Aktenzeichen 24 U 5144/19
VO 715/2007/EG Art. 5 Abs. 2
ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2, § 287
Leitsatz
1. Das Inverkehrbringen eines vom Abgasskandal betroffenen Fahrzeugs unter Verschweigen einer gesetzeswidrigen Softwareprogrammierung begründet einen Schadensersatzanspruch des Käufers gegen den Hersteller gem. § 826 BGB i.V.m. § 31 BGB auf Erstattung des Kaufpreises Zug um Zug gegen die Übergabe und Übereignung des Pkw’s an den Hersteller. (Rn. 14 – 28) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Käufer muss sich auf seinen Schadensersatzanspruch im Wege des Vorteilsausgleichs den Wert der von ihm tatsächlich gezogenen Nutzungen des Kraftfahrzeugs anrechnen lassen. Die zeitanteilige lineare Wertminderung ist im Vergleich zwischen tatsächlichem Gebrauch und voraussichtlicher Gesamtnutzungsdauer, ausgehend vom Bruttokaufpreis im Wege der Schätzung gemäß § 287 ZPO zu ermitteln. Dabei ist Anknüpfungspunkt der gezahlte Bruttokaufpreis, der den Nutzungswert des Fahrzeugs verkörpert. Die im Einzelfall unter gewöhnlichen Umständen zu erzielende Gesamtfahrleistung stellt den Gesamtgebrauchswert dar. Zu vergüten sind die Gebrauchsvorteile bei der Rückgabe des Fahrzeugs. (Rn. 29 – 31) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
35 O 1928/18 2019-08-08 Urt LGMEMMINGEN LG Memmingen
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Memmingen vom 08.08.2019, Az.: 35 O 1928/18, wie folgt abgeändert:
I. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 17.859,27 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 11.12.2018 zu bezahlen, Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs Audi Q3 mit der FIN …92.
I. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des in Ziffer 1.
bezeichneten Fahrzeugs seit dem 11.12.2018 in Annahmeverzug befindet.
I. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 597,74 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01.02.2019 zu bezahlen.
I. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die weitergehende Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
III. Von den Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen tragen der Kläger 51%, die Beklagte 49%.
IV. Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Jede Partei kann die Vollstreckung durch die Gegenpartei durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Gegenpartei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
V. Die Revision wird insoweit zugelassen, als die Berufung des Klägers gegen die Abweisung seines Antrags auf Verzinsung des gezahlten Kaufpreises bis zum 10.12.2018 zurückgewiesen wurde.
Gründe
I.
Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche des Klägers aufgrund des Kaufs eines Pkw Audi Typ Q3 2.0 TDI Quattro S tronic, in den ein von der Beklagten hergestellter Motor der Baureihe „EA189“ eingebaut und der somit vom „Diesel-Skandal“ betroffen ist.
Mit Endurteil vom 08.08.2019 hat das LG Memmingen die Klage in vollem Umfang abgewiesen.
Hinsichtlich des streitgegenständlichen Sachverhalts, der vom Landgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen und des Inhalts der Entscheidung im Einzelnen wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf dieses Urteil Bezug genommen.
Mit der Berufung verfolgt der Kläger seine erstinstanzlich gestellten Ansprüche in vollem Umfang weiter.
Hinsichtlich des Vortrags des Klägers in der Berufungsinstanz wird auf die Schriftsätze seiner Prozessbevollmächtigten vom 23.09.2019 (Bl. 119/137 d.A.), vom 16.03.2020 (Bl. 203/205 d.A.) und vom 29.04.2020 (Bl. 208/214 d.A.) Bezug genommen, hinsichtlich des Vortrags der Beklagten in der Berufungsinstanz auf den Schriftsatz der Beklagtenvertreter vom 18.12.2019 (Bl. 144/200 d.A.).
Der Kläger beantragt in der Berufungsinstanz:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klagepartei Schadensersatz in Höhe des Kaufpreises des Fahrzeugs in Höhe von 35.800,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 11.12.2018 zu zahlen.
Dies Zug um Zug gegen Übereignung des Fahrzeugs Audi Q3 mit der FIN …92 sowie Zahlung einer Nutzungsentschädigung für die Nutzung des Fahrzeugs durch die Klagepartei, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird.
