Aktenzeichen 1 O 647/16
Leitsatz
Aber selbst wenn ein entsprechender Sachmangel aufgrund einer fehlenden Baugenehmigung anzunehmen wäre, wenn man gleichzeitig annimmt, dass eine Wohnnutzung des Haupthauses zwischen den Parteien vereinbart war, kann dem Beklagten eine entsprechende Arglist nicht – nachweislich – zur Last gelegt werden. Insofern ist nochmals darauf hinzuweisen, dass hierfür zumindest Eventualvorsatz erforderlich ist und eine leichtfertige oder auch grob fahrlässige Unkenntnis nicht ausreichend ist (BGH Urteil vom 12.04.2013, V ZR 266/11) (Rn. 48) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
III. Das Urteil ist gegen Sichecheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Die zulässige Klage erweist sich als nicht begründet.
Das Landgericht Traunstein ist nach Artikel 8 Nr. 4, 24 Nr. 4 EuGVVO bzw. jedenfalls aufgrund rügeloser Einlassung, § 39 ZPO (der auch für die internationale Zuständigkeit gilt, Zöller Rn-Nr. 4 zu § 39 ZPO), Artikel 26 I EuGVVO örtlich und gemäß §§ 23, 71 GVG sachlich zuständig.
Der Klägerin steht weder ein Anspruch auf Rückabwicklung des streitgegenständlichen Grundstückskaufvertrages noch der begehrte Schadensersatzanspruch zu.
1. Vertragliche Schadensersatzansprüche:
Der Klägerin stehen keine vertraglichen Schadensersatzansprüche zu, da sich der Beklagte auf den Haftungsausschluss im notariellen Kaufvertrag berufen kann.
Im notariellen Kaufvertrag vom 06.06.2014 wurde unter Ziffer 8.2 mit Ausnahme der in Ziffer 8.1 geregelten Sachverhalte jegliche Gewährleistung – mit Ausnahme einer Haftung für Vorsatz und Arglist – ausgeschlossen, insbesondere hinsichtlich der Verwertbarkeit und Sachmängel aller Art (vgl. Anlage K1, Blatt 14 d.A.).
Im notariellen Kaufvertrag wurde gleichzeitig mit dem Gewährleistungsausschluss keine Beschaffenheitsgarantie zugunsten der Klägerin abgeschlossen, auf deren Fehlen sich die Klägerin berufen könnte.
An sich kann den tatsächlichen Regelungen im Kaufvertrag bereits nicht entnommen werden, dass die Klägerin das Anwesen – wobei auch noch Haupthaus und Nebengebäude zu trennen sind – zu Wohnzwecken erworben hat, da hinsichtlich des zu erwerbenden Objektes lediglich aufgeführt wurde unter Ziffer 1.1:
„… Folgender Grundbesitz vorgetragen: … Flur-Nr. …; Gebäude- und Freifläche …“ .
In der Verkaufsregelung unter Ziffer 2. wurde lediglich vereinbart, dass der Beklagte als Verkäufer den in Ziffer 1. bezeichneten Grundbesitz veräußert. In den Folgeregelungen fehlt der Zusatz „zu Wohnzwecken“. Auch im weiteren Vertragstext finden sich weder bezüglich des Haupthauses noch bzgl. des Zuhauses diesbezüglich weitere Regelungen. Lediglich in Verbindung aus dem Kaufpreis von 710.000,00 € (Ziffer 4 des Vertrages) und der Veräußerungsregelung des Inventars in Ziffer 5 des Vertrages, wobei insofern dem Vertrag eine Inventarliste beigegeben wurde, in der u.a. aufgeführt wurde „Einbauschrank Schlafzimmer“ kann im Wege der Auslegung entnommen werden, dass das Haupthaus wohl zu Wohnzwecken veräußert wurde. Eine ausdrückliche diesbezügliche Vereinbarung findet sich jedoch nicht.
