IT- und Medienrecht

Fahrzeug, Rechtsanwaltskosten, Annahmeverzug, Software, Mangel, Pkw, Feststellung, Anspruch, Schaden, Kenntnis, Werbung, Zahlung, Klage, Minderwert, Zug um Zug, vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten, positive Kenntnis

Aktenzeichen  22 O 1321/18

Datum:
12.2.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 60775
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 27.642,61 € festgesetzt.

Gründe

Die Klage ist zulässig, jedoch unbegründet.
I.
Die Klage ist zulässig.
Das Landgericht Würzburg ist sachlich gemäß § 1 ZPO i.V.m. §§ 23 Abs. 1 Nr. 1; 71 Abs. 1 GVG zuständig.
Das Landgericht Würzburg ist auch örtlich gemäß § 32 ZPO zuständig. Gem. § 32 ZPO kann auch am Ort einer strafbaren Handlung geklagt werden. Nach dem insoweit zugrunde liegenden Vortrag des Klägers stützt er seine Klage auf deliktische Ansprüche. Ausgehend von der Auffassung, dass auch der Erfolgsort als Begehungsort in diesem Sinne angesehen wird, bejaht das Gericht seine an den Wohnort des Klägers angelehnte gerichtliche Zuständigkeit.
II.
Die Klage ist jedoch unbegründet.
1. Nachdem zwischen den Parteien keine vertraglichen Beziehungen bestehen, scheiden vertragliche Ansprüche von vorneherein aus. Mögliche vertragliche Gewährleistungsansprüche richten sich gegen den Verkäufer und sind vorliegend nicht streitgegenständlich.
2. Der Kläger kann gegen die Beklagte weder einen Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 Abs. 1 StGB noch aus § 826 BGB geltend machen.
a) Soweit die Klägerseite einen Anspruch auf § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 Abs. 1 StGB stützt, muss sie das Vorliegen eines Betrugs der Beklagtenseite zu ihren Lasten vortragen und gegebenenfalls auch beweisen.
aa) Erste Tatbestandsvoraussetzung ist insoweit eine Täuschung im Sinne des § 263 Abs. 1 StGB durch die Beklagtenseite. Als Täuschung in diesem Sinne wird gemeinhin ein Einwirken auf das intellektuelle Vorstellungsbild des Opfers, hier der Klägerseite, verstanden (vgl., statt vieler, Perron, in: Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl. 2014, § 263 Rn. 11), das objektiv geeignet sein muss, einen Irrtum über tatsächliche Umstände hervorzurufen (vgl. BGHSt. 47, 1 ff.).
Dies gelingt der Klagepartei vorliegen nicht. Die Behauptung des Klägers, im Fahrzeug sei eine Manipulations-Software verbaut, ist spekulativ. Das Fahrzeug unterliegt unstreitig nicht dem Rückruf des Kraftfahrtbundesamts. Zwar kann daraus nicht der Gegenbeweis hergeleitet werden, dass keine Manipulations-Software verbaut ist. Es liegen jedoch aufgrund der Prüfung durch das Kraftfahrtbundesamt gewichtige Anhaltspunkte dafür vor, dass die im Fahrzeug des Klägers verbaute Motor-Software nicht zu beanstanden ist. Es handelt sich um eine fachbehördliche Einschätzung, die auf technischer Sachkunde beruht. Im Rahmen des sog. „Abgasskandals“ wurde eine Vielzahl von Dieselfahrzeugen auf den Einbau von Manipulations-Software überprüft. Bei dem im klägerischen Fahrzeug verbauten Motor hat man offensichtlich eine solche bisher gerade nicht festgestellt. Auch ist ein etwaiges Kundendienstangebot der Beklagten zur Überprüfung der Software kein Eingeständnis oder Indiz für den Einbau einer Manipulationssoftware. Das vom Kläger beantragte Sachverständigengutachten mit Fragenkatalog würde einen unzulässigen Ausforschungsbeweis darstellen.
Der Kläger kann deshalb schon keine Täuschung durch die Beklagte darstellen.
bb) Ein kausaler Schaden ist ebenso nicht ersichtlich. Als Schaden käme ein Wertverlust bzw. ein geringerer Wiederverkaufswert in Betracht. Die Feststellung eines solchen vom Kläger behaupteten Wertverlustes i.S. eines Schadens ist im Hinblick auf die vom Abgasskandal losgelöste allgemeine Dieselproblematik und der damit zusammenhängenden Diskussion um mögliche Fahrverbote in deutschen Großstädten letztlich nicht ausreichend sicher möglich.
cc) Es fehlt jedenfalls an der erforderlichen Zurechnung. Der Kläger müsste vortragen, wer wann auf welche Art das Abgasverhalten seines Fahrzeugs beeinflusst hat, wer dies angeordnet hat und wer davon gewusst hat. E. AG wie der Beklagten kann nämlich eine Unerlaubte Handlung ihrer Mitarbeiter nur dann zugerechnet werden, wenn ihre Organe – der Vorstand – diese angeordnet oder davon gewusst haben, § 31 BGB, oder infolge mangelhafter betriebsinterner Organisation keine Kenntnis von den maßgeblichen Vorgängen hatten. Hierzu fehlt ausreichender Sachvortrag. Auch kann sich der Kläger diesbezüglich nicht auf eine sekundäre Beweislast der Beklagten berufen. Niemand ist verpflichtet, sich selbst zu bezichtigen.
