Aktenzeichen 3 KLs 262 Js 103064/20
Leitsatz
Als erheblich iSd § 63 S. 1 StGB sind nur solche Taten anzusehen, die geeignet erscheinen, den Rechtsfrieden empfindlich bzw. schwer zu stören sowie das Gefühl der Rechtssicherheit der Bevölkerung erheblich zu beeinträchtigen, und die damit zumindest dem Bereich der mittleren Kriminalität zuzuordnen sind. Zwar kommt dies bei Gewalt- und Aggressionsdelikten regelmäßig in Betracht, ist aber immer anhand der Umstände des konkreten Einzelfalles zu prüfen (hier verneint bei Körperverletzungen, Bedrohungen und Widerstandshandlungen als Anlasstaten). (Rn. 130 – 136) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I) Die Unterbringung des Beschuldigten …, geboren am 22.05.1977, in einem psychiatrischen Krankenhaus wird abgelehnt.
II) Die Kosten des Verfahrens, einschließlich der notwendigen Auslagen des Beschuldigten, fallen der Staatskasse zur Last.
III) Eine Entschädigung des Beschuldigten nach dem StrEG für die vorläufige Festnahme vom 12.01.2020, für die Zeit der Untersuchungshaft vom 13.01.2020 bis 03.03.2020 sowie für die Zeit der einstweiligen Unterbringung vom 03.03.2020 bis 17.11.2020 wird versagt.
Gründe
A.
Persönliche Verhältnisse
I.
Der Beschuldigte gehört dem Volk der Tschetschenen an und ist Moslem. Er wurde 1977 in Tschetschenien geboren und wuchs dort bei seinen Eltern auf. Seine Eltern leben noch in Tschetschenien und haben eine Landwirtschaft. Der Beschuldigte hat vier Schwestern und sechs Brüder. Er ist der siebte in der Geschwisterreihe. Jeweils einer seiner Brüder lebt in München, in Neubrandenburg und in Frankreich. Die anderen Geschwister des Beschuldigten leben in Tschetschenien. Zu seinem Bruder in München … hat der Beschuldigte regelmäßigen Kontakt. Dieser Bruder arbeitet als selbständiger Küchenmonteur. Der Beschuldigte ist ledig und hat keine Kinder. Kurz nachdem er nach Deutschland gekommen war, hatte er für drei bis vier Monate eine Beziehung zu einer russischen Frau in Würzburg. Weitere Beziehungen hatte der Beschuldigte seither nicht.
Der Beschuldigte besuchte keinen Kindergarten. Im Jahr 1984 wurde er eingeschult und absolvierte bis 1994 zehn Klassen Grund- und Mittelschule, davon acht Jahre in einem Internat in Grosny und zwei Jahre im Dorf der Eltern. Er erzielte befriedigende Noten. Nach der Schule studierte er sieben Jahre lang Architektur an einem Ausbildungsinstitut für Bauwesen in Grosny, wobei er einen regelgerechten Abschluss erreichte. Während dieser sieben Jahre unterbrach er sein Studium für ein Jahr und nahm als tschetschenischer Kämpfer am Bürgerkrieg mit Russland teil. In der Zeit zwischen 1994 und 1998 konsumierte der Beschuldigte regelmäßig Marihuana, und zwar jeden Tag am Abend zwischen acht und elf Uhr. Außerdem probierte er einmal Kokain und zwei- bis dreimal Heroin. Nach dem Abschluss seines Studiums arbeitete der Beschuldigte als Mathematiklehrer an einer Schule, weil er in Mathematik gute Leistungen erzielt hatte und Lehrer gesucht wurden.
2003 zog der Beschuldigte nach Deutschland, wo er einen Asylantrag stellte. Zwei bis drei Wochen lebte er auf einem Schiff im Rhein in Düsseldorf, danach kam er nach Würzburg. Dort lebte er in einem Asylbewerberheim. Anschließend wohnte er in einer Wohnung, die ihm das Sozialamt zur alleinigen Nutzung zugewiesen hatte. Aufgrund von Taten im Januar 2017 wurde gegen den Beschuldigten unter dem Aktenzeichen 3 KLs 262 Js 105290/17 bereits ein Sicherungsverfahren durchgeführt.
In diesem Verfahren befand er sich vom 15.01.2017 bis 21.09.2017 in Untersuchungshaft und in den Zeiträumen 21.09.2017 bis 14.11.2017 und 16.05.2018 bis 05.11.2018 in einstweiliger Unterbringung. In dem Zeitraum 14.11.2017 bis 15.05.2017 und seit seiner Entlassung am 05.11.2018 lebte der Beschuldigte in verschiedenen Obdachlosenunterkünften in Würzburg und auf der Straße. Er erhält Sozialhilfe in Höhe von 370,- € bis 380,- € im Monat. Schulden hat er keine. Während seiner Zeit in Deutschland arbeitete er zeitweise als Küchenhelfer. Sonst ging er keiner regelmäßigen Erwerbstätigkeit nach. In Deutschland konsumierte der Beschuldigte wenig Alkohol und keine illegalen Drogen.
Der Beschuldigte fühlt sich gegenüber anderen Leuten gehemmt und kann sich nicht gut mit ihnen unterhalten. Gemäß eigenem Bekunden leidet er an einer paranoiden Schizophrenie. Die ihm verordnete Medikation hat er zwar oft abgesetzt, jedoch auch immer wieder eingenommen, wenn es ihm schlechter gegangen ist. Nach seiner Entlassung aus der vorläufigen Unterbringung im vorhergehenden Sicherungsverfahren am 05.11.2018 erhielt er von seinem behandelnden Arzt in Würzburg jeden Monat Risperidon in Depotform (Risperdal Consta). Diese Depotmedikation setzte er irgendwann zwischen September und November 2019 ab. Wenn es ihm schlecht geht, hat er Gedanken im Kopf und bekommt Informationen, welche er im Kopf nicht festsetzen kann. Seine Gedanken laufen im Kreis. Er hat negative Informationen aufgesaugt wie ein Schwamm und sie nicht kontrollieren können. Darunter leidet der Beschuldigte schon seit seinem Studium und seit dem Krieg in Tschetschenien. Wegen dieser Krankheit konnte er nicht so gut studieren. Der Beschuldigte empfand zeitweilig starke Schmerzen im Körper, welche derzeit jedoch nur noch selten auftreten. Nachdem er das Gefühl gehabt hatte „Steine im Bauch“ zu haben, wurde er am Bauch operiert, woraufhin die Schmerzen zeitweilig verschwunden waren. Derzeit hat er kaum Schmerzen, nur gelegentlich spürt er etwas im Knie. Mehrere körperliche Untersuchungen haben keine körperliche Ursache der Schmerzen aufdecken können. Weiter hatte der Beschuldigte zeitweilig das Gefühl, sein Körper wolle sich ausdehnen und werde zusammengepresst. Er habe früher gedacht, dass er ein Prophet sei oder dass ihn jemand töten wolle. Gemäß seinem Empfinden bestand bei ihm früher eine erhöhte Reizbarkeit und eine erhöhte Impulsivität, die auch jetzt noch vereinzelt auftritt.
Der Beschuldigte bezeichnet sich als gläubigen Menschen. Die Koranschule hat er nicht besucht und er spricht auch nicht arabisch.
Dem Beschuldigten geht es nach seiner Einschätzung derzeit gut. Er hat während seines Aufenthalts im BKH Straubing, wo sich der Beschuldigte seit dem 03.03.2020 in einstweiliger Unterbringung befindet, einen Deutschkurs besucht und neue Wörter gelernt. Diese Wörter wollen aber nicht in seinem Kopf bleiben.
Nach seiner Entlassung möchte der Beschuldigte wieder nach Würzburg zurückkehren und sich um eine eigene Wohnung bemühen. Die Depotmedikation, die er seit Juni 2020 im BKH Straubing erhält, will er regelmäßig jeden Monat einnehmen.
Der Beschuldigte ist nicht vorbestraft. In dem vorhergehenden Sicherungsverfahren 3 KLs 262 Js 105290/17 wurde mit Urteil des Landgerichts München I vom 05.11.2018 die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus abgelehnt. Diese Entscheidung ist rechtskräftig. Mit Urteil des Bundesgerichtshofs vom 01.09.2020, Az. 1 StR 371/19, wurde die Revision der Staatsanwaltschaft, welche sich gegen die Nichtanordnung der Unterbringung wandte, verworfen.
II.
Seit 2009 wurde der Beschuldigte mehrfach stationär psychiatrisch im BKH Lohr behandelt:
1. Vom 13.08.2009 bis zum 12.09.2009. Der Beschuldigte wurde polizeilich eingewiesen, weil er sich seit Wochen zunehmend aggressiv verhalten hatte. Als Diagnose wird eine Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis angegeben. Auf der Station hatte der Beschuldigte wiederholt aggressive Durchbrüche, so dass er fixiert werden musste. Einmal hat er auf Station eine Schwesternschülerin bedrängt. Im inhaltlichen Denken hat sich nach wiederholten Explorationen ein Wahnsystem ergeben, wonach er an Lepra leide und dadurch verschiedene körperliche Symptome sowie den Zwang habe, sich Frauen zu nähern. Er war der Meinung, dass die Hälfte der Weltbevölkerung auch an Lepra leide. Unter Therapie mit Risperdal 6 mg zeigte der Beschuldigte ein zunehmend angepasstes Verhalten und konnte in den letzten Tagen auf der offenen sozialtherapeutischen Station behandelt werden. Am 12.09.2009 verließ er ohne Rücksprache die Klinik und tauchte wieder im Asylbewerberwohnheim auf.
2. Vom 21.09.2009 bis zum 02.11.2009. Der Beschuldigte hatte zuvor die Medikation abgesetzt und sich verhaltensauffällig aggressiv gezeigt, hatte kaum geschlafen und war durch die Stadt gelaufen. Es hatte Streit gegeben zwischen dem Beschuldigten und dem Hausmeister des Asylbewerberwohnheims, jedoch ohne körperliche Gewalt seitens des Beschuldigten. Der Beschuldigte kam in die Klinik in Begleitung von Polizei und Sanitätern. Er erhielt die gleiche Diagnose wie beim ersten Aufenthalt in Lohr. Er fühlte sich „von Schweineleuten bedrängt“ und dadurch kaputt. Er dachte, er wäre eine Frau und kein Mann. Er gab an, manchmal Stimmen zu hören; es könne sein, dass diese seltener würden, seit er Risperdal nehme. Gemäß seinen Angaben hatte er nach dem 12.09.2009 keine Medikamente mehr eingenommen. Initial musste er zur Medikationseinnahme aufgefordert werden und zeigte sich teils gereizt. Er nahm dann weiter Risperdal oral an und wurde auf Risperdal Consta 50 mg alle zwei Wochen umgestellt. Im Zuge der Medikationseinnahme wurde er lockerer, angepasster, ruhig, freundlich und kooperativ und nahm an den Therapien teil. Im letzten Gespräch äußerte er, er wisse nicht genau, ob er Lepra habe.
Nach seiner Entlassung war er in ambulanter Behandlung bei einem Arzt für Neurologie und Psychiatrie, bei dem er weiter seine Depotmedikation erhielt.
3. Vom 17.09.2012 bis zum 29.10.2012. Die Aufnahme erfolgte wegen gereiztem und bedrohlichem Verhalten im Asylbewerberheim und aufgrund Unterbringungsbeschluss des Amtsgerichts Gemünden. Nach eigenem Bekunden hatte der Beschuldigte ein paar Monate vor der Aufnahme die Depotmedikation abgesetzt. In Lohr berichtete der Beschuldigte über eine innere Vergiftung. Das Gift sei sehr toxisch und wirke negativ auf seinen Körper, seine Gedanken und alle seine Zellen. Dadurch ändere sich sein Denken, Fühlen und Vorstellen. Er denke an einen bestimmten Menschen und stelle sich nach einer gewissen Zeit vor, sich in diesen Menschen umzuwandeln. Der Beschuldigte zeigte keine Krankheitseinsicht und keine Therapiemotivation. Er war angespannt, zeitweise bedrohlich, misstrauisch und gereizt, beschimpfte die Ärzte und Pfleger, war überzeugt, dass ihn die Ärzte mit Medikamenten umbringen wollten und verlangte eine Infusion zur Entgiftung. Eine Krankenschwester bedrohte er mit einem zerbrochenen Besenstiel. Medikamentös versorgt wurde er zunächst mit Risperdal 6 mg p.o. Nachdem dieses auf 2 mg reduziert worden war, wurde seine Stimmung deutlich gereizter. Er brach die Arbeitstherapie ab und wollte die Station nicht mehr verlassen. Daraufhin wurde die Dosis auf 4 mg erhöht und zusätzlich Abilify gegeben. Nach intensiver Motivierung wurde er umgestellt auf Risperdal Consta in einer reduzierten Dosis von nur 37 mg. Dadurch zeigte er sich zugänglicher und freundlicher. Nach Ablauf der Unterbringungszeit konnte er jedoch zu einer weiteren stationären Behandlung nicht motiviert werden.