Hinsichtlich des Zuhauses kann jedoch dem notariellen Vertrag zweifelsfrei nicht entnommen werden, dass zwischen den Parteien eine Wohnnutzung vertraglich vereinbart worden wäre. Auch findet sich in dem notariellen Vertrag keinerlei Vereinbarung dahingehend, dass die Klägerin ein ruhiges bzw. ohne größere Lärmbelastungen betroffenes Anwesen erworben hat. Dies ist im Hinblick auf die Besonderheiten eines notariellen Kaufvertrages relevant. Eine – ggf. abgegebene – Beschreibung bestimmter Eigenschaften eines Grundstücks oder Gebäudes durch den Verkäufer vor Vertragsschluss z.B. wie vorliegend in einem Exposé, die jedoch in der notariellen Urkunde nicht zu einer Vereinbarung geführt haben, führen auch nicht zu einer Beschaffenheitsvereinbarung nach § 434 I S. 1 BGB, auf die sich die Klägerin bei deren Fehlen berufen könnte. Bei einem beurkundungsbedürftigen Rechtsgeschäft sind nämlich alle Erklärungen in den Vertrag aufzunehmen, die Rechtswirkungen erzeugen sollen, wobei hierzu insbesondere Vereinbarungen über die Beschaffenheit nach § 434 I S. 1 BGB gehören (vgl. BGH, Urteil vom 06.11.2015, Az. V ZR 78/14). Eine Beschaffenheitsvereinbarung regelt gerade, dass der Verkäufer dem Käufer eine Sache schuldet, die der individuell vereinbarten Beschaffenheit entspricht. Im Rahmen eines notariellen Kaufvertrages ist jedoch erforderlich, wenn die Parteien eine derartige Bindung wollen, dass diese entsprechenden Niederschlag in der notariellen Urkunde findet (vgl. BGH, a.a.O.). Die Warn- und Schutzfunktion einer Beurkundung wäre in Frage gestellt, wenn schon eine vorvertragliche Beschreibung bestimmter Eigenschaften eines Grundstücks oder Gebäudes zu einer Beschaffenheitsvereinbarung führen würde, ohne dass sich hierzu eine entsprechende Vereinbarung oder ein entsprechender Niederschiag im notariellen Vertrag findet (BGH, a.a.O.). In der genannten Entscheidung wurde seitens des BGH auch ausdrücklich ausgeführt, dass er nicht mehr daran festhält, dass durch vorvertragliche Angaben des Verkäufers – im durch den BGH entschiedenen Fall zur Größe der Wohnfläche in einem Exposé – mit dem Vertragsschluss konkludent eine entsprechende Beschaffenheitsvereinbarung nach § 434 I S. 1 BGB zustande kommt (BGH, a.a.O.).
Aufgrund der Formbedürftigkeit des notariellen Kaufvertrages tritt nach der Rechtsprechung des BGH auch durch die spätere Eigentumseintragung keine Heilungswirkung ein (vgl. BGH, a.a.O.).
Mit Hinweis des Gerichtes vom 15.12.2017 wurde die Klägerin ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sie die Darlegungs- und Beweislast für auf vertraglichen Normen beruhender Ansprüche trägt unter ausdrücklichem Hinweis auf die vorgenannte Entscheidung des BGH’s. Trotz des Hinweises erfolgten klägerseits diesbezüglich keinerlei weitere Ausführungen. Damit ist bereits nicht nachgewiesen, dass überhaupt eine vertragliche Vereinbarung bzgl. einer Nutzung des Hauses und des Nebengebäudes zu Wohnzwecken sowie hinsichtlich einer ruhigen Lage getroffen wurde.
Somit steht dem Berufen des Beklagten auf den Gewährleistungsausschluss die Übernahme einer Beschaffenheitsgarantie nicht entgegen § 444 BGB.
Die Klägerin kann sich jedoch auch nicht auf das arglistige Verschweigen eines Mangels berufen (vgl. hierzu im Nachfolgenden).
2. Anfechtung:
Der Klägerin steht kein Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrages aus §§ 123, 142 BGB zu. Hinsichtlich einer arglistigen Täuschung ist zum einen eine Täuschung durch Vorspiegelung von falschen Tatsachen zu verstehen oder auch eine Täuschung durch Verschweigen.
Die Klägerin stützt ihre Anfechtung auf nachfolgende Umstände. Zum einen habe der Beklagte eine Aufklärung dahingehend unterlassen, dass es zu einer Erweiterung der vorhandenen Kiesgrube in unmittelbarer Nähe ihres Anwesens käme. Zum anderen seien Angaben dahingehend unterblieben, dass es an einer Baugenehmigung hinsichtlich des Anwesens (Haupthaus nebst Zuhaus) fehle, sowie hinsichtlich des exorbitanten Missverhältnisses zwischen dem ursprünglichen Kaufpreis, den der Beklagten aufgewendet hat im Gegensatz zum mit der Klägerin vereinbarten Kaufpreis (Blatt 138 d.A.).