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klagepartei Schadensersatz zu bezahlen für weitere Aufwendungen und Schäden, die aufgrund des Erwerbs und des Unterhalts Audi Q3 mit der FIN …92 entstanden sind und weiterhin entstehen werden.
3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klagepartei Zinsen in Höhe von 4% aus dem Kaufpreis in Höhe von 35.800,00 € seit dem 13.03.2014 bis zum 10.12.2018 zu zahlen.
4. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des Fahrzeugs Audi Q3 mit der FIN …92 seit dem 11.12.2018 in Annahmeverzug befindet.
5. Die Beklagte wird verurteilt, die durch die Beauftragung des Prozessbevollmächtigten der Klagepartei entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe 807,36 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 11.12.2018 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat mit den Parteien am 19.05.2020 mündlich verhandelt. In der mündlichen Verhandlung wurde ein aktueller Kilometerstand von 128.527 km unstreitig gestellt.
Wegen der Einzelheiten wird im Übrigen auf den Akteninhalt, insbesondere die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung des Klägers ist teilweise, in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang, begründet.
Der Kläger hat aus §§ 826, 31 BGB gegen die Beklagte grundsätzlich einen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe des Kaufpreises Zug um Zug gegen die Übergabe und Übereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs. Hiervon ist jedoch ein Betrag in Höhe von 17.940,73 € als Entschädigung für die Nutzung des Autos durch den Kläger während der Besitzzeit abzuziehen. Die beantragte Feststellung des Annahmeverzugs ist gerechtfertigt.
Dagegen ist die Klage hinsichtlich des auf § 849 BGB gestützten Zinsantrags (Klage- und Berufungsantrag Ziffer 3) und des auf weitere Feststellung gerichteten Antrags (Klage- und Berufungsantrag Ziffer 2) vom Erstgericht zu Recht abgewiesen.
Im Einzelnen:
1. Der Kläger hat gegen die Beklagte aus §§ 826, 31 BGB grundsätzlich einen Anspruch auf Erstattung des Kaufpreises, Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des streitgegenständlichen Pkws.
1) Die Beklagte ist als Herstellerin des Motors der Baureihe „EA189“, der in den vom Kläger erworbenen Audi Q3 eingebaut ist, passiv legitimiert (siehe dazu Senat vom 15.10.2019 – 24 U 797/19 – BeckRS 25424 Rnrn. 37 bis 39).
1) Die tatbestandlichen Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs aus §§ 826, 31 BGB sind erfüllt.
1) In den Motor war bei der Übergabe des Fahrzeugs an den Kläger eine Abschalteinrichtung eingebaut, die dafür sorgte, dass die Abgasreinigung nur im Modus 1 ihre Wirkung erfüllte, wenn die Software erkannte, dass das Prüfprogramm des NEFZ ausgeführt wurde. Damit wurden die der Einstufung des Motors in die Schadstoffklasse EURO 5 zugrundeliegenden Messwerte nur bei der Prüfung auf dem Rollenprüfstand erreicht, während sie bei realem Fahrbetrieb im Modus 0 deutlich überschritten wurden. Diese Abschalteinrichtung war wegen Verstoßes gegen Art. 5 Abs. 2 VO 715/2007/EG unzulässig (vgl. auch Senatsurteil vom 15.10.2019 a.a.O. m.w.N.).
1) Das Inverkehrbringen eines Fahrzeugs mit dem Motor der Baureihe „EA189“ stellt eine konkludente Täuschung des Endkunden, sei es des Erst- bzw. eines Zweiterwerbers, dar. Mit dem Inverkehrbringen bringt der Hersteller jedenfalls konkludent zum Ausdruck, dass das damit ausgerüstete Fahrzeug entsprechend seinem objektiven Verwendungszweck im Straßenverkehr eingesetzt werden darf, d.h. über eine uneingeschränkte Betriebserlaubnis verfügt, deren Fortbestand nicht aufgrund bereits bei der Auslieferung des Fahrzeugs dem Hersteller bekannter, konstruktiver Eigenschaften gefährdet ist. Das setzt voraus, dass nicht nur die erforderlichen Zulassungs- und Genehmigungsverfahren formal erfolgreich durchlaufen wurden, sondern auch, dass die für den Fahrzeugtyp erforderliche EG-Typengenehmigung nicht durch eine Täuschung des zuständigen Kraftfahrtbundesamtes erschlichen worden ist und das Fahrzeug den für deren Erhalt und Fortdauer einzuhaltenden Vorschriften tatsächlich entspricht. Auch dies bestätigt der Hersteller mit dem Inverkehrbringen zumindest konkludent (vgl. OLG Karlsruhe vom 05.03.2019 – 13 U 142/18 – juris Rn. 11; Senat vom 15.10.2019 a.a.O. Rn. 42).
