Strafrecht

Hauptverhandlung, Angeklagte, Freiheitsstrafe, Fahrerlaubnis, Wohnung, Angeklagten, Jugendstrafe, Erkrankung, Therapie, Unfall, Vergewaltigung, Sicherungsverwahrung, Justizvollzugsanstalt, Krankenhaus, Fahren ohne Fahrerlaubnis, Fahrens ohne Fahrerlaubnis, Art und Weise

Aktenzeichen  Ks 103 Js 28875/19

Datum:
16.12.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 54519
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

I. 1. Der Angeklagte ist schuldig des Totschlags in Tatmehrheit mit Nötigung.
2. Er wird deshalb zur Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt.
3. Die Anordnung der Unterbringung in Sicherungsverwahrung wird vorbehalten.
4. Der Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Nebenkläger D. G… und A. G…
II. 1. Der Angeklagte wird wegen vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung verurteilt, an die Adhäsionsklägerin D. G… einen Betrag von 15.000,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 27.10.2020 zu bezahlen.
Im Übrigen wird von einer Entscheidung über den Adhäsionsantrag abgesehen.
2. Von den der Adhäsionsklägerin D. G… durch das Adhäsionsverfahren entstandenen besonderen Kosten und notwendigen Auslagen trägt der Angeklagte die Hälfte, im Übrigen trägt sie die Adhäsionsklägerin selbst.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Adhäsionsklägerin jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags. Die Adhäsionsklägerin kann die Vollstreckung des Angeklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Angeklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Der Streitwert für das Adhäsionsverfahren wird auf 30.000,00 € (Ziffer 1. 15.000,00 €, Ziffer 2. 15.000,00 €) festgesetzt.
Angewandte Vorschriften:
§§ 212 Abs. 1, 240 Abs. 1, Abs. 2, §§ 21, 53, 66 a Abs. 2 StGB.

Gründe

A. Feststellungen
I. Persönliche Verhältnisse
1. Angeklagter D. E…
a. Der Angeklagte ist geschieden und wurde …1966 in R. geboren. Sein Vater entstammte einer Schaustellerfamilie, war von Beruf Maler und ist zweimal verheiratet gewesen. Aus der ersten Ehe ging eine Tochter hervor, die der Angeklagte nicht kennengelernt hatte. Nachdem die erste Ehefrau gestorben war, heiratete sein Vater erneut. Aus dieser Ehe gingen neben dem Angeklagten weitere fünf Kinder hervor, von denen zwei zur Adoption freigegeben wurden. Der Angeklagte beschreibt die Ehe seiner Eltern als konfliktbelastet und geprägt von der Untreue seiner Mutter, die mehrfach fremdgegangen sei. Nach seinen Angaben habe er unter der häuslichen Situation sehr gelitten.
Der Angeklagte besuchte einen Kindergarten und wurde regulär eingeschult. Noch während er die dritte Klasse besuchte, scheiterte die Ehe seiner Eltern und seine Mutter verließ die Familie. Die Beziehung des Angeklagten zu seiner Mutter ist bis heute schwer belastet. Er kam nach der dritten Klasse gemeinsam mit seinem Bruder R. in das Kinderheim Sankt J. in P.. Es brauchte fast eineinhalb Jahre bis er sich an die neuen Lebensumstände gewöhnt hatte. In der ersten Zeit hatte er zusammen mit seinem Bruder auch Fluchtversuche unternommen. Die 9. Klasse der Hauptschule schloss er, immer noch im Heim lebend, mit dem Qualifizierenden Hauptschulabschluss und einem Notenschnitt von 3,25 ab. Nach eigenen Angaben des Angeklagten wurde er während seiner Zeit im Heim von einem Pfarrer, der an ihm unter anderem den Analverkehr vollzogen habe, mehrfach sexuell missbraucht.
Nachdem der Angeklagte den Qualifizierenden Hauptschulabschluss erlangt hatte, begann er eine Lehre als Heizungsbauer in R. und zog aus diesem Anlass zu seinem Vater, mit dem er bis zu dessen Tode im Jahr 2018 ein enges Verhältnis hatte. Mit 17 Jahren zog er von zu Hause wieder aus, weil er sich mit der Partnerin seines Vaters nicht verstand und die ständigen Beziehungskrisen des Paares leid war. Er zog in eine eigene Wohnung, nachdem er zuvor für ein paar Monate von seiner Halbschwester S. aufgenommen worden war.
Im dritten Lehrjahr musste der Angeklagte die Ausbildung aufgrund einer Inhaftierung zunächst abbrechen, konnte diese dann aber in der Haft fortsetzen und auch abschließen. Er arbeitete anschließend noch für etwa ein Jahr in seinem ursprünglichen Ausbildungsbetrieb und wechselte dann zur Firma B1. Sanitär GmbH, Regensburg, bei der er mit kurzen Unterbrechungen bis zu seiner Inhaftierung in dieser Sache beschäftigt war.
In wirtschaftlicher Hinsicht ist der Angeklagte in Höhe von ca. 50.000 EUR verschuldet, was teilweise auf finanzielle Zuwendungen im Rahmen der von ihm geführten Beziehungen zurückzuführen ist.
b. Nach ersten sexuellen Erfahrungen als 15-Jähriger lernte der Angeklagte mit 22 Jahren seine spätere Ehefrau kennen, als er wegen eines Autounfalls im Krankenhaus lag. Die beiden wohnten zunächst im Haus der Eltern seiner Partnerin. Nach der Verlobung zogen sie in eine eigene Wohnung in R. und später in ein eigenes Haus, das der Angeklagte im Laufe der Jahre renovierte. Etwa im Jahr 1990 heirateten beide standesamtlich. Am 03.06.1994 kam der gemeinsame Sohn D. zur Welt. Weil beabsichtigt war, weitere Kinder zu bekommen, verkauften die Eheleute das Haus, mieteten ein größeres und bauten anschließend ein neues, im Jahr 2002 fertig gestelltes Haus. Im Jahr 2004 holte das Paar die kirchliche Trauung nach. Wohl um diese Zeit erkrankte die Ehefrau des Angeklagten an einer Depression. In der Wahrnehmung des Angeklagten war das krankheitsbedingte Verhalten seiner damaligen Ehefrau für ihn und seinen Sohn so belastend, dass die Ehe daran zerbrach und sich das Paar im Jahr 2009 trennte. Im Jahre 2011/2012 folgte die Scheidung. Nach der Trennung lebte der Angeklagte zusammen mit seinem Sohn bis März 2019 in einer gemeinsamen Wohnung in Ö..
Nach der Scheidung unterhielt der Angeklagte drei längerfristige Beziehungen, die letzte mit der Getöteten. Im Jahr 2014 oder 2015 lernte er in St. die verheiratete Zeugin M. H. kennen, mit der er eine etwa zweijährige Beziehung führte. Von Mai 2017 bis Dezember 2018 unterhielt der Angeklagte eine Beziehung mit der Zeugin M. E.
2. Tatopfer N. L…
N. L… wurde …1974 in der Ukraine geboren, wo sie auch aufwuchs. Die letzten 20 Jahre vor ihrem Tod lebte sie in Deutschland. Von 2001 bis 2015 war die Getötete mit dem Zeugen H. G. liiert, den sie im Jahr 2003 heiratete. Das Ehepaar lebte in T. in Niederbayern und hatte einen gemeinsamen Sohn, den Nebenkläger A. G… Im Jahr 2012 kam die Tochter der Getöteten, die Zeugin und Nebenklägerin D. G…, die bis zu diesem Zeitpunkt in der Ukraine bei deren G…eltern gelebt und die H. G… adoptiert hatte, nach Deutschland. D. G… wohnte zusammen mit ihrer Mutter und ihrem Adoptivvater in T.. Nach der Scheidung im Jahr 2016 zog N. L… zusammen mit ihrer Tochter D. und ihrem Sohn nach P., wo sie in einem Schmuckgeschäft arbeitete. Während ihrer Ehe mit H. G… war sie überwiegend Hausfrau und Mutter, arbeitete jedoch die letzten zwei Jahre vor der Trennung in einer Diskothek. Im Zeitraum von Oktober 2015 bis November 2018 war die Getötete mit mehreren Unterbrechungen mit dem Zeugen R. P. liiert. Nachdem ihre Tochter D. bereits nach R. gezogen war, folgte ihr N. L… dorthin und arbeitete zuletzt für das Bekleidungsgeschäft „H…“ im Verkauf, wobei sie sowohl in dessen Filiale in der Innenstadt von R. als auch in der Filiale im Einkaufszentrum „R. Arcaden“ eingesetzt war. Ihr Sohn wohnte zu diesem Zeitpunkt bereits wieder bei seinem Vater H. G…
II. Vorahndungen
Die Auskunft aus dem Bundeszentralregister vom 08.09.2020 enthält für den Angeklagten folgende Eintragungen:
1. 27.03.1969 AG REGENSBURG (D3410) -X 220/69 – Entscheidung des Gerichts: Vorläufiger Entzug des Sorgerechts der Kindesmutter – Übertragung auf den Kindsvater R. E…
2. 01.03.1971 AG REGENSBURG (D3410) -X 220/69 – Entscheidung des Gerichts: Der Kindesmutter wurde wegen Gefährdung des geistigen und leiblichen Wohls des Kindes gem. § 1666 BGB das Aufenthaltsbestimmungsrecht endgültig entzogen und dem R. E… übertragen.
3. 25.01.1985 AG REGENSBURG (D3410) -3 JS 18337/84 JUG – Rechtskräftig seit 07.02.1985 Tatbezeichnung: Diebstahl Datum der (letzten) Tat: 20.11.1984 Angewandte Vorschriften: STGB § 242, § 248 A
5 Tagessätze zu je 20,00 DM Geldstrafe.
4. 04.07.1985 AG REGENSBURG (D3410) -124 JS 5928/85 JUG – Rechtskräftig seit 13.08.1985 Tatbezeichnung: Vorsätzliches Fahren ohne Fahrerlaubnis rechtlich zusammentreffend mit vorsätzlichem Fahren ohne Pflichtversicherung Datum der (letzten) Tat: 21.04.1985 Angewandte Vorschriften: STGB § 52, STVG § 2, § 21 ABS. 1 NR. 1, PFLVG § 1, § 6
20 Tagessätze zu je 10,00 DM Geldstrafe.
5. 04.04.1986 AG REGENSBURG (D3410) -203 JS 41675/85 JUG – Rechtskräftig seit 04.04.1986 Tatbezeichnung: 7 Vergehen des Diebstahls, 8 Vergehen des Bandendiebstahls, davon 4 tateinheitlich zusammentreffend mit jeweils einem Vergehen des vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis, ein Vergehen des versuchten Bandendiebstahls, ein Vergehen des unerlaubten Entfernens vom Unfallort und ein Vergehen des vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis Datum der (letzten) Tat: 14.07.1985 Angewandte Vorschriften: STGB § 242 ABS. 1, § 244 ABS. 1 NR. 3, ABS. 2, § 22, § 23, § 25 ABS. 2, § 52, § 53, § 69, § 69 A, STVG § 21 ABS. 1 NR. 1, JGG § 1 ABS. 2, § 105 ABS. 1 NR. 1, § 17, § 18
1 Jahr(e) 6 Monat(e) Jugendstrafe.
Sperre für die Fahrerlaubnis bis 03.04.1987.
6. 04.07.1986 AG REGENSBURG (D3410) -203 JS 42725/85 JUG – Rechtskräftig seit 21.08.1986 Tatbezeichnung: 14 Vergehen des Bandendiebstahls, in 4 Fällen rechtlich zusammentreffend mit vorsätzlichen Fahren ohne Fahrerlaubnis, 3 Vergehen des versuchten Bandendiebstahls, 1 Vergehen der unbefugten Ingebrauchnahme eines Kraftfahrzeuges in Tat Einheit mit vorsätzlichen Fahren ohne Fahrerlaubnis, 1 Vergehen des unerlaubten Entfernens vom Unfallort, 1 Vergehen des Diebstahls und 1 Vergehen des versuchten Diebstahls Datum der (letzten) Tat: 07.11.1985 Angewandte Vorschriften: STGB § 142 ABS. 1 NR. 1, § 242 ABS. 1, 2, § 244 ABS. 1 NR. 3, ABS. 2, § 248 B, § 22, § 23, § 25 ABS. 2, § 52, § 53, § 69, § 69 A, STVG § 21 ABS. 1 NR. 1, JGG § 1 ABS. 2, § 105 ABS. 1 NR. 1, § 17, § 18, § 31
2 Jahr(e) 10 Monat(e) Jugendstrafe.
Sperre für die Fahrerlaubnis bis 20.02.1988.
Einbezogen wurde die Entscheidung vom 04.04.1986+203 JS 41675/85 JUG+D3410+AG REGENSBURG.
7. 29.09.1986 AG REGENSBURG (D3410) -125 JS 8094/85 JUG – Rechtskräftig seit 07.10.1986 Tatbezeichnung: Vorsätzlicher gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr rechtlich zusammentreffend mit Sachbeschädigung und Vortäuschen einer Straftat Datum der (letzten) Tat: 20.06.1985 Angewandte Vorschriften: STGB § 145 D, § 303, § 315 B ABS. 1 NR. 2, ABS. 4, § 25 ABS. 2, § 52, JGG § 1 ABS. 2, § 105 ABS. 1 NR. 1, § 17, § 18, § 31
3 Jahr(e) 1 Monat(e) Jugendstrafe.
Einbezogen wurde die Entscheidung vom 04.07.1986+203 JS 42725/85 JUG+D3410+AG REGENSBURG.
Einbezogen wurde die Entscheidung vom 04.04.1986+203 JS 41675/85 JUG+D3410+AG REGENSBURG.
Rest der Jugendstrafe zur Bewährung ausgesetzt bis 01.06.1990.
Bewährungshelfer bestellt.
Bewährungszeit verlängert bis 01.06.1991.
Rest der Jugendstrafe erlassen mit Wirkung vom 18.07.1991.
Strafmakel beseitigt.
8. 23.06.1988 AG REGENSBURG (D3410) -127 JS 3930/88 – Rechtskräftig seit 01.07.1988 Tatbezeichnung: Diebstahl und Hehlerei Datum der (letzten) Tat: 20.02.1988 Angewandte Vorschriften: STGB § 242 ABS. 1, § 248 A, § 259, § 21, § 53, § 56 ABS. 1
5 Monat(e) Freiheitsstrafe.
Bewährungszeit 3 Jahr(e) .
Bewährungszeit verlängert bis 30.06.1992.
Strafe erlassen mit Wirkung vom 06.08.1992.
9. 04.04.1989 AG REGENSBURG (D3410) -125 JS 12914/88 – Rechtskräftig seit 12.04.1989 Tatbezeichnung: Fahrlässiger Vollrausch Datum der (letzten) Tat: 08.07.1988 Angewandte Vorschriften: STGB § 323 A, § 56 ABS. 1
6 Monat(e) Freiheitsstrafe.
Bewährungszeit 4 Jahr(e) .
Strafe erlassen mit Wirkung vom 21.11.1994.
10. 07.06.1994 AG REGENSBURG (D3410) -105 JS 5447/93 – Rechtskräftig seit 15.06.1994 Tatbezeichnung: Schwere Körperverletzung Datum der (letzten) Tat: 21.02.1993 Angewandte Vorschriften: STGB § 223, § 224, § 56
1. Jahr(e) 11 Monat(e) Freiheitsstrafe.
Bewährungszeit 5 Jahr(e) .
Verlust der Amtsfähigkeit und der Wählbarkeit (gesetzlich eingetretene Nebenfolge nach § 45 Abs. 1 StGB).
Verlust der Amtsfähigkeit und der Wählbarkeit bis 16.07.1999.
Strafe erlassen mit Wirkung vom 17.07.1999.
11. 26.02.2010 AG Regensburg (D3410) -31 Cs 124 Js 22878/09 – Rechtskräftig seit 07.06.2010 Tatbezeichnung: Nötigung Datum der (letzten) Tat: 01.07.2009 Angewandte Vorschriften: StGB § 240 Abs. 1, Abs. 2
50 Tagessätze zu je 40,00 EUR Geldstrafe.
12. 02.04.2019 AG Straubing (D3413) -12 Ds 138 Js 91447/17 – Rechtskräftig seit 02.04.2019 Tatbezeichnung: Nachstellung in Tateinheit mit Zuwiderhandlung gegen gerichtliche Maßnahmen zum Schutz vor Gewalt in Tatmehrheit mit Nachstellung in 12 Fällen Datum der (letzten) Tat: 18.03.2017 Angewandte Vorschriften: StGB § 238 Abs. 1 Nr. 1, § 238 Abs. 1 Nr. 2, § 238 Abs. 4, § 53, § 52, § 56, GewSchG § 4 Nr. 1, § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 1 Abs. 1 Nr. 2, § 1 Abs. 1 Nr. 3, § 1 Abs. 1 Nr. 4, § 1 Abs. 1 Nr. 5
8 Monat(e) Freiheitsstrafe.
Bewährungszeit 2 Jahr(e) .
Strafaussetzung widerrufen.
13. 06.11.2019 AG Deggendorf (D2201) -1 Ds 2 Js 4239/19 – Rechtskräftig seit 06.02.2020 Tatbezeichnung: Verstoß gegen das Gewaltschutzgesetz in zwei Fällen Datum der (letzten) Tat: 27.04.2019 Angewandte Vorschriften: StGB § 53, GewSchG § 4 Satz 1 Nr. 1, § 4 Abs. 1, § 4 Abs. 2
7 Monat(e) Freiheitsstrafe.
2. Dem Urteil des Amtsgerichts Regensburg vom 07.06.1994 (Az. 105 Js 5447/93) rechtskräftig seit 15.06.1994, mit dem der Angeklagte wegen schwerer Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und elf Monaten verurteilt wurde, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde, lag folgender Sachverhalt zugrunde:
„Der Angeklagte befand sich am Sonntag, den 21. Februar 1993, gegen 22.00 Uhr in der Diskothek „T…“ in P.. Nachdem er mehrfach erfolglos – auch mit der Hand zumindest an die Hüfte greifend – versucht hatte, die Krankenschwesterschülerin S. B… zum Tanzen aufzufordern und auf deren Ablehnung nicht reagierte, geriet er mit dem der Krankenschwesterschülerin zu Hilfe kommenden, am gleichen Tisch sitzenden Kraftfahrer W. S… in Streit. Im Verlauf der verbalen Auseinandersetzung stieß der an der Kopfseite dieses Tisches stehende Angeklagte mit seinem Körper an die Tischplatte, woraufhin einige Gläser umfielen und zu Bruch gingen. Als der als „Türsteher“ fungierende R. W… den Angeklagten von hinten an der Hüfte faßte, um ihn – auf Bitten der Leute am Tisch – von diesem fortzuführen und auf diese Weise den Streit zu schlichten, drehte sich der Angeklagte plötzlich um und stieß R. W… unvermittelt ein zerbrochenes Weizenglas in die rechte Wange, so daß dieser eine etwa 6 Zentimeter lange und 2 Zentimeter tiefe Wunde, die mit mehreren Stichen genäht werden mußte, erlitt. Nach dem zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung bereits abgeschlossenen Heilungsprozeß verbleibt R. W… auch weiterhin eine etwa 3,5 Zentimeter lange und 3 Millimeter breite Wundnarbe.“
Dem Urteil des Amtsgerichts Straubing vom 02.04.2019 (Az. 12 Ds 138 Js 91447/17), rechtskräftig seit 02.04.2019, mit dem der Angeklagte wegen Nachstellung in Tateinheit mit Zuwiderhandlung gegen gerichtliche Maßnahmen zum Schutz vor Gewalt in Tatmehrheit mit Nachstellung in 12 Fällen zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt wurde, deren Vollstreckung nicht zur Bewährung ausgesetzt wurde, lag folgender Sachverhalt zugrunde:
„Der Angeklagte hatte mit der verheirateten Anzeigeerstatterin M. H… eine ungefähr einjährige Beziehung geführt, die diese am 18.09.2016 beendet hatte. Obwohl die Anzeigeerstatterin ihm ausdrücklich mitgeteilt hatte, keinerlei Kontakt mit ihm mehr haben zu wollen, rief der Angeklagte sie gegen deren ausdrücklichen, ihm bekannten Willen mehrfach an und betrat unberechtigt am 19.09.2016 gegen 22.15 Uhr deren Garage.
Am 21.09.2016 erließ das Amtsgericht – Familiengericht – Straubing daraufhin auf Antrag der Anzeigeerstatterin H… unter dem Aktenzeichen … im Wege der einstweiligen Anordnung einen Beschluss nach § 1 Gewaltschutzgesetz.
In diesem Beschluss wurde dem Angeklagten unter anderem aufgegeben, es zu unterlassen, mit der Geschädigten H… in irgendeiner Form Kontakt aufzunehmen, ein Zusammentreffen mit ihr herbeizuführen und sich in einem Umkreis von 100 Meter der Wohnung der Geschädigten H… im Anwesen …, L., ohne vorherige Zustimmung aufzuhalten. Weiter wurde ihm untersagt, SMS, Whatsapp oder E-Mails an die Geschädigte zu senden. Die sofortige Wirksamkeit des Beschlusses wurde angeordnet. Der Beschluss wurde befristet bis zum 21.03.2017. Der Beschluss wurde dem Angeklagten am 23.09.2016 durch die Gerichtsvollzieherin zugestellt.
Obwohl der Angeklagte diesen Beschluss kannte und ihm bewusst war, dass ihm jegliche Kontaktaufnahme hierdurch untersagt war, rief er aufgrund jeweils neuen Tatentschlusses die Geschädigte H… an bzw. sendete ihr SMS und Whatsapp-Textnachrichten auf deren Handy. Im einzelnen handelt es sich hierbei zunächst um folgende Kontaktaufnahmen des Angeklagten von seinem Handy mit der Nummer … ausgehend:
1. Anruf am 06.10.2016
2. Whatsapp am 17.10.2016
3. Whatsapp am 21.10.2016
4. Anruf am 22.10.2016.
5. Whatsapp am 14.11.2016
6. Aufgrund neuen Tatentschlusses folgte der Angeklagte am Montag, den 24.10.2016 gegen 20 Uhr mit seinem grauen Pkw BMW, Kennzeichen R-…, der Geschädigten H… bis nach S-, als diese mit ihrem Pkw von ihrem Wohnanwesen Richtung G. fuhr. Erst als die Geschädigte in einen Feldweg bei S- fuhr, gelang es ihr, die Verfolgungsfahrt des Angeklagten abzuschütteln.
7. Am 09.01.2017 gegen ca. 20:30 Uhr wartete der Angeklagte am Parkplatz des Krankenhauses M., in dem die Geschädigte ihrer Arbeit nachgeht, bei deren Pkw und passte die Geschädigte H… ab, als sie zu ihrem dort geparkten Auto ging.
8. Am Samstag, 14.01.2017 zwischen 19 Uhr und 20:20 Uhr suchte der Angeklagte trotz Kenntnis des gerichtlichen Näherungsverbots das Anwesen der Geschädigten H… auf und stellte sich dort vor die Haustüre. Obwohl deren Ehemann Ma. H… ihn nachdrücklich aufforderte, sich zu entfernen, verblieb der Angeklagte dort und klingelte „Sturm“. Erst als das Ehepaar H… per Notruf die Polizei anrief, entfernte sich der Angeschuldigte.
9. Am 31.01.2017 gegen 19 Uhr traf sich die Geschädigte mit ihrer Arbeitskollegin W… in der Pizzeria „A…“ in M.. Der Angeklagte setzte sich erneut über das ihm bekannte Näherungsverbot hinweg, betrat die Gaststätte und hielt sich in der unmittelbaren Nähe der Geschädigten auf. Erst auf deren Aufforderung verließ er die Gaststätte, passte aber die Geschädigte ab, als diese gegen 21 Uhr zu ihrem Pkw ging und sich hinters Lenkrad setzte, öffnete deren Beifahrertür und kniete sich neben das Fahrzeug, um mit der Geschädigten zu reden. Erst als die dieses Verhalten beobachtende Zeugin W. sich mit ihrem Auto näherte und durch ihr geöffnetes Fenster den Angeklagten aufforderte, die Geschädigte H… in Ruhe zu lassen, sie werde sonst die Polizei rufen, ließ er von ihr ab und entfernte sich.
10. Am Aschermittwoch, den 01.03.2017, fuhr die Geschädigte gegen 20 Uhr mit ihrem Pkw nach St.. Der Angeklagte, der die Geschädigte an deren Wohnanwesen beobachtet hatte, folgte ihr mit seinem Pkw BMW bis nach St. und folgte ihr dort zu Fuß in das Cafe W…, welches die Geschädigte aufsuchte, um sich dort mit ihrem Bekannten, dem Zeugen W. L., zu treffen. Der Angeklagte setzte sich unter Verstoß gegen das ihm bekannte Näherungsverbot in circa 3m Entfernung an einen Tisch im Cafe, um die Geschädigte zu beobachten.
11. Am Wochenende nach Aschermittwoch vom Freitag, 03.03.2017 bis Sonntag, 05.03.2017, verbrachte die Geschädigte mit zwei Freundinnen ihren alljährlich zu diesem Zeitpunkt stattfindenden Wellnessurlaub im Hotel „Z…“ in 9… W., … Der Angeklagte wusste dies, da er selbst mit ihr während ihrer Beziehung dort zum vergleichbaren Wochenende nach Aschermittwoch einen Kurzurlaub verbracht hatte. Obwohl der Angeklagte wusste, dass er sich der Geschädigten nicht nähern durfte, buchte er im Hotel ein Zimmer, welches dem Zimmer der Geschädigten gegenüber lag, und näherte sich am 04.03.2017 gegen 19 Uhr der Geschädigten vor dem Speiseraum, obwohl er kurz zuvor von der Hotelleitung des Hotels verwiesen worden war.
12. In einem nicht näher eingrenzbaren Zeitraum bis zum 18.03.2017 richtete sich der Angeklagte in einem unbewohnten Stadel eines stillgelegten landwirtschaftlichen Anwesens direkt gegenüber dem Anwesen der Geschädigten ein Lager ein und hob mittels eines Pappkartonrohres die Dachziegel derart an, dass er die Geschädigte in und vor ihrem Wohnanwesen beobachten konnte, obwohl ihm eine derartige Annäherung gerichtlich untersagt war, wie er wusste.
Strafanträge wurden form- und fristgerecht gestellt. Im Übrigen bejaht die Staatsanwaltschaft das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung.“
Dem Urteil des Amtsgerichts Deggendorf vom 06.11.2019 (Az. 1 Ds 2 Js 4239/19), rechtskräftig seit 06.02.2020, mit dem der Angeklagte wegen Verstoßes gegen das Gewaltschutzgesetz in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt wurde, lag folgender Sachverhalt zugrunde:
„Das Amtsgericht Deggendorf – Abteilung für Familiensachen – erließ am 11.01.2019 unter dem Aktenzeichen … – wie der Angeklagte wusste – gegen den Angeklagten einen Beschluss nach dem Gewaltschutzgesetz zugunsten der Geschädigten M. E. mit folgendem Inhalt:
1. Der Antragsgegner hat es gemäß § 1 Gewaltschutzgesetz zu unterlassen:
1.1 Die Wohnung in H., …, ohne vorherige Zustimmung der Antragsstellerin nochmals zu betreten
1.2 sich in einem Umkreis von 500 Meter der Wohnung der Antragstellerin in H., …, ohne vorherige Zustimmung aufzuhalten (…)
1.5 ein Zusammentreffen mit der Antragstellerin herbeizuführen. Sollte es zu einem zufälligen Zusammentreffen kommen, hat sich der Antragsgegner unverzüglich zu entfernen.
1.6 Die Dauer der Anordnungen wird befristet bis 11.07.2019.
1.7 Der Antragsgegner wird darauf hingewiesen, dass ein Verstoß gegen die Schutzanordnungen nach § 1 Gewaltschutzgesetz gemäß § 4 Gewaltschutzgesetz mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe geahndet werden kann. Die Strafbarkeit nach anderen Vorschriften bleibt unberührt.
2. Die sofortige Wirksamkeit wird angeordnet.“
1. In Kenntnis des Beschlusses und obwohl ihm bewusst war, dass ihm hierdurch untersagt war, ein Zusammentreffen mit der Antragstellerin herbeizuführen, hielt er sich am 26.04.2019 gegen 17:30 Uhr mit seinem Personenkraftwagen, amtliches Kennzeichen: R-…, in einer Entfernung von 50 Metern vom Friedhof H., H.straße 1, 9… H., in der Zufahrt des Anwesens Am P.hof 3, auf. Er stand mit der Front zur Straße und konnte so den Parkplatz der Kirche beobachten. Zur gleichen Zeit hielt sich die Geschädigte, Frau E…, auf dem Friedhof auf. Als Frau E… anschießend mit ihrem Fahrzeug wegfuhr, folgte der Angeklagte dieser in gleiche Fahrtrichtung.
2. In Kenntnis des Beschlusses und obwohl ihm bewusst war, dass ihm hierdurch untersagt war, sich in einem Umkreis von 500 m der Wohnung der Antragstellerin in H., …, ohne vorherige Zustimmung aufzuhalten, fuhr der Angeklagte am 27.04.2019 gegen 17:15 Uhr mit seinem Personenkraftwagen BMW, silber, amtliches Kennzeichen: R-…, die … aus Richtung Hengersberg kommend entlang. Als er bemerkte, dass er von dem Zeugen P…, dem unmittelbaren Nachbarn der Geschädigten E…, erkannt wurde, gab er Gas und entfernte sich.
Strafantrag wurde form- und fristgerecht gestellt.“
III. Haftdaten
Der Angeklagte befand sich nach vorläufiger Festnahme am 05.12.2019 zunächst seit 06.12.2019 für das hiesige Verfahren in Untersuchungshaft aufgrund Haftbefehls des Amtsgerichts Regensburg vom 06.12.2019 (Az. III Gs 3715/19) in der Justizvollzugsanstalt R., wobei er vom 09.12.2019 bis 07.02.2020 in die psychiatrische Abteilung der Justizvollzugsanstalt St. überstellt war.
Mit Strafzeitbeginn 20.03.2020 wurde die Untersuchungshaft unterbrochen zur Vollstreckung der mit Urteil des Amtsgerichts Deggendorf vom 06.11.2019 verhängten Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Monaten bis zum Zwei-Drittel-Zeitpunkt am 08.08.2020. Seit 09.08.2020 wird, zuletzt wieder in der Justizvollzugsanstalt R., nach Bewährungswiderruf die siebenmonatige Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Straubing vollstreckt, wobei als Zwei-Drittel-Zeitpunkt der 17.01.2021 und als Strafende der 08.04.2021 vorgemerkt sind mit anschließendem Weitervollzug des Restdrittels der Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Monaten mit einem vorgemerkten Strafende am 19.06.2021. Im Anschluss ist der Weitervollzug der Untersuchungshaft in dieser Sache vorgemerkt.
IV. Verlauf der früheren Beziehungen
1. M. H…
Im Jahr 2014 oder 2015 lernte der Angeklagte die verheiratete Zeugin M. H. in einer Diskothek in St. kennen. Es entwickelte sich eine etwa zwei Jahre dauernde Beziehung, wobei die Zeugin dem Angeklagten von Beginn an gesagt hatte, dass sie verheiratet sei, einen Sohn habe und lediglich an einer Affäre interessiert sei. Die Beziehung verlief zunächst sehr harmonisch. Der Angeklagte war gegenüber M. H… charmant, überhäufte sie mit Geschenken und widmete ihr viel Zeit für gemeinsame Unternehmungen. Nach wenigen Monaten trat eine erhebliche Eifersucht und ein Kontrollverhalten auf Seiten des Angeklagten zu Tage, das innerhalb der Beziehung zu Konflikten führte. Der Angeklagte beobachtete die Zeugin H… heimlich, kontrollierte sie, suchte sie ohne Absprache mit ihr zuhause auf und konfrontierte ihren Ehemann in Gegenwart ihres Sohnes damit, dass er mit der Zeugin ein Verhältnis habe. M. H… nahm das zunächst hin, weil sie zu der Zeit glaubte, dass der Angeklagte ihr „Traummann“ ist und sie damals durchaus erwog, ihre Familie für ihn gegebenenfalls zu verlassen. Aufgrund des zunehmend eifersüchtigen, verfolgenden und kontrollierenden Verhaltens des Angeklagten suchte M. H… mit ihm seine Hausärztin auf, die das Problem bereits kannte und ihm eine Therapie empfahl.
Letztlich kam es zu einem Vorfall, bei dem der Ehemann der Zeugin H… in der Garage der Eheleute einen Mann bemerkte, der weglief, und bei dem es sich nach den Gesamtumständen mit hoher Wahrscheinlichkeit um den Angeklagten gehandelt hatte. Nachdem M. H… daraufhin zu dem Angeklagten Kontakt aufnahm und er sie hinsichtlich seines Aufenthaltsortes zu täuschen versucht hatte, erließ das Amtsgericht Straubing auf Antrag der Zeugin H… unter dem Aktenzeichen … einen Beschluss nach dem Gewaltschutzgesetz. Nach der Erwirkung des Kontaktverbots steigerten sich die Kontrollhandlungen des Angeklagten in quantitativer und qualitativer Hinsicht. Der Angeklagte kontaktierte die Arbeitsstelle der Zeugin H…, verfolgte sie mit dem PKW, tauchte an der Schule ihres Sohnes auf, setzte sich, wenn sie mit einer Freundin ein Lokal besuchte, einfach neben sie, ließ sich als Patient in das Krankenhaus einweisen, in dem die Zeugin tätig war, quartierte sich im März 2017 in einem Hotel ein, in dem die Zeugin mit Freundinnen ein Wochenende verbrachte, berichtete den Menschen im Dorf der Zeugin über intime Details ihres Sexuallebens und richtete sich gegenüber dem Anwesen der Zeugin in einer Scheune ein, von wo aus er sie beobachtete, bis er dort entdeckt und der Polizei übergeben wurde. Das verfolgende und belästigende Verhalten des Angeklagten endete im April oder Mai 2017.
M. H… lebte nach dem Ende der Beziehung wegen der fortdauernden der Nachstellungen in ständiger Angst, die noch dadurch verstärkt wurde, dass nach ihrer Kenntnis zu dieser Zeit in der Nähe ihres Wohnorts eine Frau von einem Stalker getötet worden war. Sie hatte sowohl Angst um ihr eigenes Leben als auch um das ihres Mannes und ihres Sohnes. M. H… traute sich nicht mehr aus dem Haus. Bei ihrer Tätigkeit als Krankenschwester in einem Krankenhaus musste sie vom Nachtdienst befreit werden. Sie fühlte sich ständig beobachtet und befand sich aufgrund dessen fast ein Jahr in psychologischer Betreuung.
Mit Urteil des Amtsgerichts Straubing vom 02.04.2019 wurde der Angeklagte wegen Nachstellung zum Nachteil der M. H… in Tateinheit mit Zuwiderhandlung gegen gerichtliche Maßnahmen zum Schutz vor Gewalt in Tatmehrheit mit Nachstellung in 12 Fällen zu einer Bewährungsstrafe von acht Monaten verurteilt.