b) Auch ein Anspruch aus sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung nach § 826 BGB ist nicht ausreichend dargelegt.
Die Klägerseite ist auch insoweit für sämtliche Tatbestandsmerkmale darlegungs- und beweisbelastet (Sprau, in: Palandt, BGB, 76. Aufl. 2017, § 826 Rn. 18).
So hat die Klägerseite bereits nicht hinreichend dargelegt, dass eine etwaige Schädigung ihrer Person sittenwidrig wäre. Aus dem Vortrag der Klägerseite ist nicht ersichtlich und auch nicht schlüssig dargelegt, dass die Beklagtenseite mit dem Vorsatz gehandelt hätte, die Klägerseite konkret und individuell sittenwidrig zu schädigen. Die Beklagtenseite könnte vielmehr dann ein haftungsbegründender Vorwurf der sittenwidrigen Schädigung gemacht werden, wenn die Klägerseite gerade deswegen den Vertrag abgeschlossen hätte, weil sie hierzu sittenwidrig veranlasst worden ist. Es ist nicht ersichtlich, dass die Kaufentscheidung der Klägerseite durch das Abgasverhalten des Fahrzeugs im Hinblick auf die Labor- und Alltagsbedingungen beeinflusst wurde. Worin die besondere Verwerflichkeit des beklagtenseitigen Verhaltens zu sehen sein soll, ist ebenso nicht hinreichend konkret dargetan.
Auch der beklagtenseitig erforderliche Schädigungsvorsatz gegenüber der Klägerseite ist nach Auffassung des Gerichts zweifelhaft. Die Beklagtenseite wollte – unterstellte man den Klägervortrag als gegeben – allenfalls die Absatzmöglichkeiten der betroffenen Fahrzeuge verbessern und die behauptete Nichteinhaltung der Abgaswerte außerhalb des Prüfstandes verschleiern. Geschädigt ist damit vor allem die Umwelt. Es ist nicht ausreichend dargelegt, dass damit auch eine individuelle Schädigungsabsicht der Klägerseite gegenüber unmittelbar verbunden ist.
Schließlich gilt, dass die Klägerseite dennoch rein tatsächlich ein bisher voll funktionsfähiges und fahrbereites Fahrzeug erworben hat.
3. Ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 5 6, 27 EG-FGV kommt ebenfalls nicht in Betracht kommt.
Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Software – unterstellt, das betreffende Fahrzeug würde tatsächlich über eine solche Software verfügen – tatsächlich als sogenannte unzulässige Abschalteinrichtung einzustufen ist. Jedenfalls stellen die §§ 5, 6, 27 EG-FGV keine Schutzgesetze i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB dar. Mit der betreffenden Richtlinie 2007/46 EG wird jedenfalls nicht der Schutz eines einzelnen Erwerbers eines Kfz gegen Vermögensbeeinträchtigungen bezweckt.
4. Ein Verstoß gegen § 16 UWG wegen irreführender Werbung ist ebenso nicht ausreichend vorgetragen. So fehlt es bereits an dem Tatbestandsmerkmal „Angaben“ des § 16 Abs. 1 UWG. Mit diesem Tatbestandsmerkmal sind nur inhaltlich überprüfbare Aussagen tatsächlicher Art verbunden und gerade keine allgemeinen Anpreisungen oder offensichtlich nur reklamehaften Übertreibungen (vgl. u.a. Bornkamm, in: Köhler/Bornkamm, UWG, § 16 Rn. 7 m.w.N.).
5. Da somit keiner der geltend gemachten Ansprüche besteht, sind auch in diesem Zusammenhang behauptete vorgerichtlich entstandene Rechtsanwaltskosten nicht erstattungsfähig.
III.
Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 Sätze 1 und 2 ZPO.
IV.
Die Entscheidung über die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 2-5 ZPO i.V.m. § 40, § 43 Abs. 1 GKG.
Der Streitwert war hinsichtlich des Leistungsantrages zu Ziffer 1) auf 27.642,61 EUR festzusetzen. Die Zug um Zug zu erbringenden Gegenleistungen der Klägerin beeinflussen diesen Wert nicht. Zug-um-Zug-Leistungen bleiben bei der Bestimmung des Streitwertes grundsätzlich außer Betracht (OLG Schleswig, Beschluss vom 30.01.2015, AZ: 5 W 14/15, s. Beck-RS 2015, 14467). Die Feststellung des Annahmeverzuges in Ziffer 2) hat keinen eigenständigen wirtschaftlichen Wert (BGH, Beschluss vom 19.12.2016, AZ: XI ZR 539/15, s. Beck-RS 2016, 115037). Ebenso der Antrag zu Ziffer 3).

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