Im Anschluss daran wurde er wieder durch einen Facharzt ambulant behandelt. Dort war er medikamentös compliant. Am 15.03.2013 zeigte er sich – bei fehlendem produktiv psychotischem Verhalten – sozial zurückgezogen, scheu und gehemmt, so dass der behandelnde Arzt – bei einer Diagnose von paranoider Schizophrenie – eine Reduzierung der Risperdal-Medikation empfahl. Am 08.08.2013 zeigte sich der Beschuldigte erneut latent aggressiv, weil er seine Risperdal-Medikation nicht eingenommen hatte. In der Sprechstunde erhob er gegenüber einer Arzthelferin die Faust und äußerte: „Du Schlampe, was willst Du“. Der behandelnde Arzt empfahl dringend eine Fortführung der Depotmedikation, verabreichte vor Ort Risperdal Consta 37,5 mg und hielt eine stationäre Behandlung für erforderlich.
4. Vom 14.08.2013 bis zum 25.09.2013. Er wurde seitens der Polizei eingewiesen, nachdem er sich in einer Moschee aggressiv verhalten und mehrmals gedroht hatte, den Imam umzubringen. Bei der Aufnahme war der Beschuldigte gereizt, misstrauisch, eingeschränkt zugänglich und ausweichend. Sein Denken enthielt wahnhafte Vergiftungsideen. Außerdem klage er über unspezifische Gliederschmerzen. Er zeigte sich wenig krankheitseinsichtig, wenig therapiemotiviert und konnte keine klare Aussage treffen, warum er den Imam umbringen wollte. Er verweigerte die Visite und war unzugänglich und abweisend. Medikamentös versorgt wurde er mit Risperdal und mit Risperdal Consta. Nach Ablauf der Unterbringungszeit forderte er die sofortige Entlassung. Zwar waren bei ihm zu diesem Zeitpunkt kein wahnhaftes Denken und keine Halluzinationen eruierbar, jedoch war er unfreundlich und abweisend.
Im Rahmen der anschließenden ambulanten Behandlung tolerierte der Beschuldigte bis 22.04.2014 die Risperdal-Consta-Medikation gut und äußerte die Hoffnung, als Architekt arbeiten zu können.
5. Vom 25.04.2014 bis zum 27.05.2014. Aufnahmegrund war eine Exazerbation der paranoiden Schizophrenie. Der Beschuldigte hatte im Asylbewerberheim nachts an die Zimmer anderer geklopft, unerlaubt die Räume anderer betreten, den Kontakt zu Kindern gesucht und eine Mitbewohnerin belästigt. Als Medikation erhielt er Risperdal Consta 50 mg und Risperdal 2 mg. Dies war auch die Entlassungsmedikation.
6. Vom 14.01.2015 bis zum 26.01.2015. Eingewiesen wurde der Beschuldigte durch seinen ambulanten Psychiater, weil sich der Beschuldigte im Asylbewerberheim überfordert gefühlt hatte.
Die anderen Bewohner waren ihm zu laut. Er wünschte, sich im Krankenhaus zu erholen und Abstand zu gewinnen. Seine Stimmung war depressiv, sein Antrieb reduziert. Er machte sich Gedanken über die Zukunft. Diagnostiziert wurde eine postschizophrene Depression im Rahmen einer paranoiden Schizophrenie. Medikamentös behandelt wurde er mit Risperdal Consta 37,5 mg, Risperdal 1 mg, Dipiperon 40 mg (zum Schlafen) und Paroxetin 40 mg (gegen die Depression).
Im Rahmen der anschließenden ambulanten Behandlung stabilisierte sich der Beschuldigte bis 04.11.2015 bei weiterer Durchführung der Depotmedikation. Am 02.11.2015 zog der Beschuldigte aus dem Asylbewerberheim aus und hatte ein Monat lang einen 450,- €-Job in einem Restaurant. Er lebte alleine und zurückgezogen.
7. Vom 25.06.2016 bis zum 02.09.2016. Diagnostiziert wurde eine paranoide Schizophrenie. Der Beschuldigte berichtete von Vergiftungsängsten, gab an, dass sein Blut überall wehtue und forderte eine Infusion zur Blutentgiftung. Behandelt wurde er zunächst mit Haloperidol und anschließend mit Risperdal Consta. Unter der Medikation hat sich das psychotische Erleben verbessert; jedoch blieb der Beschuldigte wechselhaft im Affekt. Er wurde in gebessertem Zustand entlassen.
8. Vom 15.09.2016 bis zum 31.10.2016. Auf Anordnung der Stadt Würzburg kam er in Begleitung der Polizei fixiert und in aggressivem Zustand. Vor der Einweisung war er in der Missionsärztlichen Klinik in Würzburg sehr agitiert und sehr durcheinander. Er schlug nach dem Personal. Nach eigenen Worten fühlte er sich „krank im Kopf“. In Lohr starrte der Beschuldigte stundenlang in den Spiegel oder an die Decke und wirkte so, als ob er dort Dinge sehe. Es kam immer wieder zu handgreiflichen Auseinandersetzungen mit Mitpatienten, welche vom Beschuldigten ausgingen. In den ersten vier Wochen war seine medikamentöse Compliance reduziert. Behandelt wurde er zunächst mit Olanzapin in einer Dosis von 20 mg, welche auf 40 mg erhöht wurde, und mit Risperdal Consta in einer Dosis von 50 mg. Dann wurde ihm statt Zyprexa Haloperidol gegeben. Dadurch wurde er ruhiger und weniger gereizt. Das Risperdal-Depot wurde umgestellt auf Fluanxol.
III.
Spätestens im Januar 2017 hat der Beschuldigte die neuroleptische Medikation abgesetzt und es kam zu den Taten, die Gegenstand des Sicherungsverfahrens 3 KLs 262 Js 105290/17 waren. In diesem Verfahren befand sich der Beschuldigte vom 15.01.2017 bis zum 20.09.2017 in Untersuchungshaft, und zwar ab 26.01.2017 in der JVA Straubing, und anschließend vom 21.09.2017 bis zum 14.11.2017 in einstweiliger Unterbringung im IAK München-Ost in Haar. Vom 16.05.2018 bis zum 05.11.2018 befand sich der Beschuldigte wiederum in einstweiliger Unterbringung, und zwar zunächst im IAK München-Ost in Haar und ab 30.08.2018 im BKH Straubing. Das Landgericht München I hat in dem Urteil vom 05.11.2018 zu diesen Aufenthalten folgende Feststellungen getroffen:
1. Nach seiner Festnahme am 14.01.2017 verhielt sich der Beschuldigte in der JVA München zunehmend auffälliger, so dass man von verschiedenen Wahnideen ausging und den Beschuldigten für die Zeit vom 19.01.2017 bis zum 23.01.2017 in das Isar-Amper-Klinikum München-Ost in Haar verlegte. Nach Rückkehr in die JVA München weigerte sich der Beschuldigte, eine zuvor begonnene antipsychotische medikamentöse Behandlung fortzuführen. Er verhielt sich unruhig und zunehmend angespannt, weigerte sich, die Dusche zu verlassen, und wurde in den ersten Tagen in einem besonders gesicherten Haftraum untergebracht. Im Verlauf zeigten sich bizarre Verhaltensweisen mit Gestikulieren und hoher emotionaler Anspannung, so dass er am 26.01.2017 in die psychiatrische Abteilung der JVA Straubing verlegt wurde. Da er sich weiterhin auffällig zeigte, jedoch jegliche Einnahme von Medikamenten ablehnte war am 02.02.2017 und am 13.03.2017 eine Zwangsmedikation erforderlich. Im Verlauf war der Beschuldigte einverstanden, regelmäßig Antipsychotika zu nehmen und er erhielt regelmäßig Olanzapin. Er wurde geordneter und erklärte, dass möglicherweise etwas nicht in Ordnung sei mit ihm.
2. Der Verlauf des Aufenthalts des Beschuldigten im Isar-Amper-Klinikum München-Ost vom 21.09.2017 bis zum 14.11.2017 im Rahmen der einstweiligen Unterbringung war komplikationslos und ohne besondere Vorkommnisse. Auch während der abermaligen einstweiligen Unterbringung im Isar-Amper-Klinikum München-Ost in Haar, ab 16.05.2018 war der Beschuldigte, welcher vorher sechs Monate lang in einem Obdachlosenheim in Würzburg gewohnt hatte, zunächst freundlich, gepflegt, geordnet und im formalen Denken unauffällig. Hierbei wirkte er jedoch aufgesetzt freundlich und überfreundlich, manchmal fast unterwürfig. Seine Medikamente nahm er regelmäßig ein. Der Beschuldigte beschrieb wiederholt Ganzkörperschmerzen.
Am 25.06.2018 ging der Beschuldigte im Raucherraum der Station 60 F auf einen anderen (schwarzafrikanischen) Patienten los und versuchte, ihn zu schlagen. Den Mitpatienten gelang es nicht, den Beschuldigten zu beruhigen. Erst zwei Pfleger konnten die Situation verbal deeskalieren und den Beschuldigten auf sein Zimmer führen. Verletzt wurde niemand. Gegenüber den Pflegern war der Beschuldigte zwar sehr aggressiv und angespannt, jedoch auch ruhig. Er sagte nichts, war aber rot im Gesicht. Die Patienten äußerten sich unterschiedlich über die Ursache des Verhaltens des Beschuldigten. Unter anderem sagten sie, der Beschuldigte habe etwas gegen Farbige und der Beschuldigte habe auf seinen Platz gewollt. Seine Olanzapin-Dosis wurde aufgrund des Vorfalles erhöht.
Am 08.07.2018 ging der Beschuldigte, nachdem er den Raucherraum betreten und von einem anderen (schwarzafrikanischen) Mitpatienten aufgefordert worden war, die Türe zu schließen, auf diesen los, griff ihn fest an den Hals und warf ihn auf einen Tisch. Dann schlug er mit der Faust auf den Tisch. Die Pfleger mussten den Beschuldigten mit Gewalt zurückziehen. Der Beschuldigte äußerte, er lasse sich von einem jüngeren Schwarzen nichts sagen. Der geschädigte Mitpatient hatte während des Griffs an den Hals Schmerzen. Verletzungen erlitt der Geschädigte jedoch nicht. Bei einem Gespräch nach dem Vorfall wirkte der Beschuldigte wieder normal. Es war nicht zu erkennen, dass irgendetwas vorgefallen war.
Am 10.07.2018 wurde der Beschuldigte auf die Station C verlegt. Dort verhielt er sich unauffällig, zugewandt, freundlich, absprachefähig, aber auch zurückgezogen, wenig schwingungsfähig und nivelliert. Er hatte keine Arbeit und keine Struktur. Er äußerte, sich gelegentlich einzelne Worte nicht merken zu können. Während des Ausgangs im Hof lachte der Beschuldigte laut und redete mit sich selbst. Nachdem sich der Beschuldigte von fremdaggressivem Verhalten distanziert und versichert hatte, sich an die Stationsregeln zu halten, wurde die Isolation beendet. Seine Medikamente hat der Beschuldigte regelmäßig eingenommen. Wegen einer bei ihm bestehenden Angst vor Kontaminierung der Olanzapin-Tablette bestand er jedoch immer darauf, die Tablette selbst aus ihrer Verpackung zu lösen, was jedoch sehr schwierig war, weil es größeres Geschick erforderte.
Am 23.08.2018 bei der abendlichen Medikamentenausgabe schnitt ein Pfleger die Tablette mit Verpackung ab und übergab sie dem Beschuldigten. Nachdem der Beschuldigte die Tablette nicht gleich öffnen konnte, kam der Pfleger auf ihn zu und bat den Beschuldigten, ihm die Tablette zu übergeben, damit er sie öffnen kann. Darauf wurde der Beschuldigte sofort sehr wütend, schlug mit der Faust in Richtung des Pflegers und beschimpfte ihn. Der Pfleger wich zurück, und ein weiterer Pfleger ging dazwischen und rief mit ausgestreckten Händen: „Stopp, jetzt reichts!“ Darauf setzte sich der Beschuldigte und ließ sich widerstandslos vom Sicherheitsdienst mitnehmen. Die anschließende Isolierung des Beschuldigten wurde am 27.08.2018 wieder aufgehoben, nachdem der Beschuldigte von sich aus um ein Gespräch gebeten und versichert hatte, sich an alle Regeln zu halten.