2. M. E…
In der Zeit von Mai 2017 bis Dezember 2018 war der Angeklagte mit der Zeugin M. E. liiert. Im letzten halben Jahr der Beziehung hatte sich der Angeklagte zumeist im Haus der Zeugin aufgehalten. Die Zeugin E…, eine damals unverheiratete und alleine lebende Mitarbeiterin einer Bank, hatte den Angeklagten über seine Schwester beim Weggehen kennengelernt und sich in ihn verliebt. Beide wohnten nicht zusammen. Auch M. E… hatte zunächst gedacht, mit dem Angeklagten ihren „Traummann“ gefunden zu haben. Er war aufmerksam und freundlich und in ihrem Bekannten- und Verwandtenkreis beliebt. Nach und nach wurde aber seine immer stärker zu Tage tretende Eifersucht zum Problem.
Zu einem ersten Streit kam es deswegen bei einem Besuch des Gäubodenfestes im Jahr 2017. Anlass war der Umstand, dass M. E… mit einem Bekannten tanzte. Später, im November 2017, passte der Angeklagte die Zeugin E… ab, als sie beim Einkaufen war, setzte sich in ihr Fahrzeug und verlangte ihr Mobiltelefon, um zu kontrollieren, mit wem sie Kontakt hatte. Die Zeugin E… musste Rechenschaft darüber ablegen, mit wem sie zum Mittagessen ging oder wie lange sie arbeitete. Als sie im Dezember 2017 mit Freundinnen anlässlich eines Geburtstages eine Nacht in einem Münchner Hotel verbrachte, warf der Angeklagte ihr am Telefon vor, sich mit einem anderen Mann zu treffen. Auf der Rückfahrt von München passte er sie ab, woraufhin sie die Beziehung zum ersten Mal beendete. Nachdem sich der Angeklagte bei ihr entschuldigt hatte, versöhnten sie sich. Doch schon bald bemerkte M. E…, dass der Angeklagte sie mit dem PKW verfolgte und sie ständig kontrollierte. Neben Eifersuchtsszenen wurde vor allem zum Problem, dass der Angeklagte der Zeugin E… bei der Bank, bei welcher sie beschäftigt war, in so massiver Weise hinterher spionierte, dass die Kollegen der Zeugin E… dies bemerkten und sie damit konfrontierten. Der Angeklagte akzeptierte in keiner Weise, dass M. E… nicht ihre komplette Freizeit mit ihm verbringen wollte.
Auf seine Bitte hin vermittelte M. E… dem Angeklagten im November 2018 eine Psychotherapie im Klinikum A… in D.. Der Angeklagte verweigerte aber eine stationäre Therapie. Von der von ihm begonnenen ambulanten Therapie wurde er nach zwei Wochen ausgeschlossen. Sogar während der Therapie hatte er die Zeugin E… wiederum verfolgt und kontrollierende Anrufe bei ihrer Arbeitsstelle getätigt, wegen denen die Zeugin von der Leitung der Bank zur Rede gestellt wurde. Daraufhin beendete M. E… die Beziehung endgültig per WhatsApp und forderte den Angeklagten auf, seine Sachen zu holen, was er tatsächlich tat. Am nächsten Tag stand der Angeklagte wieder vor der Tür der Zeugin E…, die die Schlösser hatte austauschen lassen, und begehrte Einlass. M. E… verweigerte ihm den Zutritt und informierte stattdessen die Schwester und den Sohn des Angeklagten. Daraufhin steigerte der Angeklagte sein verfolgendes Verhalten. Nahezu täglich hielt sich der Angeklagte auf oder in der Nähe des Grundstücks von M. E… auf. Der Angeklagte verfolgte seine ehemalige Freundin bei jeder sich bietenden Gelegenheit. Im Oktober 2018 versuchte er über den Balkon M. E…s in deren Haus einzusteigen und versteckte sich auf dem Grundstück der Zeugin.
An Weihnachten 2018 rief der Angeklagte die Zeugin E… zunächst an. Als M. E… ihre Tante in einem Heim besuchen wollte, stand der Angeklagte plötzlich neben ihr und begleitete sie entgegen ihrem Willen in die Kirche.
Am 11.01.2019 erließ das Amtsgericht Deggendorf unter dem Aktenzeichen … auf Antrag der Zeugin E… gegen den Angeklagten einen Beschluss nach dem Gewaltschutzgesetz. Trotz des Kontaktverbotes versuchte der Angeklagte immer wieder mit M. E… Kontakt aufzunehmen und steigerte sogar seine Kontaktversuche. Er fuhr der Zeugin E… permanent mit dem Auto hinterher.
Im Zeitraum von 03.01.2019 bis 31.01.2019 befand sich der Angeklagte zur Durchführung einer stationären Therapie im Klinikum Do.. Trotz der laufenden Therapie setzte er sein verfolgendes und belästigendes Verhalten in Bezug auf M. E… unbeeindruckt fort. Aufgrund dessen drohte eine disziplinarische Entlassung aus der Klinik. Der Angeklagte entließ sich daraufhin selbst und brach die Therapie ab.
M. E… informierte alle Nachbarn über den Angeklagten, ließ eine Videoüberwachung installieren und stellte mehrfach Strafanzeigen. Das verfolgende und belästigende Verhalten des Angeklagten endete erst Ende April 2019.
Mit Urteil des Amtsgerichts Deggendorf vom 06.11.2019 wurde der Angeklagte wegen Verstoßes gegen das Gewaltschutzgesetz in zwei Fällen zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt. Dieser Tat lagen Handlungen des Angeklagten zum Nachteil von M. E… am 26. April und 27. April 2019 zugrunde.
M. E… litt massiv unter dem Verhalten des Angeklagten. Die früher furchtlose Frau traute sich – wenn sie nicht zur Arbeit musste – nicht mehr aus dem Haus. Die Zeugin E… tauschte alle elektronischen Geräte aus, weil sie fürchtete, der Angeklagte würde sie ausspionieren. Beim Lüften ihres Hauses stand sie mit einem Besenstil hinter den Fenstern aus Angst, er könne in das Haus eindringen. M. E… ängstigt sich heute noch im Dunkeln und traut sich nicht, nachts ihr im ersten Stock gelegenes Schlafzimmerfenster offen zu lassen, obwohl sie weiß, dass sich der Angeklagte derzeit in Haft befindet.
V. Beziehung zwischen dem Angeklagten und dem Tatopfer
Im Juli oder August 2019 lernte der Angeklagte über eine Internetplattform N. L… kennen. Sie war zunächst mit dem Angeklagten sehr glücklich. Schon im September 2019 zeigte sich jedoch wieder das bereits in den früheren Beziehungen zu Tage getretene Kontrollverhalten und die Eifersucht des Angeklagten, was wiederum zu Beziehungskonflikten führte. N. L… litt unter dem eifersüchtigen Verhalten des Angeklagten und wünschte sich mehr Freiraum. Der Angeklagte ignorierte diesen Wunsch seiner Freundin konsequent. Er begleitete oder verfolgte auch sie bei nahezu jeder Gelegenheit, etwa wenn sie in ein Solarium ging, und überprüfte die Inhalte ihres Mobiltelefons. Als N. L… an einem freien Tag mit ihrer Tochter, der Zeugin D. G., nach Tschechien fahren wollte und beide zuvor auf dem Balkon der Wohnung der Tochter saßen, fuhr der Angeklagte mit seinem PKW zu der in einer Sackgasse gelegenen Wohnung, um die Angaben seiner Partnerin auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen.
Bereits im Oktober 2019 befasste sich N. L… gedanklich mit einer Trennung und erklärte dem Angeklagten gegen Ende November, dass sie eine Beziehungspause wolle. Der Auslöser hierfür ließ sich nicht sicher feststellen. Am 21.11.2019 kam es jedoch zwischen dem Angeklagten und N. L… zu einem Streit. Nachdem am Tag zuvor beide eine russische Sauna besucht und der Angeklagte bei dieser Gelegenheit von N. L… mit deren Mobiltelefon Fotos gefertigt hatte, beschwerte sich der Angeklagte am nächsten Tag um die Mittagszeit per WhatsApp bei der Getöteten darüber, dass er noch kein einziges „Aktfoto“ erhalten habe und sie nicht an das Telefon gehe. Obwohl N. L… am Nachmittag antwortete, dass sie geschlafen habe, vermutete der Angeklagte in einer weiteren Textnachricht, dass die Bilder für einen anderen Mann gedacht gewesen seien, worauf N. L… ihren Ärger und ihre Enttäuschung über sein Verhalten zum Ausdruck brachte. Mit einer Nachricht vom 22.11.2019, 09:33 Uhr, entschuldigte der Angeklagte sich, akzeptierte scheinbar das Ende der Beziehung zu ihr und wünschte ihr für die Zukunft, den richtigen Partner zu finden. Eine Antwort bekam er – jedenfalls per WhatsApp – nicht. Bereits am nächsten Tag, also am 23.11.2019, um 07:19 Uhr wünschte er ihr per WhatsApp einen guten Morgen. Um 10:42 Uhr antwortete N. L…: „Eine schöne Tag wünsche ich Dir LG N.“. Seine nächste Nachricht um 14:32 Uhr („Wann und wo willst Du dich dann treffen“) blieb auf WhatsApp unbeantwortet.
VI. Tat vom 23.11.2019
N. L… arbeitete am 23.11.2019 in der H…-Filiale in der Innenstadt von R. und kam zwischen 17:00 Uhr und 19:00 Uhr nach Hause in die … in R.. Der Angeklagte wartete bereits vor der Wohnungstüre, nachdem er sich auf unbekannte Art und Weise Zutritt zu dem Mehrparteienhaus verschafft hatte. Er hielt N. L… von hinten den Mund zu, stellte einen Fuß in die von ihr einen Spalt breit geöffnete Wohnungstür und drängte sie gewaltsam und gegen ihren Willen in ihre Wohnung. In der Wohnung erklärte der Angeklagte mit ihr reden zu müssen. Als sie ihn darauf hinwies, dass Schluss sei, entgegnete er, dass er nichts zu verlieren habe und Sex mit ihr wolle. Dann riss er ihr den Gürtel vom Kleid oder der Hose und warf sie auf die Couch. Dem Angeklagten war, schon als er N. L… mit Gewalt in die Wohnung und damit weg von dem allgemein zugänglichen Hausflur drängte, bewusst, dass er sie damit in Angst und Schrecken versetzte, weil für sie nicht vorhersehbar war, wie weit der Angeklagte mit der gewaltsamen Durchsetzung seines Willens gehen würde. Die dadurch geschaffene Nötigungslage bestand für ihn erkennbar noch fort, als er unter Hinweis darauf, dass er nichts mehr zu verlieren habe, den Geschlechtsverkehr verlangte. In dieser Situation, in der der Angeklagte seine Gewaltbereitschaft zusätzlich durch das Wegreißen ihres Gürtels bekräftigte, schien für N. L… eine Vergewaltigung unmittelbar bevorzustehen. Dessen war sich der Angeklagte bewusst.
N. L… gelang es um 19:42 Uhr mit ihrem Mobiltelefon eine Verbindung zu ihrer Freundin, der Zeugin B. D., herzustellen. Es gelang ihr zwar nicht, mit ihrer Freundin ein Gespräch zu führen, weil sie der Angeklagte daran hinderte. Für die Zeugin D… vernehmbar, schrie sie aber über etwa drei Minuten hinweg mehrmals laut „B.“, „Gib mir mein Handy“, „Lass mich los“ und „Lass mich raus“. Um 20:57 Uhr zwang der Angeklagte N. L. auf nicht näher feststellbare Weise, an die Zeugin D… eine Sprachnachricht zu schicken mit dem Inhalt „B., alles passt. Mach dir keine Sorgen, es ist alles gut.“ Trotz dieser Botschaft sorgte sich die Zeugin D… um das Wohl ihrer Freundin. Sie und ihr Ehemann suchten deren Wohnung auf und trafen dabei auf den Angeklagten, der sich dann auf Aufforderung der Zeugin entfernte, nachdem er geäußert hatte, dass er lediglich Sex wolle, was ihm auch zustehe. N. L… verbrachte die Nacht bei der Zeugin D…
VII. Tat vom 03./04.12.2019
1. Weitere Entwicklung nach dem 23.11.2019
Am 24.11.2019 um 10:07 Uhr schickte der Angeklagte N. L. per WhatsApp einen Link zu einem Video mit dem Titel „Bitte verzeih mir“. In Textnachrichten vom gleichen Tag schrieb er ihr, dass es ihm leid tue und er wisse, dass er keine Chance mehr verdient habe. Er erhielt darauf keine Antwort.
Am 25.11.2019 schickte N. L… der Zeugin D. Bilder ihres PKWs und äußerte die Vermutung, dass der darauf ersichtliche Schaden von dem Angeklagten verursacht worden sei.
Am 29.11.2019 ging N. L… um 17:30 Uhr mit der Zeugin D… ins Solarium. Bei der Anmeldung dort, wenige Wochen zuvor, hatte der Angeklagte darauf bestanden, dass die Rechnung an ihn gehen sollte. An diesem Tag veranlasste N. L…, dass dies rückgängig gemacht wird.
Um 23:43 Uhr desselben Tages versandte der Angeklagte an N. L… eine WhatsApp-Nachricht: „Danke, dass Du die Blockierung aufgehoben hast“. Sie antwortete, ob sie ihm dafür danken soll, dass er ihr Leben und ihr Auto zerstört habe. Das sei alles, was sie ihm zu sagen hätte.
Seine ebenfalls noch am 29.11.2019 um 23:48 Uhr per Textnachricht formulierten Bitten um ein Telefonat ließ N. L… unbeantwortet.
Zwischen dem 23.11.2019 und dem 29.11.2019 fanden über die sonst zur Kommunikation zwischen ihnen benutzten Mobiltelefone keine Telefonate zwischen dem Angeklagten und N. L… statt. Am 29.11.2019 selbst kam es am Abend zu beidseitigen Anrufversuchen, ohne dass es aber zu einem Gespräch kam. Dasselbe gilt für die Tage bis zum 03.12.2019. Auch zu einem weiteren Austausch von Nachrichten per WhatsApp kam es nach dem 29.11.2019 und bis zum Tod von N. L… nicht mehr.
Am 30.11.2019 arbeitete N. L… in der Innenstadt-Filiale der Fa. H… Gegen Mittag fragte der Angeklagte dort nach ihr, wobei sie sich verleugnen ließ. Als er später noch einmal kam und mit ihr Essen gehen wollte, lehnte sie ab. N. L… hatte zu diesem Zeitpunkt Angst vor dem Angeklagten. Sie entschied sich aber gleichwohl dazu, nicht zur Polizei zu gehen, da sie nicht dachte, dass der Angeklagte ihr etwas antuen könnte. Als N. L… gegen Abend das Geschäft verließ, sprang der Angeklagte hinter einer Säule hervor und rief mehrfach „N.!“.
Am 01.12.2019 und am 02.12.2019 war der Angeklagte gemeinsam mit dem Zeugen P. T. auf einer Baustelle in der S. Straße im Norden R.s tätig. Gegen 09:00 Uhr am 02.12.2019 hatte der Angeklagte die Baustelle ohne Begründung für etwa eineinhalb Stunden verlassen.
N. L… arbeitete am 02.12.2012 in der H…-Filiale in den Arcaden.
2. Geschehen am 03.12.2019 tagsüber
a. Am 03.12.2019 waren der Angeklagte und der Zeuge T… bis etwa 15:00 Uhr auf der vorgenannten Baustelle tätig.
Wie schon am Vortag verließ der Angeklagte zwischen 09:00 Uhr und 11:00 Uhr ohne sich abzumelden die Baustelle und begab sich in die Nähe der Wohnung von N. L… Auch N. L… hielt sich zwischen 09:04 Uhr und 10:31 Uhr in ihrer Wohnung auf. Ob es dabei zu einem persönlichen Kontakt zwischen ihr und dem Angeklagten kam, ließ sich nicht sicher feststellen. Jedenfalls versuchte der Angeklagte über den Vormittag hinweg bis in die Mittagsstunden, über sein Mobiltelefon Kontakt zu der später Getöteten aufzunehmen.
Die Mittagspause verbrachte der Angeklagte in den Geschäftsräumen der Fa. B… Nachdem der Angeklagte und der Zeuge T… gegen 15:00 Uhr von der Baustelle zur Fa. B… zurückgekehrt waren, verließ der Angeklagte etwa gegen 16:30 Uhr mit dem Firmenwagen den Betrieb.
b. N. L… arbeitete am 03.12.2019 in der H…-Filiale in den „R. Arcaden“. Dort bekam sie gegen 16:00 Uhr Besuch von ihrer Tochter D., für die sie ein Kleid weggelegt hatte. Gegen 19:00 Uhr verließ N. L… das Geschäft. Ebenfalls gegen 19:00 Uhr begab sich der Angeklagte erneut zur Wohnung des späteren Tatopfers. Gegen 20:34 Uhr kam N. L… nach Hause. Um 21:35 Uhr führte sie ein etwa halbstündiges Telefonat mit ihrer Tochter. Um 22:07 Uhr antwortete sie auf eine WhatsApp-Nachricht der Zeugin A. S. und um 22:10 Uhr schickte sie ihrer Tochter eine Bilddatei. Zwischen etwa 22:30 Uhr und kurz nach 23.00 Uhr surfte N. L… im Internet. Sie besuchte unter anderem die Dating-Plattform lovescout24 und rief die Dating-App lovoo auf. Zuletzt um 23:33 Uhr versandte sie „gif“-Dateien an verschiedene, offenbar russisch-sprechende Bekannte.
3. Vortatgeschehen am Abend des 03.12.2019
In der Zeit nach 23:00 Uhr und vor 23:54 Uhr erhielt oder verschaffte sich der Angeklagte Zutritt zur Wohnung von N. L… in der … in R..
Die Wohnung der Getöteten liegt in einer Wohnanlage mit insgesamt acht Wohneinheiten im Süden des Stadtgebiets von R.. Es handelt sich um ein gemietetes 1,5 Zimmer Appartement im ersten Stockwerk. Nach Betreten der Wohnung durch die Wohnungseingangstüre befindet sich ein kleiner Flur. Linkerhand vom Flur gelangt man in das Badezimmer. Geradeaus vom Flur ist das Wohnzimmer gelegen, das mit einer Kommode, einem Schrank, einer Couch, einem kleinen Schreibtisch, einem Bürostuhl, einem Kleiderschrank mit einer kleinen Kommode, sowie einer Küchenzeile ausgestattet war. In der Mitte der Räumlichkeit befindet befand sich ein schrägstehender Couchtisch. Nach der Küchenzeile befindet sich der Zugang vom Wohnzimmer in das Schlafzimmer, in dem sich das eigentliche Tatgeschehen abspielte. Das Schlafzimmer ist war ausgestattet mit einem Doppelbett sowie einer offenen Kleidergarderobe ausgestattet.
Der Angeklagte und N. L… konsumierten nicht ausschließbar zunächst im Wohnzimmer gemeinsam Weißwein und Whisky, wobei sich nicht sicher feststellen ließ, wer welches Getränk und in welcher Menge getrunken hat.
Danach hatten der Angeklagte und N. L… im Schlafzimmer der Wohnung – nicht ausschließbar einvernehmlichen – vaginalen Geschlechtsverkehr.
Des Weiteren kam es aber zwischen dem Angeklagten und der später Getöteten im Laufe des Abends jedenfalls zu einer Meinungsverschiedenheit, bei der der Trennungswunsch der Getöteten ein wesentliches Thema war.
4. Tatgeschehen
a. Der Angeklagte tötete zu einem nicht näher eingrenzbaren Zeitpunkt zwischen dem 03.12.2019 gegen Mitternacht und 04:09 Uhr des Folgetages ohne rechtfertigenden Grund N. L… auf eine nicht sicher feststellbare Weise durch flächige Kompression der Halsweichteile – mit hoher Wahrscheinlichkeit dadurch, dass er sie von hinten im Halsbereich mit dem Unterarm würgte – und die Kompression solange aufrecht erhielt, bis sie durch zentrale Lähmung verstarb. Der Angeklagte wusste, dass N. L… nicht gewürgt werden wollte. Er wusste und wollte, dass sie infolge des fortgesetzten Würgens, möglicherweise in Verbindung mit Ersticken zu Tode kommt, oder nahm dies zumindest billigend in Kauf.
b. Die Tötungshandlung war zumindest mitmotiviert durch den Umstand, dass N. L… nicht bereit war, die Beziehung zu dem Angeklagten fortzusetzen. Der Angeklagte, dessen Persönlichkeit durch Egozentrizität und mangelnde Empathiefähigkeit geprägt ist, war – auch weil es ihm nicht gelingt, sein eigenes, seine Partnerinnen belastendes Verhalten zu reflektieren – nicht in der Lage den Trennungswunsch der Getöteten anzuerkennen. Er wollte sich nicht damit abfinden, erneut von einer für ihn emotional bedeutsamen Person verlassen zu werden.
5. Nachtatgeschehen
a. Nach der Tat verblieb der Angeklagte noch längere Zeit in der Wohnung in der … in R., wo er im Zeitraum von 04:09 Uhr bis 04:38 Uhr eine Kommunikation über WhatsApp zwischen der Getöteten und ihm selbst fingierte, indem er insgesamt neun WhatsApp-Textnachrichten auf seinem Mobiltelefon und demjenigen der Getöteten erstellte und versandte.
Zwei bis drei Stunden nach der Tat veränderte der Angeklagte die Position des ursprünglich in Bauchlage sich befindlichen Leichnams. Noch in der Wohnung fügte sich der Angeklagte mit einem Küchenmesser an der linken Unterarmbeugeseite oberflächliche Verletzungen zu.
b. Zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt verließ er, nach dem er sich – abgesehen von Socken und der Unterhose – bekleidet hatte, die Wohnung der Getöteten und begab sich direkt oder auf Umwegen zu einem parkähnlichen Gelände am G. Weg, Höhe E.str. 35, in R., wo er sich in suizidaler Absicht weitere, tiefergehende Schnittwunden, ebenfalls an der linken Unterarmbeugeseite, zufügte und wo ihn letztlich der Zeuge T. Z. im Gebüsch auffand und um 14:21 Uhr den Notruf verständigte. Der Angeklagte wurde in das Universitätsklinikum R. verbracht. Eine dem Angeklagten dort am 04.12.2019 wohl gegen 14:50 Uhr entnommene Blutprobe enthielt eine Blutalkoholkonzentration von 0,5 Promille im Mittelwert.
Der Angeklagte hatte sich folgende Verletzungen beigebracht:
Mindestens zwölf, überwiegend quergestellte, glattrandige Weichteildurchtrennungen an der linken Unterarmbeugeseite, mit Durchtrennung von Gefäß- und Nervenstrukturen und Muskulatur sowie strichförmige, kratzerartige, parallel an der linken Flanke nach hinten absteigende Oberhautdefekte.
VIII. Psychiatrische Diagnose und Schuldfähigkeit
Beim Angeklagten besteht keine psychiatrische Diagnose, die eines der Eingangsmerkmale des § 20 StGB erfüllen würde. Der Angeklagte stand zum Zeitpunkt der Tat am 03./04.12.2019 unter dem Einfluss von Alkohol, nicht ausschließbar im Sinne eines mittelgradigen Rausches. Der Angeklagte war bei Tatbegehung in der Lage, das Unrecht seiner Tat einzusehen. Zu seinen Gunsten ist jedoch nicht auszuschließen, dass er aufgrund seiner Alkoholisierung im Zusammenwirken mit einer affektiven Erregung tatzeitbezogen in seiner Steuerungsfähigkeit erheblich vermindert im Sinne des § 21 StGB war.
B. Beweiswürdigung
I. Angaben des Angeklagten zur Sache
1. Angaben in der Hauptverhandlung
Der Angeklagte machte zu Beginn der Hauptverhandlung von seinem Schweigerecht Gebrauch und ließ über seinen Verteidiger erklären, dass er derzeit keine Angaben machen werde. Dabei ist der Angeklagte bis zum Schluss der Hauptverhandlung geblieben.
2. Angaben gegenüber D. E… im Universitätsklinikum R.
Nach den glaubhaften Bekundungen des Zeugen D. E., des Sohnes des Angeklagten, gab der Angeklagte im Universitätsklinikum R. am Nachmittag des 04.12.2019 ihm gegenüber, dass sie eine Beziehungspause gehabt hätten, diese ihn jedoch am Vortag gegen Mitternacht angerufen habe, dass er zu ihr in die Wohnung kommen solle. Er sei dann zu ihr gefahren, habe mit ihr viel Whisky getrunken und sodann Geschlechtsverkehr gehabt. Es habe einen Streit gegeben. Weitere Erinnerungen habe er nicht.
Die Bekundungen des Zeugen D. E. stehen in Einklang mit den glaubhaften Angaben des Zeugen POM H… im Rahmen seiner uneidlichen Einvernahme in der Hauptverhandlung, dem der Zeuge D. E. noch am 04.12.2019 im Uniklinikum R. den Inhalt des Gesprächs mit seinem Vater mitteilte.
3. Angaben gegenüber dem Sachverständigen Dr. G. 
Gegenüber dem Sachverständigen Dr. G. G. äußerte sich der Angeklagte anlässlich des von ihm am 21.04.2020 in der JVA R. durchgeführten Explorationsgespräches auch zum Tatgeschehen hinsichtlich der Tat vom 03./04.12.2019. Diese Angaben berichtete der Sachverständige im Rahmen seiner Gutachtenserstattung in der Hauptverhandlung glaubhaft.
a. Danach habe er am 03.12.2019 gearbeitet. Er wisse, dass er sich an dem Tag mit N. verabredet habe. Er wisse aber nicht mehr, ob er in der Nacht davor bei ihr in der Wohnung übernachtet habe. Er gehe aber davon aus, dass es ein Werktag gewesen sei. Er habe zu dieser Zeit auch zweimal in der Arbeit geschlafen, weil er am Abend zuvor zu viel getrunken habe. Am Samstag habe er sie in der Arbeit besucht, da sei der Vorfall mit dem Auto gewesen. Man habe sich dann für den Sonntag verabredet. Am Sonntag, den 01. Dezember, sei er bei ihr gewesen. Man habe miteinander Sex gehabt und Alkohol getrunken. Ob er bei ihr geblieben sei, wisse er nicht mehr. Er gehe aber davon aus, dass er bei ihr geblieben sei.
Am 02. Dezember sei er auf jeden Fall zur Arbeit gefahren, dies wisse er von seinem Anwalt, und habe sich wieder mit N. verabredet. Man habe sich für Dienstag verabredet. Er sei nach der Arbeit zu einer weiteren Arbeitsstelle gefahren. Dabei sei er in eine Sperrung im P. Tunnel gekommen. Er habe den Elektriker, zu dem er habe kommen wollen, informiert, dass er im Stau stehe. Dann sei er wohl zu sich nach Hause und anschließend zu N..
Ob er mit ihr am 3. Dezember Sex gehabt habe, wisse er nicht mehr.
Das nächste, woran er sich erinnere, sei, dass er Stimmen gehört habe vom Meister, von seinem Sohn und von E. B… vom Büro. Er wisse noch, wie man ihn in den Operationssaal geschoben habe. Er könne sich nicht erklären, dass die Verletzungen am Arm ihm jemand anderes als er selbst beigebracht habe. Er könne sich auch nicht erinnern, was er nach dem Aufwachen mit seinem Sohn besprochen habe.
Ein paar Tage später habe er erst erfahren, dass N. tot sei. Er wisse auch nicht, wer ihm das gesagt habe. Was er sich gedacht habe, als er davon erfahren habe, wisse er nicht mehr. Es habe vieles gleichzeitig auf ihn eingewirkt.
b. Zur Beziehung mit N. L… gab der Angeklagte gegenüber dem Sachverständigen an, dass es keinerlei Konflikte gegeben habe. Einmal sei eine Freundin gekommen, da sei es zum Streit gekommen, an den Hintergrund könne er sich aber nicht erinnern. Ihre Freundin habe ihn damals gebeten, zu gehen und er sei problemlos gefahren. Der Angeklagte ergänzte auf Nachfrage des Sachverständigen, dass es eineinhalb oder zwei Wochen vor dem Vorfall eine Auseinandersetzung gegeben habe. Er habe zuvor in N.s Auftrag bei dem Besuch einer russischen Sauna viele erotische Fotos von ihr machen sollen. Sie habe aber nicht gewollt, dass er die Aufnahmen mit seinem Handy mache. Er habe sie am nächsten Tag angeschrieben und gefragt, warum sie ihm keine Bilder schicke und ihr vorgeworfen, dass die Bilder nicht für ihn, sondern für jemand anderen gewesen seien. Sie habe ihm zurückgeschrieben, dass es nun mal so sei. Am Abend sei er zu ihr und habe mit ihr gestritten. Sie habe die Freundin angerufen, die ihn aufgefordert habe, zu gehen und N. in Ruhe zu lassen. Er sei mit ihrer Freundin nach unten gegangen, habe dort noch mit dem Freund der Freundin eine Zigarette geraucht und sei dann nach Hause gefahren.
An diesem Tag habe N. angefangen, ihn auf dem Handy zu blockieren. Dann habe sie ihm einmal geschrieben, weil sie gedacht habe, dass er ihr den Kotflügel kaputt gemacht habe. Das habe aber nicht gestimmt. Er habe sich dann die Delle am Fahrzeug angesehen. Es sei eine senkrecht von oben nach unten verlaufende Delle gewesen wie von einer angeschlagenen Autotür. Er habe sie darauf aufmerksam gemacht. Danach habe sie ihn auch nicht mehr beschuldigt.
Er habe gewartet, bis sie mit ihrer Arbeit fertig gewesen sei und sie gefragt, ob sie mit ihm zum Essen wolle. Das habe sie abgelehnt. Er habe sie noch beim Umtausch von diversen Weihnachtseinkäufen begleitet, aber auch anschließend habe sie mit ihm nicht essen wollen. Er habe sie dann gefragt, ob sie sich dann am Folgetag, einem Sonntag, treffen könnten. Auch das habe sie abgelehnt. Sie habe eine Weihnachtsfeier mit der Firma. Sie habe aber angeboten, dass er nach der Weihnachtsfeier vorbeikommen könne.
Am Sonntagabend sei er dann zu ihr gekommen, da habe man viel Alkohol getrunken. N. habe die Beziehung mit ihm nie beendet. Auch in der Woche vor dem Vorfall habe er überwiegend bei ihr übernachtet. Konflikte mit fremden Männern, Nachstellungen, all dies habe in der Zeit keine Rolle gespielt. Er habe N. nicht kontrolliert, er habe sie vielleicht zweimal aufgesucht. Bei ihr sei er sicher gewesen, dass sie nichts von ihrem Exfreund wolle. Die Beziehung sei harmonisch gewesen. Auch sexuell sei die Beziehung besonders gewesen. N. habe ihm von ihrer früheren Beziehung erzählt, in der sie Rollenspiele gemacht habe. Das sei für ihn schon etwas sehr besonders gewesen. Sie habe ihm erzählt, dass ihr Ex die Rollenspiele gewollt habe und dass dies der Grund gewesen sei, dass sie die Beziehung beendet habe – er wisse aber nicht, ob das stimme. Sie habe auch gerne harten Sex gemocht. Sie habe es gemocht, wenn er sie gewürgt habe, insbesondere Würgen habe sie sehr erregt. Sie habe auch eine Maske gehabt, die sie angezogen habe. Sie habe sich auch fesseln lassen. Sie habe auf der Arbeit öfters einen Schal getragen, damit man die Verletzungen im Halsbereich nicht sehe. Für ihn sei ihr Umgang mit Sexualität Neuland gewesen.
II. Funkzellendaten, Telekommunikation und WhatsApp-Verkehr
Zum Geschehensablauf am 03./04.12.2019 hat die Kammer, soweit dies im Rahmen der Beweiswürdigung von Bedeutung ist, anhand vorhandener Verbindungsdaten auch Feststellungen getroffen dazu, über welche Sendeantennen die Mobiltelefone des Angeklagten und der Getöteten zu bestimmten Zeitpunkten, in denen Telekommunikationsdaten anfielen, mit dem Mobilfunknetz in Funkkontakt standen, mithin in welcher Funkzelle, d.h. in welchem durch eine Sendeantenne versorgtem Gebiet, sich diese Mobiltelefone jeweils befanden.
Dabei sind die UMTS Funkzelle 1761051118 sowie die LTE Funkzellen 41053442 und 41053448 von Bedeutung, die allesamt die Tatörtlichkeit … in 9… R. versorgen. An oder in diesem Anwesen befindliche Mobiltelefone konnten sich somit über alle in den drei Funkzellen befindlichen Funkmasten in das Mobilfunknetz einbuchen. Keine der Funkzellen versorgt dagegen, wie sich aus den nachvollziehbaren Ausführungen des im Wege des Selbstleseverfahrens in die Hauptverhandlung eingeführten Gutachtens des Landeskriminalamtes vom 03.11.2020, erstellt von Dipl.-Ing. (FH) S. S. N…, ergibt, den Bereich, in dem sich die Wohnung des Angeklagten, …, 9… N., befindet.
Ferner haben diese Feststellungen ihre Grundlage in einer Auswertung der im Ermittlungsverfahren erholten Verbindungsdaten zu den Mobilfunknummern von N. L… und dem Angeklagten. Der uneidlich vernommene Zeuge TA F. N…, der mit der Auswertung von Telefon- bzw. Verbindungsdaten befasst war, führte nachvollziehbar aus, dass hinsichtlich des Tatortbereiches eine Funkzellenabfrage für den Abfragezeitraum 03.12.2019, 08.00 Uhr bis 04.12.2019, 15.00 Uhr durchgeführt worden sei. Er bekundete, dass im Ermittlungsverfahren vom Netzbetreiber unter anderen Verbindungsdaten betreffend die Mobilfunknummer des Tatopfers und diejenige des Angeklagten angefordert worden seien. Der Zeuge erläuterte in der Hauptverhandlung nachvollziehbar die jeweilige Liste hinsichtlich der angefallenen Telekommunikationsdaten und führte aus, dass dem einzelnen Datensatz neben Datum und Uhrzeit des Beginns einer Verbindung, gegebenenfalls deren Dauer, soweit es sich um eine Gesprächsverbindung handelt, den Nummern von Anrufenden und Angerufenen auch die Funkzelle, mithin der Standort des jeweiligen Teilnehmers entnommen werden könne. Die Identifizierung des konkreten Standortes erfolge dabei über die Funkzellennummer. Ferner führte der Zeuge TA N… im Rahmen seiner Vernehmung aus, wer konkret Inhaber welcher Mobilfunknummer ist bzw. war.
Der Zeuge erläuterte das „Schaubild Auswertung der Telekommunikationsspuren“, welches im Wege des Selbstleseverfahrens mit seinem textlichen Inhalt in die Hauptverhandlung eingeführt wurde.