Grundsätzlich ist festzuhalten, dass bei Vertragsverhandlungen keine allgemeine Rechtspflicht besteht, den anderen Teil über alle Einzelheiten und Umstände aufzuklären, die dessen Willensentscheidung beeinflussen könnten (vgl. BGH, Urteil vom 11.08.2010, XII ZR 123/09). Grundsätzlich ist jede Vertragspartei für ihr rechtsgeschäftliches Handeln selbst verantwortlich und muss sich deshalb die für die eigene Willensentscheidung notwendigen Informationen auf eigene Kosten und eigenes Risiko selbst beschaffen (vgl. BGH, Urteil vom 13.07.1983, VIII ZR 142/82). Allerdings besteht dann eine Verpflichtung zur Aufklärung bei Vertragsverhandlungen auch ohne Nachfrage dann, wenn der andere Teil nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung die Mitteilung von Umständen und Tatsachen erwarten durfte, die für die Willensbildung von wesentlicher oder auschlaggebender Bedeutung sind (BGH, Urteil vom 15.07.2011, V ZR 171/10). Dementsprechend handelt ein Verkäufer arglistig, wenn er den Fehier mindestens für möglich hält und gleichzeitig weiß oder damit rechnet und damit billigend in Kauf nimmt, dass ein Vertragspartner den Mangel nicht kennt, und bei Offenbarung den Vertrag nicht oder nicht mit dem vereinbarten Inhalt geschlossen hätte (BGH, Urteil vom 30.04.2003, V ZR 100/02). Hierfür ist nach der ständigen Rechtsprechung des BGH jedoch zumindest Eventual-Vorsatz erforderlich, eine leichtfertige oder grob fahrlässige Unkenntnis genügt dagegen nicht. Bei der Frage der Arglist genügt es demnach nicht, wenn sich dem Verkäufer das Vorliegen aufklärungspflichtiger Tatsachen hätte aufdrängen müssen, erforderlich ist vielmehr dass der Verkäufer die den Mangel begründenden Umstände kennt (vgl. BGH, Urteil vom 12.04.2013, V ZR 266/11). Hierfür trägt die Klägerin die Darlegungs- und Beweislast (BGH, Urteil vom 30.04.2003, V ZR 100/02), worauf ebenfalls mit Verfügung vom 15.12.2017 hingewiesen wurde, insbesondere auch was den Nachweis der Arglist anbelangt.
Der diesbezügliche Nachweis ist der Klägerin hinsichtlich der einzelnen von ihr behaupteten Anfechtungsgründe jedoch nicht gelungen. Hierzu im Einzelnen:
a) Kiesgrubenerweiterung:
Insofern handelt es sich bereits nicht um einen Umstand bezüglich dem auf Seiten des Beklagten eine Aufklärungspflicht bestanden hätte. Hierdurch wird die Wohnnutzung des Anwesens, sofern man diese als vertraglich vereinbart ansieht, nicht tangiert, sondern allenfalls was die Lärmbeeinträchtigung anbelangt beeinträchtigt. Nachdem eine Wohnnutzung hierdurch nicht gefährdet ist, besteht bereits keine Aufklärungsverpflichtung. Des Weiteren ist im Rahmen der Frage, ob insoweit eine Aufklärungspflicht besteht, auch die tatsächliche örtliche Lage des Grundstücks miteinzubeziehen. Allein dass in dem Exposé hinsichtlich der Objektlage ausgeführt wurde: „das Anwesen befindet sich in idyllischer Voralpenlage zwischen den Chiemgauer Gemeinden Siegsdorf und Vachendorf in unmittelbarer Nachbarschaft eines kleinen Reitstalles.“ besteht auf Seiten des Verkäufers keine Aufklärungspflicht, dass hinsichtlich einer bereits vorhandenen Kiesgrube möglicherweise oder tatsächlich eine Erweiterung ansteht. Hierbei ist dem Grunde nach zu berücksichtigen, dass sich das Anwesen unmittelbar an der Kreisstraße Siegsdorf-Vachendorf befindet, die – gerichtsbekannt – gut befahren ist, allein schon deshalb weil Anwohner und sonstige Ortskundige diese Verbindungsstraße nutzen, um die Ortsdurchfahrt durch Traunstein zu vermeiden, wenn man aus dem nördlichen Chiemseebereich bzw. vom Westen nach Siegsdorf bzw. zur Autobahn A8 gelangen möchte. Außerdem befindet sich unstreitig – zumindest in einer Luftlinienentfernung von 700 m – die Salzburger Autobahn. Auch wenn von dieser möglicherweise keine Lärmbeeinträchtigungen ausgehen, so versteht sich von selbst angesichts der Lage, dass es sich insofern nicht um ein ruhiges, im Sinne von „gänzlich abgeschottetes“ Anwesen handelt. Diesbezüglich bestand bereits in rechtlicher Hinsicht auf Seiten des Beklagten keine Aufklärungspflicht.