Die Vorfälle vom 25.06.2018, 08.07.2018 und vom 23.08.2018 lassen sich nicht mit der erforderlichen Sicherheit als Symptomtaten auf die paranoide Schizophrenie des Beschuldigten zurückführen. Jedenfalls sind sie – zumindest nicht ausschließbar – auf die durch die Unterbringung für den Beschuldigten bestehende Situation zurückzuführen.
3. Am 30.08.2018 wurde der Beschuldigte in das BKH Straubing verlegt. Dort kam er zunächst bis zum 10.09.2018 in das Beobachtungszimmer (mit Kamera), wo er ruhig im Bett lag. Der Beschuldigte war zugewandt, auskunftsbereit und oberflächlich freundlich. Auffälligkeiten zeigte er zunächst nicht. Als neuroleptische Medikation erhielt der Beschuldigte Olanzapin 20 mg (2 Tabletten) verordnet. Der Beschuldigte nahm jedoch jeweils nur eine Dosis von 10 mg (1 Tablette) ein, was seitens der Ärzte hingenommen wurde. Körperliche Untersuchungen verweigerte der Beschuldigte. Er lehnte es allgemein ab, dass man ihm zu nahekommt. Er äußerte, dass er Angst vor Erregern habe und sich damit infizieren könnte.
IV.
Zu den Anlasstaten im vorhergehenden Sicherungsverfahren 3 KLs 262 Js 105290/17 hat das Landgericht München I mit Urteil vom 05.11.2018 folgende Feststellungen getroffen:
1. Am 04.01.2017 gegen 05:20 Uhr stand der Beschuldigte in der Erlabrunner Straße in Würzburg an der Bushaltestelle. Als die Geschädigte … (* 08.03.1990), welche einen Wintermantel und einen Schal trug, mit ihrem Hund, einem Schäferhundmischling, an ihm vorbei zu ihrem Auto ging, beobachtete der Beschuldigte die Geschädigte, was diese auch bemerkte. Hierbei wirkte der Beschuldigte auf die Geschädigte, als ob er etwas wollte. Abgesehen von ihrem Hund war die Geschädigte alleine unterwegs. Als die Geschädigte auf seiner Höhe war, trat der Beschuldigte auf die Geschädigte zu, so dass sich beide von Gesicht zu Gesicht unmittelbar gegenüberstanden, und griff ihr von der Seite in sexueller Motivation oberhalb der Kleidung unvermittelt an den Oberkörper in Höhe der Brüste. Hierbei sprach er in gebrochenem Deutsch etwas mit sexuellem Hintergrund, wobei er das Wort „Frau“ verwendete. Der Beschuldigte nahm zumindest billigend in Kauf, dass die Geschädigte die Berührung nicht wollte und sich dadurch belästigt fühlen würde. Als die Geschädigte ihr Tierabwehrspray zückte und sich der Hund der Geschädigten knurrend zwischen sie und den Beschuldigten stellte, wich der Beschuldigte zurück. Die Geschädigte stieg schnell in ihr Auto und verriegelte die Tür. Der Beschuldigte trat zum Auto und zog an der Beifahrertür. Als die Geschädigte losgefahren war, sprang er vor das Fahrzeug und hielt den Daumen hoch wie ein Anhalter. Die Geschädigte würgte zunächst das Auto ab und fuhr dann an dem Beschuldigten vorbei weiter.
Die Geschädigte hat seitdem immer ein griffbereites Pfefferspray dabei und macht sich Gedanken, wenn sie alleine unterwegs ist und in der Dunkelheit einem Mann begegnet. Sie ist dann vorsichtiger. Die Geschädigte hat mit vielen Leuten über den Vorfall gesprochen, was sie erleichtert hat. Sie hat sich nicht überlegt, ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen.
2. Am 11.01.2017 gegen 16:35 Uhr stieg die Geschädigte … (* 07.09.1993) am Busbahnhof beim Hauptbahnhof in Würzburg in einen Bus der Linie 522, um dort in Richtung Leinach bis zur Sedanstraße zu fahren. Die Geschädigte war alleine unterwegs. Der Bus war voll. Nachdem sich die Geschädigte ganz hinten in der Mitte hingesetzt hatte, setzte sich wenige Minuten später der Beschuldigte zu ihr. Zunächst beschimpfte er sehr laut die anderen Fahrgäste und forderte sie auf, die Geschädigte nicht anzuschauen. Dann fragte er die Geschädigte nach ihrem Namen und erzählte, dass er ledig sei und „sein Ding“ jede Nacht aufstehen würde. Gemeint war damit sein Geschlechtsteil, was die Geschädigte, wie vom Beschuldigten beabsichtigt, auch so verstand. Er fragte dann die Geschädigte, ob diese sein Ding nicht in den Mund nehmen möchte, und schob dabei ein Stück Pizza in die Richtung des Mundes der Geschädigten, damit diese abbeiße. Die Geschädigte empfand deshalb Ekel. Währenddessen pöbelte der Beschuldigte weiterhin die anderen Fahrgäste an, welche die Geschädigte und das Geschehen beobachteten, und lachte kurz, so dass die Geschädigte den Eindruck hatte, dass er verstört ist. Als der Beschuldigte dann in Richtung der Hand der Geschädigten griff, stand die Geschädigte auf, so dass der Beschuldigte die Hand nicht erreichte. Die Geschädigte ging zum Busfahrer und beschwerte sich über den Beschuldigten. Dieser hielt – 5 Minuten und ca. 3 bis 5 km nach dem Busbahnhof – an, ging nach hinten und schimpfte mit dem Beschuldigten, welcher herumschrie. Wie vom Beschuldigten beabsichtigt, fühlte sich die Geschädigte durch das Verhalten des Beschuldigten herabgewürdigt.
Die Geschädigte wusste nach der Tat nicht, was sie machen sollte. Sie fühlte sich unangenehm, weil sie alleine wohnt. Die Geschädigte ärgert sich insbesondere über die Reaktion der Mitfahrer im Bus, welche sie nur angestarrt haben, ohne etwas zu sagen und einzugreifen. Seit dem Vorfall fährt die Geschädigte nicht mehr Bus, sondern Straßenbahn, wobei von ihrer Wohnung aus der Weg zum Bus nur 1 Minute Gehzeit erfordert und der Weg zur Straßenbahn 7 Minuten. Die Geschädigte hat seitdem Angst, wenn ihr jemand zu nah kommt. Bei unangenehmen Begegnungen im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit als Zugbegleiterin holt die Geschädigte seitdem immer die Bundespolizei. Es half der Geschädigten, dass sie mit vielen Menschen, unter anderem ihrer Mutter, von dem Vorfall geredet hat. Zu einer Beratungsstelle ist sie nicht gegangen.
3. Am 11.01.2017 gegen 22:00 Uhr bis 22:35 Uhr stieg die Geschädigte … (* 07.03.1998) am Busbahnhof beim Hauptbahnhof in Würzburg in einen Bus der Linie 522, um dort in Richtung Leinach zu fahren. Die Geschädigte setzte sich in den hinteren Teil des Busses. Kurz vor der Abfahrt des Busses um 22:35 Uhr stieg auch der Beschuldigte in den Bus ein und setzte sich in den vorderen Teil des Busses neben eine junge Frau, welche er ansprach und ihr Fragen stellte. Diese antwortete immer wieder mit „Nein!“ und „Ich will nicht!“. Ein männlicher Passagier rief dem Beschuldigten zu, dass ein „Nein!“ auch „Nein!“ bedeutet.
Hierauf ging der Beschuldigte nach hinten zu dem männlichen Passagier und erzählte diesem, dass er keine Frau habe und Sex brauche. Nachdem der Passagier dem Beschuldigten erwidert hatte, dass ihm das egal sei und er jetzt ruhig sein solle, führte der Beschuldigte Selbstgespräche, setzte sich mit dem Rücken zum Fenster, legte seine Beine auf den zweiten Sitz und schaute direkt auf die ihm gegenübersitzende Geschädigte. Der Beschuldigte äußerte ihr gegenüber, dass er Sex machen möchte. Wie vom Beschuldigten gewollt, fühlte die Geschädigte sich dadurch herabgewürdigt. Sie ignorierte den Beschuldigten und schaute auf ihr Handy. Immer wieder sang der Beschuldigte von Sex und Liebe und schrie, dass er keine Frau habe. Er äußerte, dass Frauen minderwertig und nur zum Sex da seien. Er rief sehr laut „Fuck you“, „Fuck your Mum“, „Sex Machine“ und „Suka“. Als sich der Bus in der Sedanstraße in Würzburg befand, forderte ein männlicher Passagier den Beschuldigten auf, die Klappe zu halten. Der Beschuldigte reagierte darauf mit einer Spuckbewegung in Richtung des Passagiers, spuckte aber nicht. Anschließend hielt der Busfahrer kurz an und forderte alle Passagiere auf, ruhig zu bleiben. Nach Fortsetzung der Fahrt rief der Beschuldigte kurz „Stopp!“; nachdem der Bus daraufhin angehalten hatte, stand er auf, spuckte vom Bus auf den Bordstein und setzte sich wieder hin.
Hierauf begab sich die Geschädigte zusammen mit einer anderen jungen Frau von hinten in den vorderen Teil des Busses auf eine Vierersitzgruppe. Nachdem der Bus in Zell angehalten hatte, kam der Beschuldigte ebenfalls nach vorne, setzte sich auf der anderen Seite des Ganges diagonal vor der Geschädigten hin, blickte sie an und fragte sie, wo sie aussteigen wolle. Als ihn die Geschädigte ignorierte, äußerte er, dass er nicht alleine nach Hause gehen wollen würde, weil er Angst habe, da doch so viele Attentate passiert seien. Er schrie laut, dass er Sex haben möchte und keine Frau habe. Dabei schaute er die Geschädigte an. Wie vom Beschuldigten gewollt, fühlte die Geschädigte sich dadurch – insbesondere vor dem Hintergrund der vorherigen Äußerungen des Beschuldigten bezüglich Sex und Frauen – herabgewürdigt. Mittlerweile befand sich der Bus in Margetshöchheim und hielt um 22:58 Uhr an. Der Beschuldigte, welcher aufgestanden war, fiel – nicht ausschließbar wegen des Abbremsens des Busses – in Richtung der Geschädigten, hielt sich aber noch in letzter Sekunde, und stieg aus, wo ihn die Polizei schon erwartete.
Die Geschädigte empfand es ekelhaft, wie der Beschuldigte sie anschaute und ansprach. Insbesondere seine Äußerung, dass er keine Frau habe und Sex brauche, empfand sie als widerlich. Als der Bus anhielt, heulte sie deshalb vor sich hin. Danach war sie zittrig und konnte die folgende Nacht nicht schlafen. Eine anschließende Prüfung verlief nicht so gut, weil sich die Geschädigte Gedanken gemacht hatte und nicht ausgeschlafen war. In der Folge kündigte sie ihren 450,- €-Job in einer Bäckerei in Würzburg, weil die Spätabends nicht mehr Bus fahren wollte; hierbei erklärte sie jedoch, dass ihr der Job ohnehin nicht besonders wichtig war. Nachts ist sie nicht mehr gerne alleine draußen. Wenn sie Migranten mit fremdländischem Aussehen sieht, gerät sie in Panik und wechselt die Straßenseite. Einmal fing sie zum Weinen an, als jemand sie nach dem richtigen Zug fragte. In eine Psychotherapie hat sich die Zeugin jedoch nicht gegeben.
Nachdem der Beschuldigte am 11.01.2017 um 22:58 Uhr aus dem Bus ausgestiegen war, wirkte er gegenüber dem ermittelnden Polizeibeamten und Zeugen … weggetreten, wie in seiner eigenen Welt. Nur sporadisch hörte der Beschuldigte zu. Der Zeuge hatte das Gefühl, als rede er gegen eine Wand. Der Beschuldigte verhielt sich unkooperativ, uneinsichtig und aggressiv. Den Vorwurf, Frauen belästigt zu haben, wies er empört zurück. Er spuckte mehrmals provokativ auf den Boden und zeigte sich von der Aufforderung, dies zu unterlassen, unbeeindruckt. Auf die Ankündigung eines Strafverfahrens äußerte er kurz, knapp und laut, dass ihn das nicht interessiere, man könne ihm 50, 100, 1000 Anzeigen schicken, er würde die Strafen zahlen. Ein sachliches Gespräch mit ihm war nicht möglich. Seine Aussagen waren teilweise zusammenhanglos und wirr. Er wirkte psychisch labil, indem er in einem Moment ruhig dastand und im nächsten Moment laut sprach, aufbrausend und aggressiv wurde. Er lief hin und her und machte provokative Gebärden, in dem er die Arme hochriss und den Oberkörper anspannte. Körperlich ging er die Polizeibeamten jedoch nicht an. Eine Gefährderansprache zeigte beim Beschuldigten keine Wirkung, weil er offensichtlich nicht zuhörte und sich immer wieder wegdrehte.