Ferner wurden im Wege des Selbstleseverfahrens zum Gegenstand der Beweisaufnahme gemacht die Ausdrucke der Auswertungen des Mobiltelefons Samsung Galaxy A5 der Getöteten, sog. “Extraction Report Cellebrite Report betreffend Timeline für 03./04.12.2019“ und „Extraction Report Cellebrite Report, Timeline der Kommunikation Zw. Gesch. und „B.“, sowie des Mobiltelefons Apple iPhone 6 des Angeklagten, sog. “Extraction Report Apple iPhone betreffend Timeline für 3./4.12.2019“, „Extraction Report Apple iPhone WhatsApp-Chat zwischen Gesch. und Besch.“, „Extraction Report Apple iPhone, Timeline der Kommunikation zw. Gesch. und Besch.“.
Über die Auswertung der beiden Mobiltelefone berichtete nachvollziehbar der in der Hauptverhandlung uneidlich gehörte Zeuge TB M. E… Er erläuterte, dass er die Mobiltelefone der Getöteten und des Angeklagten gesichtet und alle auslesbaren Kommunikationsdaten (Anrufe, SMS-Nachrichten, WhatsApp-Nachrichten) als Auswertebericht auf DVD gespeichert habe.
Ergänzend berichtete der Zeuge TB E… im Rahmen seiner Einvernahme über die Auswertung der medialen Kommunikation zwischen dem Angeklagten und der Getöteten auch über Inhalte der WhatsApp-Nachrichten. Er ergänzte, dass bei den Kommunikationsdaten zu berücksichtigen sei, dass hinsichtlich der tatsächlichen lokalen Zeit eine Stunde (UTC+1) hinzuzurechnen sei, sodass die Zeitangaben der lokalen Zeit nicht entsprechen.
III. Persönliche Verhältnisse
1. Angeklagter D. E…
Die unter A.I.1. getroffenen Feststelllungen zur biographischen Entwicklung des Angeklagten beruhen auf den entsprechenden Angaben des Angeklagten gegenüber dem Sachverständigen Dr. G… anlässlich des von ihm durchgeführten Explorationsgesprächs. Die hierbei vom Angeklagten gemachten Angaben hat der Sachverständige im Rahmen seiner Gutachtenserstattung zusammenfassend dargestellt. Der Angeklagte bestätigte diese in der Hauptverhandlung durch eigene Erklärung als von dem Sachverständigen zutreffend wiedergegeben.
Über die Beschäftigung des Angeklagten bei der Fa. B… sowie dessen wirtschaftliche Verhältnisse haben zudem die uneidlich vernommene Zeugin K. B., die ehemalige Arbeitgeberin des Angeklagten, sowie der Zeuge D. E., der Sohn des Angeklagten, glaubhaft berichtet.
2. Person des Tatopfers
Die unter A.I.2. zur Person des Tatopfers getroffenen Feststellungen beruhen auf den glaubhaften Bekundungen der uneidlich vernommenen Zeugen D. G., der Tochter der Getöteten, H. G…, des geschiedenen Ehemanns der Getöteten, sowie R. P…, eines früheren Lebensgefährten der Getöteten.
IV. Vorahndungen
Die unter A. II. 1. und 2. getroffenen Feststellungen zum strafrechtlichen Vorleben des Angeklagten beruhen auf der verlesenen Auskunft aus dem Bundeszentralregister vom 08.09.2020 und den auszugsweise verlesenen Straferkenntnissen des Amtsgerichts Regensburg vom 07.06.1994, des Amtsgerichts Straubing vom 02.04.2019 und des Amtsgerichts Deggendorf vom 06.11.2019.
Ferner wurden in der Hauptverhandlung die Haftdaten, wie unter A. III. wiedergegeben, festgestellt.
V. Verlauf der früheren Beziehungen
Die unter A. IV.1. und 2. getroffenen Feststellungen zu den früheren Beziehungen des Angeklagten beruhen auf den glaubhaften Bekundungen der in der Hauptverhandlung hierzu uneidlich vernommenen Zeuginnen M. H. und M. E…, die beide insoweit den Feststellungen entsprechende Angaben machten. Die Zeuginnen waren ersichtlich bemüht, die Rolle des Angeklagten in ihrem Leben differenziert und trotz des ihnen durch den Angeklagten in der Folge widerfahrenen Leides auch seine positiven Seiten darzustellen. Beide Zeuginnen beschrieben ihn übereinstimmend als in der Anfangsphase der Beziehung charmanten und aufmerksamen Mann, als einen „Traummann“, und betonten mehrfach, dass die Beziehung zu ihm zunächst sehr glücklich gewesen sei. Es ergaben sich auch keine relevanten Widersprüche zwischen ihren Schilderungen in der Hauptverhandlung und ihren Angaben anlässlich der polizeilichen Zeugenvernehmung, die über gelegentliche Vorhalte zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemacht worden war. Die Zeuginnen zeigten auch keinen übertriebenen Belastungseifer. Gleichzeitig waren ihre Aussagen von adäquaten Emotionen getragen und die von ihnen in der Vergangenheit und auch noch heute verspürte Angst war in der Hauptverhandlung deutlich wahrnehmbar.
Hinsichtlich des nachstellenden Verhaltens des Angeklagten und der damit verbundenen Therapieversuche beruhen die Feststellungen zudem auch auf den entsprechenden Angaben des Angeklagten hierzu gegenüber dem Sachverständigen Dr. G…, die dieser in der Hauptverhandlung zusammenfassend wiedergegeben hat, und auf den von dem Sachverständigen beigezogenen und in der Hauptverhandlung referierten ärztlichen Unterlagen.
Soweit der Angeklagte gegenüber dem Sachverständigen unter anderem behauptet hatte, dass die Trennung von M. H… und auch die polizeilichen Anzeigen nur von deren Ehemann Ma… ausgegangen seien, folgt die Kammer dem nicht. Aufgrund der glaubhaften Bekundungen der Zeugin M. H. steht zur Überzeugung der Kammer vielmehr fest, dass sie dem Angeklagten mehrfach mit der Beendigung der Beziehung gedroht habe, falls er sein kontrollierendes Verhalten nicht abstelle.
VI. Beziehung zwischen dem Angeklagten und dem Tatopfer
Die unter A.V. getroffenen Feststellungen zum Beginn der Beziehung zwischen dem Angeklagten und N. L… und der Entwicklung der Beziehung beruhen auf den Angaben des Angeklagten, soweit diese mit dem Ergebnis der hierzu im Übrigen durchgeführten Beweisaufnahme in Einklang zu bringen sind, sowie insbesondere auf den Angaben der Zeuginnen D. G., B. D…, M. G…, A. S… und T. K…, die die Umstände des Kennenlernens und der weiteren Beziehungsentwicklung übereinstimmend schilderten.
1. Den zeitlichen Beginn der Beziehung entnahm die Kammer den Angaben der Zeugin D. G., die angab, dass ihre Mutter und der Angeklagte seit etwa sechs Monaten ein Paar gewesen seien und sich über das Portal Lovoo oder Badoo kennengelernt hätten. Diese Angaben wurden zudem bestätigt durch die Zeugin G…, eine Kollegin der Getöteten, die berichtete, dass sich beide im Hochsommer über das Internet kennengelernt hätten.
2. Sämtliche genannten Zeuginnen berichteten übereinstimmend, dass die Getötete mit dem Angeklagten zunächst sehr glücklich gewesen sei, die Beziehung jedoch ziemlich rasch unter dem eifersüchtigen und kontrollierenden Verhalten des Angeklagten gelitten habe.
Dass der Angeklagte, als N. L… an einem freien Tag mit ihrer Tochter nach Tschechien fahren wollte, zu der Wohnung der Tochter fuhr, um die Angaben seiner Partnerin auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen, konnte die Kammer neben der Einlassung des Angeklagten aufgrund der Bekundungen der Zeugin D. G. treffen, die hierzu bei ihrer Einvernahme in der Hauptverhandlung entsprechende Angaben gemacht hat.
Die Feststellung, dass sich die Getötete bereits im Oktober 2019 gedanklich mit einer Trennung befasste, beruht auf den glaubhaften Angaben der Zeuginnen S… sowie D… Dass es gegen Ende November 2019 zu einer durch die Getötete veranlassten Beziehungspause gekommen ist, entnahm die Kammer den Bekundungen der Zeuginnen D. G., B. D…, T. K… und M. G… ebenso wie dem bereits im Rahmen der Feststellungen wiedergegebenen Inhalt und Verlauf der über die jeweiligen Mobiltelefone des Angeklagten und des späteren Tatopfers stattgehabten Kommunikation.
3. Soweit der Angeklagte gegenüber dem Sachverständigen Dr. G… angab, dass die Beziehung harmonisch gewesen sei, es zu „nachstellendem“ Verhalten nicht gekommen sei und N. sich nie von ihm getrennt habe, erachtet die Kammer diese Äußerungen aufgrund der übereinstimmenden Aussagen der vorgenannten Zeuginnen für nicht glaubhaft. Insbesondere berichtete die Zeugin D. G. glaubhaft, dass sie nahezu jeden Tag bzw. Abend in der Woche vor der Tat mit ihrer Mutter telefoniert habe und sie ausschließen könne, dass der Angeklagte, wie er ebenfalls gegenüber dem Sachverständigen angegeben hat, mehrfach in diesem Zeitraum bei N. L… übernachtet habe. Sie schließe dies daraus, dass ihre Mutter ihr meist erzählt habe, wenn der Angeklagte bei ihr gewesen sei, da sie deshalb nicht länger habe telefonieren können. In dem genannten Zeitraum habe ihre Mutter jedoch zu keinem Zeitpunkt ein Treffen mit dem Angeklagten erwähnt und sie hätten die Abende über länger telefoniert, sodass sie ausschließen könne, dass der Angeklagte anwesend gewesen sei.
Zudem äußerte der Angeklagte selbst dem ihm seit vielen Jahren aufgrund beruflichen Kontakts bekannten Zeugen A. B. gegenüber, dass, wie der Zeuge glaubhaft bekundete, seine Freundin mit ihm Schluss gemacht habe, er, der Angeklagte, nicht wisse, warum sie nicht ans Telefon gehe und er nochmals zu ihr müsse, um seine Sachen zu holen. Bei dem Zeugen handelt es sich um einen Mitarbeiter der Firma „R…“, zu deren in der D. Straße in R. gelegenen Abholservicelager der Angeklagte zusammen mit seinem Arbeitskollegen, dem Zeugen T…, im Laufe des 03.12.2019 gefahren war, um Material für die Baustelle zu holen. Ob der Angeklagte bei dieser Gelegenheit äußerte, dass ihn seine Freundin auf WhatsApp gesperrt hat, konnte der Zeuge B… nicht mehr sicher sagen. Die Kammer ist aber überzeugt, dass ihm der Angeklagte dies, so wie von dem Zeugen in der ihm insoweit vorgehaltenen, tatnäheren polizeilichen Vernehmung vom 19.12.2019 geschildert, berichtet hatte.
Dass der Angeklagte am 03.12.2019 den Vormittag über versuchte, N. L… zu erreichen, und sich darüber beklagte, dass diese ihn gesperrt habe, berichtete auch glaubhaft die Chefin des Angeklagten, die Zeugin B…, die dies während der Mittagspause, die der Angeklagte im Betrieb verbrachte, selbst wahrnahm und wie ihr dies auch von dem Zeugen T… so erzählt worden war.
Insbesondere aber spiegelt sich der Status der Beziehung anschaulich wider aus dem bereits unter A.VII.1 dargestellten Verlauf der Tage nach dem 23.11.2019. Der Angeklagte schickte N. L… per WhatsApp einen Link zu einem Video mit dem Titel „Bitte verzeih mir“ und er schrieb ihr in Textnachrichten, dass es ihm leid tue und er wisse, dass er keine Chance mehr verdient habe, worauf er keine Antwort erhielt. N. L… schickte der Zeugin D. Bilder ihres beschädigten PKWs mit der Vermutung, dass der Angeklagte für den Schaden verantwortlich sei. Ferner veranlasste sie, dass die Rechnungen für das Solarium nicht mehr an den Angeklagten, sondern an sie versandt werden, sie ließ WhatsApp-Nachrichten des Angeklagten mit der Bitte um ein Telefonat unbeantwortet, sie ließ sich in der Arbeit verleugnen, lehnte Essenseinladungen ab und äußerte gegenüber ihren Arbeitskolleginnen, dass sie Angst vor dem Angeklagten habe.
4. Soweit Bezug genommen ist auf WhatsApp-Chatverkehr beruhen diese Feststellungen, wie bereits unter B. II. ausgeführt, auf den diesbezüglich im Wege des Selbstleseverfahrens eingeführten Auswertungen des Mobiltelefons Apple iPhone 6 des Angeklagten. Die im Wege des Urkundenbeweises eingeführten Kommunikationsverläufe- und -inhalte wurden jeweils ergänzt und erläutert durch die Angaben des Zeugen TB E…
VII. Tat vom 23.11.2019
1. Die Beweisaufnahme zur Aufklärung des Tatgeschehens am 23.11.2019, insbesondere hinsichtlich der konkreten Einzelheiten seines Verlaufs, waren dadurch gekennzeichnet, dass es unmittelbare Tatzeugen, die den Tatablauf beobachtet haben, nicht gibt, und der Angeklagte an die Einzelheiten der Tat keine Erinnerung hat oder hierzu keine Angaben machen wollte.
Die Kammer konnte die Feststellungen jedoch den glaubhaften Angaben der Zeuginnen M. G., A. S…, T. K… und B. D… entnehmen, welchen N. L… über den Vorfall berichtete. Zudem konnte die Zeugin B. D. auch über eigene Wahrnehmungen über den Anruf von N. L… um 19:42 Uhr und ihren anschließenden Besuch in deren Wohnung berichten.
2. Die Zeugin B. D. berichtete zunächst über die Schilderungen ihrer Freundin N. zum Verlauf des Abends. Danach sei N. an diese am Abend nach Hause gekommen. Gerade als sie ihre Wohnungstüre habe aufsperren wollen, sei der Angeklagte hinter ihr, also bereits in dem Mehrparteienhaus, gewesen, habe ihr von hinten den Mund zugehalten und sie gewaltsam in die Wohnung gedrängt. Dort habe er sie dann auf die Couch geworfen, habe mit ihr Sex haben wollen und ihr den Gürtel heruntergerissen. N. aber habe es geschafft, den Angeklagten zu überreden, sie kurz auf die Toilette zu lassen. Von dort aus habe sie versucht, die Zeugin von ihrem Mobiltelefon aus zu kontaktieren. Der Angeklagte habe ihr das Telefon aber abgenommen.
Weiter schilderte die Zeugin D…, dass gegen 20:00 Uhr ein Anruf von N. bei ihr einging. Diese habe das Telefon offensichtlich nicht in der Hand gehabt., Sie, die Zeugin, habe N. aber schreien hören. Unter anderem habe sie mehrfach den Vornamen der Zeugin und die Sätze „Gib mir mein Handy“, „Geh weg“ gerufen. Dies habe sich mindestens drei Minuten so hingezogen. Während des Telefonats habe sie, die Zeugin, ins Telefon gesprochen, dass sie nunmehr vorbeikommen und die Polizei verständigen werde, woraufhin die Verbindung unterbrochen worden sei. Die Zeugin gab weiter an, dann zusammen mit ihrem Ehemann von W. zur Wohnung von N. gefahren zu sein. Während der Fahrt habe sie eine WhatsApp-Sprachnachricht von dieser erhalten, wonach sie sich keine Sorgen machen solle und alles gut sei. Hierzu habe ihr N. später gesagt, dass der Angeklagte sie zu der Nachricht gezwungen habe. An der Wohnung angekommen sei ihr, der Zeugin, die Tür geöffnet worden, N. sei in der Nähe der Schlafzimmertüre gestanden und habe völlig aufgelöst und verängstigt gewirkt. Der Angeklagte sei bei der Küchenzeile gestanden. In dieser Situation habe N. auf Nachfrage erzählt, dass der Angeklagte sie gewaltsam in die Wohnung gedrängt, sie auf das Sofa geworfen, ihr den Gürtel von der Hose heruntergerissen und Sex verlangt habe. Daraufhin habe sie, die Zeugin D…, den Angeklagten aufgefordert, die Wohnung zu verlassen, woraufhin dieser geäußert habe, dass er lediglich Sex wolle, was ihm auch zustehe, und er nichts zu verlieren habe. Zudem habe der Angeklagte davon berichtet, von seiner früheren Frau betrogen worden zu sein. Letztlich habe er aber die Wohnung verlassen.
3. Die Zeugin M. G. bekundete, dass sie mit N. gemeinsam gearbeitet und diese ihr erzählt habe, dass der Angeklagte sie vergewaltigen habe wollen. Der Angeklagte habe ihr im Treppenhaus aufgelauert und sie in die Wohnung „geschubst“. Dort habe der Angeklagte N. vorgeworfen, dass sie ihm keine Gefühle entgegenbringe. Letztlich habe der Angeklagte zu N. gesagt, dass er Sex mit dieser wolle und den Gürtel von dem Kleid heruntergerissen. Auch habe der Angeklagte das Schlafzimmer abgesperrt. Letztlich habe N. den Angeklagten jedoch gebeten, ob man kurz miteinander auf den Balkon zum Rauchen gehen könne, was dieser erlaubt habe. Dies habe ihr die Möglichkeit gegeben, ihren Mantel anzuziehen, in dem sich ihr Mobiltelefon befunden habe. In dieser Situation habe N. dann verdeckt auf ihrem Mobiltelefon herumgedrückt, wobei es ihr gelungen sei, ihre Freundin B. D… zu erreichen, die daraufhin unmittelbar zur Wohnung von N. gekommen sei und den Angeklagten aufgefordert habe zu gehen, was dieser auch getan habe.
4. Die Zeugin A. S., eine weitere Arbeitskollegin, bekundete, dass ihr N. zunächst bei einer Weihnachtsfeier am 01.12.2019 und dann ausführlicher am darauffolgenden Dienstag, 03.12.2019, an der gemeinsamen Arbeitsstelle erzählt habe, dass der Angeklagte sie habe vergewaltigen wollen. An dem Abend sei sie mit dem Auto nach Hause gekommen und als sie ihre Wohnungstür öffnen habe wollen, sei plötzlich der Angeklagte hinter ihr gestanden, ihr mit der Hand auf den Mund „gelangt“ und habe sie in ihre Wohnung gedrückt. In der Wohnung habe er sie dann stundenlang mit Fragen gequält und ihr vorgeworfen, dass sie mit anderen schreibe, andere Männer treffe und früher eine Prostituierte gewesen sei. N. habe dann versucht, es auf die Toilette zu schaffen und von dort aus ihre Freundin B. D… kontaktiert, die dann gekommen sei. Weitere Details zu der „versuchten Vergewaltigung“ habe N. der Zeugin jedoch nicht erzählt.
5. Letztlich berichtete auch die Zeugin T. K., eine langjährige Bekannte, dass ihr N. erinnerlich ca. drei bis vier Wochen vor ihrem Tod erzählt habe, dass der Angeklagte sie in ihre Wohnung gedrängt, ihr die Hose herunterreißen habe wollen und sie auf das Sofa geworfen habe. Von der Toilette aus sei es ihr dann gelungen, ihre Freundin B. anzurufen. Sie habe sich daraufhin von dem Angeklagten getrennt.
6. Die Angaben der Zeugin D… zu den von ihr unmittelbar wahrgenommenen Geschehnissen und dazu, was ihr ihre Freundin N. zu dem Vorfall am 23.11.2019 berichtete, sind glaubhaft. Die Zeugin hat sich differenziert geäußert und Wissenslücken von sich aus benannt. Sie beschrieb auch Schwächen der Getöteten, etwa dass diese nicht gut habe allein sein können und deshalb vielleicht ihre Trennungsabsichten nicht mit der nötigen Konsequenz verfolgt habe. Soweit sie Schilderungen ihrer Freundin wiedergab, decken sich diese mit den Aussagen der Zeuginnen S…, G… und K… dazu, wie sich N. L… diesen gegenüber äußerte.
Dabei ist die Glaubhaftigkeit der Angaben der Zeuginnen nicht dadurch in Frage gestellt, dass sie unterschiedliche Angaben dazu machten, ob der Angeklagte den Gürtel von einem Rock oder von einer Hose herunterreißen wollte oder wie und von wo aus es N. L… gelungen war, die Zeugin D… zu kontaktieren, denn die diesbezüglichen Abweichungen in der Schilderung des von den Zeuginnen vom Hörensagen mitgeteilten Geschehensablaufes müssen nicht auf einer inkonsistenten Darstellung des späteren Tatopfers ihnen gegenüber beruhen, sondern sind naheliegender darauf zurückzuführen, dass die in der Hauptverhandlung vernommenen Zeuginnen solche Details nicht vollständig wahrgenommen haben oder nicht richtig erinnerten.
Umgekehrt stimmte aber durchgängig die Beschreibung des Geschehens durch die Zeuginnen vom Hörensagen bezüglich des Kerns der Gewalthandlung überein. Alle berichteten, über die Schilderung der später Getöteten, dass der Angeklagte bereits im Hausflur gewartet habe und N. L… in die Wohnung drängte, dort Sex verlangte und sein Verlangen durch Wegreißen eines Gürtels untermauerte, dass es dann aber nicht zu sexuellen Handlungen kam und es der Geschädigten vielmehr gelang, ihre Freundin anzurufen. Auch der Kern des Dialogs, der nach der Erzählung von N. L… während der Nötigungshandlung stattfand, wurde übereinstimmend berichtet.
Letztlich spricht für die Glaubhaftigkeit der den Aussagen der Zeuginnen zugrunde liegenden Schilderung der Geschädigten auch, dass nach deren Beschreibung das Verlangen nach Sex nach dem Wegreißen des Gürtels und dem Werfen auf die Couch nicht weiter mit Gewalt verfolgt wurde. Der nach dieser Schilderung von dem Angeklagten ohne äußeren Zwang erfolgte Verzicht auf weitere Nötigungshandlungen mit sexueller Zielsetzung spricht einerseits für die Erlebnisbasiertheit der Darstellung der Geschädigten und lässt zudem erkennen, dass deren Bericht über das Geschehen nicht durch einen übertriebenen Belastungseifer motiviert war.
Dass das von der Zeugin D… berichtete Telefonat stattfand, ist zusätzlich durch die Auswertung des Mobiltelefons der Getöteten belegt.
Die Kammer verkennt nicht, dass gerade am Ende von Beziehungen oder nach einer Trennung gegenüber Freundinnen, Bekannten oder Arbeitskollegen übertriebene oder auch erfundene Schilderungen von Vorfällen, etwa um den bisherigen Partner in ein schlechtes Licht zu rücken oder gegenüber Dritten Schuldzuweisungen vorzunehmen, nicht von vornherein auszuschließen sind. Dass den Schilderungen durch N. L… ein solches Ansinnen zugrunde gelegen haben könnte, schließt die Kammer jedoch in Ansehung der konkreten Aussageentstehung aus. Denn sie hat nicht etwa von sich aus und ohne erkennbaren Anlass damit begonnen, über ein Geschehen am 23.11.2019 zu berichten oder ein solches gar zu Lasten des Angeklagten für sich zu instrumentalisieren. Ihre erste Schilderung gab N. L… vielmehr bereits in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang gegenüber der Zeugin D… ab, als diese infolge des dokumentierten telefonischen Hilferufs in der Wohnung eingetroffen war.
Der Angeklagte stellte den Vorfall gegenüber der Zeugin D… auch nicht in Abrede, sondern bekräftigte dieser gegenüber sogar, ein Recht auf Sex zu haben. Der dokumentierte Hilferuf und diese Äußerungen des Angeklagten gegenüber der Zeugin D… machen hinreichend deutlich, dass dem Hilferuf nicht nur – so die Einlassung des Angeklagten gegenüber dem Sachverständigen – ein Streit um das Handy zugrunde lag.
Obwohl sich die Kammer keinen persönlichen Eindruck von der Geschädigten verschaffen konnte, konnte sie die Verurteilung daher gleichwohl auch auf die Angaben der Zeuginnen stützen, soweit diese vom Hören-Sagen berichteten. Belastungstendenzen vermochte die Kammer nicht zu erkennen. Sämtliche Aussagen waren frei von ersichtlichen Übertreibungen, Erinnerungslücken wurden freimütig eingeräumt.
VIII. Tat vom 03./04.12.2019
1. Weitere Entwicklung nach dem 23.11.2019
Die unter A.VII.1. zum weiteren Geschehen getroffenen Feststellungen gründen sich zum einen auf die Auswertung elektronischer Medien und zum anderen auf die Angaben der hierzu vernommenen Zeugen.
Soweit bei den Feststellungen zu den Geschehnissen in dem Zeitraum von 24.11.2019 bis 02.12.2019 Bezug genommen ist auf WhatsApp-Verkehr des Angeklagten und der Getöteten oder entsprechende Nachrichten zitiert sind, beruhen diese Feststellungen auf den diesbezüglich im Wege des Selbstleseverfahrens eingeführten Ausdrucken des textlichen Inhalts der im Mobiltelefon von N. L… und des Angeklagten gesicherten Daten über die geführte WhatsApp-Kommunikation. Die Feststellungen zu den stattgefundenen Kontakten bzw. Kontaktversuchen zwischen dem Angeklagten und der Getöteten über Telekommunikation und WhatsApp in dem Zeitraum von 23.11.2019 bis 03.12.2019 beruhen auf der Auswertungen der Mobiltelefone des Angeklagten und der Getöteten.
Dass die Getötete am 25.11.2019 der Zeugin D. Bilder ihres PkWs schickte mit der Vermutung, der Angeklagte sei für den darauf ersichtlichen Schaden verantwortlich, entnahm die Kammer den glaubhaften Bekundungen der uneidlich vernommenen Zeugin B. D. ebenso wie Feststellungen zu dem Solariumbesuch am 29.11.2019.
Dass der Angeklagte am 30.11.2019 die Getötete an ihrer Arbeitsstelle mehrfach aufsuchte und ihr am Abend vor der H…-Filiale auflauerte, entnahm die Kammer den glaubhaften Bekundungen der uneidlich vernommenen Zeugin M. G. Die zu der Tätigkeit des Angeklagten auf der Baustelle in der S. Straße am 01.12.2019 und 02.12.2019 getroffenen Feststellungen sowie die Feststellung, dass der Angeklagte am 02.12.2019 gegen 09:00 Uhr die Baustelle verließ, beruhen auf den glaubhaften Bekundungen des uneidlich vernommenen Zeugen P. T., eines Arbeitskollegen des Angeklagten, der mit diesem auf der genannten Baustelle arbeitete.
Die Feststellung, dass die später Getötete am 02.12.2019 in der H…-Filiale in den „R. Arcaden“ arbeitete, beruht auf den glaubhaften Angaben der Zeugin M. M.
2. Geschehen am 03.12.2019 tagsüber
Die unter A.VII.2. getroffenen Feststellungen zum Geschehen am 03.12.2019 tagsüber entnahm die Kammer neben der Auswertung der Mobilfunkdaten und der beiden Mobiltelefone des Angeklagten und der Getöteten den glaubhaften Angaben der Zeugen P. T., A. B…, K. B…, D. G… und A. S…, die hierzu nähere Einzelheiten berichteten.
a. Die Feststellungen, dass der Angeklagte am 03.12.2019 bis etwa 15:00 Uhr auf der Baustelle tätig war, die Fa. „R…“ aufsuchte, die Mittagspause im Betrieb verbrachte und gegen 16:30 Uhr Feierabend hatte, entnahm die Kammer den glaubhaften Aussagen der Zeugen T…, B… und B…, die entsprechende Angaben machten.
Dass der Angeklagte zwischen 09:00 Uhr und 11:00 Uhr die Baustelle verließ und sich in die Nähe der Wohnung der Getöteten begab, schloss die Kammer neben den Angaben des Zeugen T… zum Verlassen der Baustelle daraus, dass nach den nachvollziehbaren Ausführungen des in der Hauptverhandlung gehörten Zeugen TA N… der Mobilfunkanschluss … des Angeklagten am 03.12.2019 zwischen 10:03 Uhr und 10:38 Uhr in einer das Wohnanwesen der Getöteten versorgenden Funkzelle aktiv war.
Zwar verkennt die Kammer nicht, dass daraus für sich allein allenfalls geschlossen werden kann, dass sich das Mobiltelefon des Angeklagten in diesem Zeitraum irgendwo im Versorgungsgebiet dieser Funkzelle befunden haben muss, mithin daraus für sich genommen nicht geschlossen werden kann, dass sich der Angeklagte in diesem Zeitraum in der Nähe des Anwesens von N. L… befunden haben könnte, da der von der Funkzelle erfasste Bereich sich über eine so große Fläche erstreckt, dass allein damit eine genaue örtliche Zuordnung nicht möglich wäre.
In Zusammenschau mit dem weiteren Ergebnis der Beweisaufnahme vermochte die Kammer aber den Schluss ziehen, dass sich der Angeklagte zum Wohnanwesen der Getöteten begeben hat.
Dabei war zum einen zu berücksichtigen, dass das Mobiltelefon des Angeklagten an diesem Tag von 19:00 Uhr bis um 14:45 Uhr des Folgetages erneut in dieser Funkzelle eingeloggt war, wie der Zeuge TA N… nachvollziehbar anhand der durchgeführten Auswertung der Telekommunikationsdaten des Mobiltelefons des Angeklagten erläuterte, und der Angeklagte sich auch nach seinen Angaben in dieser Nacht – wenn auch nicht schon um 19:00 Uhr – in der Wohnung der Getöteten aufhielt.
Zum anderen war der Angeklagte den ganzen Vormittag des 03.12.2019 über damit beschäftigt, N. L… über sein Mobiltelefon zu erreichen, wie die Zeugen B… und B… glaubhaft berichteten. Die Zeugin B… bekundete zudem, dass der Angeklagte bereits in der Vergangenheit mehrfach und ohne sich abzumelden während der Arbeitszeit mit dem Firmenfahrzeug die Arbeit verlassen habe, um seine jeweilige Partnerin zu beobachten. Nachdem sie, die Zeugin B…, den Angeklagten deswegen zur Rede gestellt und auch arbeitsrechtliche Konsequenzen angedroht habe, habe ihr der Angeklagte erklärt, dass es ihn beruhige, wenn er seine Partnerinnen beobachten könne. Auch gegenüber dem Sachverständigen Dr. G… gab der Angeklagte im Rahmen des Explorationsgespräches an, dass er die Zeuginnen H… und E… habe verfolgen und beobachten müssen, um sich zu beruhigen. Wenn er sie kurz gesehen habe, sei er gleich wieder gefahren. Er habe sich dann nicht allein gefühlt. Es sei besser gewesen, die Nähe aus der Entfernung zu haben als überhaupt keinen Kontakt. Dabei räumte der Angeklagte auch ein, dass er in der Zeit, als er die Zeugin E… beobachtet habe, kaum noch vernünftig habe arbeiten können. Er habe sich teilweise krankgemeldet, um Maria beobachten zu können.
Die Kammer ist daher aufgrund der vorgenannten Gesamtumstände davon überzeugt, dass sich der Angeklagte am 03.12.2019 zwischen 10:03 Uhr und 10:38 Uhr bei dem Wohnanwesen der Getöteten aufhielt, um diese beobachten.
Wie bereits unter A.V. dargestellt hatte sich N. L… zu diesem Zeitpunkt bereits von Angeklagten getrennt und der Angeklagte hatte mehrfach erfolglos versucht, mit der Getöteten Kontakt aufzunehmen. Unter Berücksichtigung des oben beschriebenen Verhaltensmusters, dass der Angeklagte in den Beziehungen – und auch nach deren Beendigung – zu den Zeuginnen H… und E… an den Tag legte, ist für die Kammer kein anderer Grund erkennbar, aus dem sich der Angeklagte in dem Versorgungsbereich der oben genannten Funkzelle befand, als N. L… zu beobachten.
b. Die Feststellungen, dass sich N. L… am 03.12.2019 zwischen 09:04 Uhr und 10:31 Uhr in ihrer Wohnung aufhielt, gegen 20:34 Uhr in ihre Wohnung zurückkehrte und um 21:35 Uhr ein Gespräch mit einer Dauer von 31 Minuten mit ihrer Tochter D. führte sowie die weiteren Aktivitäten auf dem Mobiltelefon der Getöteten ergeben sich wiederum, wie bereits unter B.II. ausgeführt, aus der Auswertung der im Ermittlungsverfahren erholten Telekommunikationsdaten betreffend die Mobilfunknummer von N. L… und von deren Mobiltelefon. Zudem bestätigten die Zeugin S…, dass gegen 22:07 Uhr nochmals ein WhatsApp-Kontakt zustande gekommen sei und die Zeugin D. G., dass sie gegen 22:10 Uhr eine Bilddatei von ihrer Mutter erhalten habe.
Auch aufgrund des Umstands, dass N. L… erst gegen 20:34 Uhr in ihre Wohnung zurückkehrte und der Angeklagte bereits seit 19:00 Uhr im Bereich ihrer Wohnung war, obwohl diese nachweislich den Kontakt mit ihm verweigerte, erachtet die Kammer die gegenüber dem Sachverständigen Dr. G… erfolgten Angaben des Angeklagten, dass er am 03.12.2019 mit der später Getöteten verabredet gewesen sei, für widerlegt. Vielmehr hielt sich der Angeklagte dort wie bereits am Morgen einzig und allein zu dem Zweck auf, das spätere Tatopfer zu beobachten und zu kontrollieren.
Dass die später Getötete am 03.12.2019 bis 19:00 Uhr in der H…-Filiale in den Arcaden arbeitete und währenddessen Besuch von ihrer Tochter D. bekam, entnahm die Kammer den glaubhaften Bekundungen der Zeuginnen A. S. und D. G…
3. Tatörtlichkeit und Spurenlage
Zu den Feststellungen zur Tatörtlichkeit, zur vorgefundenen Spurenlage und den durchgeführten Spurensicherungsmaßnahmen wurden uneidlich vernommen die Zeugen POM G… und KHKin W… Desweiteren wurden der von KHKin S… erstellte Tatortbefundbericht vom 04.12.2019, der Spurenbericht der KPI R. vom 19.12.2019, die Anträge auf Spurenuntersuchung der KPI R. vom 16.12.2019, das molekulargenetische Gutachten des Instituts für Rechtsmedizin der Universität E.-N. vom 31.01.2020 und das daktyloskopische Gutachten des Bayerischen Landeskriminalamts vom 17.12.2019 im Wege des Selbstleseverfahrens in die Hauptverhandlung eingeführt.
a. Erstzugriff
Der Erstzugriffsbeamte POM G… berichtete über die von ihm vorgefundene Situation nach seinem Eintreffen am Tatort am 04.12.2019 gegen 18:09 Uhr. Er schilderte, dass er die Wohnungstüre, welche in das Schloss gezogen gewesen sei, mit einem Schließblech geöffnet und die Wohnung betreten habe. Er habe dann zunächst Blutspuren am Boden im Bereich der Wohnküche festgestellt und schließlich im Bett in Rückenlage das nackte, offensichtlich leblose und halb zugedeckte Tatopfer aufgefunden, bei dem bereits eine ausgeprägte Leichenstarre festzustellen gewesen sei. Im weiteren Verlauf habe er den Kriminaldauerdienst und den Notarzt verständigt und mit der eingetroffenen Notärztin, der Zeugin Dr. B…, die Tatwohnung nochmals betreten. Zudem habe man über dem Kopf der Getöteten ein zerknülltes Kissen mit Blutanhaftungen festgestellt.