1) Die Entscheidung der Beklagten, den hier in Streit stehenden Motor „EA189“ mit der erschlichenen Typengenehmigung in Verkehr zu bringen, stellt eine im Sinn des § 826 BGB sittenwidrige Handlung dar (siehe dazu ausführlich Senat vom 15.10.2019 a.a.O. Rnrn. 48 bis 51 m.w.N.).
1) Auch die subjektiven Voraussetzungen für einen Anspruch aus § 826 BGB sind gegeben. Die Beklagte, die sich das Verhalten ihrer Repräsentanten im Sinn des § 31 BGB (dazu Senat vom 15.10.2019 a.a.O. Rn. 58 m.w.N.) zurechnen lassen muss, hat den Kläger vorsätzlich geschädigt. Der Kläger hat hinreichend substantiiert vorgetragen, dass maßgebliche Repräsentanten der Beklagten lange Zeit vor dem Verkauf des streitgegenständlichen Fahrzeugs an ihn von der Abgasproblematik und der Manipulationssoftware Kenntnis hatten (vgl. insbesondere Seite 8 der Klageschrift i.V.m. Anlage K 6). Die Beklagte hat dieses Vorbringen nicht substantiiert bestritten und ist ihrer diesbezüglichen sekundären Darlegungslast nicht nachgekommen (ausführlich zu dieser Senat vom 15.10.2019 a.a.O. Rn. 64 ff.; OLG Hamm vom 10.09.2019, Az.: 13 U 149/18, BeckRS 2019, 2..0495 Rnrn. 57 ff.).
Darüber hinaus besteht eine von der Beklagten nicht widerlegte tatsächliche Vermutung dafür, dass ein Vorstand oder Repräsentant den Einsatz der Software gekannt oder gebilligt hat (vgl. OLG Karlsruhe vom 05.03.2019 – 13 U 142/18 – BeckRS 2019, 3395 Rn. 53 ff.; OLG Koblenz vom 12.06.2019- 5 U 1318/18 – BeckRS 2019, 11148 Rn. 53 ff.; OLG Naumburg vom 27.09.2019, 7 U 24/19 – BeckRS 2019, 24547 Rn. 78 f.; KG vom 26.09.2019- 4 U 51/19 – BeckRS 2019, 22714 Rn. 84; OLG Celle vom 20.11.2019 – 7 U 244/18 – BeckRS 2019, 29589 Rn. 22; OLG Hamm vom 13.12.2019 – 13 U 86/18 – BeckRS 2019, 35115 Rn. 80). Es ist nämlich kaum vorstellbar, dass die Beauftragung, Bezahlung und millionenfache Implementierung der „Schummel-Software“ lediglich einem Verhaltensexzess untergeordneter Konstrukteure zuzuschreiben sein könnte (Heese in NJW 2019, 257/260), die überdies durch ein solches Tun erhebliche zivil- wie strafrechtliche Risiken eingegangen wären, denen kein die Eingehung eines solchen Risikos plausibel erscheinen lassender wirtschaftlicher Vorteil gegenübergestanden hätte.
1) Durch die Täuschung hat der Kläger auch einen Vermögensschaden erlitten. Der Schaden liegt bereits im Abschluss des Kaufvertrags, denn der Kläger hat im Gegenzug für die Zahlung des Kaufpreises ein mangelhaftes Auto erhalten. Es war für die Zwecke des Klägers nicht voll brauchbar, weil es einen verdeckten Sachmangel aufwies, der zu einer Betriebsbeschränkung oder -untersagung hätte führen können (vgl. BGH, Beschluss vom 08.01.2019, Az.: VIII RZ 225/17, NJW 2019, 1133 Rn. 17 ff., Heese, JZ 2020, 178, 179 ff.; Staudinger-Ruks, NJW 2019, 1179 f.).