4. Am 13.01.2017 befand sich die Geschädigte … (* 31.07.1994) auf dem S-Bahnsteig Moosach in München. Dort befand sich auch der Beschuldigte, welcher die ganze Zeit hin und her lief. Er versuchte, mit einer Frau zu reden, welche dies nicht wollte und zum Beschuldigten äußerte „Ich habe NEIN gesagt!“. Nachdem eine andere Frau zum Beschuldigten dazu gekommen war und ihm gesagt hatte, dass er dies akzeptieren und die Frau in Ruhe lassen solle, erwiderte der Beschuldigte, dass er sich dann jetzt zu der Frau da drüben stelle, und kam zur Geschädigten, wobei er sich nicht in normalem Gesprächsabstand, sondern ganz nah vor deren Gesicht hinstellte, und zwar mit einer brennenden Zigarette in der Hand. Er erzählte der Geschädigten von dem vorherigen Geschehen mit der ersten Frau und fragte die Geschädigte, ob er etwas Böses gemacht habe. Die Geschädigte versuchte, nett zu sein, und sagte ihm, dass er nichts Böses gemacht habe, jedoch akzeptieren müsse, wenn die Frau sage, dass er sie in Ruhe lassen solle. Der Beschuldigte sagte zur Geschädigten, dass er sie jetzt boxe und ihr seine Zigarette in ihrem Gesicht ausdrücke. Er stieß die Zigarette in Richtung ihres Gesichts, stoppte jedoch wieder und sagte zu ihr: „Ich box Sie, ich fick Sie und ich bring Sie in mein Land!“ Dabei redete der Beschuldigte laut und in einem aggressiven Ton. Hierauf kamen der Geschädigten, welche sehr verängstigt und wie versteinert wirkte, ein Mann, der Zeuge G., eine andere Frau, eine nicht näher bekannte Tierärztin, zu Hilfe, welche so tat, als ob sie die Geschädigte kenne, sie begrüßte und ein Gespräch mit ihr anfing. Der Beschuldigte ließ dann von der Geschädigten ab. Nachdem der Beschuldigte gegen 06:45 Uhr in die S-Bahn eingestiegen war, schrie er in der S-Bahn herum, dass er Frauen ficken wolle. Dabei lief er ständig hin und her, zog seine braune Lederjacke aus und hielt sie in der Hand. Er setzte sich zu zwei jungen Mädchen und wollte sich mit denen über das Thema Sex unterhalten. Die Mädchen entfernten sich hierauf.
Hierauf wurde der DB-Sicherheitsdienst verständigt, deren Mitarbeiter, die Zeugen … und … gegen 07:00 am Hauptbahnhof in die S-Bahn stiegen und von einer näher nicht bekannten Frau gefragt wurden, ob sie wegen dem Mann kämen, der Leute anpöbelt. Die Frau zeigte dann auf den Beschuldigten, welcher sich bereits außerhalb der S-Bahn befand und schnell die Treppe hochging. Die beiden Zeugen … und … stellten ihn wegen des Pöbelns zur Rede. Der Beschuldigte war nervös und aufgebracht. Er äußerte, dass er auf der Suche nach einer Frau wäre; er würde keine Frau zum Heiraten finden. Der Beschuldigte wies sich mit einer Fiktionsbescheinigung aus, welche auf die Personalien „…, * 22.05.1972“, lautete.
5. Der Beschuldigte, welcher nur gebrochen Deutsch sprach, erhielt hierauf von den Zeugen … und … ein schriftliches Hausverbot für den Hauptbahnhof für zwei Jahre für den Fall, dass er ohne Reiseabsichten unterwegs sei. Auf Frage, ob er verstanden habe, antwortete er mit „ja“ und nickte. Jedoch verweigerte er die Unterschrift, so dass er keine Abschrift des Hausverbots erhielt. Die Kammer konnte nicht feststellen, ob der Beschuldigte den Inhalt des Hausverbots tatsächlich verstanden hatte. Am 14.01.2017 gegen 08:15 Uhr wurden die Zeugen PM … und POM … (Bundespolizei) seitens der DB-Sicherheit informiert, dass der … vom Vortag wieder im Hauptbahnhof in der Schalterhalle unterwegs gewesen sei.
6. Nachdem der Beschuldigte im Anschluss von den beiden Zeugen am Querbahnsteig des Hauptbahnhofs von der DB-Sicherheit übernommen und zur Dienststelle der Bundespolizei verbracht worden war, reichte er dem Zeugen … ein schwarzes I-Phone 5 entgegen mit der Bitte, dies dem russischen Präsidenten Putin zu schenken. Diese Äußerung wertete der Zeuge … als „Jux und Dollerei“. Auf Nachfrage gab der Beschuldigte zu, dass er das Handy gefunden habe. Das Handy war gesperrt. Von den Zeugen … und … wurde der Beschuldigte ID-behandelt und unter seinen richtigen Personalien identifiziert. Er wies sich wiederum mit einer Fiktionsbescheinigung aus, welche jedoch auf die rechtmäßigen Personalien (…, * 22.05.1977) lautete. Der Beschuldigte war sehr aggressiver Stimmung und sehr laut. Zu einem Widerstand oder einer Beleidigung kam es jedoch nicht. Eigentümer des Handys war der Zeuge … Dieser befand sich davor in der Nacht und in den frühen Morgenstunden in sehr betrunkenem Zustand auf dem Heimweg nach Obersendling von einer Diskothek in der Innenstadt. Das Handy war ihm auf nicht mehr zu klärende Art und Weise zwischen Diskothek und zu Hause abhandengekommen und in die Hände des Beschuldigten gelangt.
Die Geschädigten der Taten 1. bis 4. haben form- und fristgerecht Strafantrag gestellt, wie in der Hauptverhandlung jeweils aus den Akten festgestellt.
Während des dargestellten Tatgeschehens befand sich der Beschuldigte in einer akut-psychotischen Phase seiner exazerbierten paranoiden Schizophrenie (ICD-10 F20.0). Dem Beschuldigten war deswegen zwar nicht die Einsicht in das Unrecht seines Verhaltens verstellt und diese Fähigkeit war auch nicht vermindert, jedoch war er infolge seines psychischen Defektzustandes nicht ausschließbar unfähig, entsprechend dieser Einsicht zu handeln; seine Fähigkeit, nach seiner Unrechtseinsicht zu handeln, war jedenfalls erheblich vermindert.
V.
Das Landgericht München I hat im Urteil vom 05.11.2018 die Tat im Fall IV. 1. als rechtswidrige Verwirklichung des Tatbestandes der sexuellen Belästigung gemäß § 184 i Abs. 1 StGB gewertet. Wegen des von der Geschädigten getragenen Wintermantels hat es insoweit keinen sexuellen Übergriff gemäß § 177 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 StGB angenommen. Die Taten IV. 2. bis IV. 4. hat das Landgericht München I jeweils als Beleidigung gemäß § 185 StGB gewertet, in den Fällen IV. 5. und IV. 6. hat es keine rechtswidrige Verwirklichung eines Straftatbestandes angenommen.
Das Landgericht München I hat die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus wegen dieser Taten abgelehnt. Das Landgericht gelangte nicht zu der Prognose, dass vom Beschuldigten künftig erhebliche Taten infolge seiner paranoiden Schizophrenie zu erwarten sind, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird. Dabei hat das Landgericht München I die festgestellten Anlasstaten nicht als erheblich bewertet.
Die Staatsanwaltschaft wendete sich mit einer auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision gegen die Nichtanordnung der Unterbringung. Diese Revision wurde mit Urteil des Bundesgerichtshofs vom 01.09.2020 verworfen, 1 StR 371/19.
VI.
Nach seiner Entlassung aus der vorläufigen Unterbringung am 05.11.2018 nahm der Beschuldigte regelmäßig Risperidon als Depotmedikation (Risperdal Consta) ein. Diese Medikation setzte er zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt zwischen September 2019 und November 2019 ab.
Der Beschuldigte wurde aufgrund der verfahrensgegenständlichen Taten am 12.01.2020 vorläufig festgenommen. Er befand sich vom 13.01.2020 bis zum 03.03.2020 in Untersuchungshaft, und zwar zunächst in der JVA München und ab dem 11.02.2020 in der JVA Straubing. Während seines Aufenthalts in der JVA München wurde der Beschuldigte vom 29.01.2020 bis zum 07.02.2020 stationär im IAK München-Ost behandelt. Ab dem 03.03.2020 befand er sich in einstweiliger Unterbringung im BKH Straubing.
1. Während seines Aufenthalts in der JVA München musste der Beschuldigte vom 14.01.2020 bis zum 29.01.2020 in einem besonders gesicherten Haftraum untergebracht werden. Andere Untersuchungsgefangene hatten am 14.01.2020 dem Vollzugsdienst berichtet, der Beschuldigte habe zu ihnen gesagt, wenn sie schlafen, steche er ihnen die Augen aus. Am 24.01.2020 wurde der Beschuldigte vom Vollzugsdienst befragt, ob er duschen möchte und ob seine Matratze und Decke ausgewechselt werden soll. Beides verneinte der Beschuldigte mehrmals. Er wirkte zunehmend teilnahmsloser und begann, Wasser aus der Toilette zu trinken. Am 29.01.2020 wurde der Beschuldigte dem Zeugen … zur psychiatrischen Einschätzung seines Zustands vorgestellt. Der Beschuldigte musste durch die Sicherungsgruppe der JVA zum Untersuchungstermin gebracht werden. Der Beschuldigte zeigte sich sehr angespannt und agitiert. Er wollte sich nicht setzen und hatte keinerlei Krankheitseinsicht. Der Zeugte kannte den Beschuldigten bereits von dessen Aufenthalt im IAK München-Ost anlässlich der einstweiligen Unterbringung im Jahr 2017. Aufgrund seiner Vorkenntnisse und seines Eindrucks während der Untersuchung stellte der Zeuge die Diagnose paranoide Schizophrenie und veranlasste die Verlegung des Beschuldigten zur Krankenbehandlung in das IAK München-Ost.
2. Zu Beginn der Krankenbehandlung am 29.01.2020 musste der Beschuldigte mechanisch fixiert werden. Anschließend war er bereit, Medikamente zu sich nehmen. Er erhielt Fluanxol 10 mg und Lorazepam 5 mg. Diese Medikamente nahm der Beschuldigte allerdings nur ein, wenn die Präparate in seiner Gegenwart aus dem Blister gedrückt wurden. Während seines Aufenthalts gab es Hinweise auf religiös gefärbte Wahnideen. Der Beschuldigte äußerte, Gott solle seine Kinder bestrafen. Durch die Medikation besserte sich sein Zustand jedoch deutlich und er wurde am 07.02.2020 wieder in die JVA München überstellt.
3. In der JVA München weigerte sich der Beschuldigte, die begonnen Medikation fortzusetzen, und zeigte sich wieder stärker angespannt, wobei es zu abrupt einsetzenden Erregungszuständen kam. Am 11.02.2020 schlug der Beschuldigte einem dunkelhäutigen Mitgefangenen ins Gesicht. Der Beschuldigte wurde deshalb am selben Tag in die JVA Straubing verlegt. Dort erklärte der Beschuldigte gegenüber dem Psychiater … in einem Gespräch am 17.02.2020, dass er sich von dem Mitgefangenen sexuell provoziert gefühlt habe. Er habe deshalb versucht, dem Geschädigten eine bleibende Behinderung zuzufügen und ihm den Schädel einzutreten. Er sagte bei diesem Gespräch auch, er fühle sich durch den Zeugen … sexuell provoziert.
