Aktenzeichen 474 C 10189/19
Leitsatz
Die Nichtzahlung einer Nachforderung aus einer Betriebskostenabrechnung kann einen Grund für eine fristlose Kündigung gem. § 543 Abs. 1 BGB darstellen. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass eine formell und inhaltlich wirksame Abrechnung vorliegt und Verzug mit der Zahlung der Nachforderung gegeben ist, die den Betrag einer Monatsmiete übersteigt. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 25.802,92 € festgesetzt.
Gründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Die Klägerin kann von dem Beklagten nicht die Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Wohnung aus §§ 546 Abs. 1, 985 BGB verlangen, da das zwischen den Parteien bestehende Mietverhältnis nicht beendet wurde.
Die Klägerin ist in das Mietverhältnis gemäß § 566 BGB als Vermieterin eingetreten. Sie hat durch Vorlage des Grundbuchauszugs vom 03.02.2017 und Eintragungsbekanntmachung vom 09.04.2019 nachgewiesen, dass sie als Eigentümerin eingetragen wurde.
I.
Durch die außerordentliche Kündigung vom 26.07.2018 wurde das Mietverhältnis nicht beendet.
1. Die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Nr. 3a, b BGB liegen nicht vor. Der Beklagte befand sich nicht für zwei aufeinander folgende Termine mit der Entrichtung der Miete, die den Betrag einer Monatsmiete übersteigt, oder in einem Zeitraum, der sich über mehr als zwei Termine erstreckt, mit der Entrichtung der Miete in Höhe eines Betrages, der mindestens zwei Monatsmieten erreicht, in Verzug. Unstreitig ist, dass der Beklagte die am 3. Werktag im Voraus fällige Miete für Juli 2018 von 1.384,25 € bis zur Kündigung vom 26.07.2018 nicht bezahlt hatte, so dass er sich insoweit in Verzug befand.
Ein weitergehender Zahlungsverzug mit Mieten einschließlich Vorauszahlungen war nicht gegeben. Denn die Erhöhung der Betriebskostenvorauszahlungen auf 490,- € war nicht wirksam, so dass die um 329,03 € erhöhten Vorauszahlungsbeträge für die Monate Januar 2018 bis Juni 2018, nicht fällig waren. Gemäß § 560 Abs. 4 BGB kann jede Vertragspartei nach einer Abrechnung durch Erklärung in Textform eine Anpassung der Betriebskostenvorauszahlungen auf eine angemessene Höhe vornehmen. Für eine wirksame Anpassung ist eine Erhöhungserklärung im zeitlichen Zusammenhang mit einer formell und inhaltlich wirksamen Abrechnung erforderlich (vgl. Blank/Börstinhaus, 5. Auflage, § 560 Rz. 22). Vorliegend fehlt ein solcher zeitlicher Zusammenhang zwischen der Erhöhungserklärung vom 29.05.2017 und einer Abrechnung, da die Abrechnung für 2015 bereits vom 15.11.2016 stammt und die Abrechnung vom 2016 erst am 25.09.2017 erfolgte. Da eine zum Nachteil von § 560 Abs. 4 BGB abweichende Regelung gem. § 560 Abs. 6 BGB unwirksam ist, kann dahinstehen, ob sich aus der Regelung in § 3 des Wohnungsmietvertrags etwas anderes ergibt.
Zudem hat die hierfür Klagepartei nicht bewiesen, dass dem Beklagten das Erhöhungsschreiben vom 29.05.2017 zugegangen ist. Der Beklagte hat behauptet, das Schreiben sei bei ihm nicht eingegangen. Es handelt sich hierbei um ein zulässiges Bestreiten gem. § 138 ZPO. Ein rechtsmissbräuchliches Bestreiten des Zugangs des Schreibens liegt nicht vor, auch wenn die Klägerin drei Mahnschreiben übersandte. Die Klagepartei trägt die volle Beweislast für den Zugang des Schreibens. Selbst wenn die von der Klägerin angebotene Zeugin … bestätigen würde, dass sich ein namentlich unbekannter Anrufer sich nach Versenden der Erhöhungsschreiben als Vertreter der Mieter der sieben Wohnungen in der … ausgegeben und sich lautstark am Telefon beschwert hätte, „dass sich die Mietzahlungen für die Wohnungen so erhöhen würden“, würde dies keinen ausreichenden Beweis für den Zugang des Anpassungsschreibens vom 29.05.2017 an den Beklagten darstellen.
2. Soweit die Klägerin die außerordentliche Kündigung vom 26.07.2018 darauf stützt, dass sich der Beklagte mit der Nachzahlung aus der Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2017 in Höhe von 1.847,85 € in Verzug befand, ist ein Kündigungsgrund nicht gegeben.