Die Zeugin Dr. B… gab im Rahmen ihrer uneidlichen Einvernahme in der Hauptverhandlung an, dass sie gegen 18:30 Uhr am 04.12.2019 die Todesbescheinigung ausgestellt und bei der Leichenschau festgestellt habe, dass an der Oberseite des Leichnams Totenflecke ausgeprägt gewesen seien, der Leichnam sich aber in Rückenlage befunden habe. Zudem sei der rechte Arm des Tatopfers, seitlich nach oben hin weggestanden. Sie sei daher davon überzeugt, dass der Leichnam nach Eintritt der Leichenstarre bewegt worden sein müsse.
b. Spurensicherung
Die Zeugin KHKin W. war mit der Spurensicherung befasst, als der Leichnam von N. L… noch vor Ort war. Die Zeugin berichtete über die dabei zutage getretenen Erkenntnisse und stellte die räumlichen Verhältnisse der Tatörtlichkeit insbesondere hinsichtlich Lage und Aufteilung der Wohnung anhand von in Augenschein genommenen Plänen der Tatwohnung (Bl. 1143-1147), auf die hinsichtlich der Einzelheiten gemäß § 267 Abs. 1 S. 3 StPO verwiesen wird.
Weiter berichtete die Zeugin KHKin W. über die durchgeführte kriminalpolizeiliche Spurensicherung am Tatort und erläuterte anhand der in der Hauptverhandlung in Augenschein genommenen Lichtbilder die von ihr vorgefundene Spurenlage und die durchgeführten Spurensicherungsmaßnahmen. Mit der Zeugin wurden zudem Lichtbilder des Außenbereichs der Tatörtlichkeit (Bl. 1148-1152, 1156-1157), des Eingangsbereichs des Mehrfamilienhauses samt Treppenhaus (Bl. 1153-1155) und des Eingangsbereichs der Wohnung mit Wohnungstüre (Bl. 1159), des im Schlafzimmerbett liegenden Leichnams (Sonderheft Lichtbilder, Lichtbildtafel Schlafzimmer/Geschädigte, Lichtbilder 1-45), des Wohnungsflurs (Bl.1160), des Badezimmers (Bl. 1161), des Flurs zum Wohnzimmer/Küche (Bl. 1162-1163), des Wohn- und Schlafzimmers (Bl. 1164-1165), des Treppenhauses inklusive der Wohnungstüre (Bl. 1167-1174) in Augenschein genommen, sowie weitere Detailbilder der Wohnung (Bl. 1176-1235), Bilder der Bekleidung des Angeklagten (Bl. 1239-1261), der in der Wohnung aufgefundenen Messer und des Cuttermessers (Bl. 1267-1273) sowie der Mobiltelefone des Angeklagten und der Getöteten (Bl. 1275-1277). Ergänzend wird hinsichtlich der Einzelheiten gemäß § 267 Abs. 1 S. 3 StPO auf die vorgenannten Lichtbilder verwiesen.
Die Zeugin KOKin W. berichtete zudem die Werte der Leichenkörpertemperatur, die durch den Rechtsmediziner B., Institut für Rechtsmedizin der Universität E.-N., mittels zweier Messungen ermittelt wurden, wobei die Messung um 22:28 Uhr einen Wert von 30,6°C ergeben habe. Die Messung der Umgebungstemperatur habe um 22:10 Uhr einen Wert von 20,1°C (gemessen in der Raummitte) ergeben.
c. Tatortbefund
Im Wege des Selbstleseverfahrens wurde der Tatortfundbericht der KHKin S… vom 04.12.2019 eingeführt. Danach traf KHKin S… am 04.12.2019 um 18:57 Uhr am Tatort ein. Am Wohnzimmertisch der Tatortwohnung habe sich eine circa 2/3-geleerte Weißweinflasche sowie eine vollständig geleerte Whiskyflasche, ein Weinglas und ein Martiniglas befunden. Zudem seien auf dem Tisch ein ausgeschaltetes Smartphone in goldener Hülle (Samsung A5) sowie ein noch eingeschaltetes iPhone gelegen. Ebenfalls im Wohnzimmer habe sich ein roter Bürostuhl befunden, auf dem säuberlich zusammengefaltet ein weißer BH, ein weißes T-Shirt, ein Slip sowie eine Jogginghose abgelegt worden seien. Vom Schlafzimmer kommend seien Blutspuren festgestellt worden, die über das Wohnzimmer bis zur Wohnungstüre in den Flur geführt hätten. Diese seien teilweise mit Schuhabdrücken versetzt gewesen. Auf einem Nachttisch im Schlafzimmer hätten sich drei Kerzenhalter mit Teelichtern sowie zwei Augenbinden befunden. Zwischen dem Nachttisch und dem Bett habe umgekippt eine Nachttischlampe gelegen. Auf dem Rahmen des Bettes sowie dem Bettlaken hätten sich Blutabdruckspuren sowie eine kleine Blutlache befunden. Am Fußende des Bettes seien eine graue Männerunterhose sowie ein Kissen festgestellt worden. Der Leichnam sei rücklings im vorderen Bereich des Bettes gelegen. Dieser sei, abgesehen von den Füßen der Getöteten, mit einer Decke zugedeckt gewesen. Oberhalb des Kopfes hätten sich zwei Kissen befunden, darunter ein graubezogenes Kissen, an dessen Ecke sich eine Bluteintragung befunden habe.
d. DNA-Untersuchung
Zur durchgeführten DNA-Spurenuntersuchung sowie zum Vergleich dieser Ergebnisse mit den zur Verfügung stehenden Vergleichsproben wurde ebenfalls im Wege des Selbstleseverfahrens eingeführt das molekulargenetische Gutachten der Sachverständigen Diplom-Biologin T. S…, Institut für Rechtsmedizin der Universität E.-N., vom 31.01.2020.
(1) Die Sachverständige war unter anderem mit der DNA-Untersuchung der in der Tatwohnung gesicherten Blutspuren, des Vaginalabstriches (Spur RM1), des aufgefunden Martiniglases (7.2.12.1), des Mobiltelefons der Getöteten (Spur 7.2.8.2), der Herrenunterwäsche (Spur 7.3.6) und von zwei Messern mit rotbräunlichen Antragungen (Spuren 7.2.13 und 7.2.14) befasst.
Durch die Kriminalpolizeiinspektion R. sei entsprechendes Spurenmaterial zur Verfügung gestellt worden. An Vergleichsproben hätten insbesondere das DNA-Identifizierungsmuster des Tatopfers und des Angeklagten vorgelegen.
Die Ergebnisse der Spurencharakterisierung sowie der molekulargenetischen Untersuchungen sind in einer dem schriftlichen Gutachten beigefügten Spurentabelle zusammengestellt worden. Danach führte die DNA-Untersuchung, soweit für die Beweiswürdigung wesentlich, zu folgenden Ergebnissen:
Nahezu sämtliche in der Wohnung genommenen Blutabriebe seien dem DNA – Identifizierungsmuster des Angeklagten zuordenbar gewesen seien (Spur 7.2.1. „Kommode Wohnbereich“, 7.2.3. „Wohnzimmertisch“, 7.2.4.-7.2.5. „Fliesen Küchenbereich“, 7.2.6. „vor Schlafzimmer“, 7.2.8. „Handy“, 7.2.13.-7.2.14. „Messerklinge“, „7.3.1. „Bettdecke“, 7.3.2. „Bettlaken“, 7.3.3. „Bekleidung im Schlafzimmer“, 7.3.4. „Kopfkissen“, 7.3.5. „Bettrahmen“). An der Spur 7.2.2 („Kommode Wohnbereich“) habe sich jedoch das typische Bild einer Mischspur gezeigt, wobei Allele, die das DNA-Muster des Angeklagten aufweisen, ausnahmslos in Form deutlich ausgeprägter Hauptsignale detektierbar gewesen seien. Dieses Merkmalsmuster könne, biostatistisch betrachtet, als individualspezifisch angesehen werden (weniger als eine unter 30 Milliarden Personen). Er sei daher ohne vernünftigen Zweifel als Spurenhauptverursacher festzustellen. Sofern darüber hinaus weitere Merkmale darstellbar gewesen seien, hätten diese mit dem DNA-Muster der Getöteten übereingestimmt.
An dem Vaginalabstrich (Spur RM1) habe sich das typische Bild einer Mischspur gezeigt, wobei sich in den analysierten autosomalen Systemen vielfach deutlich ausgeprägte Hauptsignale von schwächeren Nebensignalen hätten abgrenzen haben. Sämtliche Hauptsignale hätten dabei mit dem DNA-Muster des Angeklagten übereingestimmt. Er sei daher ohne vernünftigen Zweifel als Spurenhauptverursacher festzustellen. Darüber hinaus seien auch mehrfach Allele detektierbar gewesen, die N. L… aufweise, sodass sie als Mitverursacherin in Frage komme.
An den Spuren 7.2.7.1, 7.2.7.2 und 7.2.7.4 (Ritzen und Seiten des Handys sowie Kanten der Handyhülle) habe sich jeweils das typische Bild einer Mischspur gezeigt, wobei Allele, die das DNA-Muster des Angeklagten aufweisen, vielfach in Form deutlich ausgeprägter Hauptsignale detektierbar gewesen seien. Auch alle weiteren Merkmale, die sein Muster aufweisen, hätten sich an den Spuren darstellen lassen. Er sei daher ohne vernünftigen Zweifel als Spurenhauptverursacher festzustellen. Darüber hinaus seien mehrfach Allele detektierbar gewesen, die N. L… aufweise, sie komme daher als Mitverursacherin in Frage.
An den Spuren 7.2.7.3, 7.2.12.1, 7.2.13.2, 7.2.14.2 und 7.2.17.1 (Aussparung der Handyhülle, Trinkrand des Martiniglases, Kunststoffgriffe der Messer, Messergriff) habe sich das typische Bild einer Mischspur gezeigt, wobei deutlich ausgeprägte Hauptsignale, die von mindestens zwei Personen herrühren, von schwächeren Nebensignalen abgrenzbar gewesen seien. In Form dieser Hauptkomponente seien neben sämtlichen Allelen der Getöteten auch alle Merkmale darstellbar gewesen, die das DNA-Muster des Angeklagten aufweisen; sie könnten daher von ihm stammen. Biostatistisch sei das an den Spuren 7.2.7.3, 7.2.12.1, 7.2.13.2, 7.2.14.2 und 7.2.17.1 erhobene Befundbild unter Zugrundelegung der folgenden beiden Hypothesen interpretiert worden, wobei nur die stark ausgeprägten, reproduzierbaren Merkmale in den Systemen berücksichtigt worden seien, in denen auch das DNA-Muster des Angeklagten enthalten sei:
„Hypothese H1: Die Polizeispuren 7.2.7.3, 7.2.12.1, 7.2.13.2, 7.2.14.2 und 7.2.17.1 stellen jeweils eine Mischung aus DNA von N. L. sowie Erbsubstanz von D. E. dar.
Hypothese H2: Die Polizeispuren 7.2.7.3, 7.2.12.1, 7.2.13.2,7.2.14.2 und 7 2 17.1 stellen jeweils eine Mischung aus DNA von N. L. sowie Erbsubstanz einer zu D. E. nichtverwandten, unbekannten Person dar.“
Unter Verwendung europäischer Populationsdaten (ENFSI DNA WG STR Population Database) sowie der Software Statistefix v3.2 habe sich dabei ein sog. Likelihoodquotient von ca. 7,4 x 1011 zugunsten der Hypothese H1 errechnet. Es sei damit etwa 740 Milliarden mal wahrscheinlicher, dass an den Polizeispuren 7.2., 7.2.12.1, 7.2.13.2, 7.2.14.2 und 7.2.17.1 neben DNA von der Getöteten Erbsubstanz des Angeklagten vorhanden gewesen sei, als dass darüber hinaus DNA einer unbekannten Person vorläge. Es könne damit als praktisch erwiesen gelten, dass an dem gesicherten Spurenmaterial u. a. DNA des Angeklagten vorhanden sei. Eine Zuordnung der DNA-Nebenkomponenten sei nicht möglich.
(2) Diesen Ergebnissen und der gutachterlichen Bewertung der durchgeführten DNA-Spurenuntersuchung hat sich die Kammer aufgrund eigener kritischer Würdigung angeschlossen. Zweifel an deren Richtigkeit bestehen nicht, zumal der Kammer Methodik und Vorgehensweise bei molekulargenetischen Untersuchungen aus anderen Verfahren, in denen wiederholt auch die Sachverständige Dipl. Biol. T. S… zugezogen war, bekannt ist.
e. Daktyloskopische Untersuchung
Schließlich wurde im Wege des Selbstleseverfahrens in die Hauptverhandlung eingeführt das daktyloskopische Gutachten des Bayerischen Landeskriminalamts vom 17.12.2019, stammend vom Sachverständigen EKHK S… Danach war ein auf dem Martiniglas gesicherter Fingerabdruck (Spur 7.2.10.2, 7.2.12.2.1.1) geeignet, den daktyloskopischen Identitätsnachweis zu führen. Nach dem Gutachten wurde bei der Untersuchung in den überprüfbaren Bereichen dieser Spur sowie des herangezogenen Vergleichsabdrucks eine Übereinstimmung im allgemeinen Papillarlinienverlauf und in Form und Lage der anatomischen Merkmale zueinander festgestellt mit dem rechten Mittelfinger des Angeklagten, so dass dieser nach den allgemein anerkannten Grundtatsachen der Daktyloskopie zweifelsfrei als Verursacher feststehe. Ferner seien Fingerabdrücke der Getöteten an deren Mobiltelefon und an der Whiskyflasche (Spuren 7.2.8.4.1.1 / 7.28.4.1.2 / 7.2.10.2 / 7.2.16.1) festgestellt worden.
4. Vortatgeschehen am Abend des 03.12.2019 a. Die Feststellungen zum Vortatgeschehen am Abend 03.12.2019 bzw. in der Nacht auf den 04.12.2019 beruhen auf den eigenen Angaben des Angeklagten gegenüber dem Zeugen D. E. sowie gegenüber dem Sachverständigen Dr. G…, wonach er zur Wohnung der Getöteten gefahren sei, mit dieser gemeinsam Alkohol konsumiert und anschließend den Geschlechtsverkehr ausgeführt habe. Gegenüber seinem Sohn D. erwähnte er auch, wie dieser im Rahmen seiner Einvernahme als Zeuge glaubhaft berichtete, dass es zu einem Streit gekommen sei. Für die Richtigkeit der Angaben des Angeklagten zum gemeinsamen Alkoholkonsum und zum stattgehabten Geschlechtsverkehr spricht die vorgefundene Spurenlage Die auf dem Wohnzimmertisch sichergestellten Gläser und Flaschen, wobei wie bereits ausgeführt auf dem Martiniglas ein Fingerabdruck des Angeklagten und auf der Whiskyflasche Fingerabdrücke der Getöteten nachgewiesen wurden, deuten auf einen gemeinsamen Alkoholkonsum hin. Zudem führte der Sachverständige Prof. Dr. B…, Institut für Rechtsmedizin der Universität E.-N., im Rahmen der Hauptverhandlung nachvollziehbar aus, dass eine dem Leichnam der N. L… entnommene Oberschenkelvenen-Blutprobe eine Blutalkoholkonzentration zwischen 0,70 und 0,78 Promille und die Blutprobe, welche dem Angeklagten nach den glaubhaften Angaben des Zeugen POM G… am 04.12.2019 gegen 14:50 Uhr im Rahmen der Aufnahme im Uniklinikum R. entnommen worden sei, eine Blutalkoholkonzentration von 0,5 Promille im Mittelwert ergeben habe.
Der Sachverständige Prof. Dr. B… führte zudem aus, dass bei der Obduktion des Leichnams im Bereich des äußeren Genitals sowie im Scheidenvorhof weißes Sekret, welches wie bereits ausgeführt die DNA des Angeklagten enthält, nachgewiesen worden sei, was auf kurz vor dem Ableben erfolgten Geschlechtsverkehr hinweise. Rechtsmedizinische Belege, die für einen erzwungenen Geschlechtsverkehr sprächen, würden nicht vorliegen.
Für einen einvernehmlichen Geschlechtsverkehr spricht auch, dass zum einen die Wäsche der Getöteten ausweislich der in Augenschein genommenen Lichtbilder sorgfältig gefaltet auf einem Stuhl aufgefunden wurde. Dies spricht dafür, dass die Getötete diese noch selbst freiwillig abgelegt hat. Zum anderen gab der Angeklagte, wie der Zeuge D. E. glaubhaft berichtete, diesem gegenüber im Krankenhaus auf die Nachfrage, was passiert sei, an, dass er, der Angeklagte, mit N. Geschlechtsverkehr gehabt habe. Die Kammer geht davon aus, dass der Angeklagte im Falle eines erzwungenen Geschlechtsverkehrs seinen Sohn gegenüber möglicherweise nicht erwähnt hätte, dass es zum Geschlechtsverkehr gekommen sei.
Nicht ausschließbar ist auch, dass es zwischen dem Angeklagten und N. L… zu einem Streit gekommen ist. In Anbetracht der gesamten Beziehungsentwicklung, wie sie sich insbesondere seit dem 23.11.2019 darstellte, war die Fortsetzung der Beziehung bzw. Trennung dominierendes Thema zwischen dem Angeklagten und der Getöteten. Die Kammer nahm daher an, dass dieses Thema auch in der Nacht vom 03. auf den 04.12.2019 ein zentrales Thema und zumindest Gegenstand mindestens einer Meinungsverschiedenheit war.
b. Dass der Angeklagte sich am 03.12.2019 spätestens ab 23:54 Uhr in der Wohnung der Getöteten befand, schloss die Kammer aus den durch Vorspielen in der Hauptverhandlung in Augenschein genommenen Audioaufzeichnungen des in der Wohnung betriebenen Sprachsteuerungsgeräts „Alexa“. Die für „22:54“ Uhr und “22:55“ Uhr erfolgten Aufzeichnungen des Gerätes, welches nach den Angaben des Zeugen KHK G… in der Wohnung der Getöteten sichergestellt worden war, wurden der Kriminalpolizei von der Firma Amazon in Form einer per E-Mail übersandten Audio-Dateien zur Verfügung gestellt.
Aus der in der Hauptverhandlung verlesenen E-Mail des BKA-Beamten L. T… vom 27.11.2020 und der E-Mail der Fa. Amazon vom 04.12.2020 ergibt sich, dass der im Namen der jeweiligen Audio-Datei enthaltene Zeitpunkt der Aufzeichnung die sog. UTC-Zeit wiedergibt, so dass für die lokale (Winter-)Zeit eine Stunde zu addieren sei (UTC+1).
Die Sequenzen geben kurze Sätze des Angeklagten wieder, der sich in der zweiten Tonsequenz mit dem Inhalt „Alexa aus“ selbst wiedererkannte, wie er in der Hauptverhandlung angab. Die vorausgegangene Tonsequenz beinhaltet das Wort „Alexa“, wodurch der Aufnahmemechanismus ausgelöst worden war, ist aber im Übrigen wegen der Dialektfärbung und einer schnellen Silbenfolge in seiner Gesamtheit nicht sicher verständlich. Gut verständlich ist der in bayerischem Dialekt gesprochene Anfang des Satzes „Die Alexa hast halt wieder …“, der wohl mit dem Wort „herinnert“, also wohl „herinnen“, gemeint „im Zimmer“ bzw. „in der Wohnung“, endet. Es handelt sich hörbar um denselben Sprecher wie bei der nachfolgenden Aufzeichnung. Trotz des kurzen, nicht vollständig verständlichen Satzes ließ sich aber feststellen, dass der Sprecher weder lallte noch seine Aussprache sonst schwerfällig oder verwaschen war. Inhaltlich richtet sich die erste Nachricht damit an eine sich im Raum befindliche weitere Person, bei der es sich nur um das spätere Tatopfer handeln kann.
Nachdem, wie festgestellt, die später Getötete bis 23:00 Uhr auf Dating-Plattformen surfte und nicht anzunehmen ist, dass sie dies in Gegenwart des Angeklagten tat, gelangte die Kammer zu der Überzeugung, dass der Angeklagte im Zeitraum zwischen 23:00 Uhr und 23:54 Uhr Zugang zur Wohnung der Getöteten verschaffte oder erhielt.
Jedoch erwies sich die weitergehende, gegenüber seinem Sohn erfolgte Behauptung des Angeklagten, N. L… hätte ihn gegen Mitternacht telefonisch gebeten, zu ihr in die Wohnung zu kommen, als mit dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme nicht vereinbar, weil ausweislich der Auswertung der Mobiltelefone gegen Mitternacht kein Telefonat zwischen den beiden erfolgte. Zwischen dem Handy des Angeklagten und der Getöteten erfolgte am 04.12.2012 ausschließlich um 02.59 Uhr eine 2 Minuten und 22 Sekunden andauernde Telefonverbindung, ausgehend von dem Mobiltelefon der Getöteten. Auszuschließen ist auch, dass sich der Angeklagte lediglich in der Zeit irrte, denn er befand sich zum Zeitpunkt der stattgehabten Telefonverbindung, wie ausgeführt, bereits in der Wohnung des Tatopfers. Irgendwelche Anhaltspunkte dahingehend, dass der Angeklagte die Wohnung von N. L… nach 23:55 Uhr und vor 02:59 Uhr verlassen hatte, dabei weiterhin in der Funkzelle verblieb und dann kurz vor 03:00 Uhr von ihr gebeten wurde, ein zweites Mal zu kommen, bestehen nicht. Mit den Angaben gegenüber seinem Sohn D. wollte der Angeklagte ersichtlich nur suggerieren, dass er die von ihm Getötete auf deren Initiative hin aufsuchte. Diese Behauptung ist aber nachweislich genauso falsch, wie die Darstellung, dass er – angeblich veranlasst durch den Anruf – zu ihr gefahren war, denn tatsächlich befand sich der Angeklagte bereits seit 19:00 Uhr des Vortages in unmittelbarer Nähe zu ihrer Wohnung. Ob N. L… um 02:59 Uhr noch lebte und die Verbindung – aus dann nicht nachvollziehbaren Gründen – selbst hergestellt hat oder ob der Angeklagte, nachdem er N. zuvor getötet hatte, damit einen Versuch unternahm, seine Anwesenheit am Tatort zu verschleiern, konnte im Rahmen der Beweisaufnahme letztlich nicht festgestellt werden.
5. Tatgeschehen
Die Aufklärung des Tatgeschehens am 03./04.12.2019, insbesondere hinsichtlich der konkreten Einzelheiten seines Verlaufs, war dadurch gekennzeichnet, dass es unmittelbare Tatzeugen, die den Tatablauf beobachtet haben, nicht gibt und auch der Angeklagte von dem ihm zustehenden Schweigerecht Gebrauch gemacht und sich in der Hauptverhandlung zum Tatvorwurf nicht einlassen hat. Gegenüber dem Sachverständigen Dr. G… gab er an, dass er keinerlei Erinnerung an das eigentliche Tatgeschehen habe.
Letztlich sind die Feststellungen der Kammer zum Tatgeschehen das Ergebnis einer Gesamtwürdigung der hierzu durchgeführten Beweisaufnahme. Die Kammer ist sich dabei dessen bewusst, dass einzelne Aspekte bei isolierter Betrachtung gegebenenfalls unterschiedlich gedeutet werden können. Es wäre jedoch rechtsfehlerhaft, wenn sich die Kammer in ihrer Beweiswürdigung darauf beschränken würde, einzelne Gesichtspunkte nur für sich betrachtet hinsichtlich ihres Beweiswerts zu beurteilen. Erforderlich ist vielmehr eine Gesamtbetrachtung, aufgrund derer sich die Kammer jedoch keine Überzeugung hinsichtlich eines in seinen Einzelheiten feststehenden Tatablaufs bilden konnte.
a. Ergebnis der Obduktion
Für die Rekonstruktion dessen, was nach dem Eintreffen des Angeklagten in der Wohnung der N. L… geschehen ist, konnte zunächst auf die gesicherte und dokumentierte Spurenlage, das sich aus den Obduktionsbefunden ergebende Verletzungsbild und die darauf aufbauenden Beurteilungen und Schlussfolgerungen des in der Hauptverhandlung gehörten Sachverständigen Prof. Dr. B… zurückgegriffen werden.
Der Sachverständige Prof. Dr. med. B…, Gutachter für Forensische Medizin am Institut für Rechtsmedizin der Universität E.-N., erstattete in der Hauptverhandlung sein Gutachten zu den bei der Sektion der Leiche der N. L… am 05.12.2019 erlangten wesentlichen Befunden, zur Todesursache und zu daraus möglichen Schlussfolgerungen im Hinblick auf einen möglichen Tatablauf aus rechtsmedizinischer Sicht. Er erläuterte als einer der Obduzenten auch anhand der in Augenschein genommenen Lichtbilder Bl. 2 bis Bl. 15 der Lichtbildtafel „Obduktion“ des Sonderbandes Lichtbilder die bei N. L… festgestellten und oben bereits dargestellten Verletzungen sowie die Todesursache.
(1) Wesentliche Befunde
Der Sachverständige führte aus, dass sich bei der Sektion der Leiche eine ausgeprägte obere Einflussstauung mit teilweise scharf begrenztem Übergang in die dann auffallend blasse Halshaut, insbesondere unterhalb des rechten Unterkieferastes, zahlreiche Punktblutungen in der Gesichtshaut sowie in den Augenlid- und -bindehäuten, Einblutungen an der rechten Halsseite und am Kehlkopf sowie teils gruppiert stehende, insgesamt aber eher diffus verteilte Punktblutungen in der Halshaut ohne Einblutungen im Unterhautfettgewebe bzw. in der Halsmuskulatur, sowie ein intaktes, noch elastisches Kehlkopf- und Zungenbeinskelett gezeigt hätten. Zudem seien eine erhebliche Blähung der zudem massiv blutgestauten Lungen, klein- bis grobfleckigen Blutungen unter dem Lungenfell und eine Hirnvolumenvermehrung mit Zeichen des Hirndrucks festgestellt worden. In den oberen Extremitäten hätten sich Einblutungen, die zumindest teilweise als Haltegriff-, teilweise aber auch als passive Abwehrverletzungen interpretiert werden können, gefunden.
(2) Todesursache
Der Sachverständige führte weiter aus, dass N. L… ausgehend von den Ergebnissen der rechtsmedizinischen Leichenöffnung infolge zentraler Lähmungen nach – mutmaßlich flächiger – Kompression der Halsweichteile, also im Sinne eines „Würgens“, möglicherweise in Verbindung mit einer sogenannten weichen Bedeckung durch ein Kissen, mit ausgeprägter oberer Einflussstauung auf gewaltsame Weise zu Tode gekommen sei.
(3) Rückschlüsse auf das Tatgeschehen
Eine Feststellung dahingehend, auf welche Art und Weise diese flächige Kompression ausgelöst worden sei, so der Sachverständige, könne nicht getroffen werden. Grundsätzlich spreche der Umstand, dass an der Halshaut der Getöteten äußerlich kaum Verletzungen und auch keine aktiven Abwehrverletzungen feststellbar seien, für ein sog. „Unteramwürgen“ in Bauchlage. Insbesondere wies der Sachverständige in diesem Zusammenhang darauf hin, dass an der Oberseite sowie im Halsbereich des Leichnams bereits Totenflecke voll ausgeprägt gewesen seien, was auf eine längere Liegezeit, von ca. zwei bis drei Stunden, in Bauchlage hindeute. Hinsichtlich der Auffindesituation des rechten Armes des Tatopfers, seitlich nach oben hin wegstehend, sei es möglich, dass der Arm in Bauchlage auf einem Kissen aufgelegt oder aufgestützt gewesen sei und sich in dieser Position die Leichenstarre ausgebildet habe. Insoweit nahm der Sachverständige Bezug auf die in Augenschein genommenen Lichtbilder Bild 1-3 und 13 des Sonderbandes „Lichtbilder“, Lichtbildtafel Schlafzimmer/Geschädigte, auf die hinsichtlich der Einzelheiten in Bezug auf die Haltung des rechten Armes verwiesen wird.
Allerdings könne ein Würgen – auch in Rückenlage – in Kombination mit einer weichen Bedeckung der Atemwege, beispielsweise durch ein Kissen, nicht ausgeschlossen werden. Auch eine solche Vorgehensweise könne erklären, dass keine extremen Einblutungen an der Halsseite und auch keine Beschädigung des Zungenbeins vorlägen. Eine bloße Einwirkung mit einer weichen Bedeckung sei dagegen aufgrund der vorliegenden Einblutungen am Hals aus rechtsmedizinischer Sicht nicht anzunehmen.
In Bezug auf die Zeitdauer der Einwirkungshandlung führte der Sachverständige aus, dass bei einem kompletten Verschluss der Atemwege nach fünf bis acht Sekunden Bewusstlosigkeit eintrete. Bis zu einer Zeitdauer von drei Minuten sei der herbeigeführte Sauerstoffmangel noch reversibel. Ab einer Zeitdauer von drei Minuten würden bei Sauerstoffmangel irreversible Hirnschäden auftreten. Durch den Sauerstoffmangel komme es zu Schäden an den Nervenzellen und einer Flüssigkeitseinlagerung im Gehirn. Die dadurch bewirkte Volumenmehrung im Bereich des Gehirns führe zu Druckschäden. Aufgrund der Sauerstoffunterversorgung bilde sich, wie auch im vorliegenden Fall, ein Hirnödem, das schließlich zu einer zentralen Lähmung geführt habe.
Die Zeitdauer ab Beginn des Würgens bis zu einem Eintritt der zentralen Lähmung könne nicht genau eingegrenzt werden, da die Intensität der Kompression der Atemwege und der Halsvenen in Bezug auf die gesamte Dauer des Würgens nicht nachzuvollziehen sei. Üblicherweise sei es dem Täter aber bei einem Würgen nicht möglich, kontinuierlich den Druck auf die Halsweichteile aufrechtzuerhalten, weshalb die Tathandlung bei einem Erwürgen typischerweise fünf bis fünfzehn Minuten andauere und ein Zeitraum unter drei Minuten unwahrscheinlich sei.
Jedenfalls sei vorliegend mindestens von einer Würgedauer von zwei bis drei Minuten auszugehen, da bei der Getöteten eine Zyanose der Gesichtshaut sowie zahlreiche Blutungen in der Gesichtshaut, in den Augenlid- und -bindehäuten festzustellen seien. Bei einer flächigen Kompression, von der hier angesichts des Verletzungsbildes auszugehen sei, komme es nicht zu einem vollständigen Verschluss der Atemwege. Dafür, dass das Tatopfer noch versucht habe, Luft zu bekommen, sprächen auch die die bestehenden Erstickungszeichen, insbesondere die erhebliche Blähung der Lunge. Es sei daher auch nicht anzunehmen, dass reflektorische Mechanismen vorgelegen hätten, die die körperliche Reaktion auf das Würgen derart verkürzt hätten, dass von einer Mindestwürgezeit von unter zwei Minuten auszugehen wäre.
(4) Kein Unfall
Die Kammer kann daher ausschließen, dass die Ursache für den Tod von N. L… – so wie seitens der Verteidigung angeführt – von dem Angeklagten während des Geschlechtsverkehrs unabsichtlich gesetzt worden sei, also durch eine bewusste, aber ohne Tötungsvorsatz erfolgte, oder auch eine unbewusste, möglicherweise in Folge sexueller Ekstase von ihm unbemerkte Kompression des Halses, gegen die sich die Getötete – wiederum im Kontext des Geschlechtsverkehrs – zunächst nicht wehrte und dann, bevor sie einen Willen zur Abwehr bilden konnte, binnen weniger Sekunden bewusstlos geworden sei.
Der Sachverständige führte in diesem Zusammenhang aus, dass ein Würgen im Schlaf oder ein versehentliches Würgen im Rahmen des Geschlechtsverkehrs aus rechtsmedizinischer Sicht ausgeschlossen werden könne, da der Schlafende oder versehentlich Gewürgte spätestens dann, wenn er zunehmend Atemnot verspüre, selbst wenn er bis dahin geschlafen haben sollte, sich dagegen wehre. Dass eine Bewusstlosigkeit innerhalb weniger Sekunden eingetreten sei, sei aufgrund der obigen Ausführungen ohnehin nicht anzunehmen.
Auch aus dem Fehlen massiverer Abwehrverletzungen könne nicht darauf geschlossen werden, dass die Getötete es zumindest anfänglich, also bis zum Eintritt der Bewusstlosigkeit, hinnahm, gewürgt oder sonst der Atemluft beraubt zu werden, da bei einem Erwürgen in Bauchlage kaum Abwehrmöglichkeiten seitens des Opfers bestünden. Für ein Erwürgen in einer derartigen Position spreche auch der Umstand, dass sich der Leichnam, wie bereits ausgeführt, längere Zeit in Bauchlage befunden haben muss. Der Leichnam sei erst nach mehreren Stunden in die Rückenlage verbracht worden, in der er letztlich aufgefunden worden sei. Auch die Druckmarken an den Oberarmen der Getöteten könnten teilweise als Haltegriff-, teilweise aber auch als passive Abwehrverletzungen interpretiert werden. Zwar hätten diese beim Umlagern der Leiche entstehen können, aber eben auch im Rahmen der Tathandlung.
(5) Todeszeitpunkt
Der Sachverständige wies weiter darauf hin, dass rechtsmedizinisch keine exakte Eingrenzung des Todeszeitpunkts möglich sei. Vielmehr lasse sich die Todeszeit nur grob bestimmen. Ausgangspunkt hierfür sei die durch den Rechtsmediziner Bauer vor Ort am 04.12.2019 um 22:28 Uhr im Rektum bestimmte Leichentemperatur von 30,6 °C und eine gemessene Umgebungstemperatur von 20,1 °C. Nach der sogenannten Leichenliegezeitbestimmung ergebe sich danach unter Berücksichtigung eines Korrekturfaktors von 1,2, der aufgrund der Teilbedeckung der Leiche mit einer dicken Decke und dem Aufliegen des Leichnams auf einer Matratze anzusetzen sei, sowie eines Körpergewichts von 68 kg ein rechnerischer Mittelwert für die Leichenliegezeit von 13,1 Stunden. Bezogen auf den Zeitpunkt der Leichentemperaturmessung und unter Berücksichtigung einer Standardabweichung von +/- 2,8 Stunden resultiere daraus zunächst mit 95% Wahrscheinlichkeit ein rechnerischer Todeszeitraum von 06:30 Uhr bis 12:10 Uhr des 04.12.2019. Bei diesen Zeiträumen handle es sich aber nur um Richtwerte. Da der Leichnam zudem nachweislich bewegt worden sei und auch keine Aussage dazu getroffen werden könne, wann der Leichnam bedeckt oder ggfs. wieder abgedeckt worden sei, sei eine exakte Bestimmung der Todeszeit nicht möglich. Ein Todeszeitpunkt zwischen 00:00 Uhr und 04:00 Uhr oder auch in den Abendstunden des Vortages lasse sich mit der nach dem Auffinden festgestellten Leichentemperatur ohne weiteres vereinbaren.