4. Der Beschuldigte befand sich vom 11.02.2020 bis zum 03.03.2020 in der JVA Straubing. Bei der psychiatrischen Aufnahmeuntersuchung durch den Zeugen … gab der Beschuldigte an, er müsse sofort aus der Haft entlassen werden, er hasse alle Christen und es ginge den Zeugen nichts an, ob der Beschuldigte G. höre. Der Gedankengang des Beschuldigten war wiederholend und zerfahren. Der Beschuldigte weigerte sich, Medikamente zu nehmen. Es erfolgte deshalb seine Unterbringung in einem besonders gesicherten Haftraum. Die JVA Straubing regte eine vorläufige Unterbringung des Beschuldigten an und plante eine Zwangsmedikation mit Olanzapin. Zur Zwangsmedikation kam es nicht mehr, weil der Beschuldigte am 03.03.2020 aufgrund Unterbringungsbefehls des Amtsgerichts München vom 27.02.2020 in das BKH Straubing verlegt wurde.
5. Im BKH Straubing kam der Beschuldigte nach seiner Aufnahme zunächst für zwei Tage in ein kameraüberwachtes Zimmer. Er war leicht reizbar. Bereits mit einfachen Fragen, wie z.B. der Frage nach Schlafstörungen, kam man ihm zu nah. Jegliche körperliche oder neurologische Untersuchung verweigerte er. Am 05.03. konnte der Beschuldigte aus dem überwachten in ein Einzelzimmer umziehen. Eine Woche nach seiner Aufnahme stimmte er einer Aufnahmeuntersuchung zu, wobei er sich immer noch schwer angespannt und abweisend zeigte. In diesem Zustand überflutete er auch sein Zimmer, indem er Toilettenpapier in den Toilettenabfluss stopfte. Zu körperlichen Übergriffen kam es nicht. Der Beschuldigte zeigte sich allerdings verbal aggressiv, äußerte Beleidigungen und Bedrohungen und baute sich in Konfliktsituation vor dem Gegenüber auf, wobei er auch äußerte, „Ich hau‘ dir in die Fresse“. Das Verhalten gegenüber Frauen war zeitweilig unangemessen. So äußerte der Beschuldigte, Frauen sollten in den Boden versinken. Religiöse Inhalte beschäftigen den Beschuldigten übermäßig. So verlangte er, dass ihm ein übersetzter Koran mit Deutungen in sein Zimmer gelegt werde. Wenn er darin gelesen hatte, verschlechterte sich sein Zustand immer wieder. Am 25.03.2020 wurde der Beschuldigte wieder in ein Beobachtungszimmer mit Kameraüberwachung verlegt, nachdem er einen Fernseher zerstört hatte. In dieser Phase zeigte er sich wieder sehr unruhig, wollte keine Medikamente und sah sich nicht als krank an.
Da sich der Zustand des Beschuldigten nicht besserte wurde durch das BKH Straubing eine Zwangsmedikation in die Wege geleitet. Im Juni 2020 erhielt der Beschuldigte deshalb Xeplion Depot, das alle vier Wochen zu verabreichen ist. Nach der erstmaligen Medikation gab es keine Probleme mit dem Beschuldigten mehr. Vergiftungsideen ließen nach und er erklärte sich mit körperlichen Untersuchungen einverstanden. Ebenso war er bereit, die Depotmedikation freiwillig fortzusetzen, so dass die Genehmigung der Zwangsmedikation nicht verlängert werden musste. Der Beschuldigte erhielt zunächst 150 mg Xeplion Depot, dass versuchsweise auf eine Dosis von 100 mg reduziert wurde. Da eine Blutuntersuchung aber anschließend einen Wert unter dem therapeutischen Bereich ergab, wurde die Dosis wieder auf 150 mg erhöht und in dieser Höhe beibehalten. Auch bei regelmäßiger Depotmedikation blieb eine Impulsivität des Beschuldigten in bestimmten Situationen, die Häufigkeit der Erregungszustände ist allerdings deutlich zurückgegangen. Im Vergleich zum unbehandelten Zustand konnte er hierüber anschließend sehr gut reflektieren. Aufgrund der Medikation konnte der akut psychotische Zustand beendet werden.
Der Beschuldigte erklärte sich auch mit einer bildgebenden Diagnostik einverstanden. Die MRT-Untersuchung brachte nur unauffällige Ergebnisse und keinen Hinweis auf eine organische Erkrankung.
Im BKH Straubing äußerte sich der Beschuldigte auch zu den verfahrensgegenständlichen Anlasstaten. Dabei gab er zunächst an, dass die Vorwürfe falsch seien und er provoziert bzw. bedroht worden sei. Seit etwa September 2020 relativiert er seine Schilderung und gab an, möglicherweise täusche er sich bei dieser Darstellung auch.
Die behandelnde Ärztin im BKH Straubing, die Zeugin …, diagnostizierte eine paranoide Schizophrenie, die sich derzeit in Remission befindet. Der Beschuldigte akzeptiert seine Krankheit und ist mit der Depotmedikation einverstanden. Allerdings ist die Tagesstruktur im BKH Straubing sehr reizarm, während die Stressfaktoren in der Obdachlosigkeit sehr hoch sind, was sich negativ auf die Erkrankung und die Behandlungsbereitschaft auswirken kann.
Aus Sicht der Kammer lassen sich die Vorfälle in der JVA München vom 14.01.2020 (vgl. oben 1.) und vom 11.02.2020 (vgl. oben 3.) nicht mit der erforderlichen Sicherheit als Symptomtaten auf die paranoide Schizophrenie des Beschuldigten zurückführen. Es ist schon keine genaue Aufklärung des Geschehens und des Hintergrunds möglich, da keine unmittelbaren Tatzeugen zur Verfügung stehen. Die Geschädigten des ersten Vorfalls sind nicht bekannt. Der Geschädigte des zweiten Vorfalls wurde aus der JVA München entlassen, bevor eine polizeiliche Zeugenvernehmung erfolgen konnte, und ist seither unbekannten Aufenthalts. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass diese Vorfälle auf die Situation der Inhaftierung zurückzuführen sind.
VII.
Der Beschuldigte leidet seit spätestens 2009 an paranoider Schizophrenie (ICD-10 F20.0). Hierbei handelt es sich um eine krankhafte seelische Störung gemäß den §§ 20, 21 StGB.
B.
Festgestellter Sachverhalt zu den Anlasstaten
1. Am 12.01.2020 gegen 11:55 Uhr hielt sich der Beschuldigte im S-Bahnhof M.platz in München im Bereich des Gleises 2 auf und schrie dort immer wieder: „Deutsche Frau Schlampe“, ohne dies an eine bestimmte Person zu richten. Hierbei ging er den Bahnsteig auf und ab. Die Geschädigte … (* 20.11.1932) befand sich zu dieser Zeit vom U-Bahn-Geschoss kommend mit der Rolltreppe auf dem Weg zum Bahnsteig des Gleises 2 der S-Bahn. Sie ging an dem schreienden Beschuldigten vorbei, beachtete ihn jedoch nicht und fühlte sich von seinem Schreien nicht angesprochen. Die Geschädigte setzt sich auf eine Bank am Ende des Bahnsteigs. Nachdem der Beschuldigte einmal an der Geschädigten vorbeigegangen war, ohne sie anzuschauen, ging er auf seinem Rückweg ohne Anlass auf die sitzende Geschädigte zu und schlug ihr unvermittelt mit der flachen Hand in das Gesicht. Anschließend ging der Beschuldigte weiter, wobei er wieder anfing – an die Allgemeinheit gerichtet – „Deutsche Frau Schlampe“ zu schreien.
Die Geschädigte spürte durch den Schlag keine Schmerzen. Auf ihrer Wange war eine leichte Rötung zu sehen. Wenn die Zeugin jetzt allein die S-Bahn benutzt denkt sie an den Vorfall und versucht, sich vorsichtiger zu verhalten.
2. Als die S-Bahn der Linie S3 einfuhr begab sich der Beschuldigte zu einer der Türen. Beim Einsteigen rempelte er die dort stehende … (* 03.10.1975) an, die durch dieselbe Türe ebenfalls die S-Bahn betreten wollte. Hierbei sagte er etwas Unverständliches zu ihr. Frau … bestieg deshalb die S-Bahn durch eine andere Türe. Durch das Rempeln erlitt sie keine Schmerzen und wurde nicht verletzt.
In dem S-Bahn-Waggon, den der Beschuldigte bestieg, saß bereits die Geschädigte … (* 08.08.1978). Die Geschädigte bemerkte den Beschuldigten, der sich in das Abteil neben sie setzte und laut vor sich hinredete. Plötzlich stand der Beschuldigte wieder auf und schrie der Geschädigten die Frage „S-Bahn zu Hauptbahnhof?“ entgegen, wobei er der Geschädigten sehr nahekam und Unverständliches schimpfte. Die Geschädigte … stand deshalb auf und erklärte dem Beschuldigten, sie lasse so nicht mit sich reden. Der Beschuldigte erhob sodann seine rechte Hand und sagte zur Geschädigten: „Ich schlage dich“, um ihr zu drohen. Die Geschädigte ging deshalb vom Beschuldigten weg und stieg aus der S-Bahn aus.
Frau … hat das Geschehen zwischen dem Beschuldigten und der Geschädigten … beobachtet und zog deshalb die Notbremse. Außerdem ging die Geschädigte … zu dem S-Bahn-Fahrer, um ihn zu bitten, die Polizei zu verständigen.
Da die S-Bahn deshalb mehrere Minuten stehen blieb, stieg der Beschuldigte wieder aus und fuhr mit der Rolltreppe abwärts in Richtung U-Bahnsteig. Dort wurde er von mehreren Passanten, unter anderem von der Geschädigten …, umringt, um ihn bis zum Eintreffen der Polizei festzuhalten. Hierbei sagte der Beschuldigte zur Geschädigten … er steche ihr die Augen aus. Die Geschädigte nahm diese Äußerung ernst.
Die Geschädigte … hatte nach dem Vorfall noch ab und zu ein mulmiges Gefühl, aber keine Angst davor, U- oder S-Bahn zu benützen.
3. Kurze Zeit später trafen die uniformierten Beamten der Bundespolizei PHM … und PMin … am Rolltreppenabgang ein. Da sich der Beschuldigte ruhig verhielt und den Anweisungen des Zeugen PHM … folgeleistete, begann PMin … die umstehenden Personen zu dem Geschehen zu befragen, während PHM … den Beschuldigten und seine Habe durchsuchte. Plötzlich wurde der Beschuldigte wieder aufgebracht und schrie Passanten und den Geschädigten PHM … an, er müsse alle Deutschen töten, dies sei Allahs Auftrag. Der Geschädigte PHM … nahm diese Äußerung ernst. Außerdem bezeichnete der Beschuldigte die umstehenden Personen und den Geschädigten PHM … als „ungläubige Schweine“, um seine Missachtung auszudrücken. Der Geschädigte PHM … forderte den Beschuldigten auf, das zu unterlassen.
4. In diesem Moment begab sich die Geschädigte … zu PHM Nießen, um ihm mitzuteilen, dass sie der Beschuldigte auf dem S-Bahnsteig ins Gesicht geschlagen habe. Der Beschuldigte nahm dies zum Anlass die Geschädigte mit den Worten „Schlampe“ und „Hure“ zu beschimpfen, um seine Missachtung auszudrücken.
5. PHM … belehrte den Beschuldigten daraufhin über die im Raum stehenden Strafvorwürfe und seine Rechte als Beschuldigter. Plötzlich begann der Beschuldigte in Boxermanier vor PHM … hin und her zu springen und seine Fäuste zu ballen. Sodann schlug der Beschuldigte zweimal mit der rechten Faust in Richtung des Kopfes von PHM …. Der Geschädigte PHM … konnte die Schläge abwehren, indem er seinen angewinkelten linken Arm vor seinen Kopf hob. Der Geschädigte wurde so nur am Arm getroffen. Daraufhin wurde der Beschuldigte durch PHM … und PMin … an der Wand des Bahnsteigs fixiert und gefesselt. Hierbei mussten beide Beamte einen erheblichen körperlichen Kraftaufwand leisten, da sich der Beschuldigte gegen die Fixierung und Fesselung wehrte und versuchte, sich aus dem Festhaltegriff zu lösen. Als die Handfesseln schließlich angelegt und der Beschuldigte zu Boden gebracht war, verhielt er sich wieder völlig ruhig.
Durch die beiden Schläge gegen seinen Arm erlitt PHM … keine Schmerzen und keine anderen Beeinträchtigungen.
Die Geschädigten und der Dienstvorgesetzte von PHM … haben form- und fristgerecht Strafantrag gestellt.
Ein beim Beschuldigten am 12.01.2020 und 12:51 Uhr durchgeführter Atemalkoholtest ergab eine AAK von 0,00 mg/L.