Davon losgelöst, wäre diesbezüglich der Klägerin auch nicht der Nachweis einer Arglist auf Seiten des Beklagten gelungen. Sämtliche einvernommene Zeugen vermochten keine Angaben dazu zu tätigen, dass der Beklagte positiv Kenntnis von einer Kiesgrubenerweiterung hatte. Allein, dass es möglich ist, dass der Beklagte insoweit Kenntnisse hat, reicht für den Nachweis einer Kenntnis und der hieraus resultierenden Arglist nicht aus. So setzt Arglist nach der Rechtsprechung des BGH eben Tatsachenkenntnis voraus, wobei die Voraussetzungen des Vorsatzes nicht durch wertende Überlegungen ersetzt werden dürfen (vgl. BGH, Urteil vom 06.11.2015, V ZR 78/14). So gaben die Zeuginnen … und … an, dass über eine Kiesgrubenerweiterung anlässlich der Ortsbesichtigungen nicht gesprochen wurde. Auch der Zeuge … vermochte hierzu keinerlei Angaben zu machen. Soweit anlässlich eines Ortstermins zwischen Gemeinderatsmitgliedern und Anwohnern vor Ort eine Besprechung durchgeführt wurde, vermochte keiner der diesbezüglich einvernommenen Zeugen zu bestätigen, dass der Beklagte tatsächlich bei relevanten Gesprächsinhalten bezüglich einer Kiesgrubenerweiterung anwesend war. So gaben die – ebenfalls klägerseits benannten – Zeugen … und … an, dass der Beklagte entweder gar nicht anwesend war bzw. nicht erinnerlich anwesend war, oder dass dieser das Gespräch nach einer Rückmeldung, es gehe um die Kiesgrube, nicht weiterverfolgt hat. Allein der Umstand, dass über die bereits vorhandene Kiesgrube gesprochen wurde, führt nicht dazu, dass der Beklagte Kenntnis von der – nunmehr tatsächlich genehmigten – Kiesgrubenerweiterung hatte. Auch soweit der Zeuge … Probebohrungen wahrgenommen hat, ist damit nicht der Nachweis geführt, dass auch der Beklagte die Probebohrungen gesehen hat, zumal zwischen den Parteien streitig ist, wann sich der Beklagte tatsächlich in … aufgrund des Erwerbs eines Anwesens in Ungarn und später in Österreich aufhielt. Relevant erscheinen im Gesamtzusammenhang jedoch die Angaben des Zeugen … (Bl. 193/195 d.A.), der schilderte, dass in tatsächlicher Hinsicht bei der vorhandenen Kiesgrube, die auch der Klägerin unstreitig bekannt war, bis letztes Jahr, also bis zum Jahre 2017, noch Kies abgebaut wurde und diese bis jetzt noch nicht verfüllt sei. Auch ist relevant, dass aufgrund der Probebohrungen an sich erst festgestellt werden sollte, in welchem Umfang ein Kiesvorkommen vor Ort überhaupt vorhanden ist, mithin ob eine Erweiterung überhaupt sinnvoll ist. So hat auch der Zeuge … bestätigt, dass der … ihm bestätigt habe, dass er die Bohrungen veranlasst habe, weil er feststellen wollte, ob es sich überhaupt rentiere (Bl. 196 d.A.). Mithin stand im Frühjahr 2014 – Vertragsschluss war dann am 06.06.2014 – noch nicht einmal fest, ob es überhaupt zu einer Kiesgrubenerweiterung kommt. Bei der örtlichen Konstellation besteht aus Sicht des Gerichts zweifelsfrei keine Hinweispflicht auf Seiten des Beklagten, dass es möglicherweise zu einer Erweiterung der bereits vorhandenen Kiesgrube kommen könnte. Insofern besteht auch kein relevanter Wissensunterschied zwischen der Klägerin und dem Beklagten; es wäre vielmehr für die Klägerin selbst möglich gewesen, aufgrund der bereits vorhandenen Kiesgrube entsprechende Erkundigungen bei der Genehmigungsbehörde einzuholen, da es sich insofern nicht um einen „verdeckten Umstand“ handelt.