(6) Bewertung durch die Kammer
Den Ausführungen des Sachverständigen, der über erhebliche Berufserfahrung verfügt und dessen Sachkunde nicht zweifelhaft ist, hat sich die Kammer aufgrund eigener kritischer Würdigung angeschlossen. Seine Ausführungen waren in sich schlüssig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei. Er wurde von der Kammer bereits wiederholt zugezogen und hat seine Ausführungen zu den an ihn gerichteten Fragestellungen stets anschaulich und verständlich gemacht. Dies gilt auch vorliegend, zumal er die von ihm festgestellten Befunde auch anhand der bei der Obduktion gefertigten und im Rahmen der Gutachtenserstattung in Augenschein genommenen Lichtbilder erläuterte. Auf die bereits näher bezeichneten Lichtbilder wird hinsichtlich der Einzelheiten gemäß § 267 Abs. 1 S. 3 StPO ergänzend verwiesen.
b. Täterschaft des Angeklagten
An der Täterschaft des Angeklagten bestehen keine vernünftigen Zweifel.
Der Angeklagte ließ sich im Rahmen seiner Exploration gegenüber dem Sachverständigen Dr. G… dahingehend ein, dass er sich in der Nacht 03.12./04.12.2019 alleine mit N. L… in deren Wohnung aufgehalten, mit dieser gemeinsam Alkohol konsumiert und Geschlechtsverkehr gehabt habe. Diese Angaben des Angeklagten erachtet die Kammer für glaubhaft. Zum einen machte der Angeklagten diese Angaben auch gegenüber seinem Sohn D. noch am Nachmittag des 04.12.2019 im Uniklinikum R.. Zum anderen können die Angaben auch durch die vorgefundene Spurenlage objektiviert werden. Die aufgefundenen Gläser und Alkoholika auf dem Wohnzimmertisch sowie die festgestellten Blutalkoholkonzentrationen bei dem Angeklagten und der Getöteten belegen einen entsprechenden Konsum. Der stattgefundene Geschlechtsverkehr ist durch die im Bereich des äußeren Genitals sowie im Scheidenvorhof der Getöteten nachgewiesenen Spuren weißen Sekrets, welches die DNA des Angeklagten enthält, nicht zweifelhaft. Letztlich wurde eine Vielzahl von Blutspuren in der Wohnung festgestellt, welche eindeutig dem Angeklagten zuzuordnen sind.
Die Kammer ist davon überzeugt, dass N. L… allein infolge des Würgens durch den Angeklagten verstorben ist und dritte Personen für ihren Tod in keiner Weise ursächlich oder mitursächlich wurden. Es haben sich keine Anhaltspunkte für die Täterschaft einer dritten Person ergeben. Auch der Angeklagte selbst machte keine diesbezüglichen Angaben.
c. Tatzeitraum
Die genaue Tatzeit ist nicht feststellbar, zumal eine rechtsmedizinische Bestimmung der konkreten Todeszeit nicht möglich war. Die Kammer ist jedoch davon überzeugt, dass N. L… in der Zeit zwischen dem 03.12.2019 gegen Mitternacht und dem 04.12.2019, 04:09 Uhr getötet wurde.
Dass N. L… am 03.12.2019 um 23:54 Uhr noch lebte, schließt die Kammer aus dem Inhalt einer Äußerung des Angeklagten, die von dem Sprachsteuerungsgeräts Alexa zu diesem Zeitpunkt aufgezeichnet worden war. Aus dieser Tonsequenz ergibt sich trotz des nicht vollständig erfassbaren Inhalts, dass der Angeklagte zu einer im Raum befindlichen Person, also zu dem späteren Tatopfer spricht.
Spätester Todeszeitpunkt ist zur Überzeugung der Kammer der Beginn der Manipulationshandlungen des Angeklagten nach der Tat, als er am 04.12.2019 ab 04:09 Uhr den Austausch von WhatsApp-Nachrichten zwischen ihm und dem Tatopfer fingerte.
Um 04:09 Uhr schrieb er auf dem Mobiltelefon der Getöteten: „ICH LIEB DICH SO SEHR“. Um 04:13 Uhr verfasste er auf seinem Handy folgende Nachricht: „Ich Liebe dich auch“. Um 04:28 Uhr antwortet er wiederum auf dem Mobiltelefon von N. L…: „ICH LIEBE dich aucb“. Es folgen um 04:30 Uhr, um 04:31 Uhr, um 04:32 Uhr und um 04:33 Uhr weitere Nachrichten, die jeweils lediglich eine nicht sinnergebende Aneinanderreihung von Buchstaben beinhalten. Um 04:38 Uhr schreibt der Angeklagte wieder auf dem Mobiltelefon der Getöteten: „Ich fahre lost? Bis glei bsicb“. Die letzte Nachricht um 04:39 Uhr enthält wiederum nur eine sinnlose Buchstabenkombination.
Nach dem Inhalt der Nachrichten, vor dem Hintergrund, dass beide Telefone während des ganzen scheinbaren Dialogs in derselben Mobilfunkzelle eingeloggt waren, beide Geräte am 04.12.2019 am Wohnzimmertisch der Wohnung sichergestellt wurden und auch sonst keinerlei Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass entweder der Angeklagte oder N. L… die Wohnung verlassen hatten, war auszuschließen, dass es sich bei den Nachrichten um einen Dialog zwischen N. L… und dem Angeklagten handelte. Die sinnlose Aneinanderreihung von Buchstaben in den Nachrichten ab 04:30 Uhr wäre bei N. L… als gedachter Verfasserin zudem kaum erklärbar. Sie lässt sich aber gut vereinbaren mit dem Bild des durch die Tat affektiv erregten, zunehmend alkoholisierten und panisch reagierenden Angeklagten.
Die Kammer ist deshalb überzeugt, dass sämtliche Nachrichten von dem Angeklagten selbst verfasst wurden – möglicherweise um hinsichtlich des zuvor erfolgten Tatgeschehens falsche Spuren zu legen.
Da der Angeklagte die Wohnung der Getöteten zwischen 23:00 Uhr und 24:00 Uhr betrat und N. L… um kurz vor 24:00 Uhr noch lebte, muss die Tat in dem Zeitraum zwischen 24:00 Uhr und 04:09 Uhr erfolgt sein. Ein Todeszeitpunkt zwischen 24:00 Uhr und 04:09 Uhr wäre, wie bereits ausgeführt, auch aus rechtsmedizinischer Sicht möglich.
d. Kein Unfallgeschehen
Wie bereits ausgeführt ist aufgrund der die Kammer überzeugenden Darlegungen des Sachverständigen Prof. B… auszuschließen, dass N. L… durch eine versehentliche, also vom Angeklagten in der konkreten Situation nicht bemerkte Kompression des Halses Tode gebracht wurde.
Die Kammer schließt darüber hinaus aus, dass sich N. L… in dieser Nacht zur Steigerung ihrer sexuellen Erregung damit einverstanden erklärt hatte, dass der Angeklagte sie würgt, oder der Angeklagte irrtümlich von einem so motivierten Einverständnis ausgegangen war und sich ihr Tod als ungewollte Folge eines solchen einverständlichen Würgens darstellt.
Für ein solches Geschehen fehlen aber jegliche konkrete Anhaltspunkte. Ein solches Szenario war lediglich deshalb zu erörtern, weil der Angeklagte gegenüber dem Sachverständigen Dr. G… angegeben hatte, dass er sich zwar an das weitere Geschehen nach dem gemeinsamen Geschlechtsverkehr nicht erinnern könne, aber N. gerne harten Sex gehabt und es gemocht habe, wenn er sie würgte. Sie habe daher oft Halstücher getragen, um die dadurch verursachten Verletzungen im Halsbereich zu verdecken.
Gegen einen solchen Tathergang sprechen in gewisser Weise schon die Darlegungen des Sachverständigen Prof. Dr. B…, wonach eine Bewusstlosigkeit nicht innerhalb weniger Sekunden eingetreten sei und die Getötete sich daher auf jeden Fall noch habe wehren können.
Vor allem aber bekundeten die früheren Partner der Getöteten, die Zeugen R. P. und H. G… in der Hauptverhandlung glaubhaft, dass N. L… keine dahingehenden Vorlieben gehabt habe. Die Zeuginnen G…, S…, D… und K… berichteten übereinstimmend, dass die Getötete mit Ihnen sehr offen auch über ihr Sexualleben gesprochen, aber niemals derartige Praktiken auch nur erwähnt habe. Es sei ihnen auch nicht aufgefallen, dass N. regelmäßig Halstücher getragen habe und sie hätten auch nie Verletzungen im Halsbereich bemerkt.
e. Tötungsvorsatz
(1) Der Kammer erscheint es naheliegend, dass der Angeklagte durch eine mehrere Minuten andauernde Kompression des Halsbereiches den Tod von N. L… herbeiführen wollte, also im Hinblick den Todeseintritt absichtlich handelte.
Sichere Feststellungen dahin, dass der Angeklagte mit seinem Vorgehen andere Zwecke verfolgt haben könnte, konnten nicht getroffen werden. Vielmehr spricht auch die festzustellende Motivlage für eine absichtliche Tötung.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme hatte der Angeklagte zu einem früheren Zeitpunkt vor dieser Tat weder gegenüber M. H… noch gegenüber M. E… oder – mit Ausnahme der Nötigungshandlung am 23.11.2019 – gegenüber N. L… explizite körperliche Gewalt ausgeübt. Die Zeuginnen H… und E… berichteten, den Angeklagten in emotionalen Stresssituationen erlebt zu haben. Dabei habe er einen beängstigenden Blick gehabt und sei vielleicht auch einmal laut geworden. Zu körperlichen Übergriffen sei es aber auch in den Trennungsphasen nie gekommen. Auch in sexueller Hinsicht habe der Angeklagte nie eine Vorliebe für körperliche Gewalt erkennen lassen – weder in Form von Würgespielen noch in anderer Form.
Der Angeklagte neigt mithin weder in emotionalen Stresssituationen noch in Kontext der Sexualität zu körperlicher Gewalt. Dass sich der Tod von N. L… als unbeabsichtigte Folge eines anders motivierten Gewaltexzesses darstellt ist von daher eher fernliegend.
Weil, wie bereits ausgeführt, die zum Tod führende Kompression der Atemwege des Tatopfers weder mit dessen – und sei es auch nur anfänglichem – Einverständnis erfolgte noch sich in anderer Weise als Unfall darstellt, handelt es sich um eine gezielte Gewalthandlung. Den motivatorischen Hintergrund für diese gegen N. L… gerichtete Gewalthandlung bildete zweifellos der von ihr geäußerte Wunsch, sich von dem Angeklagten zu trennen. Weil andere mögliche Konfliktpunkte in der Beweisaufnahme nicht zu Tage getreten sind und insbesondere auch von dem Angeklagten nicht behauptet wurden, ist auszuschließen, dass N. L… sich in der Tatnacht zu einer Fortsetzung der Beziehung mit dem Angeklagten bereit erklärte. Den Angaben des Angeklagten gegenüber seinem Sohn, wonach es zwischen ihm und N. L… zu einem Streit gekommen war, kann daher insoweit gefolgt werden, auch wenn andere Schilderungen des Angeklagten zum Verlauf des Abends und der Nacht als widerlegt anzusehen sind.
Der von dem Tatopfer geäußerte Trennungswunsch und die bereits erfolgten Versuche, eine Trennung auch zu vollziehen, konnten vor dem Hintergrund der besonderen Persönlichkeitsstruktur des Angeklagten für diesen ein Anlass sein, N. L… zu töten. Der Angeklagte, dessen Persönlichkeit durch Egozentrizität und mangelnde Empathiefähigkeit geprägt ist, war – auch weil es ihm nicht gelingt, sein eigenes, seine Partnerinnen belastendes Verhalten zu reflektieren – schon in der Vergangenheit nicht in der Lage, den Trennungswunsch seiner Partnerinnen anzuerkennen. Dieses Verhaltensmuster wiederholte sich spätestens seit Ende November 2019 in der Beziehung zu N. L… Der Angeklagte wollte sich nicht damit abfinden, erneut von einer für ihn emotional bedeutsamen Person verlassen zu werden. Das schon während der noch laufenden Beziehung zu Tage getretene Kontrollbedürfnis kann, so der Sachverständige Dr. G…, in der Tötung von N. L… seinen maximalen Ausdruck gefunden haben – selbst um den Preis, dass er dadurch seine Partnerin endgültig verlieren würde; zumal vor dem Hintergrund, dass der Angeklagte fürchten musste, wegen der Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe durch das Amtsgericht Deggendorf am 06.11.2019 und, nach einem im Fall der Rechtskraft dieses Urteils wahrscheinlichen Bewährungswiderruf, auch wegen der durch das Amtsgericht Straubing mit Urteil vom 02.04.2019 verhängten Freiheitsstrafe über längere Zeit inhaftiert zu werden und so jeglicher Möglichkeit der Kontrolle des Tatopfers beraubt zu werden.
Für ein dahingehendes Tötungsmotiv könnte auch sprechen, dass der Angeklagte am 23.11.2019 gegenüber der Zeugin B. D., wie diese glaubhaft berichtete, geäußert hat, „wenn ich sie nicht bekomme, soll sie niemand bekommen“.
Andererseits lässt sich nicht mit Sicherheit feststellen, welcher situative Kontext die Tat konkret ausgelöst hat. Letztlich kann die Kammer nicht ausschließen, dass N. L… nach einem zumindest in der Wahrnehmung des Angeklagten einvernehmlichen Geschlechtsverkehr auf ihrem Trennungswunsch beharrte und die Enttäuschung und Verzweiflung über die neuerliche Zurückweisung in dieser Situation den konkreten Auslöser der Tat bildete, da das Verhalten der Getöteten in der Wahrnehmung des Angeklagten zumindest widersprüchlich erschienen sein konnte oder in ihm sogar die Hoffnung auf eine Fortsetzung der Beziehung genährt hatte.
Zudem konnte die Kammer nicht ausschließen, dass der Angeklagte bei einer Kontrolle des Mobiltelefons von N. L… bemerkt hatte, dass diese in den Tagen zuvor wieder den Kontakt zu ihrem früheren Lebensgefährten R. P… gesucht hatte, dass er so seine stets vorhandene Vermutung, N. würde ihn betrügen, bestätigt sah und ihn dies zur Tat motivierte.
Vor diesem Hintergrund ist nicht mit der erforderlichen Sicherheit auszuschließen, dass die Tötungshandlung nicht der Wiederherstellung der Kontrolle über N. L… durch Herbeiführung ihres Todes dienen sollte, also absichtlich erfolgte, sondern in einer derart zugespitzten Situation durch den Wunsch nach körperlicher Bestrafung motiviert war.
(2) Die Kammer ist jedoch davon überzeugt, dass der Angeklagte den Tod von N. L… zumindest billigend in Kauf nahm.
Bedingten Tötungsvorsatz hat, wer den Eintritt des Todes als mögliche, nicht ganz fernliegende Folge seines Handelns erkennt (Wissenselement) und billigend in Kauf nimmt oder sich um des erstrebten Zieles willen zumindest mit der Tatbestandsverwirklichung abfindet (Willenselement) (vgl. BGH, Urteil vom 5. Dezember 2017 – 1 StR 416/17 Rn. 18; BGH, Urteil vom 05.04.2018 – 1 StR 67/18 Rn. 13). Zur Feststellung bedarf es einer Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände des Einzelfalls, in die die objektive Gefährlichkeit der Tathandlung als wesentlicher Indikator, aber auch die konkrete Angriffsweise, die Persönlichkeit des Täters, sein psychischer Zustand zum Tatzeitpunkt und seine Motive mit einzubeziehen sind (vgl. BGH, Urteil vom 13. Dezember 2017 – 2 StR 230/17 Rn. 13; BGH, Urteil vom 05.04.2018 – 1 StR 67/18 Rn. 13).
Die Kammer verkennt nicht, dass allein aus der Gefährlichkeit von Gewalthandlungen die Billigung des Tötungserfolgs nicht abgeleitet werden kann. Insoweit gibt es keinen Erfahrungssatz, wonach bei demjenigen, der lebensgefährdende Gewalthandlungen vornimmt, stets oder regelmäßig auch das subjektive Moment des (bedingten) Tötungsvorsatzes gegeben ist. Wie naheliegend ein solcher Schluss ist, ist vielmehr eine Frage des Einzelfalls unter Beurteilung der weiteren maßgeblichen Umstände.
Dabei liegt die Annahme einer Billigung nahe, wenn der Täter sein Vorhaben trotz erkannter Lebensgefährlichkeit durchführt (vgl. BGH, Urteil vom 13. Dezember 2017 – 2 StR 230/17 Rn. 13; BGH, Urteil vom 05.04.2018 – 1 StR 67/18 Rn. 13). Zwar ist auch dann, wenn der Täter den Tötungserfolg vorhergesehen hat, zu prüfen, ob er gleichwohl ernsthaft darauf vertraut hat, er werde nicht eintreten (BGH, Urteil vom 13.12.2017; 2 StR 230/17 = StraFo 2018, 127; BGH, Beschluss vom 13.08.2013, Az. 2 StR 180/13 = NStZ 2014, 84,). Bei besonders gefährlichen vorsätzlichen Gewalthandlungen kann das kognitive Element aber so weit im Vordergrund stehen, dass ein voluntatives „Vertrauen auf einen glücklichen Ausgang“ der Annahme bedingten Vorsatzes nicht entgegensteht (Fischer, StGB, 68. Aufl. 2021, § 15 Rn. 15 m.w.N.).
Das Würgen eines Menschen über mehrere Minuten ist eine äußerst gefährliche Gewalthandlung, deren Lebensbedrohlichkeit für gewöhnlich ohne weiteres erkennbar ist und die deshalb grundsätzlich darauf schließen lässt, der Täter habe den Tod des Opfers beabsichtigt oder jedenfalls billigend in Kauf genommen (BGH, Beschl. vom 27.10.2011 – 3 StR 351/11, NStZ 2012, 151 beck-online)
Dem Angeklagten war als normal intelligentem erwachsenen Menschen bekannt, dass die Unterbrechung der Sauerstoffzufuhr durch Würgen am Hals, gegebenenfalls kombiniert mit einer Bedeckung der Atemwege, zum Tod führen kann.
Der Obduktionsbefund lässt, so der Sachverständige Prof. Dr. B…, den Schluss zu, dass die Blut- und Luftzufuhr des Tatopfers nicht von Beginn an vollständig unterbunden worden war, so dass die Tathandlung über mindestens zwei Minuten, wahrscheinlich sogar deutlich länger angedauert haben muss, um, wie geschehen, den Tod des Opfers zu bewirken. Die Gefährlichkeit der Einwirkung auf den Hals zur Versorgung des Kopfes als Lebenszentrum hatte der Angeklagte direkt vor Augen. So führte der Sachverständige Prof. Dr. B… nachvollziehbar aus, dass das Tatopfer sich unter allen Umständen wehren wird, der Täter somit das Tatopfer um Luft ringen sehe, wenn es ihm nicht gelinge, jegliche Regungen des Opfers durch zielgerichtete Gewalt zu unterbinden.
Die Kammer ist sich dessen bewusst, dass je nach Sachlage Umstände gegeben sein können, die die Annahme eines bedingten Tötungsvorsatzes in Frage stellen können und die in die Erwägungen einbezogen werden müssen. Dies gilt vor allem bei Vorliegen einer erheblichen Alkoholisierung, weil hierdurch der Täter in seiner Wahrnehmungsfähigkeit beeinträchtigt gewesen sein kann, aber etwa auch bei Vorhandensein von Persönlichkeitsauffälligkeiten oder Handeln in affektiver Erregung (Fischer, 68. Aufl. 2021, § 212 StGB, Rdnr. 7a, 10a, b, 11 und 12; BGH, Beschluss vom 10.07.2007, Az. 3 StR 233/07 = NStZ-RR 2007, 307; BGH, Urteil vom 13.01.2010, Az. 2 StR 428/09 = NStZ 2010, 276; BGH, Beschluss vom 28.06.2005, Az. 3 StR 195/05 = NStZ-RR 2005, 304).
Im konkreten Fall waren jedoch die kognitiven Fähigkeiten des Angeklagten durch den vorangegangenen Alkoholkonsum jedenfalls nicht so weitgehend beeinträchtigt, dass dem Angeklagten die konkrete Lebensbedrohlichkeit einer Unterbrechung der Sauerstoffzufuhr nicht mehr bewusst gewesen wäre.
So wie es für Frage der Schuldfähigkeit keinen Erfahrungssatz gibt, wonach ab einer bestimmten Höhe der Blutalkoholkonzentration regelmäßig erheblich verminderte Schuldfähigkeit oder Schuldunfähigkeit anzunehmen wäre, kann es jedoch auch keinen Erfahrungssatz dahingehend geben, dass die Fähigkeit, die Lebensgefährlichkeit einer Unterbrechung der Sauerstoffzufuhr zu erkennen, ab einer bestimmten Höhe der Blutalkoholkonzentration nicht mehr besteht. Vielmehr ist auch hier eine Gesamtwürdigung der Umstände des Tatgeschehens und der Persönlichkeitsverfassung des Täters geboten, bei der ein errechneter BAK-Wert nur ein Indiz neben anderen möglichen Anhaltspunkten darstellt, dessen Bedeutung hinter dem Leistungsverhalten des Täters zurücktritt, und auch der Frage der Alkoholgewöhnung erhebliches Gewicht zukommt.
Anhand der insoweit maßgeblichen Umstände, ist die Kammer überzeugt, dass – wie nachstehend unter B.VIII.7. noch weiter auszuführen sein wird – bei dem Angeklagten kein schwerer, sondern allenfalls ein mittelgradiger Rausch vorlag, der auch in Kombination mit einem infolge eines aktualisierten Trennungswunsches des Tatopfers bestehenden Zustand erhöhter affektiver Erregung dessen Fähigkeit, die Todesgefährlichkeit seines Handelns zu erkennen, nicht durchgreifend beeinträchtigte.
Insoweit kommt den in der Art der Tathandlung liegenden Besonderheiten wesentliche Bedeutung zu, nämlich der Tatsache, dass der Täter, der sein Opfer würgt, dessen Todeskampf aus nächster Nähe erlebt oder – was gegen ein unreflektiertes, nur von Emotionen bestimmtes Vorgehen spräche – dessen Widerstand durch zielgerichteten Einsatz körperlicher Gewalt effektiv unterbinden muss.
Gegen eine relevante Einschränkung der Fähigkeit, die Lebensgefährlichkeit einer Unterbrechung der Sauerstoffzufuhr zu erkennen, spricht auch das Verhalten des Angeklagten im Anschluss an das eigentliche Tatgeschehen. Wie bereits ausgeführt, fingierte der Angeklagte im Zeitraum von 04:09 Uhr bis 04:38 Uhr eine Kommunikation über WhatsApp zwischen ihm und der Getöteten, indem er insgesamt neun WhatsApp-Textnachrichten auf den beiden Mobiltelefonen erstellte und versandte. Zwar waren mehrere Nachrichten durch eine sinnlose Aneinanderreihung von Buchstaben gekennzeichnet, allerdings war es dem Angeklagten durchaus möglich, auch Nachrichten mit Sinngehalt und ohne Rechtschreibfehler zu erstellen. Dieses Vorgehen lässt durchaus gewisse Sicherungstendenzen erkennen. Selbst unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Zeitpunkt der Tötungshandlung innerhalb der Zeitspanne zwischen etwa 00:00 Uhr und 04:09 Uhr nicht näher eingrenzbar ist, bis zum Absetzen der WhatsApp-Nachrichten also eine gewisse Zeit vergangen sein mag und auch die Vergegenwärtigung des Tatgeschehens zu einer gewissen Ausnüchterung geführt haben mag, fehlen doch konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die kognitive Leistungsfähigkeit des Angeklagten soweit eingeschränkt war, dass er die Todesgefährlichkeit seines Handelns verkannt haben könnte.
Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte aufgrund einer psychischen Krankheit oder den bei ihm festgestellten besonderen Persönlichkeitsmerkmalen zu dieser Erkenntnis nicht fähig war, ergaben sich nicht.
Bei der gebotenen Gesamtwürdigung steht daher für die Kammer das Vorliegen eines zumindest bedingten Tötungsvorsatzes bei dem Angeklagten zweifelsfrei fest.
Der Annahme einer vorsätzlichen Tötung steht insbesondere nicht entgegen, dass der Angeklagte weder gegen M. H… noch gegen M. E… gewalttätig geworden war, wie beide Zeuginnen glaubhaft schilderten, und sich im Hinblick auf N. L… keine Anhaltspunkte für eine über die Nötigungshandlung am 23.11.2019 hinausgehende Gewaltanwendung ergaben. Ungeachtet dessen, dass schon das Stalking-Verhalten selbst als fremdaggressiver Akt mit permanenten Grenzüberschreitungen anzusehen ist, ist es für Intimizide nicht untypisch, dass der Tötungshandlung keine anderweitige explizite Gewalt vorausgegangen war. Auch der mit dem Intimizid verbundene Verlust des Partners, den man eigentlich nicht verlieren will, ist bei Tötungen von Intimpartnern ein regelmäßig anzutreffendes Phänomen.
Erst recht steht der Annahme eines bedingten Tötungsvorsatzes nicht entgegen, dass ein konkret handlungsleitendes Tötungsmotiv nicht sicher feststellbar war, denn der mit bedingtem Vorsatz handelnde Täter verfolgt mit seiner Tat andere Zwecke.
6. Nachtatgeschehen
Die zu dem fingierten Austausch von WhatsApp-Nachrichten im Zeitraum von 04:09 Uhr bis 04:38 Uhr getroffenen Feststellungen entnahm die Kammer der im Wege des Selbstleseverfahrens eingeführten Auswertung der Mobiltelefone der Getöteten und des Angeklagten. Wie bereits unter B.VIII.5.c. ausgeführt, ist die Kammer davon überzeugt, dass der Angeklagte sämtliche WhatsApp-Nachrichten mit den vorstehend wiedergegebenen Inhalten selbst verfasste.
Die hinsichtlich der Veränderung der Leiche getroffenen Feststellungen beruhen auf den bereits vorstehend dargestellten Bekundungen der hierzu uneidlich vernommenen Zeugin Dr. B…, den in Augenschein genommenen Lichtbildern „Band „Lichtbilder“, Lichtbildtafel Schlafzimmer/Geschädigte“, Bild 1-3, 13, sowie den nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. B… hierzu.
Die Feststellungen zur Auffindung des Angeklagten und zu den Verletzungen, die er sich selbst zugefügt hatte, beruhen auf den glaubhaften Aussagen des uneidlich vernommenen Zeugen T. Z., dem Ersthelfer, und der vor Ort tätig gewesenen Rettungssanitäter M. S…, V. S… und A. S…, welche alle übereinstimmend über die Auffindesituation berichteten. Den Auffindeort beschrieb glaubhaft anhand von in Augenschein genommenen Lichtbildern (Bl. 370-377) auch die Zeugin KOKin S., die sich am Abend des 04.12.2019 zur Absuche von Spuren vor Ort befand. Auf diese Lichtbilder wird hinsichtlich der Einzelheiten gemäß § 267 Abs. 1 S. 3 StPO ergänzend verwiesen.
Die zur Selbstbeibringung der Verletzungen getroffenen Feststellungen beruhen darüber hinaus, neben der Spurenlage in der Wohnung, insbesondere den dort verteilten Blutspuren und der Sicherstellung von zwei Messern mit rotbräunlichen Antragungen im Küchenbereich, welche ausweislich des molekulargenetischen Gutachtens vom 31.01.2020 dem Angeklagten zugeordnet werden konnten, auf den gutachterlichen Ausführungen des rechtsmedizinischen Sachverständigen Prof. Dr. med. P. B. und den mit diesem in der Hauptverhandlung in Augenschein genommenen Lichtbildern (Bl. 844-854, 163-165). Auf diese Lichtbilder wird hinsichtlich der Einzelheiten gemäß § 267 Abs. 1 S. 3 StPO ergänzend verwiesen.
Der Sachverständige führte insbesondere aus, dass die Verletzungen an der linken Unterarmbeugeseite die Folgen scharfer Gewalteinwirkungen seien und z.B. durch die Einwirkung eines Messers entstanden sein könnten. Im Hinblick auf das Verteilungsmuster – überwiegend parallel und quer verlaufend -, die gruppierte Anordnung der zahlreichen Befunde und die Lokalisation an für die eigene Hand erreichbaren Stellen spreche aus rechtsmedizinischer Sicht nichts gegen eine Selbstbeibringung. Ferner spreche das Blutspurenbild in der Wohnung und im Treppenhaus dagegen, dass der Angeklagte sich tiefergehende Schnitte bereits in der Wohnung zugefügt habe. Hätte sich der Angeklagte solche Schnitte bereits in der Wohnung beigebracht, wären dort und auch im Treppenhaus deutlich größere Blutantragungen zu erwarten gewesen, sodass davon auszugehen sei, dass sich der Angeklagte in der Wohnung zunächst lediglich oberflächliche Schnitte und erst außerhalb der Wohnung dann die weiteren, tiefergehenden Verletzungen zugefügt habe. Die kratzerartigen Defekte an der linken Flanke könnten, so der Sachverständige weiter, auf einen schürfenden Kontakt mit vornehmlich spitzen bzw. entsprechend geformten Konturen – z.B. Dornen, Zweigen oder Gestrüpp – zurückgeführt werden.
Auch diesen Ausführungen des Sachverständigen vermochte sich die Kammer aufgrund eigener kritischer Würdigung anzuschließen und sie daher ihrer Beweiswürdigung zugrunde zu legen. Seine Ausführungen waren in sich schlüssig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei.
7. Alkoholisierung
Zwar führten der rechtsmedizinische Sachverständige Prof. Dr. B… und ihm folgend der psychiatrische Sachverständige Dr. G… bezüglich einer möglichen tatzeitbezogenen Alkoholisierung des Angeklagten aus, dass sich ausgehend von einer Blutalkoholkonzentration von 0,5 Promille bei einem Entnahmezeitpunkt gegen 15:00 Uhr und bei Annahme einer Tatzeit von 00:00 Uhr eine maximale Tatzeit-BAK von 3,7 Promille, bei Unterstellung einer Tatzeit von 03:00 Uhr eine maximale BAK von 3,1 Promille und einer spätesten Tatzeit von 04:09 Uhr eine maximale Tatzeit-BAK von 2,9 Promille errechne. Zur Bestimmung der maximalen Alkoholisierung sei ein Abbau von 0,2 Promille pro Stunde zuzüglich eines Sicherheitszuschlags von 0,2 Promille angenommen worden. Diese Ergebnisse würden allerdings unterstellen, dass der Angeklagte nach der Tat keinen Alkohol mehr konsumiert habe.
Die Kammer kann jedoch nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ausschließen, dass der Angeklagte noch vor der Tat solche Mengen an Alkohol konsumierte, dass daraus die vorgenannten maximalen Blutalkoholkonzentrationen resultieren konnten.
Die Zeugen M. H., M. E…, D. G…, D. E… sowie K. B… berichteten allesamt übereinstimmend, dass der Angeklagte nur ausnahmsweise und nur geringe Mengen Alkohol trank. Der Zeuge B… berichtete zwar glaubhaft, dass der Angeklagte ihm erzählt habe, dass sich sein Konsum in letzter Zeit insofern gesteigert habe, als er gemeinsam mit N. gelegentlich auch größere Mengen Alkohol trinke. Ähnlich berichtete der Angeklagte auch dem Sachverständigen Dr. G… gegenüber. Allerdings vermochte die Kammer gleichwohl auszuschließen, dass im Tatzeitpunkt eine Blutalkoholkonzentration von 2,9 Promille oder mehr vorlag, da die Getötete lediglich eine Blutalkoholkonzentration von 0,7 bis 0,78 Promille aufwies, und es fernliegend erscheint, dass der an sich wenig trinkgewohnte Angeklagte in Gegenwart der nur mäßig alkoholisierten N. L… derart große Mengen an Alkohol konsumierte. Naheliegender ist vielmehr, dass der Angeklagte und die Getötete zwar zunächst zusammen im Wohnzimmer Alkohol tranken – dafür spricht, dass die sämtlich am Wohnzimmertisch aufgefundenen Flaschen und Gläser auf einen gemeinsamen Konsum hindeuten – der Angeklagte, der sich noch längere Zeit nach der Tat in der Wohnung aufhielt, aber nach der Tötung weiter trank. Nicht auszuschließen ist gleichwohl, dass ein nicht unwesentlicher Anteil der bei dem Angeklagten festgestellten Blutalkoholkonzentration auf einen Konsum vor der Tat zurückzuführen ist. Zugunsten des Angeklagten vermochte die Kammer daher einen zur Tatzeit vorliegenden mittelgradigen Rausch nicht sicher auszuschließen.
IX. Psychiatrische Diagnose und Schuldfähigkeit
Die Kammer ist zu der Überzeugung gelangt, dass der Angeklagte hinsichtlich der Tat vom 03.12./04.12.2019 zur Tatzeit unter dem Einfluss von Alkohol vom Ausmaß eines nicht ausschließbar mittelgradigen Rausches stand. Der Angeklagte war bei Tatbegehung in der Lage, das Unrecht seiner Tat einzusehen. Die Fähigkeit nach dieser Einsicht zu handeln war jedoch aufgrund einer akuten Alkoholintoxikation im Zusammenwirken mit einer affektiven Erregung vor dem Hintergrund von tatkonstellativen Aspekten in seiner Persönlichkeit nicht ausschließbar erheblich beeinträchtigt.
1. Ausführungen des Sachverständigen
Die Feststellungen zur psychiatrischen Diagnose und zur Schuldfähigkeit des Angeklagten beruhen auf dem in sich schlüssigen, nachvollziehbaren und widerspruchsfreien forensisch-psychiatrischen Gutachten des Sachverständigen Dr. G. G., Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, Leitender medizinischer Direktor in der JVA St., das auch von zutreffenden Anknüpfungstatsachen ausgeht.
Das von dem Sachverständigen in der Hauptverhandlung erstattete Gutachten stützt sich auf die forensisch-psychiatrische Untersuchung des Angeklagten anlässlich eines Explorationstermins in der Justizvollzugsanstalt R. am 21.03.2020, die persönliche Kenntnis des Angeklagten während eines Aufenthalts in der Psychiatrischen Abteilung der JVA St. vom 09.12.2019 bis 07.02.2020, die Teilnahme des Sachverständigen an der Hauptverhandlung, die dabei durchgeführte Beweisaufnahme, die Kenntnis der Ermittlungsakten sowie angeforderte Befundberichte. Zudem berücksichtigte der Sachverständige Dr. G… bei seinem forensisch-psychiatrischen Gutachten als Teilaspekt die Ausführungen des Sachverständigen Dipl.-Psych. A. H…
a. Psychologisches Zusatzgutachten
Der Sachverständige A. H., Fachpsychologe für Rechtspsychologie, JVA St., erstattete ein testpsychologisches Zusatzgutachten zur Persönlichkeitsstruktur des Angeklagten, seiner Intelligenz und zu möglichen Hinweisen auf eine hirnorganische Störung. Das von dem Sachverständigen erstattete testpsychologische Zusatzgutachten stützt sich auf die Kenntnis der Ermittlungsakten, persönliche Gespräche mit dem Angeklagten am 17.01., am 24.01. und am 06.04.2020 und die bei den Untersuchungsterminen eingesetzten Testverfahren.