Während des gesamten Geschehens befand sich der Beschuldigte in einer akut-psychotischen Phase seiner paranoiden Schizophrenie (ICD-10 F20.0). Dem Beschuldigten war deshalb die Einsicht in das Unrecht seines Tuns verstellt.
C.
Beweiswürdigung und rechtliche Würdigung
Für die Überzeugungsbildung der Kammer von dem in Abschnitt A. und B. dargestellten Sachverhalt sind die nachfolgenden Erwägungen bestimmend:
I. Beweiswürdigung zu den persönlichen Verhältnissen (Abschnitt A.)
1. Die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen unter Punkt A. I. folgen aus den glaubhaften Angaben des Beschuldigten und den Feststellungen, die hierzu bereits im Urteil des Landgerichts München I vom 05.11.2020 getroffen wurden. Das Urteil wurde verlesen. Die darin enthaltenen Angaben wurden vom Beschuldigten als richtig anerkannt und ergänzt.
Die Angaben des Beschuldigten zu dem nahezu nicht vorhandenen Konsum von Alkohol stehen im Einklang mit dem Atemalkoholtest, welcher von der Zeugin PMin … unmittelbar im Anschluss an die verfahrensgegenständlichen Taten am 12.01.2020 um 12:51 Uhr durchgeführt wurde. Die Zeugen PHM … und PMin … haben auch keine Anzeichen für den Konsum von Drogen beim Beschuldigten bemerkt.
2. Bezüglich seiner Krankheitshistorie von 2009 bis 2016 hat der Beschuldigte angegeben, er wisse nicht, wann und wie oft er in Lohr gewesen sei. Ursache von zwangsweise vollzogenen Unterbringungen sei jeweils Streit mit anderen Personen gewesen. Hierzu sei es gekommen, weil er seine Medikamente nicht genommen habe.
Die Feststellungen der Kammer zu den – als solchen unwidersprochenen – bisherigen Behandlungen des Beschuldigten im Zeitraum 13.08.2009 bis 31.10.2016 im BKH Lohr (A. II.) beruhen auf den Feststellungen des Landgerichts München I im verlesenen Urteil vom 05.11.2018. Das Landgericht hat seine damalige Überzeugungsbildung auf die Krankenunterlagen über die jeweiligen Behandlungen gestützt, die von der im Vorverfahren tätigen Sachverständigen referiert wurden. Zweifel an der Richtigkeit dieser Feststellungen bestehen nicht.
3. Die Feststellungen zur Untersuchungshaft und der vorläufigen Unterbringung im Vorverfahren (A. III.), zu dem im Vorverfahren festgestellten Sachverhalt (A. IV.) und zu den Wertungen des Landgerichts München I im Vorverfahren (A. V.) beruhen ebenfalls auf dem verlesenen Urteil vom 05.11.2018. Das Landgericht München I stützte seine tatsächlichen Feststellungen auf die Bekundungen der von ihm vernommenen Ärzten, Pflegern, Mitpatienten und Geschädigten, die den Sachverhalt jeweils ruhig, sachlich und ohne erkennbares Interesse am Ausgang des Verfahrens bzw. ohne Belastungseifer geschildert hätten. Die Kammer schließt sich der Beweiswürdigung in dem Urteil vom 05.11.2018 nach eigener Prüfung an.
Die Einschätzung, dass die Vorfälle in der vorläufigen Unterbringung im IAK München-Ost am 25.06.2018, am 08.07.2018 und am 23.08.2018 (vgl. A. III. 2.) nicht mit der erforderlichen Sicherheit als Symptomtat auf die paranoide Schizophrenie des Beschuldigten, sondern nicht ausschließbar auf die besondere Situation der Unterbringung zurückzuführen sind, stützte das Landgericht München I im Urteil vom 05.11.2018 auf folgende Erwägungen. Die im Vorverfahren tätige Sachverständige … habe zwar Hinweise gesehen, dass die Vorfälle durch die Psychose bedingt gewesen seien, sie könne dies jedoch nicht mit der erforderlichen Sicherheit sagen oder untermauern. Gegen einen symptomatischen Zusammenhang spreche, dass der Beschuldigte während seines Aufenthalts im IAK München-Ost durchgehend neuroleptische Medikation erhalten habe. Auch unter Berücksichtigung der Aussagen der Mitpatienten und des Klinikpersonals konnte das Landgericht München I nicht ausschließen, dass die Vorfälle vom 25.06.2018 und vom 08.07.2018 auf der Provokation von Mitpatienten beruhten und der Vorfall vom 23.08.2018 auf eine Animosität des tschetschenischen Beschuldigten gegenüber dem russischen Pfleger zurückzuführen sei. Dieser Bewertung schließt sich die Kammer nach eigener Prüfung an.
4. Bezüglich des Verlaufs der Untersuchungshaft und der vorläufigen Unterbringung im vorliegenden Verfahren (A. VI.) stützt die Kammer ihre Überzeugung auf die glaubhaften Angaben der Zeugen … und …
An die Aussage gegenüber Mitgefangenen, er steche ihnen die Augen aus, wenn sie schlafen, die zu seiner Unterbringung in einem besonders gesicherten Haftraum führte (vgl. A. VI. 1.), hatte der Beschuldigte keine Erinnerung mehr. Unmittelbare Tatzeugen wurden von der JVA nicht aktenkundig gemacht.
Hinsichtlich des Vorfalls vom 11.02.2020, der zur Verlegung des Beschuldigten aus der JVA München in die JVA Straubing führte (vgl. A. VI. 3.), gab der Beschuldigte an, er sei in der Zelle gewesen, ein dunkelhäutiger Mitgefangener sei hereingeführt worden. Der Beschuldigte habe mit dem Mitgefangenen sprechen wollen, dieser habe aber nicht mit ihm gesprochen, obwohl er deutsch hätte sprechen können. Am folgenden Morgen sei der Mitgefangene von der Toilette gekommen und habe so getan wie ein Mädchen, er habe „Faxen“ gemacht. Vielleicht habe der Mitgefangene auch einen Trick wie im Theater oder Kino gemacht. Dem Beschuldigten habe jedenfalls ganz und gar nicht gefallen, was der Mitgefangene gemacht habe. Der Beschuldigte habe sich zunächst noch zurückgehalten, aber als er es nicht mehr ausgehalten habe, habe er den Mitgefangenen ins Gesicht geschlagen. Er wisse nicht, ob es ein oder zwei Schläge gewesen seien. Er habe mit dem Arm und dann mit dem Fuß geschlagen. Genauer könne er es nicht beschreiben. Er könne sich nicht daran erinnern, dem Zeugen … berichtet zu haben, dass er sich von dem Mitgefangenen und auch vom dem Zeugen … sexuell provoziert gefühlt habe.
Nach der Schilderung des Zeugen …, der als Leiter der psychiatrischen Krankenabteilung der JVA Straubing mit dem Beschuldigten nach dessen Verlegung dorthin am 11.02.2020 das Aufnahmegespräch geführt hat, wurde der Beschuldigte verlegt, weil er ohne erkennbaren Anlass in das Gesicht eines Mitgefangenen geschlagen hat. Weitere Einzelheiten zu dem Vorfall sind nicht aktenkundig gemacht worden. Der Beschuldigte hat auch die Einnahme von Medikamenten verweigert und es ist immer wieder zu abrupten Erregungszuständen gekommen. Im Aufnahmegespräch waren die Gedanken des Beschuldigten zerfahren und er zeigte einen unstrukturierten Beeinträchtigungswahn. Am 17.02.2020 fand ein weiteres Gespräch zwischen dem Zeugen und dem Beschuldigten statt, bei dem der Beschuldigte angab, er habe den Mitgefangenen geschlagen, weil dieser ihn sexuell provoziert habe. Auch der Zeuge bedränge ihn sexuell.
Der Geschädigte des Vorfalls vom 11.02.2020 konnte nicht vernommen werden. Wie sich aus dem verlesenen Ermittlungsbericht des POM … vom 28.04.2020 ergibt, wurde der Geschädigte am 17.04.2020 aus der JVA München entlassen. Die als Entlassungsanschrift genannte Asylantragstellerunterkunft suchte der Geschädigte nicht auf. Ein aktueller Wohnsitz ist nicht bekannt und konnte nicht ermittelt werden. Eine polizeiliche Vernehmung des Geschädigten konnte nicht durchgeführt werden.
Da die Kammer mangels unmittelbarer Tatzeugen den genauen Geschehensablauf nicht aufklären konnte, ließ sich nicht feststellen, ob die Vorfälle vom 14.01.2020 und vom 11.02.2020 in einem symptomatischen Zusammenhang mit der paranoiden Schizophrenie des Beschuldigten stehen. Zwar ist der Kammer aufgrund der plausiblen Beschreibung von Symptomen durch die Zeugen … und … davon überzeugt, dass sich der Beschuldigte in einer akut psychotischen Phase befand. Das Vorliegen einer akuten Krankheitsphase lässt aber ohne Kenntnis der Tathintergründe nicht den Schluss auf einen symptomatischen Zusammenhang zu. Die Darstellung des Beschuldigten zum Vorfall vom 11.02.2020 lässt auch die Möglichkeit offen, dass er durch den Mitgefangen provoziert wurde. Insgesamt kann nicht ausgeschlossen werden, dass beide Vorfälle auf die besondere Situation der Inhaftierung des Beschuldigten und nicht auf seine Erkrankung zurückzuführen sind.
5. Die Überzeugung der Kammer, dass der Beschuldigte an einer paranoiden Schizophrenie leidet (A. VII.) und diese eine krankhafte seelische Störung darstellt, beruht auf folgenden Erwägungen:
Neben den getroffenen Feststellungen zur Persönlichkeit, zum Werdegang, insbesondere der Krankheitsgeschichte des Beschuldigten mit den zahlreichen Aufenthalten im BKH Lohr und der dabei gezeigten Symptomatik sowie den getroffenen Feststellungen zu der Tat (zur Überzeugungsbildung von dieser sogleich unten) waren insbesondere die Angaben des psychiatrischen Sachverständigen … und der Zeugen … und … bei denen es sich um Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapie handelt, bestimmend. Zwar konnte der Sachverständige den Beschuldigten vor der Hauptverhandlung nicht untersuchen, da der Beschuldigte eine Exploration verweigerte. In der Hauptverhandlung beantwortete der Beschuldigte aber dann auch Fragen des Sachverständigen. Zudem machten die genannten sachverständigen Zeugen umfangreiche Angaben zu ihren Beobachtungen, auf die sich der Sachverständige stützen konnte.
Der Sachverständige ging – in Übereinstimmung mit dem Wissen, dass sich die Kammer bereits aus einer Vielzahl anderer Straf- und Sicherungsverfahren erworben hatte – von folgender Symptomatik der paranoiden Schizophrenie aus: Diese verursacht Störungen in verschiedenen Bereichen psychischer Funktionen und schränkt das Leistungsniveau ein durch Beeinträchtigungen der Wahrnehmung, des Denkens, der Ich-Funktionen, der Affektivität, des Antriebs, der Psychomotorik und des Verhaltens.
Der Sachverständige begründete seine Diagnose mit der Krankheitsgeschichte des Beschuldigten seit 2009 sowie den Äußerungen und Verhaltensauffälligkeiten des Beschuldigten.
Sämtliche Kriterien einer chronifizierten paranoiden Schizophrenie sind erfüllt. Es sind Denkstörungen in Form von Weitschweifigkeit, Zerfahrenheit und Wiederholungen ebenso festzustellen wie Affektstörungen in Form von Parathymie, Stimmungsschwankungen und reduzierter Regulationsfähigkeit. Es bestehen auch Wahnvorstellungen, z.B. in Form von Vergiftungsängsten. Auch sind tragfähige Hinweise für einen religiösen und einen sexuellen Wahn vorhanden. Die Chronifizierung ergibt sich aus dem langjährigen Krankheitsverlauf und den zwischenzeitlich feststellbaren Problemen der Kognition. Es zeigt sich eine reduzierte Merk- und Lernfähigkeit, was der Beschuldigte selbst hinsichtlich des Lernens neuer deutscher Vokabeln konstatiert hat. Entgegen seinem Bildungsgrad und Beruf zeigt er nur eine mittelgradige Auffassungsgabe, wobei er Schwierigkeiten hat, komplexe Äußerungen in ihrer Bedeutung zu begreifen. Die zeitliche Einordnung von Ereignissen fällt ihm sehr schwer.
Der Beschuldigte spricht außerdem gut auf antipsychotische Medikation an. Aufgrund der zwischenzeitlichen Behandlung ist der psychotische Zustand auch in Remission befindlich. Der Beschuldigte selbst berichtet davon, dass es ihm seit der Wiederaufnahme der Depotmedikation deutlich besser geht. Er kann besser schlafen und hat weniger negative Gedanken.