1) Die Täuschung war auch kausal für den Abschluss des Kaufvertrages durch den Kläger. Es liegt auf der Hand, dass der Kläger vom Kauf abgesehen hätte, wenn er gewusst hätte, dass aufgrund der „Schummel-Software“ eine uneingeschränkte Verwendung des Fahrzeugs während der üblichen Nutzungsdauer nicht gewährleistet war (vgl. Senat vom 15.10.2019 a.a.O. Rn. 75).
1) Der Schaden ist im Streitfall nicht etwa durch das unstreitige Aufspielen des Software-Updates entfallen.
Der Schaden besteht hier in der täuschungsbedingten Eingehung eines ungewollten Vertrags. Diese Verletzung der Vermögensdispositiionsfreiheit und der durch sie bewirkte Vermögensdispositionsschaden lässt sich nur noch dadurch beseitigen, dass der Kläger so gestellt wird, wie er ohne den Abschluss des von ihm ungewollten Vertrages stünde. Damit kommt es auf die weitere Entwicklung nach Abschluss des Kaufvertrags nicht an, weshalb das Software-Update von vorneherein außer Betracht zu bleiben hat (vgl. dazu auch OLG Karlsruhe vom 05.03.2019 – 13 U 182/18 – juris Rn. 20; vom 18.07.2019 – 17 U 160/18 – juris Rn. 98; OLG Koblenz vom 12.06.2019 – 5 U 1318/18 – juris Rn. 87, Heese, JZ 2020, 178, 186 f. m.w.N.).
1) Die Zurechnung des Schadens zum Verhalten der Beklagten entfällt auch nicht unter dem Aspekt einer Begrenzung des Schutzbereichs des § 826 BGB. Die Haftung des § 826 BGB knüpft – anders als etwa ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. bestimmten europarechtlichen Normen – nicht unmittelbar an den Verstoß gegen Art. 5 Abs. 2 Satz 1 VO 715/2007/EG an, sondern folgt aus der mit dem Inverkehrbringen des Fahrzeugs und des Motors verbundenen Täuschung über die Erfüllung der materiellen Typengenehmigungsvoraussetzungen. Die Pflichtverletzung der Beklagten ist für den Rechtskreis der Käufer ersichtlich von Bedeutung, weil über einen die Kaufentscheidung wesentlich beeinflussenden Umstand getäuscht wird (Senat vom 15.10.2019, a.a.O. Rn. 53).
§ 826 BGB bezweckt damit im Rahmen der einschlägigen Fallgruppe – sittenwidrige Schädigung durch Vertragsschluss – gerade den Schutz vor nachteiligen Verträgen (OLG Köln vom 17.07.2019, 16 U 199/18 – BeckRS 2019, 20644 Rn. 21; OLG Oldenburg vom 02.10.2019 – 5 U 47/19 – BeckRS 2019, 23205 Rn. 26; OLG Koblenz vom 12.06.2019 – 5 U 1318/18 – BeckRS 2019, 11148 Rn. 58, Heese, JZ 2020, 178 ff.).
2. Rechtsfolge des klägerischen Schadensersatzanspruchs ist gemäß § 249 Abs. 1 BGB, dass der Kläger die Erstattung des Kaufpreises Zug um Zug gegen die Übergabe und Übereignung des Pkw’s an die Beklagte verlangen kann.
3. Allerdings sind für die durch den Kläger bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Senat gezogenen Nutzungen vom Bruttokaufpreis (35.800,– €) 17.940,73 € abzuziehen.
3) Es entspricht ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung, dass nach den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung dem Geschädigten neben einem Ersatzanspruch nicht die Vorteile verbleiben dürfen, die ihm durch das schädigende Ereignis zugeflossen sind. Gleichartige Gegenansprüche sind automatisch zu saldieren. Solange Ersatzanspruch und Vorteil nicht gleichartig sind, muss der Schädiger Schadensersatz nur Zug um Zug gegen Herausgabe des Vorteils leisten. Der Schadensersatzanspruch des Geschädigten ist nur mit dieser Einschränkung begründet. Darauf, ob der Schädiger die Herausgabe des Vorteils verlangt, kommt es nicht an, insbesondere bedarf es anders als in den Fällen der §§ 320, 322, 348 BGB keines besonderen Antrags oder einer Einrede des Schädigers (BGH vom 23.06.2015 – XI ZR 536/14 – juris Rn. 22 f.). Die Einwände, die im Zusammenhang mit der schadensersatzrechtlichen „Rückabwicklung“ über vom „Diesel-Skandal“ betroffene Fahrzeuge gegen eine Anrechnung von Nutzungen vorgebracht werden, greifen nicht durch (vgl. Senat vom 15.10.2019 a.a.O. Rn. 79 bis 85).