Zwar kann die Nichtzahlung einer Nachforderung aus einer Betriebskostenabrechnung einen Grund für eine fristlose Kündigung gem. § 543 Abs. 1 BGB darstellen. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass eine formell und inhaltlich wirksame Abrechnung vorliegt und Verzug mit der Zahlung der Nachforderung gegeben ist, die den Betrag einer Monatsmiete übersteigt (vgl. Blank/Börstinghaus, a.a.O., § 543 Rz. 26). Dies ist hier nicht der Fall. Es liegt kein schlüssiger Vortrag zu den Verzugsvoraussetzungen i.S.d. § 286 BGB vor. Eine Mahnung wurde nicht vorgetragen. Die einseitige Fristsetzung in dem Abrechnungsschreiben vom 11.06.2018 bis zum 12.07.2018 ist für das Vorliegen des § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht ausreichend.
3. Soweit die Klägerin die außerordentliche Kündigung mit einer unberechtigten Gebrauchsüberlassung der Mietsache an Dritte begründet, ist die Kündigung ebenfalls nicht wirksam. Die Voraussetzungen des §§ 543 Abs. 2 Nr. 2, 543 Abs. 1 BGB liegen nicht vor.
Die Klagepartei hat nicht substantiiert vorgetragen und bewiesen, dass der Beklagte die streitgegenständliche Wohnung Dritten zum Gebrauch überlassen hat. Insbesondere wurde weder in der Kündigung angegeben, noch im Verfahren vorgetragen, wann sich welche/wieviele fremde Personen in der streitgegenständlichen Wohnung aufgehalten haben sollen. Das Kündigungsschreiben genügt daher nicht den Anforderungen des § 569 Abs. 4 BGB.
Zudem fehlt es an der nach § 569 Abs. 3 S. 1 BGB erforderlichen Abmahnung und an einem schlüssigen Vortrag einer erneuten unberechigten Gebrauchsüberlassung nach Abmahnung. Von einer Entbehrlichkeit der Abmahnung gem. § 569 Abs. 3 S. 3 BGB ist nicht auszugehen.
Weiter liegen keine ausreichenden Beweisangebote für eine Gebrauchsüberlassung an Dritte vor.
Aus den vorgelegten Ermittlungsberichten der Mitarbeiter des Sozialreferats der Landeshauptstadt München (Anlagen K17 bis K20) ergibt sich nicht, dass diese in der streitgegenständlichen Wohnung Nr. 4 den Aufenthalt Dritter festgestellt hätten. Die Einvernahme der Zeugin … zu den Ermittlungen des Sozialreferats war daher nicht veranlasst. Selbst wenn die Zeugin bestätigen würde, dass sich in den anderen Wohnungen im Anwesen … dritte Personen aufgehalten haben, würde dies für den Beweis einer unberechtigten Gebrauchsüberlassung der streitgegenständlichen Wohnung nicht ausreichen. Gleiches gilt für die von der Klägerin vorgetragenen gegenüber einem Mitarbeiter des Sozialreferats gemachten Angaben des … wonach die „Wohnungen „Nr. 1 -bis 4 und die Wohnung 7 der Schwester des … gehören würden und diese von Familienmitgliedern, Freunden und sonstigen Bekannten der Familie während ihres Aufenthalts in München genützt werden“. Nicht ausreichend für eine Kündigung des Mietverhältnisses ist der Verdacht der unberechtigten Gebrauchsüberlassung an Dritte, auch dann nicht, wenn der Verdacht der Nutzung der Räume zum Zwecke der Fremdenbeherbergung, möglicherweise auch gewerblich, und des Verstoßes gegen die Zweckentfremdungsverordnung der Landeshauptstadt München besteht.
4. Soweit die Klägerin die fristlose Kündigung darauf stützt, dass die streitgegenständliche Wohnung zum Teil gar nicht genutzt werde und über Monate leer stehe, ist die Kündigung bereits deshalb unwirksam, weil es an der Angabe dieses Kündigungsgrunds im Kündigungsschreiben (§ 569 Abs. 4 BGB) fehlt. Zudem wurde keine Abmahnung vorgetragen. Es kann daher dahinstehen, ob der behauptete Leerstand einen Grund zur fristlosen Kündigung darstellt.
5. Soweit die Klägerin die fristlose Kündigung mit unpünktlichen Mietzahlungen begründet, ist die Kündigung ebenfalls unwirksam, da es an konkreten Angaben im Kündigungsschreiben fehlt, wann welche Mieten in welcher Höhe verspätet gezahlt wurden. Wird die Kündigung auf eine Vielzahl von Vertragsverletzungen gestützt, müssen die einzelnen Vertragsverletzungen substantiiert im Kündigungsschreiben dargelegt werden. Nicht ausreichend ist die Angabe, die Mieten seien, „wenn man sich lediglich das letzte Mietjahr betrachtet, nahezu immer unpünktlich, nämlich weit nach Fälligkeit“, gezahlt worden. Weiter fehlt es an der erforderlichen Abmahnung.
6. Soweit die Klägerin die fristlose Kündigung darauf stützt, dass der Beklagte für die Ablesung Messeinrichtungen für Heiz- und Wasserkosten keinen Zutritt zur streitgegenständlichen Wohnung gewährte, fehlt es an der konkreten Angabe im Kündigungsschreiben und im Verfahren, zu welchen Zeitpunkten angekündigte Ablesungen nicht ermöglicht wurden sowie an der erforderlichen Abmahnung.
II.