Der Sachverständige kam gleichermaßen nachvollziehbar wie überzeugend zu dem Schluss, dass bei dem Beschuldigten spätestens seit der ersten stationären Behandlung in Lohr am Main 2009 eine paranoide Schizophrenie (ICD-10 F20.0.) festzustellen ist. Die Kammer schließt sich der Bewertung der Sachverständigen aufgrund eigener Überzeugungsbildung an.
II.
Beweiswürdigung zum festgestellten Tatgeschehen (Abschnitt B.)
1. In der Hauptverhandlung ließ sich der Beschuldigte zu den vorgeworfenen Taten ein wie folgt:
„Es entspreche nicht alles der Wahrheit, was in der Antragsschrift stehe. Er habe auf dem Bahnsteig auf einer Bank gesessen. Etwa sieben bis acht Meter entfernt sei eine alte Dame gesessen. Diese habe ihn angesehen und so geschaut, als sei sie unzufrieden und als würde sie ihn kennen. Ein junges Mädchen habe Flaschen aus einem Automaten gekauft und ihm eine Flasche hingehalten. Die alte Dame habe ihn angeschaut und die Lippen bewegt. Dies habe eine Unzufriedenheit in ihm ausgelöst. Er habe mehrfach zu der Dame geschaut und diese habe ihn immer angeschaut. Das Anstarren habe er als unangenehm empfunden, er habe keinen Zorn und keine Angst gespürt, es sei einfach unangenehm gewesen. Er sei deshalb zu der alten Dame gegangen und habe sie mit der Rückseite seiner Hand am Kinn gestreift. In diesem Moment habe er nichts zu ihr gesagt. Es könne sein, dass er später, als die Polizei schon da gewesen sei, „Schlampe“ und „Hure“ zu ihr gesagt habe.“
Auf Nachfrage relativierte der Beschuldigte seine Darstellung über das Anstarren und erklärte, vielleicht habe er sich auch getäuscht.
Nach der Begegnung mit der älteren Dame sei er in die eingefahrene S-Bahn eingestiegen. Als er einstieg sei eine junge Frau ausgestiegen, die in einem aufgeschlagenen Buch gelesen habe. Mit ihr sei er zusammengestoßen, weil er sie an der Schulter oder sie ihn an der Schulter erwischt habe. Der Beschuldigte glaubt, nichts zu der jungen Dame gesagt zu haben.
In dem S-Bahnwaggon habe er dann eine Frau gefragt, in welche Richtung die S-Bahn fahre. Er könne sich nicht erinnern, ob sie geantwortet habe. Zu einem Schlag habe er nicht ausgeholt, das wisse er genau.
Nachdem die Polizei da war, habe er nichts gesagt. Nur zu der älteren Dame habe er „Schlampe“ und „Hure“ gesagt. Er habe niemand anderen beleidigt oder bedroht. Er sei mit hängenden Armen dagestanden. Er sei dann zu Boden gebracht worden. Geschlagen habe er niemanden. Er vermute, dass er wegen der Uniformen gedacht habe, es handle sich um Polizisten, wenn er allerdings jetzt versuche, sich zu erinnern, könne er sich an Uniformen nicht mehr richtig erinnern.
2. Die in Abschnitt B. festgestellten Sachverhalte stehen zur Überzeugung der Kammer fest aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme, insbesondere aufgrund den ruhigen, sachlichen und ohne Belastungseifer vorgetragenen Aussagen der Geschädigten als Zeugen.
Die Zeugin … hat den Sachverhalt so berichtet wie unter B. 1. festgestellt. Das Schreien des Beschuldigten „Deutsche Frau Schlampe“ sei nicht an sie gerichtet gewesen. Sie habe bewusst nicht auf den Beschuldigten geachtet. Die Rötung auf der Wange der Geschädigten wurde von der Zeugin PMin … bemerkt und glaubhaft geschildert.
Die unter B. 2. getroffenen Feststellungen beruhen auf den glaubhaften Angaben der Zeugin PMin … die Frau … unmittelbar nach dem Geschehen befragt hatte, und über deren Darstellung berichtete, sowie den Angaben der Geschädigten …. Die Geschädigte … schilderte das Geschehen wie festgestellt. Dabei gab sie insbesondere an, die Äußerung des Beschuldigten, er steche ihr die Augen aus, sei nicht im S-Bahnwaggon gefallen, sondern erst am Treppenabgang zur U-Bahn, als sie mit anderen Passanten den Beschuldigten am Weggehen gehindert habe. Was der Beschuldigte im S-Bahnwaggon geschimpft habe, habe sie nicht verstanden. Ihre Darstellung steht im Einklang mit Lichtbildausdrucken, die von der Videoüberwachung in dem S-Bahnwaggon stammen und die in Augenschein genommen wurden. Diese Lichtbildausdrucke wurden durch den Zeugen POK … gefertigt, der über den Inhalt der Videoaufzeichnung berichtet hat. Auch dessen Schilderung stützt die Feststellungen unter B. 2.
Der unter B. 3. bis B. 5 festgestellte Sachverhalt wurde glaubhaft durch den Zeugen PHM … berichtet. Zwar hat die Geschädigte … nicht wahrgenommen, dass sie vom Beschuldigten mit den Worten „Schlampe“ und „Hure“ beschimpft wurde, als sie sich an PHM … wandte, um ihm von der Ohrfeige zu berichten. Der Zeuge PHM … konnte diese Beschimpfung aber wahrnehmen und überzeugend schildern. Über die Fixierung des Beschuldigten an der Wand und seine Versuche, sich hieraus zu lösen, berichtete auch die Zeugin PMin … glaubhaft.
Der Ermittlungsvermerk zur Atemalkoholuntersuchung wurde verlesen.
III.
Beweiswürdigung zum nicht festgestellten Tatgeschehen
Nicht überzeugen konnte sich die Kammer von folgenden tatsächlichen Umständen:
1. Verlust eines Zahnes der Geschädigten … infolge der Ohrfeige (Fall B.1.).
Die Geschädigte … berichtete in der Hauptverhandlung, sie habe einige Tage oder wenige Wochen nach dem Vorfall gemerkt, dass ein Zahn locker sei. Den genauen Zeitraum zwischen dem Vorfall und dieser Wahrnehmung konnte die Zeugin nicht angeben. Der Zahn habe sich auf der Seite des Gesichts befunden, auf die sie der Beschuldigte geschlagen habe. Sie habe den Zahn mehrfach wieder festgedrückt, irgendwann sei er aber herausgefallen. Sie werde an dieser Stelle ein Implantat bekommen.
Da die Geschädigte weder unmittelbar nach dem Vorfall, noch in der Folge irgendwelche Schmerzen spürte und auch den Zeitraum zwischen dem Vorfall und der Lockerung des Zahns nicht weiß, kann die Kammer nicht ausschließen, dass sich der Zahn unabhängig von der Ohrfeige des Beschuldigten gelockert hat. Die Geschädigte konnte auch zur Stärke des Schlages nichts angeben. Zwar spricht die von der Zeugin PMin … bemerkte Rötung im Gesicht der Geschädigten für einen Schlag und gegen das vom Beschuldigten behauptete Streifen. Daraus kann aber nicht auf eine Lockerung des Zahns geschlossen werden. Nach der Aussage der Geschädigten hält der sie behandelnde Zahnarzt eine Lockerung des Zahns durch die Ohrfeige auch nur für möglich, nicht aber für wahrscheinlich oder gar sicher.
2. Beleidigung des Fahrgastes … (Nummer 2 der Antragsschrift)
Die Staatsanwaltschaft geht in der Antragsschrift davon aus, dass der Beschuldigte den Fahrgast … „mit derzeit nicht näher bekannten Worten“ beleidigte.
Feststellungen zu einer konkreten Aussage des Beschuldigten, die als Beleidigung zu bewerten ist, konnten nicht getroffen werden. Der Beschuldigte gab an, er glaube nichts zu Frau … gesagt zu haben. Die Zeugin PMin … berichtete, Frau … habe unmittelbar nach dem Vorfall erklärt, der Beschuldigte habe sie beleidigt, ohne die konkreten Aussagen des Beschuldigten angeben zu können.
3. Ausholen zum Schlag gegen die … (Nummer 3 der Antragsschrift)
Die Kammer konnte nicht feststellen, dass der Beschuldigte die Geschädigte … schlagen wollte, als er im S-Bahnwaggon die Hand gegen sie erhob und sagte: „Ich schlage dich.“
Der Beschuldigte gab an, er habe nicht zu einem Schlag ausgeholt, das wisse er genau. Die Geschädigte … schilderte, der Beschuldigte habe die Hand gehoben und „ich schlage dich“ gesagt. In dieser Situation sei sie dem Beschuldigten gegenübergestanden. Sie sei dann nach hinten weggegangen, wobei sie vielleicht auch etwas gesagt habe. Anschließend habe sie sich zum vorderen Zugteil begeben. Auf den in Augenschein genommen Ausdrucken von der Videoüberwachung in dem S-Bahnwaggon ist zu sehen, wie sich der Beschuldigte und die Geschädigte im Gang des Waggons gegenüberstehen, wobei der Beschuldigte sodann auch seine rechte Hand hebt. Die Geschädigte geht unmittelbar anschließend aber vom Beschuldigten weg. Irgendeine Abwehrhaltung ist hierbei nicht zu sehen. Der Zeuge POK … der die Videoüberwachung gesichtet und die in Augenschein genommenen Einzelbilder erstellt hat, gab an, die Ausdrucke würden das Geschehen korrekt wiedergeben. Auch auf dem Video sei nur zu sehen, wie der Beschuldigte die Hand erhebe. Eine Aushol- oder Schlagbewegung gebe es ebenso wenig zu sehen wie eine Abwehrbewegung der Geschädigten … Diese gehe einfach weg und der Beschuldigte bleibe stehen und rufe der Geschädigten etwas hinterher. Anschließend setzte sich der Beschuldigte.
Dieses Beweisergebnis lässt nicht den Schluss zu, der Beschuldigte habe den Vorsatz gehabt, die Geschädigte Grud zu schlagen. Es ist vielmehr naheliegend, der Beschuldigte habe die Geschädigte einschüchtern wollen, da sie ihm zuvor entgegnete, sie lasse so nicht mit sich reden.
IV.
Rechtliche Würdigung des Tatgeschehens
Der Beschuldigte erfüllte damit tatbestandsmäßig und rechtswidrig die Tatbestände der Körperverletzung gemäß § 223 Abs. 1 StGB (B. 1.), der Bedrohung gemäß § 241 Abs. 1 StGB (B. 2. und 3.), der Beleidigung gemäß § 185 StGB (B. 3. und 4.), sowie des tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte gemäß § 114 Abs. 1 StGB, der versuchten Körperverletzung gemäß §§ 223, 22, 23 Abs. 1 StGB und des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte gemäß § 113 Abs. 1 StGB (B. 5.).
V.
Feststellungen zur Schuldfähigkeit
Die Kammer ist davon überzeugt, dass dem Beschuldigten bei Begehung der Taten wegen einer akutpsychotischen Phase seiner paranoiden Schizophrenie (ICD-10 F20.0) die Einsicht in das Unrecht seines Tuns verstellt war.
Die Symptomatik, welche der Beschuldigte im Rahmen seiner Krankengeschichte seit 2009 und während der Untersuchungen durch die sachverständigen Zeugen … und … gezeigt hat, war auch bei Begehung der Anlasstaten erkennbar.
Gemäß der nachvollziehbaren Bewertung des Sachverständigen … war das Verhalten des Beschuldigten am 12.01.2020 situationsinadäquat und aggressiv. Er schrie auf dem Bahnsteig mehrfach „Deutsche Frau Schlampe“ und schlug grundlos die Geschädigte … Auch war beim Beschuldigten die Wahrnehmung der anderen Personen und der Außenwelt verändert. So nahm er an, die Geschädigte … würde ihn anschauen und die Lippen bewegen, was er als unangenehm empfand. Es handelt sich hierbei um einen typischen Fall einer Ichstörung, bei welcher der Betroffene jedes Verhalten anderer Personen auf sich bezieht und so gewissermaßen zum Zentrum der Außenwelt wird. Auch das Verhalten gegenüber der Geschädigten … war anlasslos aggressiv. Aufgrund der Äußerung, er müsse alle Deutschen töten, dies sei Allahs Auftrag, kann auf einen aktuellen religiösen Wahn geschlossen werden. Für eine krankheitsbedingte Einschränkung der kognitiven Fähigkeiten spricht auch, dass der Beschuldigte während des gesamten Geschehens mehrfach Unverständliches von sich gab.