3) Die zeitanteilige lineare Wertminderung ist im Vergleich zwischen tatsächlichem Gebrauch und voraussichtlicher Gesamtnutzungsdauer, ausgehend vom Bruttokaufpreis im Wege der Schätzung gemäß § 287 ZPO zu ermitteln (vgl. BGH vom 17.05.1995 – VIII ZR 70/94 – juris Rn. 23). Dabei ist Anknüpfungspunkt der gezahlte Bruttokaufpreis, der den Nutzungswert des Fahrzeugs verkörpert. Die im Einzelfall unter gewöhnlichen Umständen zu erzielende Gesamtfahrleistung stellt den Gesamtgebrauchswert dar. Zu vergüten sind die Gebrauchsvorteile bei der Rückgabe des Fahrzeugs (Reinking/Eggert, Der Autokauf, 13. Aufl., 2017, Rn. 1186). Der Senat schätzt gemäß § 287 ZPO die Gesamtleistung eines Audi Q3 auf 250.000 km. Dies ergibt eine zu berücksichtigende Nutzungsentschädigung von 17.940,73 € (35.800,– € x 122.027 km: 243.500 km). Damit verbleibt ein zu erstattender Schadensbetrag von 17.859,27 € (35.800,– € abzüglich 17.940,73 €).
4. Der auf Feststellung des Annahmeverzugs (vgl. §§ 293 ff.) gerichtete Klageantrag ist begründet.
Der Kläger hat bereits im anwaltlichen Aufforderungsschreiben vom 26.11.2018 (Anlage K 5) die Anrechnung einer Nutzungsentschädigung für von ihm gefahrene Kilometer anerkannt und dies auch mit den Klageanträgen in erster und zweiter Instanz getan.
Dass er von sich aus keinen konkreten, sich ohnehin fortlaufend ändernden Nutzungsentschädigungsbetrag genannt hat, hindert es nach Auffassung des Senats nicht, sein Rückgabe- bzw. Rückübereignungsangebot als zur Begründung von Annahmeverzug auf Seiten der nicht rückgabebereiten Beklagten ausreichend erscheinen zu lassen (anders war die Fallgestaltung in dem vom BGH mit Urteil vom 25.05.2020, Az.: VI ZR 252/19 entschiedenen Fall, indem klägerseits die Anrechnung einer Nutzungsentschädigung durchgängig in Abrede gestellt wurde).
5. Entsprechend der dargelegten Erwägungen ist die Beklagte im Streitfall mit der Zahlung des letztlich zuzusprechenden Betrages aufgrund des Aufforderungsschreibens vom 26.11.2018 (Anlage K 5) ab 11.12.2018 in Schuldnerverzug geraten, so dass sie ab diesem Zeitpunkt zur Zinszahlung gemäß §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB verpflichtet ist.
6. Ein Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten besteht gemäß § 249 Abs. 1 BGB, ausgehend von einer geltend gemachten 0,65-Gebühr, in Höhe 597,74 €.
Der Gegenstandswert bemisst sich nach der Höhe des dem Kläger zustehenden Anspruchs. Grundsätzlich ist hier auf den Zeitpunkt der Beauftragung des Klägervertreters abzustellen. Aus dem Anspruchsschreiben vom 26.11.2018 ergibt sich eine Laufleistung von 102.110 km. Dies zugrunde gelegt ergibt sich eine anzurechnende Nutzungsentschädigung zu diesem Zeitpunkt in Höhe von 14.054,83 € (35.800,– € x 95.610 km: 243.500 km), somit eine berechtigte Zahlungsforderung von 21.743,17 €. Aus dem Ansatz eines Gegenstandswerts von bis zu 22.000,– € resultiert eine 0,65-Gebühr in Höhe von 482,30 €. Zuzüglich 20,– € Auslagenpauschale und Umsatzsteuer ergibt sich ein Betrag von 597,74 €.