Mithin steht der Klägerin aufgrund der nunmehr tatsächlich genehmigten Kiesgrubenerweiterung kein Anfechtungsrecht zu.
b) Kaufpreisunterschiede:
Inwieweit aufgrund des nur rein tatsächlich erheblichen Kaufpreisunterschiedes zum Zeitpunkt des Erwerbes des streitgegenständlichen Geländes durch den Beklagten am 10.02.1972 zu einem Kaufpreis von 35.667,50 DM im Verhältnis zum seitens der Klägerin gezahlten Kaufpreis in Höhe von 710.000,00 € ein Anfechtungsgrund bestehen soll, ist für das Gericht nicht nachvollziehbar. Es handelt sich insofern um keinen offenbarungspflichtigen Umstand, der seitens des Beklagten im Rahmen der Kaufpreisverhandlungen offenbart hätte werden müssen. Nicht zuletzt darf hierbei nicht vergessen werden, dass zwischen beiden Verträgen 42 Jahre und massivste – gerichtsbekannte – Grundstückspreissteigerungen im Chiemgauer Bereich erfolgt sind. Insofern ist festzustellen, dass die Grundstückspreise in den letzten Jahren „quasi explodiert“ sind. Auch muss berücksichtigt werden, dass das Anwesen – insoweit unstreitig zwischen den Parteien – durch den Beklagten hochwertig ausgestattet würde, was auch zu einer erheblichen Wertsteigerung beigetragen hat. Im Übrigen liegt nach der Rechtsprechung des BGH ein besonders grobes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung, das ohne das Hinzutreten weiterer Umstände den Schluss auf eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten erlaubt, bei Grundstückskaufverträgen grundsätzlich erst ab einer Verkehrswertüberschreitung von 90 % vor (BGH, Urteil v. 24.01.2014, V ZR 249/12).
c) Baugenehmigung – fehlende Nutzungsmöglichkeit:
Nach der Rechtsprechung des BGH kann das Fehlen einer Baugenehmigung einen Sachmangel darstellen (BGH Urteil vom 16.03.2012, V ZR 18/11).
Diese Konstellation, nämlich das gänzliche Fehlen einer Baugenehmigung, unterscheidet sich jedoch von der vorliegenden, da – grundsätzlich unstreitig – mit Datum vom 23.10.1972 durch das Landratsamt Traunstein für das streitgegenständliche Objekt eine Baugenehmigung mit dem Betreff „Errichtung eines Wohnhauses und eines Betriebsgebäudes auf dem Grundstück, FISt.-Nr. … der Gemarkung …“ erteilt wurde; außerdem wurden mit Bescheid vom 28.06.2005 des Landratsamtes Umbauarbeiten und der Einbau eines Kamins in das bestehende Betriebsgebäude genehmigt. Damit lag zunächst eine Baugenehmigung für das streitgegenständliche Anwesen vor. Allerdings stellt sich die Problematik, dass sich das Anwesen – gerichtsbekannt – im Außenbereich befindet und zum Zeitpunkt der Baugenehmigung aufgrund des Betriebes einer Gärtnerei um ein privilegiertes Vorhaben im Sinne des § 35 I Nr. 2 BauGB handelte. Unstreitig hat der Beklagte im Zeitraum 2011 bis 2012 den Gärtnereibetrieb aufgegeben, weswegen der Privilegierungszweck nunmehr weggefallen ist. Im Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtes München vom 10.10.2017 im von der Klägerin angestrengten Verfahren gegen die Kiesabbaugenehmigung wurde zwar ausgeführt, dass die von der Klägerin ausgeübte allgemeine Wohnnutzung nicht bestandskräftig genehmigt sei, damit der Baugenehmigung vom 22.02.1972 kein „allgemeines Wohnhaus“ genehmigt worden sei, sondern nur der Neubau eines Einfamilienwohnhauses mit Landschaftsgärtnereibetrieb ausschließlich aufgrund der entsprechenden Privilegierung. Damit wurde jedoch noch