Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Dieselangasskandal: Zur Höhe des Schadensersatzes

Aktenzeichen  20 U 4404/19

Datum:
25.11.2020
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 33456
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 31, § 249, § 291, § 826
ZPO § 287

 

Leitsatz

1. Die Beklagte haftet der Klagepartei aus vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung gem. §§ 826, 31 BGB (ebenso BGH BeckRS 2020, 10555).(Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die zeitanteilige lineare Wertminderung ist im Vergleich zwischen tatsächlichem Gebrauch und voraussichtlicher Gesamtnutzungsdauer, ausgehend vom Bruttokaufpreis im Wege der Schätzung gemäß § 287 ZPO zu ermitteln (ebenso BGH BeckRS 9998, 55746). (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

82 O 3771/18 2019-06-28 Urt LGLANDSHUT LG Landshut

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Landshut vom 28.06.2019, Az. 82 O 3771/18, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 7.951,13 € nebst Zinsen in Höhe 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 29.01.2019 zu bezahlen, Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeuges VW Tiguan 2.0 TDI mit der FIN …08.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
III. Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz trägt der Kläger 79%, die Beklagte 21%. Von den Kosten des Rechtsstreits zweiter Instanz trägt der Kläger 49%, die Beklagte 51%.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
Beschluss:
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 10.261,00 € festgesetzt.

Gründe

I.
Die Klagepartei verlangt von der Beklagten Schadensersatz wegen des Erwerbs eines Pkw, in den ein von der Beklagten hergestellter Motor der Baureihe „EA 189“ eingebaut ist.
Wegen des Sachverhalts im Einzelnen wird auf das landgerichtliche Urteil verwiesen. Hinsichtlich der Anträge im Berufungsverfahren und des Kilometerstands zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat wird auf das Protokoll vom 25.11.2020 Bezug genommen.
Im Übrigen bedarf es keines Tatbestands, da gegen das Urteil kein Rechtsmittel zulässig ist (§ 313 a Abs. 1 Satz 1, § 544 Abs. 2 ZPO).
II.
Die Berufung der Klagepartei ist zulässig und zum Teil begründet.
1. Die Beklagte haftet der Klagepartei aus vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung gem. §§ 826, 31 BGB (vgl. BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 – VI ZR 252/19).
Die Beklagte hat gem. §§ 249 ff. BGB der Klagepartei sämtliche aus der sittenwidrigen Schädigung resultierenden Schäden zu ersetzen.
Der Ersatzanspruch richtet sich bei § 826 BGB auf das negative Interesse. Wenn wie hier der Geschädigte durch Täuschung eines Dritten zum Abschluss eines Vertrags veranlasst wurde, steht ihm im Rahmen der Naturalrestitution gem. § 249 Abs. 1 BGB ein Anspruch auf Rückgängigmachung der Folgen des Vertrags zu, das heißt Ausgleich der für den Vertrag getätigten Aufwendungen durch den Schädiger gegen Herausgabe des aus dem Vertrag Erlangten.
Die Klagepartei kann daher den von ihr aufgewendeten Kaufpreis Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des erlangten Fahrzeugs an die Beklagte zurückverlangen. Sie muss sich allerdings im Wege des Vorteilsausgleichs die von ihr gezogenen Nutzungen anrechnen lassen (vgl. BGH, aaO, juris Rn. 64-77).
Die zeitanteilige lineare Wertminderung ist im Vergleich zwischen tatsächlichem Gebrauch und voraussichtlicher Gesamtnutzungsdauer, ausgehend vom Bruttokaufpreis im Wege der Schätzung gemäß § 287 ZPO zu ermitteln (BGH, Urteil vom 17.05.1995, VIII ZR 70/97, NJW 1995, 2159, 2161). Dabei ist Anknüpfungspunkt der gezahlte Bruttokaufpreis, der den Nutzungswert des Fahrzeugs verkörpert. Dieser betrug 27.600 Euro. Hinzu kommen die Finanzierungskosten in Höhe von 3.716,31 Euro. Die im Einzelfall unter gewöhnlichen Umständen zu erzielende Gesamtfahrlaufleistung stellt den Gesamtgebrauchswert dar. Der Senat schätzt gemäß § 287 ZPO die Gesamtlaufleistung auf 250.000 Kilometer. Die gefahrenen Kilometer belaufen sich auf 156.980 km (196.580 km abzüglich 39.600 km bei Erwerb). Dies ergibt eine zu berücksichtigende Nutzungsentschädigung von 23.365,18 Euro. Damit verbleibt ein ersatzfähiger Betrag von 7.951,13 Euro.
2. Der Klagepartei steht ein Anspruch auf Verzinsung des Kaufpreises nebst Finanzierungskosten abzüglich der Nutzungsentschädigung seit Rechtshängigkeit (§ 291 BGB) zu.
III.
1. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1 S. 1 ZPO. Bei der Bemessung der Kostenquote berücksichtigt der Senat auch, dass die Klagepartei bis zur Antragsänderung in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat einen nicht gerechtfertigten Anspruch auf Zinsen von der Kaufpreiszahlung (1. Instanz) bzw. vom 03.12.2014 (2. Instanz) bis zur Rechtshängigkeit geltend gemacht hat, was einem Betrag von rund 9.500 Euro bzw. 5.200 Euro entspricht. Der Umstand, dass Zinsen als Nebenforderung bei der Bemessung des Streitwerts außer Betracht bleiben, führt nicht dazu, dass eine Zuvielforderung in diesem Bereich bei der Kostenverteilung nicht berücksichtigt werden kann. Ein Teilunterliegen kann auch angenommen werden, soweit eine Partei mit einem Nebenanspruch unterliegt (vgl. BGH, Urteil vom 28.04.1988 – IX ZR 127/87, juris Rn. 28).
2. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
3. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Die entscheidungserheblichen Fragen sind durch die Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vom 25.05.2020 und vom 30.07.2020 geklärt.

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