Zur Leistungsdiagnostik stellte der Sachverständige zunächst dar, dass zur Feststellung der Intelligenzleistung der Raven Matrizen-Test, der Mehrfachwahl-Wortschatz-Intelligenztest, der Benton-Test sowie der Aufmerksamkeits-Belastungs-Test zur Anwendung gekommen sei. Danach hätten sich die intellektuellen und kognitiven Fähigkeiten des Angeklagten im Durchschnittsbereich seiner Altersgruppe bei einem IQ von 109 im nonverbalen Teil und einem IQ von 92 im Verbalteil bewegt. Es hätten sich keine Hinweise auf eine irgendwie geartete cerebrale Funktionsstörung ergeben.
Hinsichtlich der Persönlichkeit des Angeklagten hätten sich bei Anwendung der einschlägigen Testverfahren (Freiburger Persönlichkeitsinventar, NEO-Persönlichkeitstest, PID 5, Narzissmus-Inventar, Bindungs-Stil-Inventar, Fragebogen zur Erfassung von Aggressivitätsfaktoren, Rosenzweigs „Picture Frustration Test) weder Belege für eine psychiatrische Erkrankung noch für eine Persönlichkeitsstörung, die diagnostische Relevanz erreichen würden, ergeben.
Es habe sich eine Persönlichkeit gezeigt, die genügend Kontrollmechanismen besitze, nicht generell zum impulsiven Agieren neige, aber nur eingeschränkt über konstruktive Konfliktlösungsmechanismen verfüge. Im Allgemeinen zeige sich eine nur vordergründig stabile Persönlichkeit, die tiefergehende Insuffizienzgefühle zu verbergen versuche, hohe Leistungsanforderungen an sich selbst stelle und Abhängigkeitsgefühle abzuwehren versuche. Deutlich werde eine erhöhte Trennungsangst, Angst, ein Objekt zu verlieren, das dem eigenen fragilen Selbst Stärke verleihe. Hierbei zeige sich, so der Sachverständige weiter, ein erhöhter Neurotizismus, wonach er häufig zum Grübeln tendiere, leicht irritierbar und angespannt sei, sich verstärkt Sorgen um seine Person mache und eher selbstunsicher im Kontakt sei. Er sei leicht verletzlich, auch schnell frustriert und könne Bedürfnisse schlecht aufschieben. Er fasse rasch Vertrauen zu anderen und tendiere dazu, sich auf sie zu verlassen in der Hoffnung, dadurch Stabilität zu erhalten. In Beziehungen strebe er eine sichere Bindung an, zeige eine Neigung, den Partner zu idealisieren.
Der Sachverständige erläuterte sodann, dass sich unter dem Aspekt der Persönlichkeitsentwicklung des Angeklagten zeige, dass es dem kindlichen Selbst in der Bildung eines sog. „Urvertrauens“ gemangelt habe. Die Grundbindung zur Mutter sei defizitär gewesen und es habe an einem Vorbild partnerschaftlicher Bindung in seinem Elternhaus gefehlt. Auch in der anschließenden Heimerziehung habe das fragile jugendliche Selbst nicht die notwendige Stabilität erlangen können. Einschneidend könnte das Erlebnis des sexuellen Missbrauchs in der sensiblen präpubertären Phase bezeichnet werden, aufgrund dessen es nicht nur zu einer physischen Verletzung, sondern auch essenziell zu einem enormen Vertrauensmissbrauch gegenüber dem Kind gekommen sei.
Daraus habe sich ein grundlegendes Misstrauen in dyadische Beziehungen entwickelt.
Einerseits strebe der Angeklagte nach einer Beziehung, durch welche er seine Stabilität durch das Liebesobjekt – die Partnerin – erlange. Solche Beziehungen seien dann durch eine hohe Ambivalenz geprägt. Sie würden ihm einerseits Befriedigung bieten, wobei er in eine emotionale Abhängigkeit komme und das geliebte Objekt Stabilität verleihe, es aufgrund des klammernden Verhaltens aber zunehmend Desinteresse zeige. Diese narzisstische Kränkung, welche mit einer permanenten Labilisierung des Selbst einhergehe, konstruktiv zu bewältigen, sei dem Angeklagten bisher – trotz therapeutischer Bemühungen – nicht gelungen. Stattdessen versuche er, das Liebesobjekt zu halten, zu kontrollieren, um dadurch wieder Stabilität zu erlangen. Durch die ichbetonte Sichtweise mangele es dem Angeklagten an Einfühlungsvermögen in das Gegenüber. An erster Stelle stehe das narzisstische Bedürfnis nach Befriedigung durch Erhalt der eigenen Stabilität, die erst durch das Liebesobjekt gewonnen werde. Vor diesem Hintergrund sei das Stalkingverhalten des Angeklagten aus psychologischer Sicht ohne weiteres erklärbar.
Zusammenfassend kam der Sachverständige zu der Beurteilung, dass sich aus der Persönlichkeitsentwicklung des Angeklagten Hinweise für eine Störung des Selbst im biografischen Querschnitt ergeben. Diese Störung sei jedoch nicht als derart gravierend anzusehen, dass es im Sinne des „Psychopathologischen Referenzsystems“ zu einer Zerrüttung des individuellen Werte- und Persönlichkeitsgefüges bei dem Angeklagten gekommen sei, da er Kompensationsmöglichkeiten besitze. Es sei bei ihm aus fachpsychologischer Sicht nicht von einer forensisch relevanten „schweren anderen seelischen Abartigkeit“ im Sinne der §§ 20,21 StGB auszugehen.
Die Kammer hat keine Bedenken, dass der Sachverständige Dr. G… die Ergebnisse der testpsychologischen Zusatzbegutachtung bei seiner Gutachtenserstattung als Teilaspekt berücksichtigen konnte. Denn die Ausführungen des Sachverständigen Dipl.-Psych. H… waren in sich schlüssig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei. Sie wurden von dem forensisch-psychiatrischen Sachverständigen nicht in Frage gestellt und stehen auch nicht im Widerspruch zu den von dem Sachverständigen Dr. G… unabhängig davon selbst vorgenommenen Bewertungen.
b. Forensischpsychiatrisches Sachverständigengutachten
Die weitere Beurteilung zur psychiatrischen Diagnose und zur Schuldfähigkeit beruht sodann auf dem forensisch-psychiatrischen Gutachten des Sachverständigen Dr. G… Im Rahmen seines Gutachtens gelangte der Sachverständige Dr. G… überzeugend zu dem Ergebnis, dass beim Angeklagten keine psychiatrische Diagnose gestellt werden könne, die den Eingangskriterien der tiefgreifenden Bewusstseinsstörung, des Schwachsinns oder einer schweren anderen seelischen Abartigkeit im Sinne des § 20 StGB zuzuordnen sei. Zum Tatzeitpunkt könne jedoch eine Alkoholintoxikation (ICD-10 F10.0), welche dem Eingangskriterium der krankhaften seelischen Störung im Sinne der §§ 20, 21 StGB zuzurechnen sei, nicht sicher angenommen, aber auch nicht sicher ausgeschlossen werden, sodass tatzeitbezogen eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit im Sinne des § 21 StGB aus forensisch-psychiatrischer Sicht nicht ausgeschlossen werden könne.
(1) Zum psychischen Befund verwies der Sachverständige darauf, dass der Angeklagte zum Untersuchungstermin wach, bewusstseinsklar und zu allen Qualitäten orientiert gewesen sei. Die ihm gestellten Fragen habe er differenziert beantwortet, hierbei allerdings ein insgesamt nur begrenztes Introspektionsvermögen gezeigt, insbesondere die Fähigkeit zur Selbstkritik sei vermindert erschienen. Sich selbst habe er als aufopfernd beschrieben, als hilfsbereit, fleißig, zuverlässig, mit einem guten Durchhaltevermögen und großem handwerklichen Geschick. Ernsthafte finanzielle Schwierigkeiten habe er trotz hoher Schulden bestritten. Lediglich im Hinblick auf die Notwendigkeit einer Regulation von Schulden habe er eingeräumt, dass er diesbezüglich auf Unterstützung angewiesen sei. Offen habe der Angeklagte darstellen können, dass es ihm schwerfalle, sich Problemen in Partnerschaften zu stellen oder auch unangenehme Post zu lesen, gleichwohl habe er sich als konfliktbereit dargestellt, wenn Ansprüche, die er haben könnte, aus seiner Sicht von anderen missachtet würden. Eine wichtige Funktion im Selbstwerterleben habe für ihn die Frage gespielt, welche Anerkennung er von seinen jeweiligen Partnerinnen, sei es für finanzielle Zuwendung oder sexuelle Aktivitäten, bezogen habe. Seine Fähigkeit zum Perspektivenwechsel sei defizitär erschienen, wichtige Bezugspersonen habe der Angeklagte nicht charakterisieren können. Einen sehr hohen Stellenwert habe bei ihm die emotionale Bindung an seine jeweiligen Partnerinnen eingenommen, insbesondere habe das Gefühl der Liebe große Bedeutung gehabt, welches von ihm ebenfalls wenig differenziert beschrieben worden sei. Unverständlich sei für ihn, wenn Partnerinnen kein Interesse hätten, mit ihm die gesamte Freizeit zu verbringen. Die insbesondere zu Beginn der Exploration demonstrativ gedrückte Stimmungslage habe sich im weiteren Verlauf zurückgebildet, gelegentlich sei es dem Angeklagten sogar gelungen, zu lächeln oder zu fragen, wie denn nun das Gericht voraussichtlich entscheiden werde. Diese Frage sei zunehmend drängend und mit leisem Protest vorgebracht worden, wenn ihm erklärt worden sei, dass dies der Sachverständige nicht beantworten könne. Letztendlich sei eine regelrechte emotionale Modulationsfähigkeit zu erkennen gewesen. Rückblickend hätten Phasen anhaltend deprimierter Stimmungslage, insbesondere im Kontext des Scheiterns von partnerschaftlichen Beziehungen, exploriert werden können. Der Angeklagte habe zurückliegende Phasen gehobener Stimmung beschrieben, welche jedoch nicht eindeutig die Kriterien einer manischen Episode erfüllen würden. Bei anhaltender Sorge vor dem möglichen Scheitern wichtiger Beziehungen bzw. dem Verlust wichtiger Bezugspersonen habe er das Auftreten phobischer Ängste bestritten. Zwänge habe er im Sinne gelegentlicher Grübelneigung, nicht aber im Sinne anhaltender Zwangsgedanken oder Zwangshandlungen berichtet. Für Halluzinationen, Wahnerleben oder psychotische Ich-Störungen hätten sich keine Hinweise ergeben. Von akuten Suizidabsichten sei der Angeklagte weiterhin glaubhaft distanziert gewesen.
(2) Hinsichtlich der Primärpersönlichkeit des Angeklagten resümierte der Sachverständige, dass die Persönlichkeitsentwicklung erkennen lasse, dass ein Wunsch nach verlässlichen Beziehungen zu einer Frau im Leben von dem Angeklagten einen sehr hohen Stellenwert eingenommen habe. Vor dem Hintergrund einer eher geringen Frustrationstoleranz und mangelnden Fähigkeit, Bedürfnisse aufzuschieben, habe mit Beginn der Krise in seiner Ehe die Sorge zugenommen, seine Partnerin zu verlieren. Im Rahmen einer unzureichenden Introspektionsfähigkeit seien adäquate Lösungsstrategien zur Bewältigung von Konflikten kaum vorhanden, mit der Folge, dass der Angeklagte als Strategie zur Bewältigung seiner Ängste vor dem Verlust seiner Partnerin, sich für Kontrolle und nachstellendes Verhalten entschieden habe. Eine selbstkritische Reflexion dieses Verhaltens sei ihm nur eingeschränkt möglich, selbst strafrechtliche Interventionen, psychotherapeutische Behandlungen oder auch das Drängen seiner Partnerin hätten nicht zu einer Korrektur dieses Verhaltens geführt. Gleichwohl identifiziere sich der Angeklagte mit dem Bild eines sportlichen, fleißigen, zu Perfektionismus neigenden, hilfsbereiten, großzügigen und durchsetzungsfähigen Mannes, der bei Konflikten mit Kontrahenten die Auseinandersetzung nicht scheue, nach Dominanz strebe und hin und wieder bereit sei, ein Risiko einzugehen. Er sei auch bereit gewesen, sich über die Grenzen des geltenden Rechts hinwegzusetzen. Andererseits habe er versucht, Ängste vor Abhängigkeit von potenziell unzuverlässigen Bezugspersonen zu leugnen und die Verantwortung für unangenehme Gefühle zu externalisieren. Trotz dieser Einschränkungen seien eine hinreichende kognitive Flexibilität und ausreichende Hemmungs- und interne Kontrollmechanismen erkennbar gewesen, zumal der Angeklagte immer wieder Bereitschaft zeige, sich Hilfe zu holen oder trotz inneren Widerstands seinen Partnerinnen Freiraum zu gewähren. Der Sachverständige erläuterte, dass für die Persönlichkeitsentwicklung des Angeklagten anzunehmen sei, dass die Rolle seiner Mutter möglicherweise einen ungünstigen Einfluss gehabt habe, da eine instabile Bindung an die Mutter zu Defiziten in der Persönlichkeitsentwicklung führen könne. Auch das von dem Angeklagten berichtete Erlebnis eines sexuellen Missbrauchs durch einen Geistlichen, der ihn anal penetriert haben solle, könnte zu einer erheblichen Störung der Beziehungsfähigkeit geführt haben.
Vor dem Hintergrund einer Fähigkeit, langjährig stabile partnerschaftliche Beziehungen gestalten zu können, kontinuierlich einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, Interesse an zahlreichen Freizeitaktivitäten und tragfähigen Beziehungen innerhalb der Familie wie auch am Arbeitsplatz ließen sich, so der Sachverständige, bei dem Angeklagten trotz wiederholter Delinquenz und einer Neigung zu Nachstellungen im Kontext von Partnerschaftskrisen, keine Hinweise für eine Persönlichkeitsstörung erkennen. Es handele sich angesichts der zahlreichen prosozialen Aktivitäten aus psychiatrischer Sicht nicht um eine charakteristische, deutliche und dauerhafte Abweichung von inneren Erfahrungs- und Verhaltensmustern.
(3) Weiter führte der Sachverständige aus, dass sich keine Hinweise für eine Alkoholabhängigkeit zum Tatzeitpunkt ergeben hätten.
Der Angeklagte habe von einem gelegentlichen Alkoholkonsum im Verlauf der Jugend berichtet, die Wirkung habe ihm allerdings nicht zugesagt. Im Kontext von Alkoholkonsum sei es, so habe es der Angeklagte berichtet, zuletzt 1994 zu einer gewalttätigen Auseinandersetzung bei einem Diskothekenbesuch gekommen. Nach dem Scheitern seiner Ehe habe ab etwa 2012 ein regelmäßiger Konsum von einem Glas Wein in der Beziehung mit M. H… und eine Steigerung des bis dahin noch unregelmäßigen Konsums auf zwei bis drei Gläser bei Besuchen von M. E… stattgefunden. Zu einer deutlichen Steigerung des Konsums sei es in der Beziehung zu Frau L… gekommen, wobei der Angeklagte den übermäßigen Alkoholkonsum von N. L… kritisiert habe. Dies zeige, dass exzessiver Alkoholkonsum von dem Angeklagten zumindest nicht idealisiert werde. Einen plausiblen Grund, aus welchem der Alkoholkonsum sich in einem derart erheblichen Ausmaß gesteigert haben solle, habe der Angeklagte nicht benennen können. Der Angeklagte habe berichtet, dass Alkoholkonsum ein zentraler Bestandteil der gemeinsam verbrachten Freizeit gewesen sei, sodass, so der Sachverständige, im Rahmen einer Neigung zur dependenten Beziehungsgestaltung möglicherweise eine Vorstellung, seine Partnerin stärker an sich durch gemeinsame Interessen, wie eine Vorliebe für Spirituosen, binden zu können, das Ausmaß des Alkoholkonsums beeinflusst habe. Typische weitere Motive zum Alkoholkonsum, wie das Überwinden von Hemmungen, Stimulationsbedürfnis, Abbau emotionaler Spannungen oder das Verhindern von Langeweile würden wenig wahrscheinlich erscheinen, da ein Zusammenhang zwischen Alkoholkonsum und sexuellen Aktivitäten ebenso wie Langeweile oder relevante emotionale Belastungen von dem Angeklagten bestritten worden seien. Ein intrinsisches Bedürfnis nach Alkoholkonsum in der Zeit der Beziehung zu N. L… sei ebenfalls explizit bestritten worden. Wenn er allein in seiner Wohnung gewesen sei, habe er keinen Alkohol getrunken. Ein Verlangen nach Alkohol sei zum Zeitpunkt der Untersuchung ebenfalls bestritten worden. Der Sachverständige ergänzte, dass ein regelmäßiger exzessiver Alkoholkonsum zudem unwahrscheinlich sei, da im Rahmen von Laboruntersuchungen am 10.12.2019 nach der Aufnahme in der psychiatrischen Abteilung der JVA St. keine pathologisch erhöhten Leberwerte festzustellen gewesen seien. Ein von dem Angeklagten beschriebener Tremor der linken Hand könne nicht als Ausdruck von Entzugssymptomen gewertet werden, da er nur einseitig aufgetreten sei und zudem nicht von relevanten vegetativen Entzugssymptomen begleitet worden sei.
Der Sachverständige verwies darauf, dass gemäß ICD-10 für die Diagnose einer Abhängigkeit mindestens drei oder mehr der hierfür maßgeblichen Diagnosekriterien innerhalb eines Jahres nachweisbar sein müssten, nämlich:
a) ein starkes Verlangen nach Konsum,
b) Kontrollverlust,
c) ein körperliches Entzugssyndrom bzw. das Verhindern von Entzugssymptomen,
d) Toleranzentwicklung,
e) Einengung des Verhaltens auf den Substanzgebrauch,
f) ein anhaltender Substanzgebrauch trotz eindeutig schädlicher Folgen.
Von diesen Diagnosekriterien seien im Fall des Angeklagten die Kriterien b) und d) zu diskutieren, da der Alkoholkonsum möglicherweise zu Ausfällen bei der Arbeitstätigkeit geführt habe, auch eine Toleranzentwicklung sei naheliegend, wenn regelmäßig größere Mengen hochprozentiger Alkoholika ohne relevante Intoxikationserscheinungen, die typischerweise auch zum Nachlassen der sexuellen Leistungsfähigkeit führen, konsumiert werden können. Ein starkes Verlangen (Kriterium a), ein körperliches Entzugssyndrom (Kriterium c), eine Einengung des Verhaltens (Kriterium e) oder anhaltender Gebrauch trotz eindeutig schädlicher Folgen (Kriterium f), seien nicht festzustellen. Da für die Diagnose einer Abhängigkeit jedoch mindestens drei Merkmale sicher vorliegen müssen, könne eine Alkoholabhängigkeit im Sinne des ICD-10 nicht belegt werden. Ebenso wenig seien die Kriterien eines schädlichen Gebrauchs gemäß dem ICD-10 erfüllt, da eindeutig schädliche Folgen durch den Konsum bislang nicht festzustellen gewesen seien.
(4) Anknüpfend an die von dem Sachverständigen Prof. Dr. B… und ihm selbst vorgenommene Rückrechnung führte der Sachverständige Dr. G… aus, dass bezogen auf eine unterstellte Tatzeit um 00:00 Uhr und bei einem vorangegangenen Konsum einer 0,7 l – Flasche Whisky im Sinne eines Sturztrunks eine maximale Blutalkoholkonzentration von 3,7 Promille nach der Widmark-Formel nachvollziehbar wäre. Da jedoch nicht bekannt sei, ob die Flasche bis zum im Übrigen nicht genau bekannten Tatzeitpunkt tatsächlich geleert worden sei, könne der genannte Wert nur als Orientierung dienen und sei allenfalls als Anhalt für eine mögliche akute Alkoholintoxikation geeignet. Letztlich komme es auf die Bewertung etwaiger weiterer Hinweise hierfür an. Der Sachverständige legte dar, dass hinsichtlich der Beurteilung des Grades der Berauschung wesentliche Aussagekraft dem Leistungsverhalten zukomme, etwa etwaigen Beeinträchtigungen von Sprache, dem Gleichgewichtssinn, der Feinmotorik und der gesamten motorischen Koordination.
Wenngleich, so der Sachverständige, eine Alkoholintoxikation aufgrund theoretisch möglicher Alkoholisierungsgrade von bis zu 3,7 Promille aus medizinischer Sicht zumindest nicht ausgeschlossen werden könne, bleibe unklar, ob eine klinisch relevante Alkoholintoxikation tatsächlich bestanden habe, da weder Zeugen noch der Angeklagte selbst Symptome einer Alkoholintoxikation im Tatzeitraum beschreiben konnten. Indirekte Hinweise auf eine Alkoholintoxikation hätten auch der Tatortbeschreibung nicht entnommen werden. Schäden am Mobiliar – beispielsweise durch Gangunsicherheit entstanden – seien nicht dokumentiert. Der Umstand, dass der Angeklagte jedoch ohne Unterhose und Socken die Wohnung verlassen habe, könnte aber ein Hinweis auf eine alkoholbedingte Störung der Aufmerksamkeit sein. Auch die Schreibfehler in der zwischen 04:09 Uhr und 04:38 Uhr erfolgten WhatsApp-Kommunikation könnten auf Koordinations- bzw. Sehstörungen hindeuten, so dass aus medizinischer Sicht eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit im Sinne des § 21 StGB nicht ausgeschlossen werden könne. Eine Aufhebung der Steuerungsfähigkeit sei sicher auszuschließen, da der Angeklagte jedenfalls noch in der Lage gewesen sei, eine WhatsApp-Kommunikation zu fingieren und diesbezügliche Überlegungen anzustellen, was für eine erhaltene Introspektionsfähigkeit spreche.
(5) Das Eingangsmerkmal der tiefgreifenden Bewusstseinsstörung im Sinne des § 20 StGB als ausschließlich situativ bedingte Trübung oder Einengung des Bewusstseins, mithin eine sog. „Affekttat“, sah der Sachverständige Dr. G… nicht als gegeben an.
Der Sachverständige führte aus, dass für eine Tatbegehung in einem hochgradigen Erregungszustand sich zwar mehrere Aspekte in der Entwicklung des Angeklagten finden würden. Seine Kindheit sei stark von der Abwesenheit seiner Mutter, der Abwesenheit seines Vaters und der Trennung von seinem Bruder geprägt gewesen, wodurch die Erfahrung, wichtige Bezugspersonen verlieren zu können, die Entwicklung des Angeklagten geprägt habe. Sexueller Missbrauch könnte in dieser Phase die Fähigkeit, Vertrauen in Beziehungen zu entwickeln, zusätzlich beeinträchtigt haben. Der Verlauf seiner bisherigen Partnerschaften zeige, dass der Angeklagte immer wieder versucht habe, seinen fragilen Selbstwert durch Aufrechterhaltung und Kontrolle dieser Partnerschaften zu definieren. Hierbei neige er zu irrationalem Verhalten und stelle seinen Partnerinnen nach, obgleich dies wiederholt polizeiliche und strafrechtliche Konsequenzen nach sich gezogen habe. Aus psychiatrischer Sicht lasse sich, so der Sachverständige, relativ deutlich eine spezifische Vorgeschichte erkennen, im Rahmen derer ein drohendes Scheitern einer Partnerschaft zu einer zunehmenden affektiven Aufladung führe. Sofern die Partnerschaft zu N. L… zu scheitern gedroht habe, wäre zusätzlich zu berücksichtigen, dass der Angeklagte im Unterschied zu früheren Trennungsphasen aktuell nicht mehr auf den unmittelbaren Rückhalt seines Sohnes habe rechnen können, der sich anlässlich der Gründung einer eigenen Familie räumlich von dem Angeklagten getrennt habe. Als zusätzliche destabilisierende Faktoren könnten eine zunehmende Belastung durch Schulden mit dem Eindruck zunehmender Hilflosigkeit oder auch eine begleitende Alkoholisierung gewertet werden.
Gegen ein Affektdelikt spreche jedoch in gewisser Weise der Umstand, dass der Angeklagte bereits in der Vergangenheit in strafrechtlicher Hinsicht wegen Gewaltdelikten in Erscheinung getreten sei, die allerdings lange zurückliegen. Allerdings könne das Stalkingverhalten des Angeklagten als ein aggressives Vorgestalten gewertet und ihm als Charaktereigenschaft zugerechnet werden. Eine aggressive Handlung im Tatablauf sei bereits bei dem Vorfall vom 23.11.2019 offenbar geworden. Schon bei diesem sei die Tatsituation durch den Angeklagten kontrolliert worden und habe er sein Stalkingverhalten fortgesetzt. Ein abrupter rechtwinkliger Tatablauf ohne Sicherungstendenzen könne deshalb auch für die Tat vom 03./04.12.2019 nicht sicher festgestellt werden. Jedenfalls sei der Angeklagte nach der Tat noch über eine erhebliche Zeit in der Wohnung verblieben, habe unter anderem die Leiche umgedreht und sich die ernsthaften Verletzungen erst Stunden nach der Tat beigebracht. Dies stelle sich nicht als ein Folgeverhalten mit schwerer Erschütterung dar. Gegen ein Affektdelikt könne auch sprechen, dass der Angeklagte den Tatablauf jedenfalls insofern habe gestalten können, als dass er die Getötete nicht nur wenige Sekunden würgte.
Aus psychiatrischer Sicht spreche daher mehr gegen als für ein Affektdelikt.
2. Würdigung der Ausführungen des Sachverständigen
Den Ausführungen der Sachverständigen hat sich die Kammer aufgrund eigener kritischer Würdigung sowohl hinsichtlich der zu stellenden Diagnose als auch hinsichtlich der Beurteilung der Einsichts- und Steuerungsfähigkeit angeschlossen.
Der Sachverständige verfügt über erhebliche Erfahrung nicht nur als Gutachter, sondern auch durch seine Tätigkeit als Leitender medizinischer Direktor der JVA St.. Seine Ausführungen waren bei der Erstattung des Gutachtens in sich schlüssig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei. Der Sachverständige war in der Lage, alle Fragen des Gerichts verständlich und plausibel zu beantworten. Die Kammer ist auf Grundlage der Ausführungen der Sachverständigen zu der Überzeugung gelangt, dass zugunsten des Angeklagten tatzeitbezogen eine erhebliche Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit im Sinne des § 21 StGB jedenfalls nicht ausgeschlossen werden kann aufgrund einer relevanten Alkoholisierung im Zusammenwirken mit einer affektiven Erregung.
a. Insbesondere folgt die Kammer dem Sachverständigen auch darin, dass kein Abhängigkeitssyndrom von Alkohol vorliegt und die bei dem Angeklagten feststellbaren Persönlichkeitsmerkmale die Voraussetzung eines der Eingangsmerkmale des § 20 StGB nicht erfüllen. Der Annahme einer krankheitswertigen Persönlichkeitsstörung steht insbesondere das Ergebnis der Beweisaufnahme zur allgemeinen Leistungsfähigkeit des Angeklagten im sozialen, beruflichen und privaten Leben entgegen. So war der Angeklagte im familiären Umfeld integriert und konnte in diesem Bereich tragfähige Beziehungen führen. Es gelang ihm auch in Partnerschaften längerfristige Beziehungen einzugehen. Der Angeklagte hatte Interesse an zahlreichen Freizeitaktivitäten und war auch in beruflicher Hinsicht erfolgreich und dazu imstande, kontinuierlich einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Seine fachliche Kompetenz wurde ihm unter anderem von der in der Hauptverhandlung vernommenen Zeugin B… bestätigt.
Die Kammer ging, wie vorstehend ausgeführt, zwar nicht davon aus, dass zum Tatzeitpunkt eine Alkoholisierung von 2,9 Promille oder mehr vorlag, allerdings ein mittelgradiger Rausch zu Gunsten des Angeklagten nicht ausgeschlossen werden kann. Die Kammer war sich dabei bewusst, dass es sich bei der Erheblichkeit im Sinne des § 21 StGB um einen Rechtsbegriff handelt und das Gericht über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 21 StGB in eigener Verantwortung, wenn auch sachverständig beraten, zu entscheiden hat (Fischer, 68. Auflage, 2021, § 20 StGB, Rdnr. 63; § 21 StGB, Rdnr. 7). Weil der Angeklagte tatzeitnah von niemandem beobachtet wurde und auch der Tathergang keine sicheren Schlüsse auf ein erhaltenes Leistungsverhalten zu lassen, war eine alkoholbedingte Verminderung der Steuerungsfähigkeit zur Tatzeit nicht sicher auszuschließen. Zudem erscheint es wahrscheinlich, dass die Fähigkeit des Angeklagten zur Kontrolle seiner Handlungsimpulse durch eine naheliegende erhebliche affektive Erregung und die bereits beschriebenen Aspekte in seiner Persönlichkeit zusätzlich herabgesetzt war.
Andererseits war der Angeklagte noch in der Lage, zu reflektieren und zielgerichtet vorzugehen. Er hat nach der Tötung die Leiche umgelagert, den erwähnten WhatsApp-Dialog erstellt und sich oberflächliche Schnittwunden zugefügt. Gerade diese maßvolle Form der Selbstverletzung belegt eine intakte Impulskontrolle. Dass der von dem Angeklagten erstellte WhatsApp-Dialog in Teilen keine sinnhaften Inhalte aufwies, lässt sich durch motorische Defizite, die durch Alkohol oder eine naheliegende Erschütterung über die Tat verursacht sein können, gut erklären. Genauso wenig spricht allein der Umstand, dass der Angeklagte beim Ankleiden Socken und Unterhose ausließ, zwingend für eine angesichts der Erschütterung durch die Tat und die Wirkungen des Alkohols nicht mehr situationsadäquate Desorientiertheit. Dasselbe gilt für den am Auffindeort durchgeführten, jetzt ernsthaften Suizidversuch. Eine solche Reaktion auf die Erschütterung durch die Tat ist nicht als im engeren Sinne irrational anzusehen. Eine Selbstverletzung des Täters nach der Tat lässt ohnehin keinen Rückschluss auf die psychopathologische Verfassung im Tatzeitpunkt zu. Behaupteten Erinnerungslücken kommt, schon weil sie von taktischem Aussageverhalten oder postdeliktischen Verdrängungsprozessen nicht unterschieden werden können, kein wesentlicher Indizwert zu.
b. Allerdings ergaben sich für die Kammer keine durchgreifenden Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte bei Tatbegehung in einem Zustand hochgradiger affektiver Erregung handelte und er daher aufgrund einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung in seiner Steuerungsfähigkeit erheblich vermindert im Sinne des § 21 StGB war.
Eine affektive Erregung stellt bei vorsätzlichen Tötungsdelikten, bei denen gefühlsmäßige Regungen eine Rolle spielen, grundsätzlich eher den Normalfall dar. Ob die affektive Erregung einen solchen Grad erreicht hat, dass sie zu einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung geführt hat, kann deshalb nur anhand von tat- und täterbezogenen Merkmalen beurteilt werden, die als Anzeichen für und gegen die Annahme eines schuldrelevanten Affekts sprechen. Diese Indizien sind dabei im Rahmen einer Gesamtwürdigung zu beurteilen (BGH, Urteil vom 01.04.2009, Az. Ks 138 Js 94957/16 -2 StR 601/08 = NStZ 2009, 571). Dabei kommt es nicht auf eine schematische oder abstrakte Abarbeitung von Indizien-Katalogen an. Erforderlich ist vielmehr eine vom Gericht vorzunehmende Gesamtbetrachtung der erheblichen Umstände des Täterverhaltens vor, während und nach der Tat im Einzelfall. Auch insoweit gilt, dass es sich bei der Frage der Erheblichkeit im Sinne des § 21 StGB um einen Rechtsbegriff handelt und das Gericht über sein Vorliegen in eigener Verantwortung zu entscheiden hat (Schäfer/Sander/Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 6. Auflage 2017, Rdnr. 990; F…, 68. Auflage 2021, § 20 StGB, Rdnr. 32; § 21 StGB, Rdnr. 7).
Für das Vorliegen eines hochgradigen Affektdeliktes sprechen zwar zunächst die seitens des Sachverständigen genannten Aspekte in der Persönlichkeitsentwicklung des Angeklagten. Daneben liegen zur Überzeugung der Kammer jedoch keine konkreten Anhaltspunkte dafür vor, dass der Angeklagte die gegenständliche Tat in einem Zustand hochgradiger affektiver Erregung begangen hat, die über das Maß an Erregung hinausgeht, das üblicherweise mit einer Tötung von Intimpartnern einhergeht.
Bereits am 22.11.2019 stand das Scheitern der Beziehung so konkret im Raum, dass der Angeklagte N. L. in einer WhatsApp-Nachricht ihr für die Zukunft wünschte, den richtigen Partner zu finden. Zwar hat er das Ende der Beziehung innerlich nicht akzeptiert, wie seine nachfolgenden Kontaktversuche belegen. Selbst im Rahmen der direkten Konfrontation der Getöteten anlässlich der Geschehnisse am 23.11.2019 kam es aber nicht zu einem Affektdurchbruch, obwohl schon zu diesem Zeitpunkt in seiner Äußerung gegenüber der Zeugin D…, er habe ein Recht auf Sex mit N. L…, wie diese glaubhaft berichtete, eine kognitive Verzerrung erkennen lässt. Auch in den Folgetagen bis zum 03.12.2019 hatte der Angeklagte mehrfach Gelegenheit, mit der Getöteten, der er etwa an ihrem Arbeitsplatz nachstellte, unmittelbar in Kontakt zu treten, konnte etwaigen diesbezüglichen Impulsen aber auch widerstehen. Zwar fehlen Hinweise dahin, dass der Angeklagte die Tat geplant hatte. Es liegt nahe, dass der Tatentschluss aus der Situation geboren wurde. Allerdings stellt sich die Gewaltanwendung gegen seine Partnerin auch nicht als völlig persönlichkeitsfremd dar, wie schon der Vorfall vom 23.11.2019 zeigt. Zudem muss auch das Stalkingverhalten im Vorfeld der Tat als zunehmend aggressives und grenzüberschreitendes Verhalten subsumiert werden (Dreßing/Saß, Stalking und Affektdelikte, 2020). Die Stalkingverhaltensweisen sind aggressive und destruktive Handlungsimpulse, die zunehmend zugelassen und schon im Vorfeld der Tat auch praktiziert werden (Dreßing/Saß, a.a.O.). Wie allgemein im Fall eines spontanen Tatentschlusses waren Sicherungstendenzen im Vorfeld der Tat nicht erwartbar. Im Hinblick auf das Nachtatverhalten des Angeklagten könnte der von ihm fingierte WhatsApp-Dialog für eine gewisse Sicherungstendenz sprechen, wobei aber die Motivation für dieses Vorgehen nicht sicher feststellbar war. Jedenfalls aber indiziert das Nachtatverhalten nicht eine Selbsterschütterung im Sinne einer Störung der Sinn- und Erlebniskontinuität. Der Angeklagte war, wie oben ausgeführt, nach der Tat für geraume Zeit in der Wohnung geblieben, hat die Leiche gedreht, eine WhatsApp-Kommunikation fingiert und sich lediglich oberflächliche Verletzungen zugefügt. Daher ist auch die Kammer überzeugt, dass keine ausreichend konkreten Anhaltspunkte dafür bestehen, dass – und sei es nach dem Zweifelssatz – vom Vorliegen einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung auszugehen wäre.