nicht bestandskräftig festgestellt, dass hinsichtlich des streitgegenständlichen Anwesens keine Baugenehmigung – mehr – vorliegt. Dies ist – verwaltungsrechtlich – erst gegebenenfalls im Rahmen eines Verfahrens zu einer etwaigen ergehenden Nutzungsuntersagung zu erklären, wobei eine solche – unstreitig zwischen den Parteien – bis dato nicht erfolgt ist. Soweit seitens des Verwaltungsgerichtes ausgeführt wird, dass hinsichtlich der Frage, was Gegenstand der Baugenehmigung sein soll, neben den textlichen Bezeichnungen der Baumaßnahmen auch die entsprechenden Bauvorlagen heranzuziehen seien, da der Bauherr durch seinen Bauantrag den Genehmigungsgegenstand bestimme (so auch Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 20.05.2014, 4 B 21/14), so vermag das Gericht der Einschätzung des Verwaltungsgerichts so nicht zu folgen. In der Begründung seines Beschlusses führt das Bundesverwaltungsgericht aus, dass der Rechtssatz, dass der Gegenstand der Baugenehmigung durch den Bauantrag des Bauherrn bestimmt wird, in verkürzter Form besage, dass der Bauherr durch seinen Bauantrag bestimme, was Gegenstand der Baugenehmigung sein solle und die Baugenehmigungsbehörde kein vom Bauantrag abweichendes Vorhaben genehmigen dürfe (Bundesverwaltungsgericht a.a.O.). Auch wenn der Beklagte ausweislich der Urteilsgründe mit seinem Bauantrag in der Baubeschreibung eine Bauvorlage eingereicht hat, in der das Vorhaben als „Neubau eines Einfamilienwohnhauses mit Landschaftsgärtnereibetrieb“ bezeichnet wurde, so wurde eine diesem – wortwörtlich – entsprechende Baugenehmigung gerade nicht erteilt. Ausweislich des vorliegenden Baugenehmigungsbescheides vom 23.10.1972 wird dieser bezeichnet als „Errichtung eines Wohnhauses und eines Betriebsgebäudes“ und nicht als „Errichtung eines Wohnhauses mit einem Betriebsgebäude“. Grundsätzlich ist bei einem Bescheid jedoch der Wortlaut entscheidend, zumal vorliegend auch seitens der Baugenehmigungsbehörde letztlich nicht etwas anderes genehmigt wurde, sondern eben ein Wohnhaus und ein Betriebsgebäude, anstatt eines Wohnhauses mit Betriebsgebäude, was eine entsprechende „rechtliche Verquickung“ darstellen würde. Nachdem bis dato eine bestandskräftige Nutzungsuntersagung, in deren Rahmen die Frage des Vorliegens einer Baugenehmigung inzidenter zu prüfen wäre, nicht vorliegt, ist auch das Zivilgericht an die Urteilsgründe des Bundesverwaltungsgerichtes vom 17.10.2017 nicht gebunden, vielmehr ist die Frage eigenständig zu entscheiden. Ein entsprechender Verwaltungsakt, hier die Baugenehmigung, muss klar und eindeutig sein und die – nach dem objektiven Empfängerhorizont – getroffene Regelung enthalten. Nach dem objektiven Empfängerhorizont wurde nach der textlichen Gestaltung der Baugenehmigung jedoch – wenn auch rechtswidrig – ein Wohnhaus genehmigt. Mithin liegt nach Auffassung des Gerichtes für das streitgegenständliche Anwesen eine Baugenehmigung vor.
Es kommt mithin nicht mehr darauf an, ob die Wohnnutzung durch die Klägerin gem. § 35 IV 1 Nr. 4 BauGB nachträglich genehmigungsfähig wäre, da die Voraussetzungen des § 35 IV 1 Nr. 1 BauGB – so auch das Verwaltungsgericht – zweifelsfrei nicht vorliegen, da hiervon nur landwirtschaftliche Anwesen im Sinne des § 35 I Nr. 1 BauGB erfasst sind.
Damit liegt nach Auffassung des Gerichts bereits kein Sachmangel vor.