Das Mietverhältnis wurde auch nicht durch die hilfsweise ordentliche Kündigung vom 26.07.2018 beendet.
1. Soweit die ordentliche Kündigung auf Zahlungsverzug gestützt wird, liegt eine schuldhafte nicht unerhebliche Pflichtverletzung i.S.d. § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht vor. Eine solche ist dann anzunehmen, wenn ein Zahlungsverzug mit Mieten/Betriebskostenvorauszahlungen oder mit einer Betriebskostennachzahlung vorliegt, die den Betrag einer Monatsmiete übersteigen. Dies ist hier nicht der Fall. Auf die obigen Ausführungen wird Bezug genommen.
2. Soweit die Klägerin die hilfsweise ordentliche Kündigung vom 26.07.2018 darauf stützt, dass sich der Beklagte mit der Nachzahlung aus der Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2017 in Höhe von 1.847,85 € in Verzug befand, ist eine nicht unerhebliche Pflichtverletzung und damit ein Kündigungsgrund gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB mangels Verzug nicht gegeben. Auf die obigen Ausführungen wird Bezug genommen.
3. Soweit die ordentliche Kündigung auf die unbefugte Gebrauchsüberlassung der Wohnung an Dritte gestützt wird, liegt kein Grund für eine ordentliche Kündigung gem. § 573 BGB vor. Die Klagepartei hat nicht substantiiert vorgetragen und bewiesen, dass der Beklagte die Wohnung tatsächlich Dritten zum Gebrauch überlassen hat. Das oben Ausgeführte gilt entsprechend. Auch genügt das Kündigungsschreiben nicht den Anforderungen des § 573 Abs. 3 S. 1 BGB. Weiter liegen keine ausreichenden Beweisangebote vor. Auf die obigen Ausführungen wird Bezug genommen.
4. Soweit die Klägerin die ordentliche Kündigung darauf stützt, dass die streitgegenständliche Wohnung zum Teil gar nicht genutzt werde und über Monate leer stehe, ist die Kündigung bereits deshalb unwirksam, weil es an der Angabe dieses Kündigungsgrunds im Kündigungsschreiben (§ 573 Abs. 3 S. 1 BGB) fehlt.
5. Soweit die Klägerin die fristlose Kündigung mit unpünktlichen Mietzahlungen begründet, ist die Kündigung ebenfalls unwirksam, da es an konkreten Angaben im Kündigungsschreiben fehlt, wann welche Mieten in welcher Höhe verspätet gezahlt wurden.
6. Soweit die Klägerin die fristlose Kündigung darauf stützt, dass der Beklagte keinen Zutritt zur streitgegenständlichen Wohnung für die Ablesung Messeinrichtungen für Heiz- und Wasserkosten gewährte, fehlt es an der konkreten Angabe im Kündigungsschreiben und im Verfahren, zu welchen Zeitpunkten angekündigte Ablesungen nicht ermöglicht wurden.
III.
Durch die hilfsweise und vorsorgliche außerordentliche Schriftsatzkündigung vom 04.09.2019 wurde das Mietverhältnis ebenfalls nicht beendet.
Diese Kündigung wurde allein auf den geltend gemachten Mietrückstand von 4.606,42 € gestützt. Ein Zahlungsverzug mit den geltend gemachten restlichen Vorauszahlungen von monatlich 329,03 € für die Monate Januar 2018 bis Februar 2019 in Höhe von insgesamt 4606,42 € besteht nicht.
Die obigen Ausführungen gelten entsprechend. Auch für die Monate ab Oktober 2018 ergibt sich nichts anderes. Zwar ist unstreitig, dass dem Beklagtenvertreter im Oktober 2018 das Anpassungsschreiben vom 29.05.2017 übersandt wurde, jedoch fehlt auch hier ein zeitlicher Zusammenhang mit einer Abrechnung. Zwar erfolgte für das Jahr 2017 am 11.06.2018 eine Abrechnung. Jedoch stammt das Anpassungsschreiben vom 29.05.2017, so dass es sich nicht auf die Abrechnung vom 11.06.2018 beziehen kann.
IV.
Die Klägerin kann von dem Beklagten nicht die Zahlung restlicher Vorauszahlungen von monatlich 329,03 € für die Monate Januar 2018 bis Februar 2019, insgesamt 4.606,42 €, verlangen, da eine wirksame Anpassung der Vorauszahlungen auf monatlich 490,- € nicht vorliegt. Auf die obigen Ausführungen wird Bezug genommen.
V.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung einer monatlichen Nutzungsentschädigung von 1.384,25 € ab Juni 2019 aus § 546 a Abs. 1 BGB, da das Mietverhältnis nicht beendet wurde.
Auf die obigen Ausführungen wird Bezug genommen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.
Der Streitwert von 25.802,92 € setzt sich wie folgt zusammen:
Antrag 1: 12.891,- € (Jahresnettomiete, § 41 Abs. 1 GKG)
Antrag 2: 4.606,42 € (Zahlungsantrag)
Antrag 3: 8.305,50 € (Halbjahresbetrag der Bruttomiete, vgl. LG München I vom 05.04.2017, Az. 14 T 3363/17)