Da das Aufforderungsschreiben vom 26.11.2018 keine Aufforderung zur Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten enthielt, waren insoweit Zinsen gemäß §§ 291, 288 Abs. 1 BGB erst ab Rechtshängigkeit zuzusprechen.
7. Ein Anspruch des Klägers auf Verzinsung des von ihr geleisteten Kaufpreises gemäß § 849 BGB besteht nicht. Nach der Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 26.11.2007 – 2 ZR 167/06 – bei juris Rn. 5 f.) besteht der Normzweck des § 849 BGB darin, dass der Zinsanspruch den endgültig verbleibenden Verlust an Nutzbarkeit der Sache ausgleichen soll, der durch den späteren Gebrauch derselben oder einer anderen Sache nicht nachgeholt werden kann. Dieser Schutzzweck ist hier nicht betroffen, weil die Klagepartei im Austausch für den gezahlten Kaufpreis das Fahrzeug nutzen konnte (OLG Hamm, Urteil vom 10.09.2019 – 13 U 149/18 – bei juris Rn. 99). Das Risiko, dass im Falle der Entdeckung der „Schummel-Software“ die Zulassung entzogen und die Typengenehmigung widerrufen werden würde, hat sich während der Dauer der Nutzung durch den Kläger nicht realisiert; daher kann damit eine Zinspflicht nach § 849 BGB ab der Zahlung des Kaufpreises nicht begründet werden.
8. Das Landgericht hat den in der Berufungsinstanz unverändert weiterverfolgten Antrag auf Feststellung, „dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klagepartei Schadensersatz zu bezahlen für weitere Aufwendungen und Schäden, die aufgrund des Erwerbs und des Unterhalts des Fahrzeugs Audi Q3 mit der FIN …92 entstanden sind und weiterhin entstehen werden“, zu Recht als unzulässig angesehen. Auch eine Feststellungsklage muss den Anforderungen des § 253 ZPO genügen. Insbesondere muss der Klageantrag im Sinn des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO bestimmt sein, denn der Umfang der Rechtshängigkeit und der Rechtskraft muss feststehen. Die erforderliche Bestimmtheit verlangt, dass das festzustellende Rechtsverhältnis genau bezeichnet wird. Dazu genügt es, dass der Kläger die rechtsbegründenden Tatsachen näher angibt. Soweit es sich um Schadensersatzansprüche handelt, ist aber jedenfalls eine bestimmte Bezeichnung des zum Ersatz verpflichtenden Ereignisses erforderlich (vgl. dazu BGH, Urteil vom 10.01.1983 – VIII ZR 231/81, NJW 1983 2247).
Das Erstgericht hat im angefochtenen zu Recht ausgeführt, dass das zum Schadensersatz verpflichtende Ereignis im Feststellungsantrag (Klage- und Berufungsantrag Ziffer 2.) nicht hinreichend bestimmt ist. Auf die vom Senat für zutreffend erachteten Darlegungen des Erstgerichts unter A. I. 1. der Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils wird insoweit Bezug genommen.
9. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf den § 708 Nr. 10, 711 ZPO.
10. Die Revision wird gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung insoweit zugunsten des Klägers zugelassen, als der Senat einen Anspruch auf Verzinsung des Kaufpreises gemäß § 849 BGB im Gegensatz zu den Oberlandesgerichten Koblenz (Urteil vom 16.09.2019 – 12 U 61/19 – juris), Köln (Urteil vom 06. 03. 2020 – 19 U 155/19 -, Rn. 35, juris), Oldenburg (Urteil vom 02. 10. 2019 – 5 U 47/19 -, Rn. 56, juris) und Karlsruhe (Urteil vom 19. 11. 2019 – 17 U 146/19 -, juris) verneint (s. oben zu Nr. II. 3). Die übrigen durch den streitgegenständlichen Sachverhalt aufgeworfenen Rechtsfragen sind durch das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 25.05.2020 (VI ZR 252/19 – juris) geklärt, so dass ein Grund für die Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO) insoweit nicht mehr besteht.