesehene Bepflanzung einen gewissen weiteren Schutz dar, was letztlich in der Gesamtbetrachtung zur Folge hat, dass vom Entstehen eines Nutzungskonfliktes, der einen Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot begründen könnte, bei summarischer Prüfung hier nicht auszugehen ist.
c) Des Weiteren ist kein Verstoß gegen das Abstandsflächenrecht im Sinne des Art. 6 BayBO ersichtlich. Bei summarischer Prüfung halten die geplanten Gebäude die Vorgaben des Art. 6 BayBO ein. Zudem ist davon auszugehen, dass der Zaun mit einer Höhe von 1,20 m zulässigerweise an der Grenze der beiden Grundstücke errichtet werden konnte. Dies ist deswegen der Fall, weil der Zaun unter die Regelung des Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 3 a. F. bzw. Art. 6 Abs. 7 Satz 1 Nr. 3 BayBO n. F. (Stützmauern und geschlossene Einfriedungen in Gewerbe- und Industriegebieten, außerhalb dieser Baugebiete mit einer Höhe bis zu 2 m) fällt und daher in den Abstandsflächen sowie ohne eigene Abstandsflächen zulässig ist.
d) Eine Verletzung drittschützender Normen ergibt sich außerdem nicht aus dem geltend gemachten Einwand, die Erschließung sei nicht gesichert, unabhängig davon, ob das Vorhaben nach § 34 BauGB oder § 35 BauGB zu beurteilen ist. Das Erfordernis der gesicherten planungsrechtlichen Erschließung dient grundsätzlich nur den öffentlichen Interessen und hat folglich keine nachbarschützende Funktion (vgl. BayVGH, B.v. 1.3.2016 – 1 ZB 15.1560 – juris). Etwas anderes kann – unter dem Gesichtspunkt des Rücksichtnahmegebots – ausnahmsweise dann gelten, wenn durch die unzureichende Erschließung Nachbargrundstücke unmittelbar betroffen sind. Dies erscheint bei summarischer Prüfung hier nicht möglich. Wie sich insbesondere die Verkehrssituation infolge der Verwirklichung des Bauvorhabens und der Einfügung desselben in die Bestandssituation unter Einbeziehung aller weiteren einfließenden Faktoren darstellen wird, wird im Hauptsacheverfahren zu klären sein und kann hier im Rahmen des Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes nicht abschließend geklärt werden. Letztlich kann dies jedoch in diesem Rahmen auch dahinstehen, da eine derart unmittelbare Betroffenheit des Antragstellers dahingehend, dass er etwaige Einschränkungen in der Nutzung seines Ackergrundstückes durch die Verkehrslage zu erwarten hätte, vorliegend nicht anzunehmen sein dürfte. Das Grundstück des Antragstellers ist nicht lediglich durch die … Straße, auf die sich die Argumentation der Antragstellerseite im Wesentlichen bezog, zu erreichen. Eine Erreichbarkeit ist beispielsweise auch über die weiter nördlich gelegene B.Straße gegeben. Eine Verkehrsproblematik, die sich über die … Straße hinausgehend auch bis in diesen Bereich erstrecken könnte, ist von der Antragstellerseite in dieser Form nicht dargelegt worden und dem Gericht auch ansonsten nicht ersichtlich.
e) Schließlich kann sich auch kein Nachbarrechtsverstoß aus dem Vorbringen ergeben, dass das Vorhaben den Darstellungen des Flächennutzungsplanes widerspreche. Ob ein solcher Widerspruch hier besteht, kann letztlich wiederum wiederrum dahinstehen, da das Gesetz den Belang der Einhaltung von Darstellungen in Flächennutzungsplänen – wie beispielsweise in § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauGB – lediglich im öffentlichen Interesse schützt und Nachbarrechtsschutz daraus grundsätzlich nicht hergeleitet werden kann.
f) Auch die erhobene Rüge, dass das Bauvorhaben nicht als laufende Angelegenheit hätte behandelt werden dürfen, kann dem Antrag nicht zum Erfolg verhelfen. Es handelt sich bei Vorschriften wie der des Art. 37 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GO, die laufende Angelegenheiten der öffentlichen Verwaltung in die Zuständigkeit des ersten Bürgermeisters in Abgrenzung zum Gemeinderat (Art. 29 GO) legt, um Verfahrensvorschriften, welche grundsätzlich keinen Drittschutz zu vermitteln vermögen.
g) Zudem ist festzuhalten, dass Beeinträchtigungen in der Bewirtschaftungsmöglichkeit im Übrigen im Wege des Zivilrechts, etwa über die Art. 47, 48 EGBGB geltend zu machen sind.
Weitere Anhaltspunkte dafür, dass die erteilte Baugenehmigung in bauplanungs- oder bauordnungsrechtlicher Hinsicht drittschützende Normen verletzen könnte, sind nicht ersichtlich und wurden auch vom Antragsteller nicht vorgebracht.
Die Anfechtungsklage gegen die streitgegenständliche Baugenehmigung wird daher aller Voraussicht nach erfolglos bleiben, weshalb der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO abzulehnen war.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen waren dem Antragsteller nicht aufzuerlegen, da die Beigeladene keinen eigenen Antrag gestellt und sich damit keinem eigenen Kostenrisiko ausgesetzt hat (§§ 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO).
Die Streitwertfestsetzung ergibt sich gem. § 52 Abs. 1 GKG i. V. m. den Nr. 1.5 und 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.

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