Gemäß eigenem Bekunden hatte der Beschuldigte in der fraglichen Zeit auch seine verordnete Medikation nicht eingenommen, was, wie oben dargelegt, im Verlauf seiner Krankheitsgeschichte schon wiederholt zu Exazerbationen seiner Schizophrenie geführt hat.
In Übereinstimmung mit den Angaben des Sachverständigen … gelangt die Kammer angesichts dieser Symptomatik zu der Überzeugung, dass bereits die Einsichtsfähigkeit des Beschuldigten aufgehoben war. Nach eigener Überzeugungsbildung schließt sich die Kammer den Ausführungen des Sachverständigen an, dass die Taten psychotisch motiviert und floride Wahnvorstellungen des Beschuldigten im Tatzeitpunkt vorhanden waren.
D.
Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus, § 63 StGB
Der Antrag auf Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus ist dennoch abzulehnen, da die Voraussetzungen des § 63 StGB aus Rechtsgründen nicht vorliegen.
Die Kammer gelangt nach einer Gesamtwürdigung des Beschuldigten und seiner Taten unter Berücksichtigung sämtlicher Feststellungen in diesem Urteil nicht zu der für die Unterbringung erforderlichen Prognose der Begehung künftiger erheblicher rechtswidriger Taten durch den Beschuldigten infolge seines fortdauernden psychischen Defektzustands, hier der paranoiden Schizophrenie, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird. Für die Anordnung der Unterbringung nach § 63 StGB müssen derartige Taten zu erwarten sein, was die – hier nicht mögliche – Feststellung voraussetzt, dass solche Taten nicht nur möglicherweise begangen werden, sondern eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades für deren Begehung besteht.
Der Sachverständige … führte hierzu aus, dass sich der Beschuldigte am 12.01.2020 in einem ähnlich destabilisierten Zustand wie nach den früheren Abbrüchen seiner medikamentösen Behandlungen befand. Da der Beschuldigte nur über eine bagatellisierende Krankheitseinsicht verfügt und wiederholt seine medikamentöse Behandlung abgebrochen hat, erwartet der Sachverständige mit hoher Wahrscheinlichkeit, dass der Beschuldigte dies im Falle einer Entlassung aus der Unterbringung erneut tun wird, zumal er aller Wahrscheinlichkeit nach wieder in einem Obdachlosenheim wohnen wird. Der Beschuldigte würde damit ohne soziale Kontrolle, ohne jede Tagesstruktur und in einem stressreichen Umfeld leben. Dem Sachverständigen zu Folge hat sich der Beschuldigte durch die bisherige Behandlung in der einstweiligen Unterbringung zwar deutlich gebessert, aber noch nicht hinreichend stabilisiert. Der Sachverständige erwartet jedoch – für den Fall eines Abbruchs der Medikation – mit einer hohen Wahrscheinlichkeit lediglich ähnliche Taten wie die unter B. geschilderten. ohne diese näher zu spezifizieren. Anhaltspunkte für ein Fortschreiten der Erkrankung und der darauf beruhenden Straftaten, insbesondere hin zu einer Anwendung weitergehender körperlicher Gewalt, hat der Sachverständige nicht gefunden.
Auch diesen – wiederum nachvollziehbaren, widerspruchsfreien und überzeugenden – Ausführungen der Sachverständigen schließt sich die Kammer unter Berücksichtigung der von der Sachverständigen genannten Gesichtspunkte aufgrund eigener Bewertung an. Die Kammer verkennt zudem nicht, dass der Beschuldigte den Vorsatz, seine Depotmedikation einzunehmen, früher bereits nicht eingehalten hat. Hierbei muss allerdings auch in Rechnung gestellt werden, dass er die anlässlich des vorhergehenden Sicherungsverfahrens begonnene Depotmedikation von seiner Entlassung am 05.11.2018 bis jedenfalls September 2019 in Anspruch genommen hat.
In rechtlicher Hinsicht bewertet die Kammer die Anlasstaten – und somit auch die zu erwartenden ähnlichen Taten – jedoch nicht als erheblich im Sinne des § 63 S. 1 StGB. Hierbei berücksichtigt sie, dass es sich bei der gemäß § 63 anzuordnenden Unterbringung um eine unbefristete freiheitseinziehende Maßnahme handelt.
Die Kammer verkennt nicht, dass der Beschuldigte – im Unterschied zum vorhergehenden Sicherungsverfahren – nicht überwiegend Beleidigungen begangen hat, sondern daneben vielmehr auch die Tatbestände der Körperverletzung – in versuchter und vollendeter Form -, der Bedrohung, des Tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte und des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte verwirklichte. Als erheblich sind aber gleichwohl nur solche Taten anzusehen, die geeignet erscheinen, den Rechtsfrieden empfindlich bzw. schwer zu stören sowie das Gefühl der Rechtssicherheit der Bevölkerung erheblich zu beeinträchtigen, und die damit zumindest dem Bereich der mittleren Kriminalität zuzuordnen sind. Zwar kommt dies bei Gewalt- und Aggressionsdelikten regelmäßig in Betracht, ist aber auch bei diesen Delikten immer anhand der Umstände des konkreten Einzelfalles zu prüfen.
Die Körperverletzungshandlungen zum Nachteil der Geschädigten … und des Geschädigten PHM … waren nur mit geringer Gewaltanwendung verbunden und reichten auch nur gegenüber der Geschädigten … aus, die Erheblichkeitsschwelle der tatbestandlich vorausgesetzten Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit zu überschreiten. Diese Überschreitung war aber auch bei der Geschädigten … nur geringfügig. So hat die Geschädigt … keine Schmerzen im Zusammenhang mit dem Schlag ins Gesicht empfunden. Die körperliche Beeinträchtigung beschränkte sich vielmehr auf eine Rötung der Haut. Behandlungsbedürftige psychische Tatfolgen oder auch nur eine Änderung des Verhaltens, die S-Bahn allein zu nutzen, sind nicht eingetreten. Der Geschädigte … erlitt durch die beiden Faustschläge, gegen die er sich mit seinem Arm schützen konnte, keine Schmerzen oder sonstigen Folgen, obwohl er von den Schlägen am Arm getroffen wurde. Dass durch die beiden Schläge gegen den Geschädigten PHM … auch der Tatbestand des Tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte verwirklicht wurde, der im Unterschied zur Körperverletzung nach § 223 StGB eine erhöhte Mindeststrafe vorsieht, ändert an der Einordnung der Tat aufgrund der gebotenen Einzelfallbetrachtung der konkreten Tathandlung und der konkreten Tatfolgen nichts.
Auch die Bedrohungen durch den Beschuldigten sind nicht als erhebliche Taten im Sinne des § 63 S. 1 StGB einzuordnen, da die naheliegende Gefahr der Verwirklichung nicht bestand. So verfügte der Beschuldigte – für die Geschädigten erkennbar – nicht über Tatmittel, die ihm eine Umsetzung seiner Ankündigung ermöglicht hätten. Psychische Folgen bei der Geschädigten … traten nur insoweit ein, als sie noch einige Zeit später bei der Benutzung der S-Bahn an den Vorfall denken musste. Auch sie musste sich nicht in Behandlung begeben und auch sie hat ihr Verhalten aufgrund des Vorfalls nicht verändert.
Der Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte des Beschuldigten schließlich beschränkte sich auf die Versuche, sich aus der Fixierung zu lösen und war mit dem Anlegen der Handfesseln und dem Ablegen auf dem Boden beendet. Zwar mussten die Zeugen PMin … und PHM … erhebliche Kraft aufwenden, um den Beschuldigten festzuhalten. Letztlich wurde aber auch hier die Grenze der Tatbestandsmäßigkeit nur unwesentlich überschritten.
Auch die gebotenen Gesamtbetrachtung des Geschehens führt nicht zu einer abweichenden Bewertung. Dabei hat die Kammer neben den Handlungen, welche Straftatbestände verwirklichen, auch das Anrempeln des Fahrgastes … das Erheben der Hand gegenüber der Geschädigten … sowie das insgesamt aggressive Verhalten des Beschuldigten, das auch in seinem Schreien und Schimpfen zum Ausdruck kam, in Rechnung gestellt. Die Kammer hat auch die Häufung mehrerer Taten innerhalb eines kurzen Zeitraums, die Begehung in der Öffentlichkeit und das hohe Alter des Geschädigten … welches man ihr in der Hauptverhandlung allerdings nicht anmerkte, berücksichtigt. Auch diese Gesichtspunkte führen aber nicht dazu, dass angesichts der Tatfolgen im untersten Bereich das Verhalten des Beschuldigten der mittleren Kriminalität zugeordnet werden kann.
Gegen eine hohe Wahrscheinlichkeit der Begehung erheblicher Taten durch den Beschuldigten aufgrund seiner Schizophrenie spricht der Umstand, dass er jedenfalls seit 2009 mit dieser Krankheit dauerhaft in Deutschland lebt und in diesem Zeitraum erhebliche Taten, welche er nachweislich aufgrund seiner Schizophrenie begangen hat, nicht feststellbar sind. Die Taten aus dem Zeitraum vom 04.01.2017 bis zum 13.01.2017, die Gegenstand des vorhergehenden Sicherungsverfahrens waren, sind nicht als erheblich zu bewerten. Zwischen diesen Taten und den verfahrensgegenständlichen Taten liegt ein Zeitraum von drei Jahren, in dem sich der Beschuldigte vom 14.11.2017 bis zum 16.05.2018 und vom 05.11.2018 bis zu den verfahrensgegenständlichen Taten am 12.01.2020 auf freiem Fuß befand. Es gab somit längere Zeiträume, in welchen erhebliche Taten, die auf die Erkrankung des Beschuldigten zurückzuführen sind, nicht konkretisiert oder nachgewiesen werden konnten, trotz wechselhafter Compliance des Beschuldigten, der daraus resultierenden Exazerbationen seiner Schizophrenie, der wiederholten stationären Aufenthalte und des Lebens in Obdachlosigkeit. Dieser Umstand stellt ein gewichtiges Indiz gegen die Wahrscheinlichkeit der Begehung erheblicher Taten dar.
E.
Keine Entschädigung nach dem StrEG
Ein Anspruch des Beschuldigten auf Entschädigung wegen der vorläufigen Festnahme, der Untersuchungshaft und der einstweiligen Unterbringung gemäß §§ 2 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2 StrEG besteht nicht.
Zwar gelten die Vorschriften der § 2 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2 StrEG auch dann, wenn die Staatsanwaltschaft von vorn herein ein Sicherungsverfahren betreibt, ihr Ziel der Unterbringung der Beschuldigten nach § 63 StGB jedoch nicht erreicht.
Jedoch scheitert ein Anspruch des Beschuldigten vorliegend an § 6 Abs. 1 Nr. 2 StrEG, wonach die Entschädigung ganz oder teilweise versagt werden kann, wenn der Beschuldigte wegen einer Straftat nur deshalb nicht verurteilt worden ist, weil er im Zustand der (nicht ausschließbaren) Schuldunfähigkeit gehandelt hat. Die Kammer übt ihr Ermessen dahingehend aus, dass dem Beschuldigten eine Entschädigung gänzlich versagt wird.
Bei der Ausübung des nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 StrEG eröffneten Ermessens ist einerseits darauf abzustellen, wie hoch der Unrechtsgehalt der rechtswidrigen Tat ist und ob durch sie der Rechtsfrieden empfindlich gestört wurde. Die Kammer bewertet die Taten zwar nicht als erheblich im Sinne des § 63 StGB, verkennt jedoch andererseits auch nicht, dass der Beschuldigte im öffentlichen Raum mehrere rechtswidrige Taten begangen hat.
Zum anderen ist bei der Ausübung des Ermessens das Maß des Sonderopfers zu beachten, welches der Beschuldigte durch die Strafverfolgung zu erleiden hatte. Die Belastung des Beschuldigten durch die einstweilige Unterbringung wird dadurch relativiert, dass die einstweilige Unterbringung des Beschuldigten im Hinblick auf seine psychische Störung nicht etwa von vorn herein unangemessen war und seine in medizinischer Hinsicht erforderliche fachkundige Betreuung gewährleistete. Im Übrigen war der Beschuldigte vor seiner Inhaftierung allenfalls sehr eingeschränkt in der Lage, für sich selbst zu sorgen, insbesondere hatte er keine Arbeit und keine Wohnung.
F.
Kostenentscheidung
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 464 Abs. 1, 467 Abs. 1, 414 Abs. 1 StPO.