Aber selbst wenn ein entsprechender Sachmangel aufgrund einer fehlenden Baugenehmigung anzunehmen wäre, wenn man gleichzeitig annimmt, dass eine Wohnnutzung des Haupthauses zwischen den Parteien vereinbart war, kann dem Beklagten eine entsprechende Arglist nicht – nachweislich – zur Last gelegt werden. Insofern ist nochmals darauf hinzuweisen, dass hierfür zumindest Eventualvorsatz erforderlich ist und eine leichtfertige oder auch grob fahrlässige Unkenntnis nicht ausreichend ist (BGH Urteil vom 12.04.2013, V ZR 266/11). Der insoweit beweisbelasteten Klägerin, worauf auch mit Verfügung vom 15.12.2017 hingewiesen wurde, ist der diesbezügliche Nachweis nicht zur Überzeugung des Gerichts gelungen. Insofern ist auch der tatsächliche Geschehensablauf zu berücksichtigen. Im Gegensatz zu den – soweit dem Gericht bekannten – bis dato durch den BGH entschiedenen Fällen, in denen der jeweilige Verkäufer eine Baugenehmigung gar nicht erwirkt hatte, wurde vorliegend seitens des Beklagten eine Baugenehmigung erwirkt. Dem Beklagten kann nicht nachgewiesen werden, dass er nachweislich wusste, dass mit einer Aufgabe des Gärtnereibetriebes eine Nutzung des Anwesens zu Wohnzwecken wie auch des Zuhauses unter Umständen nicht mehr möglich ist und die erteilte Baugenehmigung möglicherweise rechtlich keine Wirkung mehr entfaltet. Hierbei muss grundsätzlich auch zwischen einem Wegfall der Genehmigung und einer dennoch möglichen Wohnnutzung unterschieden werden.
Unstreitig hat der Beklagte im Zuge der Betriebsaufgabe beim Gutachterausschuss des Landratsamtes Tr. im Hinblick auf die steuerrechtlichen Auswirkungen ein entsprechendes Sachverständigengutachten in Auftrag gegeben. Der Betrieb wurde – unstreitig – im Jahre 2011 aufgegeben. Bis zum Zeitpunkt der Veräußerung wurden trotz Kenntnis des Landratsamtes von der Betriebsaufgabe – aus Sicht des Beklagten – keinerlei Schritte hinsichtlich einer Nutzungsuntersagung vorgenommen. Auch wurde ausweislich der Baugenehmigung ein Wohnhaus und ein Betriebsgebäude genehmigt. Insofern kann dem Beklagten bereits nicht nachgewiesen werden, dass er überhaupt Kenntnis bei einer derartig erteilten Genehmigung davon hatte, auch unter Berücksichtigung des Zeitablaufes seit Genehmigungserteilung dass diese zwischenzeitlich in Wegfall geraten sein könnte. Auch wurde seitens der Klägerin kein Beweismittel – trotz des Hinweises – dafür angeboten, dass der Beklagte Kenntnis von einer – soweit man dies unterstellt – Bauordnungswidrigkeit hatte und dieses Wissen nicht an die Klägerin weitergegeben hat oder dass er wenigstens mit der Möglichkeit einer Unzulässigkeit der Nutzung gerechnet hat und dies in Kauf genommen hat. Entsprechende Beweismittel wurden klägerseits nicht vorgebracht. Auf die Entscheidungsgründe des Urteils des Verwaltungsgerichtes kann sich die Klägerin insoweit nicht stützen, da dieses Urteil mehr als drei Jahre nach dem Verkauf erfolgte. Soweit nunmehr in nicht nachgelassener Schriftsatzfrist mi: Schriftsatz vom 11.07.2018 der Bürgermeister der Gemeinde … und die Zeugin … dafür angeboten wurden, dass der Beklagte vor dem Verkauf gewusst habe, dass eine Nutzung nur als Betriebsleiter zulässig ist, bestand insofern keine Veranlassung in die mündliche Verhandlung erneut einzutreten. Trotz Hinweises seitens des Gerichts vom 15.12.2017 wurde bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung ein entsprechendes Beweisangebot nicht unterbreitet, obwohl dies über einen Zeitraum von vier Monaten möglich gewesen wäre. Dass die Klägerin erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung von diesem Sachverhalt Kenntnis erlangt hat, wurde nicht vorgebracht. Der Klägerin war auf den gerichtlichen Hinweis eine entsprechende Stellungnahmefrist eingeräumt; binnen derer wurden die entsprechenden Beweismittel nicht benannt.