C. Rechtliche Würdigung
I. Schuldspruch
Der Angeklagte hat sich, nicht ausschließbar handelnd im Zustand erheblich verminderter Steuerungsfähigkeit im Sinne des § 21 StGB, schuldig gemacht des Totschlags in Tatmehrheit mit Nötigung gemäß §§ 212 Abs. 1, 240 Abs. 1, Abs. 2, 53 StGB.
II. Rechtsausführungen
1. Totschlag am 03./04.12.2019
Der Angeklagte hat in der Nacht vom 03./04.12.2019 einen Menschen getötet, ohne Mörder zu sein. Er hat sich damit schuldig gemacht des Totschlags gemäß § 212 Abs. 1 StGB.
Die Kammer hat die Tat nicht als Mord gewertet. Gemäß § 211 StGB ist eine vorsätzliche Tötung dann als Mord zu bestrafen, wenn dort aufgeführte Mordmerkmale vorliegen. Als solche standen vorliegend eine heimtückische Begehungsweise oder eine Tötung sonst aus niedrigen Beweggründen im Raum. Diese Mordmerkmale waren jedoch jeweils nicht nachweisbar.
a. Keine Heimtücke
Heimtückisch tötet, wer in feindlicher Willensrichtung die objektiv gegebene Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers bewusst zur Tötung ausnutzt (BGH, Urteil vom 10.02.2010 – 2 StR 503/09, BeckRS 2010, 07715, Rn. 7; BGH, Urteil vom 01.04.2009 – 2 StR 571/08, NStZ 2009, 501; BGH, Urteil vom 17.09.2008 – 5 StR 189/08, NStZ 2009, 30). Wesentlich ist hierbei, dass der Mörder sein Opfer, das keinen Angriff erwartet, also arglos ist, in einer deswegen hilflosen Lage überrascht und dadurch daran hindert, dem Anschlag auf sein Leben zu begegnen oder ihn wenigstens zu erschweren (BGH, Urteil vom 01.04.2009 – 2 StR 571/08, NStZ 2009, 501; BGH, Urteil vom 10.03.2006 – 2 StR 561/05, NStZ 2006, 338; BGH, Urteil vom 16.08.2005 – 4 StR 168/05, NStZ 2006, 167).
Es war nicht aufklärbar, ob die Getötete zum Zeitpunkt des Angriffs seitens des Angeklagten arglos und deshalb wehrlos war. Zwar führte der Sachverständige Prof. Dr. B… nachvollziehbar aus, dass konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Angeklagte auf N. L… in Bauchlage, also von hinten mit einem sog. „Unterarmwürgen“ einwirkte. Es ist aber, den Ausführungen des Sachverständigen folgend, auch nicht auszuschließen, dass der Angeklagte die Getötete von vorne würgte und auf diese zusätzlich durch eine weiche Bedeckung der Atemwege in Form eines Erstickens einwirkte oder die Tötung im Rahmen eines mehraktigen Geschehen erfolgte. Damit lässt sich aber nicht sicher feststellen, dass das Tatopfer bei Beginn des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs arglos war. Denn Anhaltspunkte für eine anders als durch einen Angriff von hinten begründete Arglosigkeit des Tatopfers ergaben sich nicht.
b. Keine niedrigen Beweggründe
Niedrige Beweggründe liegen nach ständiger Rechtsprechung vor, wenn die Motive einer Tötung nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe stehen und daher besonders, das heißt in deutlich weitreichenderem Maße als bei einem Totschlag verachtenswert sind (BGH Urt. v.21.2.2018 – 1 StR 351/17 Rn. 10 mwN).
Bei der Bewertung kommt es auf eine rechtliche Beurteilung an. Es reicht daher nicht aus, dass einer vorsätzlichen Tötung eine moralische Berechtigung fehlt.
Der rechtswidrigen Tat nach § 212 StGB wohnt an sich schon ein unerträgliches Missverhältnis inne; daher wäre es, auch im Hinblick auf Art. 103 Abs. 2 GG und die absolute Rechtsfolge des § 211 StGB verfehlt, jede vorsätzliche Tötung, für welche sich kein nachvollziehbarer oder naheliegender Grund finden lässt, als Mord aus niedrigen Beweggründen anzusehen, BGH, Beschl. vom 24.10.2018, 1 StR 422/18, NStZ 2019, 204 Rn. 21, beck-online).
Die Beurteilung erfordert eine Gesamtwürdigung aller äußeren und inneren, für die Handlungsantriebe des Täters maßgeblichen Faktoren. Bei der Gesamtwürdigung sind vor allem das Verhältnis zwischen Anlass und Tat, die Vorgeschichte der Tat einschließlich einer eventuell den Täter oder das Tatopfer treffende Verantwortung an einer Konflikteskalation sowie das unmittelbar vorherrschende Tatmotiv, speziell auch im Zusammenhang mit sonstigen Beweggründen, Handlungsantrieben und Einstellungen des Täters gegenüber der Person und dem Lebensrecht des Opfers zu berücksichtigen. Gefühlsregungen wie Zorn, Wut, Enttäuschung oder Verärgerung können niedrige Beweggründe sein, wenn sie ihrerseits auf niedrigen Beweggründen beruhen, also nicht menschlich verständlich, sondern Ausdruck einer niedrigen Gesinnung des Täters sind. Entbehrt hingegen das Motiv ungeachtet der Verwerflichkeit, die jeder vorsätzlichen und rechtswidrigen Tötung innewohnt, nicht jeglichen nachvollziehbaren Grundes, so ist es nicht als „niedrig“ zu qualifizieren (BGH Urt. v. 21.2.2018 – 1 StR 351/17, NStZ-RR 2018, 177 Rn. 10 mwN und Beschl. vom 24.10.2018 – 1 StR 422/18, NStZ 2019, 204 Rn. 20, beck-online).
Dementsprechend wird das Vorliegen eines niedrigen Beweggrundes in der Rechtsprechung etwa dort verneint, wo auch das Opfer Verantwortung an einer Konflikt-Eskalation trifft (BGH, Urt. vom 19.10.2001 – 2 StR 259/01 mwN, NJW 2002, 382, beck-online). Auch bei spontanen Tatentschlüssen bedarf die Annahme eines niedrigen Beweggrundes besonderer Prüfung (Fischer, StGB, 68. Auflage 2021, § 211 Rn. 20), zumal in allen Fällen eine Verurteilung wegen Mordes unter dem Gesichtspunkt niedriger Beweggründe voraussetzt, dass der Täter subjektiv die der Bewertung als niedrig zugrunde liegen-den Umstände kannte und seine gefühlsmäßigen oder triebhaften Regungen gedanklich beherrschen und willensmäßig steuern konnte. Dem kann ein spontaner Tatentschluss aber etwa auch eine bei dem Täter vorliegende Persönlichkeitsstörung entgegenstehen.
Der als niedrig anzusehende Beweggrund muss positiv festgestellt sein. Kommen mehrere Motive in Betracht, so ist eine Verurteilung nur möglich, wenn jedes als niedrig an-zusehen ist (Fischer, StGB, 68. Auflage 2021, § 211 Rn. 15a).
Auch die Tötung des Intimpartners, der sich vom Täter abwenden will oder abgewendet hat, muss nicht zwangsläufig als durch niedrige Beweggründe motiviert bewertet werden (BGH Urt. v. 21.2.2018 – 1 StR 351/17 Rn. 10 mwN und v. 25.7.2006 – 5 StR 97/06 Rn. 20; Beschluss vom 24.10.2018 – 1 StR 422/18 Rn. 20). Gerade der Umstand, dass eine Trennung vom Tatopfer ausgegangen ist, darf als gegen die Niedrigkeit des Beweggrundes sprechender Umstand beurteilt werden (BGH Urt. v. 21.2.2018 – 1 StR 351/17 Rn. 10 mwN; Beschluss vom 24.10.2018 – 1 StR 422/18 Rn. 20).
Für die Beurteilung, ob eine Tötung des zur Trennung entschlossenen Intimpartners auf niedrigen Beweggründen beruht, kommt es weder maßgeblich darauf an, ob der Täter tatsachenfundiert auf den Fortbestand der Verbindung zum Opfer vertrauen durfte, noch darauf, wie der Zustand der Beziehung war, ob sich das Tatopfer aus nachvollziehbaren Gründen zur Trennung entschlossen hat, ob der Täter seinerseits maßgeblich verantwortlich für eine etwaige Zerrüttung der Partnerschaft war und ob er – dies ist ohnehin stets der Fall – „die Trennungsentscheidung“ des Partners „hinzunehmen“ hatte. Derartige Erwägungen sind zwar für die entscheidende Frage, ob die – stets als verwerflich anzusehende – vorsätzliche und rechtswidrige Tötung eines Menschen jeglichen nach-vollziehbaren Grundes entbehrt, nicht ohne jede Bedeutung; allein der Umstand, dass sich die Trennung des Partners wegen des Vorverhaltens des Täters und des Zustands der Beziehung als „völlig normaler Prozess“ darstellt und (daher) von diesem hinzunehmen ist, ist aber nicht geeignet, die Tötung des Partners, die wie jede vorsätzliche und rechtswidrige Tötung verwerflich ist, als völlig unbegreiflich erscheinen zu lassen (BGH, Beschluss vom 7.5.2019 − 1 StR 150/19).
Nach der Überzeugung der Kammer war die Tötung von N. L… jedenfalls mitmotiviert durch den Trennungswunsch der Getöteten, den der Angeklagte nicht akzeptieren wollte. Gleichzeitig konnte nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden, welcher konkrete situative Kontext die Tat ausgelöst und welche weiteren Motive für die Tat möglicherweise mitbestimmend waren und ob diese ggfs. nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe stehen.
Eine Verurteilung wegen Mordes unter dem Gesichtspunkt des Mordmerkmals sonst niedriger Beweggründe wäre aber nur dann Betracht gekommen, wenn die Kammer mit der erforderlichen Sicherheit hätte ausschließen können, dass für die Tat auch solche Beweggründe bestimmend waren, die nach allgemeiner sittlicher Wertung nicht auf tiefster Stufe stehen. Dies war angesichts der zur spezifischen Tatvorgeschichte getroffenen Feststellungen jedoch nicht möglich.
2. Nötigung am 23.11.2019
Der Angeklagte hat sich ferner schuldigt gemacht der Nötigung gemäß § 240 Abs. 1, Abs. 2 StGB, weil der Angeklagte N. L. am 23.11.2019 mit körperlicher Gewalt in ihre Wohnung drängte und sie dabei gleichzeitig zwang, sein Eindringen in die Wohnung zu dulden.
Feststellungen dahingehend, dass der Angeklagte auch den Tatbestand eines (versuchten) Sexualdeliktes verwirklichte, vermochte die Kammer nicht zu treffen.
D. Rechtsfolgen
I. Strafzumessung
1. Totschlag
Für die Strafzumessung war auszugehen vom Strafrahmen des Totschlags nach § 212 Abs. 1 StGB, der Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren und bis zu fünfzehn Jahren (§ 38 Abs. 2 StGB) vorsieht.
a. Kein minder schwerer Fall
Es liegt kein minder schwerer Fall des Totschlags nach § 213 StGB mit einem Strafrahmen von einem bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe vor.
(1) Ein minder schwerer Fall des Totschlag liegt zum einen dann vor, wenn der Angeklagte ohne eigene Schuld durch eine ihm oder einem nahen Angehörigen zugefügte Misshandlung oder schwere Beleidigung von dem getöteten Menschen zum Zorn gereizt und hierdurch auf der Stelle zur Tat hingerissen worden ist (§ 213, 1. Alt. StGB).
Eine Strafrahmenmilderung nach § 213, 1. Alt. StGB unter dem Gesichtspunkt der sogenannten Tatprovokation kam nicht in Betracht. Es haben sich keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Angeklagte ohne eigene Schuld durch eine ihm oder einem Angehörigen zugefügte Misshandlung oder schwere Beleidigung von N. L… zum Zorn gereizt und hierdurch auf der Stelle zur Tat hingerissen worden wäre. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme war anzunehmen, dass es im Vorfeld des Tatgeschehens mindestens zu einer Meinungsverschiedenheit zwischen dem Angeklagten und N. L… gekommen war. Vor diesem Hintergrund erscheint es nicht ganz fernliegend, dass die Getötete im Rahmen des Streitgesprächs, welches jedenfalls den Trennungswunsch der Getöteten zum Inhalt hatte, dem Angeklagten Vorhaltungen bezüglich seines eifersüchtigen Verhaltens gemacht haben könnte. Konkreten Anhaltspunkte für eine schwere Beleidigung oder gar eine dem Angeklagten zugefügte Misshandlung ergaben sich jedoch nicht. Es ist auch bei einem Angeklagten, der von seinem Schweigerecht Gebrauch macht, weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, ihm günstige Fallgestaltungen zu unterstellen, für deren Vorliegen keine konkreten realen Anknüpfungspunkte erbracht sind (Meyer-Goßner/Schmitt, 62. Auflage 2019, § 261 StPO, Rdnr. 26a; BGH, Urteil vom 03.07.2014, Az. 4 StR 137/14 = StV 2015, 146; BGH, Urteil vom 13.12.2012, Az. 4 StR 177/12 = NStZ-RR 2013, 117; BGH, Urteil vom 20.05.2009, Az. 2 StR 576/08 = NStZ 2009, 630).
(2) Aber auch eine Strafrahmenverschiebung unter dem Gesichtspunkt eines sonst minder schweren Falls nach § 213, 2. Alt. StGB kam nicht in Betracht. Eine solche Strafrahmenverschiebung setzt voraus, dass das gesamte Tatbild einschließlich der subjektiven Momente und der Täterpersönlichkeit vom Durchschnitt der gewöhnlich vorkommenden Fälle in einem solchen Maße abweicht, dass die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens geboten erscheint. Die insoweit vorzunehmende Gesamtwürdigung aller für die Wertung von Tat und Täter in Betracht kommenden Umstände ergibt vorliegend kein derart beträchtliches Überwiegen von mildernden Umständen, dass diese die Annahme eines sogenannten minder schweren Falles rechtfertigen würden (Fischer, 68. Auflage 2021, § 46 StGB, Rdnr. 84 und 85; § 213 StGB, Rdnr. 12).
Insoweit ist bei Vorliegen vertypter Milderungsgründe bei der Prüfung des minder schweren Falls zunächst unter deren Ausklammerung allein auf die allgemeinen Milderungsgründe abzustellen. Reichen die allgemeinen Milderungsgründe zur Anwendung des § 213, 2. Alt. StGB nicht aus, hat das Gericht zu bedenken, dass das Vorliegen eines vertypten Milderungsgrundes allein oder zusammen mit anderem Milderungsgründen die Annahme eines minder schweren Falles rechtfertigen kann (Fischer, 68. Auflage 2021, § 50 StGB, Rdnr. 4 und 5; § 213 StGB, Rdnr. 18).
Danach war vorliegend aufgrund der vorzunehmenden Gesamtbewertung die Annahme eines minder schweren Falles auch unter Berücksichtigung des vertypten Milderungsgrundes der erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit im Sinne des § 21 StGB nicht gerechtfertigt.
Zu Gunsten des Angeklagten war zunächst das opferschonende Prozessverhalten zu berücksichtigen. Nachdem die Kammer nach fortgeschrittener Beweisaufnahme einen rechtlichen Hinweis dahingehend erteilt hatte, dass die Anordnung des Vorbehalts der Sicherungsverwahrung in Betracht komme, hätte der Angeklagte eine Aussetzung der Hauptverhandlung beantragen können. Er hat dies – anwaltlich beraten – nicht getan und damit insbesondere den Zeuginnen M. H., M. E… und D. G… eine erneute Vernehmung erspart.
Zudem werden die Auswirkungen des Strafvollzugs durch den angeordneten Vorbehalt der Sicherungsverwahrung dadurch erschwert, dass für den Angeklagten unsicher bleibt, wann er entlassen werden kann. Auch dieser Umstand war strafmildernd zu berücksichtigen.
Ferner war zu Gunsten des Angeklagten anzunehmen, dass sich die bei ihm vorhandenen Persönlichkeitsmerkmale und Wesenszüge, vor allem seine egozentrisch geprägte Sichtweise, die weitgehende Unfähigkeit, sich in andere Menschen einzufühlen, das Fehlen von Konfliktlösungsstrategien sowie seine tiefergehenden Insuffizienzgefühle tatbegünstigend ausgewirkt haben (Fischer, 68. Auflage 2021, § 46 StGB, Rdnr. 42a). Diese Persönlichkeitszüge des Angeklagten sind auch nicht etwa Folge einer von ihm zu verantwortenden sozialen Verwahrlosung, sondern haben ihre Wurzeln in der schwierigen Kindheit des Angeklagten und wohl auch einer Missbrauchserfahrung.
Zudem sprach für den Angeklagten, dass er gegenüber dem Sachverständigen Dr. G… eingeräumt hatte, sich in der Tatnacht in der Tatwohnung befunden zu haben und dies auch im Laufe der Hauptverhandlung nicht in Frage stellte. Vielmehr identifizierte er sich als Sprecher zumindest hinsichtlich einer der vorgespielten Aufzeichnungen des Sprachsteuerungsgerätes Alexa.
Mildernd wirkte sich ferner aus, dass dem Angeklagten lediglich bedingter Tötungsvorsatz anzulasten ist.
Insgesamt reichen aber die vorgenannten, für den Angeklagten sprechenden Umstände für sich allein nicht aus, um im Rahmen der Gesamtwürdigung das Vorliegen eines min-der schweren Falles bejahen zu können. Denn andererseits liegen auch Umstände vor, die dagegen sprechen.
Diesbezüglich war zu berücksichtigen, dass der Angeklagte zurückliegend wiederholt strafrechtlich in Erscheinung getreten ist. Er ist auch bereits mit Gewaltstraftaten in Erscheinung getreten. Überwiegend liegen die Vorahndungen jedoch bereits längere Zeit zurück, sodass die Kammer den im Jugendalter begangenen Straftaten kein maßgebliches strafschärfendes Gewicht beigemessen hat. Allerdings stand der Angeklagte aufgrund des Urteils des Amtsgerichts Straubing vom 02.04.2019 unter laufender Bewährung. Gleichwohl beging er am 26.04.2019 und am 27.04.2019 erneut vorsätzliche Straftaten, welche am 06.11.2019 zu einer erstinstanzlichen Verurteilung des Amtsgerichts Deggendorf zu einer unbedingten Freiheitsstrafe führten. Die verfahrensgegenständlichen Taten, die mit den zuletzt genannten Verurteilungen auf einer Linie liegen, beging er im raschen Rückfall nur wenige Wochen später.
Anlass für eine Strafrahmenmilderung kann ferner auch das Vorliegen eines sogenannten vertypten Milderungsgrundes sein. Insoweit war in die vorzunehmende Gesamtwürdigung einzustellen, dass zu Gunsten des Angeklagten nicht auszuschließen war, dass er aufgrund Alkoholisierung im Zusammenwirken mit einer affektiven Erregung tatzeitbezogen in seiner Steuerungsfähigkeit erheblich vermindert war im Sinne des § 21 StGB. Dabei gelten für die Prüfung, ob dem vertypten Milderungsgrund im Rahmen des § 213, 2. Alt. StGB mildernde Wirkung zukommt, die Erwägungen zur Milderung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB entsprechend (Fischer, 68. Auflage 2021, § 213 StGB, Rdnr. 15).
Danach schied die Annahme eines minder schweren Falles zwar nicht schon unter dem Gesichtspunkt selbst zu verantwortender Trunkenheit aus. Bei ihm bestand tatzeitbezogen nicht nur ein mittlerer Rauschzustand aufgrund von Alkohol, sondern auch eine erhebliche affektive Erregung, die in Kombination mit den vorhandenen Persönlichkeitszügen des Angeklagten eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit im Sinne des § 21 StGB nicht ausschließen ließ. Es bestand daher kein Anlass, dem Angeklagten die Strafrahmenmilderung unter dem Gesichtspunkt eines sogenannten Vorverschuldens zu versagen, da der nicht ausschließbar schuldmindernde Zustand des Angeklagten nicht allein auf dessen Alkoholisierung zurückzuführen war.
Insgesamt reichen jedoch die für den Angeklagten sprechenden Umstände, auch unter Einbeziehung des vertypten Milderungsgrundes im Rahmen der Gesamtwürdigung nicht aus, um das Vorliegen eines minder schweren Falles bejahen zu können. Denn andererseits überwiegen die Umstände, die dagegen sprechen gleichwohl deutlich. Dabei mussten sich die bereits genannte massive strafrechtliche Vorbelastung des Angeklagten und insbesondere die erhebliche Rückfallgeschwindigkeit zu dessen Lasten auswirken.
b. Strafrahmenmilderung nach § 21 StGB
Die Kammer machte jedoch aus den genannten Gründen von der fakultativen Strafmilderung gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB Gebrauch, so dass die tat- und schuldangemessene Strafe aus einem Strafrahmen von zwei Jahren Freiheitsstrafe bis zu elf Jahren und drei Monaten Freiheitsstrafe zu entnehmen war.
Es bestand, wie bereits erörtert, kein Anlass, dem Angeklagten die Strafrahmenmilderung unter dem Gesichtspunkt eines sogenannten Vorverschuldens zu versagen.
c. Konkrete Strafzumessung
Unter zusammenfassender Berücksichtigung und Abwägung aller vorgenannten, für und gegen den Angeklagten sprechenden Strafzumessungsgesichtspunkte hielt die Kammer hinsichtlich des verwirklichten Totschlags eine Freiheitsstrafe von 9 Jahren und 9 Monaten für tat- und schuldangemessen, aber auch ausreichend zur Ahndung des vom Angeklagten begangenen Unrechts.
Ein besonders schwerer Fall des Totschlags nach § 212 Abs. 2 StGB, bei dem auf lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen gewesen wäre, war nicht als gegeben anzusehen.
Die Kammer war sich dessen bewusst, dass eine strafschärfende Berücksichtigung von Tatmodalitäten und Tatmotiven, wenn sie ihre Ursache in einem dem Täter nicht vorwerfbaren Zustand verminderter Steuerungsfähigkeit im Sinne des § 21 StGB haben, nur nach dem Maß der geminderten Schuld zulässig ist (Fischer, 68. Auflage 2021, § 21 StGB, Rdnr. 22; BGH, Beschluss vom 29.06.2000, Az. 1 StR 223/00 = StV 2001, 615).
2. Nötigung am 23.11.2019 Hinsichtlich der verwirklichten Nötigung am 23.11.2019 war der Strafrahmen des § 240 Abs. 1 StGB zugrunde zu legen, der Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren vorsieht.
Zu Gunsten des Angeklagten war zu berücksichtigen, dass sich die bei ihm vorhandenen Persönlichkeitsmerkmale und Wesenszüge auch insoweit tatbegünstigend ausgewirkt haben. Zudem hatte er eingeräumt, die Geschädigte am 23.11.2019 aufgesucht zu haben. Auch hat er die Wohnung der Geschädigten nach Aufforderung durch die Zeugin D… freiwillig verlassen.
Zu Lasten des Angeklagten sprachen die mit der Nötigungshandlung verbundenen und vom Vorsatz des Angeklagten erfassten Tatfolgen. Durch die angewandte Gewalt, das Verbringen des Tatopfers in einen für Dritte nicht ohne weiteres zugänglichen Bereich, in dem schnelle Hilfe nicht zu erwarten war. Dies und die die Nötigung begleitenden Äußerungen konnten in dem Tatopfer die Vorstellung erwecken, dass eine Vergewaltigung unmittelbar bevorstehen würde. Wenn auch nicht sicher feststellbar war, ob der Angeklagte subjektiv zu einer Vergewaltigung angesetzt hatte, waren die ihm bewussten und von ihm gewollten Auswirkungen der Nötigungshandlung zu seinen Lasten zu berücksichtigen. Letztlich spricht zu Lasten des Angeklagten dessen massive strafrechtliche Vorbelastung, insbesondere der Umstand, dass er erst am 06.11.2019, also weniger als drei Wochen vor der Tat wegen einer Straftat, die ebenfalls eine Missachtung der Entscheidungsfreiheit einer Partnerin zum Hintergrund hat, in erster Instanz zu einer unbedingten Freiheitsstrafe verurteilt worden war und wegen einer ähnlich gelagerten Verurteilung unter laufender Bewährung stand.
Unter zusammenfassender Berücksichtigung und Abwägung der genannten Punkte erachtete die Kammer eine Freiheitsstrafe von 10 Monaten für tat- und schuldangemessen.
3. Gesamtstrafe
Unter nochmaliger Berücksichtigung der oben im Einzelnen geschilderten Strafzumessungserwägungen, denen auch bei der Bildung der Gesamtstrafe wesentliche Bedeutung zukommt und auf die verwiesen wird, hat die Kammer gemäß § 54 Abs. 1 und Abs. 2 StGB aus den Einzelstrafen unter Erhöhung der Einzelfreiheitsstrafe von 9 Jahren und 9 Monaten eine Gesamtfreiheitsstrafe von 10 Jahren gebildet. Maßgebend war bei der Bildung der Gesamtstrafe die Gesamtwürdigung der Person des bereits mehrfach vorbestraften Angeklagten und das Ausmaß der begangenen Taten, wobei der Tat vom 23.11.2019 lediglich eine untergeordnete Bedeutung zukam und beide Taten in einem engen zeitlichen und konstellativen Zusammenhang standen.
II. Maßregel der Besserung und Sicherung
Die Anordnung einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung nach § 63 StGB, § 64 StGB oder § 66 StGB neben der verhängten Freiheitsstrafe kam nicht in Betracht, weil die Voraussetzungen hierfür jeweils nicht vorliegen. Allerdings war nach § 66 a Abs. 2 StGB die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorzubehalten.
1. Unterbringung in einer Entziehungsanstalt
Eine Unterbringung gemäß § 64 StGB scheidet vorliegend aus, da trotz des von dem Angeklagten angegebenen, sich während der Beziehung zu N. L… steigernden Alkoholkonsums, weder eine Abhängigkeit noch ein schädlicher Gebrauch im Sinne der diagnostischen Kriterien der ICD-10 diagnostiziert werden konnte und es sich bei diesem Konsumverhalten um keinen Hang im Sinne des § 64 StGB handelt.
Zum Vorliegen der Voraussetzungen der Maßregel des § 64 StGB aus forensisch-psychiatrischer Sicht nahm der Sachverständige Dr. G. G. im Rahmen seiner Gutachtenserstattung in der Hauptverhandlung Stellung.
Der Sachverständige führte aus, dass es sich bei dem von dem Angeklagten angegebenen Konsumverhalten, wonach er mit N. L… regelmäßig und teilweise auch in größeren Mengen hochprozentige Alkoholika getrunken habe, nicht um eine primäre Neigung, Alkohol zu konsumieren, handle, sondern der Alkoholkonsum motiviert war durch den Wunsch des Angeklagten, N. L… zu gefallen. Das Konsumverhalten des Angeklagten sei somit primär Ausdruck seiner Neigung zur dependenten Beziehungsgestaltung gewesen und weitaus weniger einem intrinsischen Bedürfnis nach Alkoholkonsum entsprungen. Aus psychiatrischer Sicht handele es sich bei dem angegebenen Konsumverhalten primär um einen gelegentlichen Alkoholmissbrauch.
Darüber hinaus sei die Tat primär auf eine hohe Kränkbarkeit im Rahmen einer Neigung zur problematischen Beziehungsgestaltung zurückzuführen und nicht auf eine gelegentliche Neigung zu Alkoholexzessen.
Diesen nachvollziehbaren, schlüssigen und widerspruchsfreien Ausführungen des Sachverständigen hat sich die Kammer aufgrund eigener kritischer Würdigung angeschlossen.
2. Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus
Ferner war auch keine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB anzuordnen, da es vorliegend bereits an einer psychischen Dauerstörung im Sinne der Eingangsmerkmale des § 20 StGB fehlt (Fischer, 68. Auflage 2021, § 63 StGB, Rdnr. 12, 13a und 19). Zudem setzt die Anordnung dieser Maßregel die zweifels-freie Feststellung voraus, dass zum Zeitpunkt der Begehung der Anlasstat wegen einer solchen Störung sicher zumindest die Voraussetzungen erheblich verminderter Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB gegeben waren (Fischer, 68. Auflage 2021, § 63 StGB, Rdnr. 11, 21 und 22).
3. Unterbringung in der Sicherungsverwahrung
Für eine Anordnung der Sicherungsverwahrung liegen bereits die formellen Voraussetzungen nicht vor, denn weder wurde der Angeklagte gemäß § 66 Abs. 1 Nr. 2 StGB wegen Straftaten der in § 66 Abs. 1 Nr.1 StGB bezeichneten Art, die er vor der neuen Tat begangen hat, verurteilt, noch hat der Angeklagte gemäß § 66 Abs. 2 StGB drei Straftaten der in Abs. 1 S. 1 Nr. 1 genannten Art begangen. Auch die Voraussetzungen des § 66 Abs. 3 S. 1 StGB sind letztlich nicht gegeben, da der Angeklagte wegen keiner Straftat der in § 66 Abs. 3 S. 1 StGB genannten Art, die vor der verfahrensgegenständlichen Tat begangen wurde, schon einmal zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt wurde.
4. Vorbehalt der Sicherungsverwahrung
Allerdings war die Anordnung der Sicherungsverwahrung gemäß § 66 a Abs. 2 StGB vorzubehalten.
Gemäß § 66a Abs. 2 StGB kann das Gericht den Vorbehalt der Sicherungsverwahrung aussprechen, wenn
1. jemand unter anderem wegen eines Verbrechens gegen das Leben zu einer Freiheitsstrafe von mindestens fünf Jahren verurteilt wird,
2. die Voraussetzung des § 66 StGB, also für eine Anordnung der Sicherungsverwahrung schon mit dem Urteil, nicht erfüllt sind, und – 3. – mit hinreichender Sicherheit feststellbar oder zumindest wahrscheinlich ist, dass die Voraussetzungen des § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB vorliegen. Die letztgenannte Norm verlangt als Voraussetzung für die Anordnung von Sicherungsverwahrung, dass die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.
a. Formelle Voraussetzungen
Die formellen Voraussetzungen für den Vorbehalt der Sicherungsverwahrung liegen vor, weil einerseits der Angeklagte wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von neun Jahren und neun Monaten zu verurteilen war, andererseits aber die formellen Voraussetzungen für eine Anordnung der Sicherungsverwahrung bereits mit dem Urteil nicht vor-liegen.
b. Materielle Voraussetzungen
Die Gesamtwürdigung des Angeklagten und seiner Taten ergibt, dass bei ihm ein Hang i.S.d. § 66 Abs. 1 Nr. 4 StGB vorliegt, aufgrund dessen von ihm auch zukünftig weitere erhebliche Straftaten zu erwarten sind, namentlich solche, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, und dass er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist.
(1) Hang
Die Feststellung des Hangs obliegt – nach sachverständiger Beratung – unter sorgfältiger Gesamtwürdigung von Taten und Täterpersönlichkeit dem Gericht in eigener Verantwortung.
Der Rechtsbegriff des Hangs i. S. des § 66 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 StGB bezeichnet einen eingeschliffenen inneren Zustand, der den Täter immer wieder neue Straftaten begehen lässt. Ein Hang liegt bei demjenigen vor, der dauerhaft zur Begehung von Straftaten entschlossen ist oder auf Grund einer fest eingewurzelten, auf charakterlichen Anlage oder durch Übung erworbenen intensiven Neigung zu Rechtsbrüchen immer wieder straffällig wird, wenn sich die Gelegenheit dazu bietet (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 25.9.2018 – 4 StR 192/18 – BeckRS 2018, 26418 = NStZ-RR 2018, 369 [Ls]; und v. 24.5.2017 – 1 StR 598/16, BGHR StGB § 66 I Hang 15; Urt. v. 8.7.2005 – 2 StR 120/05, BGHSt 50, 188 [195] = NJW 2005, 3155 = NStZ 2006, 278 f. mwN). Wichtige Indizien für das Vorliegen eines Hanges sind dabei unter anderem etwaige Vorstrafen des Angeklagten, die Anzahl und Art der von dem Angeklagten begangenen Straftaten, seine Sozialisation sowie seine Persönlichkeitsstruktur.
Das Vorliegen eines Hangs im Sinne eines gegenwärtigen Zustands ist auf der Grundlage einer umfassenden Vergangenheitsbetrachtung festzustellen (vgl. BGH Beschluss vom 9.1.2019 – 5 StR 476/18, juris Rn. 5 und v. 24.5.2017 – 1 StR 598/16, BGHR StGB § 66 Abs. 1 Hang 5; Urt. v. 26.4.2017 – 5 StR 572/16 Rn. 9, insoweit nicht abgedr. in StraFo 2017, 246 und v. 6.5.2014 – 3 StR 382/13, NStZ-RR 2014, 271; Beschluss vom 25.5.2011 – 4 StR 87/11, NStZ-RR 2011, 272, 273). In diese umfassende Vergangenheitsbetrachtung sind alle bedeutsamen, für und gegen eine wahrscheinliche Hangtäterschaft sprechen-den Umstände einzubeziehen (vgl. BGH Beschluss vom 19.7.2017 – 4 StR 245/17, BGHR StGB § 66 a Abs. 1 Nr. 3 nF Voraussetzungen 1).
Demgegenüber ist im Rahmen der Gefährlichkeitsprognose die Wahrscheinlichkeit dafür einzuschätzen, ob sich der Täter in Zukunft trotz Vorliegens eines Hangs erheblicher Straftaten enthalten kann oder nicht (vgl. BGH, Beschluss vom 24.5.2017 – 1 StR 598/16, BGHR StGB § 66 I Hang 15; Urt. v. 28.4.2015 – 1 StR 594/14 – BeckRS 2015, 10528 = NStZ-RR 2016, 77 [Ls]; Beschluss vom 30.3.2010 – 3 StR 69/10, NStZ-RR 2010, 203 [204]). Der Hang ist dabei nur ein – wenngleich wesentliches – Kriterium, das auf eine Gefährlichkeit des Angeklagten hindeutet und als prognostisch ungünstiger Gesichtspunkt in die Gefährlichkeitsprognose einzustellen ist (vgl. Urt. v. 8.7.2005 – 2 StR 120/05, BGHSt 50, 188 [196] = NJW 2005, 3155 = NStZ 2006, 278 f.)
Der Angeklagte weist nach Überzeugung der Kammer aufgrund seiner Persönlichkeitsstruktur eine fest eingewurzelte, auf charakterlicher Veranlagung beruhende Neigung auf, auch in Zukunft Straftaten zu begehen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer gestört werden und die im Einzelfall sogar das Gewicht der Anlasstat erreichen können.
Nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. G. G. liegt beim Angeklagten zwar keine Persönlichkeitsstörung oder chronisch verlaufende Krankheit vor, welche für die Begehung der Tat ausschlaggebend gewesen se. Auch sexualdeviante Motive lägen nicht vor. Allerdings, so der Sachverständige, sei festzustellen, dass kriminogene Bedürfnisse in Form des Wunsches nach einer ausgeprägten Kontrolle des Intimpartners zur Begehung der Tötung jedenfalls mitursächlich gewesen seien. Dieses Bedürfnis des Angeklagten nach Kontrolle seiner Intimpartnerinnen sei bereits in den vorhergehenden Beziehungen mit den Zeuginnen H… und E… Ursache für sich wiederholende Konflikte gewesen, welche letztlich zur Frustration des Angeklagten geführt hätten. Die Persönlichkeit des Angeklagten sei dadurch gekennzeichnet, dass er nur eingeschränkt über konstruktive Konfliktlösungsmechanismen verfüge. Vordergründig zeige sich eine stabile Persönlichkeit, die tiefergehende Insuffizienzgefühle zu verbergen versuche. Deutlich werde eine erhöhte Trennungsangst, in Form der Angst, ein Objekt zu verlieren, das dem eigenen fragilen Selbst Stärke verleihe. Die Beziehungen des Angeklagten seien durch eine hohe Ambivalenz geprägt. Sie würden ihm einerseits Befriedigung bieten, andererseits zeige seine jeweilige Partnerin aufgrund des klammernden Verhaltens des Angeklagten aber zunehmend Desinteresse, was zu einer narzisstischen Kränkung führe, welche mit einer permanenten Labilisierung des Selbst einhergehe. Dieses Insuffizienzerleben in Verbindung mit bedrohlich erlebten Ängsten vor dem Verlust seiner Partnerin habe wiederholt zu übergriffigem Verhalten, im Rahmen dessen der Angeklagte seine Partnerinnen massiv bedrängte und verängstigte, geführt, wobei in diesem Zusammenhang eine hohe Egozentrizität und ein ausgeprägtes Empathiedefizit seitens des Angeklagten zum Tragen komme. Durch die Kontrolle seiner Partnerinnen versuche der Angeklagte Insuffizienzgefühle abzuwehren, wobei das Empathiedefizit in Verbindung mit geringer Frustrationstoleranz grenzüberschreitendes Verhalten begünstige.
Der Sachverständige führte weiter aus, dass die Tötung von N. L… in engem Zusammenhang mit dem Kontrollbedürfnis des Angeklagten stehe, das in der jüngeren Vergangenheit an Intensität, möglicherweise verursacht durch ein verstärktes Isolationsgefühl nach dem Tod seines Vaters und den Fortzug seines Sohnes, zugenommen habe.
Der Sachverständige verwies darauf, dass diese Handlungsweisen des Angeklagten, Partnerschaftskonflikte durch Kontrollverhalten zu bewältigen und die Bedürfnisse seiner Partnerinnen nach Autonomie zu ignorieren, festgefahren seien. Dem Angeklagten sei es bisher – trotz therapeutischer Bemühungen – nicht gelungen, diese Konflikte adäquat zu bewältigen. Das eingeschliffene Verhaltensmuster korrespondiere damit, dass bei dem Angeklagten ein Störungsbewusstsein auch zum jetzigen Zeitpunkt nicht zu erkennen sei. Der Sachverständige Dr. G… hat hierzu ausgeführt, dass die bisherige Therapiemotivation Folge eines intensiven Drängens seiner Partnerinnen gewesen sei. Ein selbstkritischer Umgang mit der bisherigen Straffälligkeit sei nicht erkennbar, zumal der Angeklagte dazu neige, die Verantwortung für sein Schicksal zu externalisieren.
Insgesamt besteht daher zur Überzeugung der Kammer kein Zweifel daran, dass der Angeklagte aufgrund des bei ihm vorhandenen Störungsbildes bei sich bietender Gelegenheit sich abermals zum Zwecke der eigenen Stabilisierung intensiv um die Aufnahme einer Beziehung zu einer Frau bemühen würde, deren Bedürfnisse nach Autonomie ignorieren und versuchen würde, Konflikte durch Kontrollverhalten zu bewältigen.
Die Kammer hat hierbei auch berücksichtigt, dass möglicherweise situative Faktoren, wie eine – kriminalprognostisch günstig zu bewertende – erhebliche Alkoholisierung oder ein unerwartetes Kränkungserlebnis, für die Tötung eine entscheidende Bedeutung gehabt haben können. Darüber hinaus wurde gewürdigt, dass der Angeklagte eine grundsätzliche Befähigung zu sozialer Integration und angemessenem Verhalten aufweist.
Bei der Qualifizierung des Störungsbildes des Angeklagten als „Hang“, also als ein tief verwurzeltes und nicht nur situativ gezeigtes Verhaltensmuster, kam der strafrechtlichen Vergangenheit des Angeklagten und dem Hintergrund, vor dem es zu den gegenständlichen Taten gekommen ist, besondere Bedeutung zu.
Mit Urteil des Amtsgerichts Straubing vom 02.04.2019 war der Angeklagte wegen Nachstellung in Tateinheit mit Zuwiderhandlung gegen gerichtliche Maßnahmen zum Schutz vor Gewalt in Tatmehrheit mit Nachstellung in 12 Fällen zu einer Bewährungsstrafe von 8 Monaten verurteilt worden. Dieser Verurteilung zugrunde lagen Taten, die der Angeklagte in dem Zeitraum von 06.10.2016 bis 18.03.2017 zum Nachteil der Zeugin M. H. begangen hatte. Am 06.11.2019, also nur wenige Wochen vor der Begehung der hier verfahrensgegenständlichen Taten, war der Angeklagte wegen Verstoßes gegen das Gewaltschutzgesetz in zwei Fällen erstinstanzlich zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt worden. Dieser Verurteilung lagen Handlungen zum Nachteil der Zeugin M. E. mit Tatzeiten am 26. und 27.04.2019 zugrunde, also Taten, die ihrerseits weniger als einen Monat nach der Verurteilung zu einer Bewährungsstrafe durch das Amtsgericht Straubing am 02.04.2019 begangen wurden. Selbst die weniger als vier Wochen zurückliegende Verurteilung und der drohende Bewährungswiderruf konnten ihn nicht davon abhalten, M. E… weiter nachzustellen.
Trotz dieser Verurteilungen, mit denen zuletzt sogar eine unbedingte Freiheitsstrafe verhängt worden war, und noch im Zeitpunkt der deswegen vor dem Amtsgericht Deggendorf geführten Hauptverhandlung hatte der Angeklagte dieses verfolgende und kontrollierende Verhalten auch in der Beziehung zu N. L… gezeigt.
Letztlich muss festgestellt werden, dass weder die ergangenen Gewaltschutzbeschlüsse noch die vorangegangenen Urteile bei dem Angeklagten einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen haben.
Die seitens des Angeklagten wiederholt begangenen Straftaten sind daher nicht Konflikts-, Gelegenheits- oder Augenblickstaten, sondern sie beruhen auf einem eingeschliffenen Verhaltensmuster.
Die Art und Weise der Darstellung der Sachverhalte durch den Angeklagten gegenüber dem Sachverständigen hat bei der Kammer den Eindruck entstehen lassen, dass er das von ihm begangene Unrecht weitgehend nicht sieht. Insbesondere gab er im Rahmen der Exploration dem Sachverständigen gegenüber an, dass sich die Zeugin H… nur auf Drängen ihres Ehemannes von ihm getrennt habe und dass er die Getötete nicht kontrolliert habe sowie dass die Beziehung harmonisch gewesen sei.
Der Sachverständige Dr. G… hat insoweit deutlich gemacht, dass auch die Taten aus den Vorverurteilungen zu Lasten der Zeuginnen H… und E… mit den beim Angeklagten vorhandenen Kontrollbedürfnissen zu verknüpfen seien.
(2) Erhebliche Straftaten
Zur Überzeugung der Kammer sind auf Grund des Ergebnisses der Hauptverhandlung von dem Angeklagten weiterhin erhebliche Straftaten zu erwarten, durch welche die Opfer seelisch und körperlich schwer geschädigt werden, so dass er gefährlich i.S.d. § 66 Abs. 1 Nr. 4 StGB ist.
Für die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren bedrohten Straftaten nach § 238 Abs. 1 StGB ist dies nicht ohne Weiteres zu bejahen (vgl. Senat, Beschluss vom 19. 12. 2012 – 4 StR 417/12 = NStZ-RR 2013, 145 [147]; BGH, Beschluss vom 22. 7. 2010 – 5 StR 256/10 = NStZ-RR 2011, 12 [13]). Denn wenn die Nachstellung nicht mit aggressiven Übergriffen einhergeht oder die Opfer schwer geschädigt werden, kann sie nicht generell als Straftat von erheblicher Bedeutung angesehen werden (BVerfG, Beschluss vom 24. 7. 2013 – 2 BvR 298/12 – juris Rn 21, 28).
Vorliegend führte der Sachverständige Dr. G… jedoch aus, dass von dem Angeklagten durchaus ein übergriffiges Verhalten, wodurch die Opfer auch schwer psychisch geschädigt werden können, zu erwarten sei und sich die wahrscheinlichen Nachstellungshandlungen nicht nur auf das bloße Beobachten der Tatopfer beschränken würden. Dies zeige auch der Vorfall vom 23.11.2019 anschaulich. Der Angeklagte lauerte an diesem Tag N. L… vor deren Wohnungstür auf, hielt ihr von hinten den Mund zu und drängte sie gewaltsam in deren Wohnung, wo er sie auf die Couch warf und deren Gürtel von der Kleidung riss. Letztlich berichtete auch die Zeugin H…, dass sie sich aufgrund des Verhaltens des Angeklagten in psychotherapeutische Behandlungen begeben musste.
Der Sachverständige wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass im Falle neuerlicher Versuche, Partnerschaftskonflikte durch Kontrollverhalten zu bewältigen, es zwar nicht abermals zu einem Tötungsdelikt kommen müsse. Jedoch sei die Wahrscheinlichkeit, dass potentielle Partnerinnen durch übergriffiges Verhalten des Angeklagten psychisch erheblich geschädigt werden, aus psychiatrischer Sicht sehr groß. Bereits das wiederholte Eindringe in die Privatwohnung, Verfolgungsfahrten oder eine ständige Beobachtung in der Freizeit bzw. am Arbeitsort in der vom Angeklagten betriebenen Intensität sei geeignet, bleibende psychische Schäden, beispielsweise posttraumatische Belastungsstörungen, zu verursachen.
Bei den von dem Angeklagten zu erwartenden Nachstellungshandlungen handelt es sich daher um Straftaten, durch die die Opfer psychisch schwer geschädigt werden können, wobei insoweit die konkret eintretenden Tatfolgen ohne Bedeutung sind. Denn es ist nicht erforderlich, dass Schädigungen sicher voraussehbar sind (vgl. F…, 68. Auflage 2021, § 66 StGB, Rdnr. 58). Zumindest Nachstellungshandlungen gemäß § 238 StGB, wie der Angeklagte sie zum Nachteil der Zeuginnen H… und E… begangen hat, sind im Hinblick auf die für die Tatopfer oftmals gewichtigen psychischen Auswirkungen unabhängig von körperlicher Gewaltanwendung – unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls – grundsätzlich als erhebliche Straftaten zu werten. Hinsichtlich künftiger Taten konkrete seelische Schäden bei den Opfern zu prognostizieren, ist nahezu ausgeschlossen, weshalb auch die allgemeine und abstrakte Gefährlichkeit von Delikten Grundlage von Sicherungsverwahrung sein kann (vgl. BGH, Urteil vom 24.03.2010, Az. 2 StR 10/10).
Der Angeklagte hat innerhalb eines Zeitraums von ca. drei Jahren drei längerfristige Beziehungen geführt und in allen Beziehungen kam es letztlich innerhalb kurzer Zeit zu einem massiven kontrollierenden und nachstellenden Verhalten gegenüber seinen jeweiligen Partnerinnen, gegenüber der Getöteten zeigte der Angeklagte letztlich sogar ein aggressives übergriffiges Verhalten.
Die Erheblichkeit der zu erwartenden Taten wird schließlich noch zusätzlich verstärkt durch die nicht unerhebliche Anzahl von Nachstellungshandlungen zu Lasten von drei Geschädigten innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren und dem Umstand, dass sich nach dem jeweiligen Ende einer Beziehung unmittelbar die nächste Beziehung anschloss, in welcher es jedes Mal sehr rasch zu dem Kontrollverhalten des Angeklagten kam. Jede einzelne dieser Taten, wie der Sachverständige Dr. G… überzeugend ausgeführt und begründet hat, zurückzuführen auf die beim Angeklagten bestehende Verlustangst, welche mit einem erheblichen Kontrollbedürfnis einhergehe und welche den beim Angeklagten vorhandenen Hang maßgeblich begründe.
Sowohl die abgeurteilten Taten zu Lasten der Zeuginnen H… und E… als auch die verfahrensgegenständlichen Taten haben damit Symptomcharakter sowohl für den Hang als auch für die nachfolgend noch darzustellende Gefährlichkeit des Angeklagten (vgl. Fischer, 68. Auflage 2021, § 66 StGB, Rdnr. 56).
(3) Gefährlichkeit
Die Kammer hat keinen Zweifel, dass sich aus dem beim Angeklagten vorhandenen Hang eine erhöhte Wahrscheinlichkeit ergibt, dass von ihm solche erheblichen rechts-widrigen Taten auch in Zukunft ernsthaft zu erwarten sind, und er daher für die Allgemeinheit gefährlich ist.
Es ist nämlich bei Gesamtwürdigung des Angeklagten, seiner Taten und aller aktuellen Umstände zu erwarten, dass der Angeklagte außerhalb der strukturierten Umgebung des Strafvollzugs alte Denk- und Verhaltensmuster aktiviert und er bei einer erneuten Beziehung, die der Angeklagten forcieren wird, sein Kontrollbedürfnis ausleben wird.
Die Taten zum Nachteil der Zeuginnen H… und E…, die Anlasstat und der bei dem Angeklagten festgestellte Hang zu damit vergleichbaren Handlungen entfalten jedenfalls eine Indizwirkung für die Feststellung der Gefährlichkeit (vgl. BGH, Beschluss vom 09.09.2008, Az. 1 StR 449/08).
Insoweit waren zunächst die beim Angeklagten den Hang begründenden Umstände in ihrer konkreten Ausgestaltung erneut in Rechnung zu stellen. Soweit sich der Hang mit auf die beim Angeklagten vorhandene Persönlichkeitsstruktur gründet, ist auch die Kammer in Übereinstimmung mit der Beurteilung durch den Sachverständigen Dr. G… der Überzeugung, dass sich diese im Rahmen der Prognose ungünstig auswirkt. Die in den Anlasstaten zum Ausdruck kommende Gefährlichkeit des Angeklagten relativiert sich auch nicht dadurch, dass bei ihm als Diagnose „lediglich“ Störung des Selbst im biografischen Querschnitt und keine forensisch relevante Persönlichkeitsstörung vorliegt.
Bei Anwendung der Psychopathy-Checklist nach Hare (PCL-R) konnte, wie der Sachverständige Dr. G… darstellte, ein PCL-R Gesamtscore von 10 von 40 Punkten (Interpersonelle Facette 0 von 8 Punkten, Affektive Facette 5 von 8 Punkten, Facette Lebensstil 2 von 10 Punkten, Facette antisoziales Verhalten 2 von 10 Punkten, Sonstige: 1 von 4 Punkten) und somit ein Wert unterhalb des Grenzwertes für die Diagnose einer Psychopathy (25 Punkte) ermittelt werden.
Bei Anwendung des Instruments VRAG (Rettenberger 2017) für die Beurteilung von Gewaltstraftätern erreiche der Angeklagte 3 Punkte (nicht mit beiden Elternteilen aufgewachsen 2 Punkte, Vorverurteilungen ohne Gewalt 3 Punkte, Bewährungsversagen 4 Punkte, frühere Gewaltdelikte 3 Punkte, Berücksichtigung Facette 4 der PCL-R 3 Punkte, Alter -7), womit er der Risikokategorie 5 zuzuordnen sei. Das Rückfallrisiko für erneute Anklage wegen eines Gewaltdeliktes betrag demnach innerhalb von fünf Jahren 26% und innerhalb von 12 Jahren 51%.
Allerdings, so der Sachverständige, handele es sich hierbei um gruppenstatistische Verfahren, sodass unmittelbare Aussagen zu Individuen nicht geschlussfolgert werden können. Ob der Angeklagte erneut straffällig werden wird, müsse daher mit kriminalprognostisch relevanten Aspekten beleuchtet werden.
Hierzu erläuterte der Sachverständige Dr. G… überzeugend, dass der Angeklagte sich aufgrund seiner Insuffizienzgefühle zum Erhalt der eigenen Stabilität abermals intensiv um die Aufnahme einer Beziehung zu einer Frau bemühen werde, deren Bedürfnisse nach Autonomie ignorieren und versuchen werde, Konflikte durch Kontrollverhalten zu bewältigen.
Der Sachverständige Dr. G… führte weiterhin nachvollziehbar aus, dass die Anlasstaten sich auf die Persönlichkeitsentwicklung und die kriminogenen Bedürfnisse zurückführen ließen. Die individuelle Rückfallprognose des Angeklagten sei ungünstig. Aufgrund seiner persönlichen Entwicklung weise er überwiegend negative Prognosemerkmale auf.
Daran anknüpfend betonte der Sachverständige Dr. G… nochmals, dass das Bedürfnis des Angeklagten nach der Kontrolle der Intimpartnerinnen bereits in vorhergehenden Beziehungen wiederholt zu Konflikten und zur Frustration geführt habe. Die psychodynamische Ursache liege in den Kindheitserlebnissen des Angeklagten, da ein wahrscheinlich traumatisch erlebter Verlust der Mutter, möglicherweise verstärkt durch das Erlebnis eines sexuellen Missbrauchs in der Kindheit, aufgrund eines Eindrucks von Untreue zu einer Zunahme des Kontrollbedürfnisses in späteren Partnerschaften geführt habe. Dadurch versuche der Angeklagte Insuffizienzgefühle abzuwehren. Da dieses Kontrollbedürfnis in den letzten Jahren zugenommen habe, möglicherweise durch ein verstärktes Isolationsgefühl nach dem Tod des Vaters und den Auszug seines Sohnes, sei von einer ungünstigen Kriminalprognose auszugehen. Zudem fehle ihm die Bereitschaft, sich an Weisungen und Auflagen zu halten. Weder die ergangenen Gewaltschutzbeschlüsse noch Verurteilungen hätten ihn von der Begehung neuer Straftaten abgehalten.
Die Kammer verkennt allerdings nicht, dass die Indizwirkung des festgestellten Hanges widerlegbar ist (vgl. BGH, Beschluss vom 09.09.2008, Az. 1 StR 449/08) und dass die Begründung der Gefährlichkeit nicht allein auf die Prognosestellung durch den Sachverständigen oder statistische Erkenntnisse über Rückfallwahrscheinlichkeiten gestützt werden darf, sondern dass es einer rechtlichen Gesamtbewertung bedarf, bei der vor-liegend weitere gewichtige Umstände zu berücksichtigen wären (vgl. BGH, Beschluss vom 30.03.2010, Az. 3 StR 69/10). Sie hat allerdings keine Umstände festgestellt, welche entgegen der Indizwirkung der Anlasstaten und des Hanges und entgegen der Prognosestellung durch den Sachverständigen zu ihrer Überzeugung die Wahrscheinlichkeit künftiger Straftaten wesentlich mindern.
Nach der vorzunehmenden Gesamtbewertung besteht daher zur Überzeugung der Kammer kein Zweifel, dass der Angeklagte für die Allgemeinheit besonders gefährlich ist.
c. Ermessensentscheidung
Die Kammer verkennt nicht, dass es sich bei der getroffenen Entscheidung über die Anordnung des Vorbehalts der Sicherungsverwahrung nach § 66 a Abs. 2 StGB um eine Ermessensentscheidung handelt. Die Kammer ist jedoch davon überzeugt, dass vorliegend ein Absehen von der Anordnung des Vorbehalts der Sicherungsverwahrung nicht in Betracht kommt, sondern diese zum Schutz der Allgemeinheit vor dem Angeklagten vielmehr zwingend geboten ist.
Bei der zu treffenden Ermessensentscheidung sind insbesondere die voraussichtlichen Wirkungen eines bevorstehenden langjährigen Freiheitsentzuges, aber auch die Wirkungen eines Fortschreitens des Lebensalters zu berücksichtigen (vgl. Fischer, 68. Auflage 2021, § 66 StGB, Rdnr. 66). Der Angeklagte wurde zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt. Der am 19.10.1966 geborene Angeklagte wird bei vollständiger Verbüßung dieser Freiheitsstrafe 64 Jahre alt sein. Entscheidend ist letztlich jedoch nicht die Dauer des Strafvollzuges und das voraussichtliche Alter zum Zeitpunkt der Haftentlassung an sich, sondern ob Strafvollzug und Fortschreiten des Lebensalters beim Angeklagten eine Haltungsänderung erwarten lassen, die sich auf die im Zeitpunkt der Aburteilung zu stellende Gefährlichkeitsprognose auswirkt.
Für die Kammer ist nicht zweifelhaft, dass die von dem Angeklagten ausgehende Gefahr nicht durch den Hafteindruck und die voraussichtliche Haftdauer bereits derzeit als gemindert angesehen werden kann. Ebenso wenig wird die Gefahrenprognose durch die Möglichkeit einer Therapie zum gegenwärtigen Zeitpunkt wesentlich berührt. Insoweit sah der Sachverständige Dr. G… zwar die Durchführung einer zumindest zweijährigen sozialtherapeutischen Behandlung im Rahmen des Strafvollzugs als Chance für den Angeklagten zur Bewältigung seines problematischen Verhaltens in Intimbeziehungen an und stünden, so der Sachverständige, dem auch keine grundsätzlichen Hindernisse in der Person des Angeklagten entgegen.
Die Einsicht in eine bestehende, mit der Neigung zu Straftaten verbundene Persönlichkeitsproblematik ist aber regelmäßig Voraussetzung für den Einstieg in eine Therapie. Der Angeklagte hat jedenfalls wie bereits ausgeführt noch keine echte Therapieeinsicht und keinen aufrichtigen Willen gezeigt, eine Therapie zu absolvieren. Diese Einsicht kann zwar vor Therapiebeginn durch Motivationsgespräche gefördert werden. Selbst wenn man zu Gunsten des Angeklagten unterstellt, dass er im weiteren Verlauf der Haft sich nicht nur formell bereit erklären wird, an einer Therapie teilzunehmen, sondern unverzüglich ernsthaft auch inhaltlich auf den Erfolg dieser Maßnahmen hinarbeiten wird, so ist der Ausgang gegenwärtig völlig offen. Ein solcher erster Ansatz für eine – nur in einem langfristigen therapeutischen Prozess erzielbare – Verhaltensänderung kann nämlich nicht mit deren erwartbarem Erfolg gleichgesetzt werden (vgl. BGH, Urteil vom 23.04.2013, Az. 5 StR 617/12).
d. Gesamtwürdigung
Nach abschließender Gesamtwürdigung des Angeklagten, seiner Taten, der von ihm ausgehenden erhöhten Gefährlichkeit, des Schutzinteresses der Allgemeinheit wie des Freiheitsrechts des Angeklagten war die Anordnung des Vorbehalts der Sicherungsverwahrung nach pflichtgemäßem Ermessen vorzubehalten.
Wie bereits dargelegt sind von dem Angeklagten in Zukunft Taten zu erwarten, wie sie den Taten zum Nachteil der Zeuginnen H… und E… oder der Anlasstat vergleichbar sind, also zumindest Nachstellungshandlungen, mit erheblichen psychischen Auswirkungen auf die Opfer, gegebenenfalls aber auch körperliche Gewalt. Dabei handelt es sich um erhebliche Straftaten im Sinne des § 66 a StGB.
Wie bereits ausgeführt, finden sich weder in der Person des Angeklagten noch in seinen Taten hinreichende Anhaltspunkte, welche eine andere Beurteilung zulassen würden. Dass der Angeklagte gegenüber den Zeuginnen H… und E… keine Gewalt angewendet hat, ist für die Einordnung der zu erwartenden Delikte als erhebliche Straftaten aus den bereits genannten Gründen unerheblich.
Die Kammer sieht auch eine erhöhte Wahrscheinlichkeit, dass von dem Angeklagten hangbedingt solche erheblichen Straftaten in Zukunft erneut zu erwarten sind. Auf die obigen Ausführungen zum Hang des Angeklagten und zu der daraus erwachsenden Gefährlichkeit kann zunächst Bezug genommen werden.
Schon die Betrachtung der Taten und deren Abfolge lässt keine Abnahme der kriminellen Energie erkennen, vielmehr eine Steigerung des aggressiven Verhaltens im Hinblick auf N. L…, welches mit der Tötung endete. Bei den Taten zu Lasten der Zeuginnen H…, E… sowie N. L… handelt es sich auch nicht um Gelegenheitsdelikte. Betreffen alle Taten – so wie hier – gravierende Nachstellungshandlungen, die sich in vergleichbarer Weise angebahnt und zugetragen haben, so erscheint die Annahme von Gelegenheitstaten als fernliegend (vgl. BGH, Urteil vom 25.10.2006, Az. 5 StR 316/06).
Nichts in den Lebensumständen des Angeklagten deutet derzeit auf eine Stabilisierung oder jedenfalls auf eine zu erwartende Stabilisierung hin. Bei der Prüfung der Unerlässlichkeit des Vorbehalts von Sicherungsverwahrung müssen zwar auch Möglichkeiten zur Einwirkung auf den Angeklagten im Rahmen eines anstehenden Vollzugs einer langjährigen Freiheitsstrafe Berücksichtigung finden. Ein Absehen von dem Vorbehalt von Sicherungsverwahrung in Ausübung des dem Tatrichter insoweit eingeräumten Ermessens ist jedoch nur dann gerechtfertigt, wenn konkrete Anhaltspunkte erwarten lassen, dass der Täter auf Grund der Wirkungen eines langjährigen Strafvollzugs und diesen begleitender resozialisierender sowie therapeutischer Maßnahmen zum Strafende eine günstige Prognose gestellt werden kann. Nur denkbare günstige Veränderungen und Wirkungen künftiger Maßnahmen im Strafvollzug reichen nicht aus (vgl. BGH, Urteil vom 11.07.2013, Az. 3 StR 148/13).
So liegt es hier. Wie bereits dargelegt, hat der Angeklagte die nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen nötige Therapieeinsicht zur Bewältigung seiner aus der Persönlichkeitsstruktur resultierenden kriminogenen Bedürfnisse noch nicht entwickelt. Daher ist derzeit keine nachhaltig positive Wirkung eines Hafteindrucks abzusehen. Dass der Angeklagte die Therapie erfolgreich bewältigen und diese ihn in ausreichendem Maße von dem Ausleben seiner kriminogenen Bedürfnisse abhalten wird, ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht mehr als eine vage Hoffnung.
e. Verhältnismäßigkeit
Die Anordnung des Vorbehalts der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung ist erforderlich, weil der angestrebte Zweck der Maßregel nicht durch ein den Angeklagten weniger belastendes Mittel erreicht werden kann. Dabei ist zu beachten, dass die Sicherungsverwahrung und auch der Vorbehalt der Sicherungsverwahrung einem umfassenden Schutz der Allgemeinheit dienen. Die Kammer hat hier nochmals zusammenfassend gewürdigt, dass derzeit die Durchführung und der Erfolg der bei dem Angeklagten nötigen Therapie völlig ungewiss sind. Bei sorgsamer Abwägung der Interessen des Angeklagten, insbesondere seines Freiheitsinteresses, mit der von ihm ausgehenden besonders hohen Gefahr der Begehung weiterer erheblicher Straftaten kam die Kammer in pflichtgemäßer Ausübung ihres Ermessens zu dem Ergebnis, dass die Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung vorzubehalten war.
E. Adhäsionsverfahren
I.
Die Nebenklägerin D. G… macht mit ihrem Adhäsionsantrag Schmerzensgeld als Hinterbliebenengeld geltend aufgrund der verfahrensgegenständlichen Tötung ihrer Mutter N. L… durch den Angeklagten. Darüber hinaus fordert sie für die der Getöteten zugefügten Schmerzen und Verletzungen Schmerzensgeld an die Erbengemeinschaft. Ferner begeht die Nebenklägerin die Feststellung, dass der Anspruch auf eine Verurteilung wegen unerlaubter Handlung fußt.
Für die Nebenklägerin D. G… wurde unter Bezugnahme auf den Antragsschriftsatz vom 23.10.2020 beantragt,
1.den Angeklagten zu verurteilten, an die Antragstellerin ein angemessenes Schmerzensgeld als Hinterbliebenengeld für die in der Anklage vom 29.04.2020 bezeichneten Straftat am 04.12.2019 zu bezahlen. Die Höhe des Schmerzensgeldes Hinterbliebenengeldes wird in das Ermessen des Gerichts gestellt. Der Anspruch ist mit 5-Prozentpunkten über den jeweiligen Basiszinssatz zu verzinsen.
2.den Angeklagten zu verurteilen, für die der Mutter der Adhäsionsklägerin zugefügten Schmerzen und Verletzungen angemessenes Schmerzensgeld an die Erbengemeinschaft zu bezahlen. Das Schmerzensgeld ist für die Erbengemeinschaft zu hinterlegen. Der Anspruch ist mit 5-Prozentpunkten über den jeweiligen Basiszinssatz zu verzinsen.
3.festzustellen, dass der Anspruch auf eine Verurteilung wegen unerlaubter Handlung fußt.
Der Angeklagte hat beantragen lassen,
von einer Entscheidung abzusehen, hilfsweise den Adhäsionsantrag zurückzuweisen.
II.
Dem Adhäsionsantrag war hinsichtlich Ziffer 1. stattzugeben. Der Adhäsionsklägerin D. G… steht gegen den Angeklagten ein Anspruch auf Zahlung von Hinterbliebenengeld in Höhe von 15.000,00 EUR gemäß § 844 Abs. 3 BGB zu.
Die Adhäsionsklägerin ist aufgrund ihres besonderen persönlichen Näheverhältnisses zu der Getöteten anspruchsberechtigt. Bei der Adhäsionsklägerin handelt es sich um die Tochter der Getöteten. Gemäß § 844 Abs. 3 S. 2 BGB wird daher das besondere persönliche Näheverhältnis im Sinne von § 292 ZPO vermutet und ist es durch das Ergebnis der Beweisaufnahme nicht als widerlegt, sondern aufgrund der glaubhaften Bekundungen der Zeugin D. G. als bestätigt anzusehen (BGH, DAR 2020, 465; Palandt, § 844 BGB, Rdnr. 22).
Soweit bei Tod eines nahen Angehörigen sowohl ein Anspruch auf Zahlung von Schmerzensgeld gemäß §§ 823 Abs. 1, 253 Abs. 2 BGB unter dem Gesichtspunkt des sog. Schockschadens als auch von Hinterbliebenengeld gemäß § 844 Abs. 3 BGB in Betracht kommen kann, geht ersterer vor, wenn sowohl die Voraussetzungen für den Ersatz eines Schockschadens als auch diejenigen nach § 844 Abs. 3 BGB gegeben sind. Ansonsten lassen sie einander unberührt, wobei ein Schmerzensgeldanspruch wegen Schockschadens eine derart schwere Beeinträchtigung voraussetzt, dass diese pathologisch fassbar ist und nach Art und Schwere deutlich über das hinausgeht, was Nahestehende als mittelbar Betroffene in derartigen Fällen erfahrungsgemäß an Beeinträchtigungen erleiden (Palandt, Vorb v § 249 BGB, Rdnr. 40). Diesbezüglich konnte die Kammer aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme jedoch keine hinreichenden Feststellungen treffen.
Bleiben die Beeinträchtigungen unterhalb der für den Ersatz von Schockschäden maßgeblichen Grenze, können sie jedoch gleichwohl als Indiz für das Ausmaß des durch den Tod zugefügten seelischen Leids dienen und insoweit die Bemessung der angemessenen Entschädigung nach § 844 Abs. 3 BGB beeinflussen, ebenso wie unter anderem auch die Umstände des Todes in ihrer Auswirkung auf die Hinterbliebene einzubeziehen sind. Ausgehend von einer vom Gesetzgeber offenbar für angemessen erachteten durchschnittlichen Höhe von 10.000,00 EUR (Palandt, § 844 BGB, Rdnr. 21 und 25; BT-Drucks. 18/11397) war zu berücksichtigen, dass sich mit dem Tod ihrer Mutter in der Wahrnehmung der Adhäsionsklägerin nicht etwa nur ein allgemeines Lebensrisiko, wie etwa im Fall eines fahrlässig verursachten Verkehrsunfalls oder infolge der Verletzung von Verkehrssicherungspflichten, realisiert hat. Vielmehr hat – so hat sie es in der Hauptverhandlung formuliert – der Angeklagte ihr, die wie er wusste, sonst keine näheren Verwandten in Deutschland hat, willentlich ihre Mutter genommen. Zwar ist sich die Kammer bewusst, dass solche Überlegungen vom Tatvorsatz des Angeklagten nicht umfasst gewesen sein dürften. Die subjektive Schilderung der Adhäsionsklägerin beschreibt aber die besonderen, mit einer vorsätzlichen Tötung verbundenen Auswirkungen auf die Hinterbliebene.
Daher sah die Kammer bei der gemäß § 287 Abs. 1 ZPO zu bestimmenden Höhe des Hinterbliebenengeldes einen Betrag von 15.000,00 EUR als angemessen an.
Hinsichtlich Ziffer 2. des Adhäsionsantrags war jedoch gemäß § 406 Abs. 1 S. 3 StPO von einer Entscheidung abzusehen, da insoweit der Antrag unzulässig ist (Meyer-Goßner/Schmitt, § 406 StPO, Rdnr. 10). Wie von der Kammer hingewiesen, ist zum einen die Erbengemeinschaft als behauptete Anspruchsinhaberin hinsichtlich ihrer Zusammensetzung nicht ausreichend bezeichnet. Zum anderen fehlt es insoweit auch am Nachweis der Antragsberechtigung der Nebenklägerin. Zum Nachweis der Erbfolge ist nach der Rechtsprechung des BGH erforderlich, dass der Erbe einen Erbschein vorlegt (BGH NStZ 2010, 714; NStZ-RR 2016, 183). Der Hinweis auf die gesetzliche Erbfolge in der Antragsschrift kann einen solchen Nachweis nicht ersetzen (BGH NStZ-RR 2016, 183). Auch insoweit erweist sich der Antrag als unzulässig (BGH NStZ 2010, 714).
Zinsanspruch: § 404 Abs. 2 StPO, §§ 291, 288 Abs. 1 S. 2 BGB.
Kosten- und Auslagenentscheidung bzgl. Adhäsionsverfahren: § 472a Abs. 2 S. 1 StPO Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 406 Abs. 3 S. 2 StPO, §§ 708 Nr. 1, 709, 711 ZPO.
F. Kosten
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 464, 465 Abs. 1, 472 Abs. 1 StPO.

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