Im Übrigen kommt es aus Sicht des Gerichtes hierauf nicht an, da nach Auffassung des Gerichts eine Baugenehmigung vorliegt.
Nachdem entweder bereits kein aufklärungspflichtiger Umstand vorliegt, noch dem Beklagten eine Arglist nachgewiesen werden kann, greift die klägerseits erklärte Anfechtung nicht durch.
3. Ansprüche aus „cic“
Der Klägerin steht auch kein Schadensersatzanspruch aus vorvertraglichen Verschulden zu, § 280 I i.V.m. § 241 II, § 311 II Nr. 1 BGB.
Grundsätzlich können Ansprüche aus cic im Wege der Anspruchskonkurrenz auch neben Ansprüchen aufgrund Anfechtung aufgrund arglistiger Täuschung bestehen (Palandt, RN 27 zu § 123 BGB). Allerdings besteht grundsätzlich der Vorrang der §§ 434 ff BGB mit der Folge des grundsätzlichen Ausschlusses von Ansprüchen des Klägers wegen Verschuldens bei Vertragsschluss; dies ist dann nicht der Fall, wenn dem Verkäufer zumindest vorsätzliches oder gar arglistiges Verhalten zur Last gelegt werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 27.03.2009, V ZR 30/09). Mithin kann die Klägerin ihre Rückabwicklungs- und Schadensersatzansprüche entgegen den klägerischen Vortrag nicht auf eine fahrlässige Täuschung stützen.
Der Nachweis einer vorsätzlichen oder arglistigen Täuschung im Zuge der vorvertraglichen Verhandlungen hat die beweisbelastete Klägerin jedoch dem Beklagten wie oben bereits ausgeführt, nicht geführt. Die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung scheitert vorliegend zwar nicht an einer Versäumung der Frist nach § 124 BGB, sondern aufgrund fehlenden Nachweises eines aufklärungspflichtigen Umstandes bzw. eines entsprechenden arglistigen Verhaltens auf Seiten des Beklagten. Aus diesem Grund kann die Klägerin vorliegend auch nicht auf eine Haftung aus cic zurückgreifen.
Auch soweit im Exposee, Anlage K2, Bl. 14 d.A., ausgeführt ist, dass das Zuhaus als Praxis, Büro sowie für die Vermietung als Ferienhaus möglich sei, kann sich die Klägerin insoweit nicht auf den Arglisteinwand stützen, da auch diesbezüglich die Problematik besteht, dass das Zuhaus zusammen mit dem Wohnhaus jahrelang zur Wohnnutzung genutzt wurde, weil – insoweit unstreitig – der Sohn des Beklagten bis zum Verkauf des Objektes dort gewohnt hat. Auch insoweit kann auf die obige Argumentation zur Problematik der Arglist zurückgegriffen werden. Die Klägerin müsste dem Beklagten auch insoweit nachweisen, dass dieser arglistig handelte. Insofern kommt es auch nicht darauf an, ob die Angaben im Exposee allein von der Maklerin … eingestellt wurden oder auf Angaben der Ehefrau des Beklagten beruhen oder aufgrund eines früheren Exposee der Sparkasse. Hierbei kann auch dahingestellt bleiben, ob die Immobilienmaklerin insoweit für den Beklagten tätig wurde oder – was im Verfahren unstreitig ist – auch von der Klägerin beauftragt wurde, ein geeignetes Objekt zu suchen, so zumindest die Ausführungen in der Klageschrift.
Im Übrigen stünde der Klägerin von vorneherein kein Schadensersatzanspruch in Höhe von 7.000,- € bezüglich Unkosten und fehlgeschlagener Aufwendungen, da insoweit keinerlei genauere Darlegung erfolgte; ein weiterer Hinweis war insoweit obsolet, da die Klägerin dies in der Klageschrift selbst als nur „überschlägige und vorläufige“ Angabe bezeichnete. Ebenso hätten die Kosten für Grundpfandrechte in Höhe von 4122,- € auch so nicht zuerkannt werden können, da die Klägerin Grundpfandrechte in einer Größenordnung von – unstreitig – 820.000,-€, also deutlich über dem Kaufpreis liegend, aufnahm.
Mithin scheitern unter jeglichen Blickwinkel die klägerischen Ansprüche, weswegen die Klage zurückzuweisen war.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.