Medizinrecht

Corona-Krise; 2G-Plus-Zugangsbeschränkung für Fitnessstudios und Freizeitsport; Thüringen

Aktenzeichen  3 EN 2/22

Datum:
11.2.2022
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Thüringer Oberverwaltungsgericht 3. Senat
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:OVGTH:2022:0211.3EN2.22.00
Normen:
Art 1 Abs 1 GG
Art 2 Abs 1 GG
Art 2 Abs 2 GG
Art 3 Abs 1 GG
Art 12 Abs 1 GG
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Spruchkörper:
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Leitsatz

1. Die mit der 2G-Plus-Zugangsbeschränkung einhergehenden Grundrechtseinschränkungen sind vor dem Hintergrund des aktuellen Infektionsgeschehens zum Schutz der Gesundheit der Bevölkerung und der Aufrechterhaltung einer funktionsfähigen kritischen Infrastruktur als Gemeinwohlbelang von überragender Bedeutung auch unter der mittlerweile vorherrschenden Virusvariante Omikron voraussichtlich gerechtfertigt. (Rn.52)

2. Eine Art. 3 Abs. 1 GG verletzende Ungleichbehandlung von Betreibern von Fitnessstudios und Angeboten des Freizeitsports liegt nach summarischer Prüfung nicht vor.(Rn.81)

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin begehrt im Wege einer einstweiligen Anordnung die Außervollzugsetzung der Thüringer SARS-CoV-2-Infektionsschutz-Maßnahmenverordnung, soweit diese eine 2G-Plus-Zugangsbeschränkung für Fitnessstudios und Angebote des Freizeitsports vorsieht.
Die Antragstellerin betreibt in Thüringen ein Fitnessstudio mit Kletter- und Boulderhalle.
Der Antragsgegner erließ am 24. November 2021 durch die Thüringer Landesregierung in Ablösung der Thüringer SARS-CoV-2-Infektionsschutz-Maßnahmenverordnung vom 30. Juni 2021 (GVBl. S. 279), zuletzt geändert durch die Verordnung vom 29. Oktober 2021 (GVBl. S. 537) eine erneute Thüringer Verordnung zur Regelung infektionsschutzrechtlicher Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus SARS-CoV-2 (Thüringer-SARS-CoV-2-Infektionsschutz-Maßnahmenverordnung – ThürSARS-CoV-2-IfS-MaßnVO -), die zunächst im Wege einer Notveröffentlichung nach § 9 des Thüringer Verkündungsgesetzes – ThürVerkG – noch am selben Tag auf der Internetseite des Thüringer Ministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie (im Folgenden: TMASGFF) (https://www.tmasgff.de/COVID 19/rechtsgrundlage) und sodann am 2. Dezember 2021 im Gesetz- und Verordnungsblatt (S. 565 ff.) veröffentlicht wurde. Nach § 39 Abs. 1 trat diese Verordnung am 24. November 2021 um 23:59 Uhr in Kraft und mit Ablauf des 21. Dezember 2021 außer Kraft. Nach einer Änderung durch Art. 2 der Verordnung der Landesregierung zur Änderung der Thüringer Verordnung zur Regelung von Zuständigkeiten zur Übertragung von Ermächtigungen nach dem Infektionsschutzgesetz sowie der Thüringer SARS-CoV-2-Infektionsschutz-Maßnahmenverordnung vom 14. Dezember 2021 (GVBl. S. 586) wurde die Rechtsverordnung durch die – jeweils im Wege der Notveröffentlichung nach § 9 ThürVerkG veröffentlichten – Erste Verordnung zur Änderung der Thüringer-SARS-CoV-2-Infektionsschutz-Maßnahmenverordnung vom 17. Dezember 2021 (GVBl. S. 614), Zweite Verordnung zur Änderung der Thüringer SARS-CoV-2-Infektionsschutz-Maßnahmenverordnung vom 23. Dezember 2021 (GVBl. S. 1), Dritte Verordnung zur Änderung der Thüringer SARS-CoV-2-Infektionsschutz-Maßnahmenverordnung vom 21. Januar 2022 (GVBl. S. 7) und Vierte Verordnung zur Änderung der Thüringer SARS-CoV-2-Infektionsschutz-Maßnahmenverordnung vom 4. Februar 2022 – jeweils erlassen durch die Thüringer Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie mit Einverständnis des Thüringer Ministers für Bildung, Jugend und Sport – novelliert. Sie hat nunmehr, soweit im vorliegenden Streit erheblich, folgenden Wortlaut:
 „(…) 
 § 2 Anwendungsvorrang, Begriffsbestimmungen
 (1) (…)
 (2) Im Sinne dieser Verordnung
 (…)   
 11. ist eine geimpfte Person eine asymptomatische Person, die im Besitz eines auf sie ausgestellten Impfnachweises ist,
 12. ist ein Impfnachweis ein Nachweis nach § 2 Nr. 3 der COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung (SchAusnahmV) vom 8. Mai 2021 (BAnz AT 08.05.2021 V1) in der jeweils geltenden Fassung,
 13. ist eine genesene Person eine asymptomatische Person, die im Besitz eines auf sie ausgestellten Genesenennachweises nach § 2 Nr. 5 SchAusnahmV ist,
 14. ist die 3G-Zugangsbeschränkung eine Beschränkung des Zugangs auf geimpfte Personen, genesene Personen und asymptomatische Personen, die den Nachweis eines negativen Ergebnisses einer Testung auf das Vorliegen einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 nach Nummer 9 vorlegen, sowie Personen nach § 1 Abs. 4; die zugrundeliegende Testung darf bei einem Nachweis
 a) mittels eines Antigenschnelltests nicht länger als 24 Stunden,
 b) mittels eines PCR-Tests nicht länger als 48 Stunden oder
 c) mittels eines Tests mit einem alternativen Nukleinsäure-Amplifikationsverfahren nicht länger als 24 Stunden
 zurückliegen,
 15. ist die 2G-Zugangsbeschränkung eine Beschränkung des Zugangs auf geimpfte Personen und genesene Personen sowie Personen nach § 13 Abs. 2,
 16. ist die 2G-Plus-Zugangsbeschränkung eine Beschränkung des Zugangs auf geimpfte Personen und genesene Personen, die jeweils den Nachweis eines negativen Testergebnisses auf das Vorliegen einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 mittels eines in den Nummer 9 genannten Tests vorlegen, sowie Personen nach § 13 Abs. 2; die zugrundeliegende Testung darf bei einem Nachweis
 a) mittels eines Antigenschnelltests nicht länger als 24 Stunden,
 b) mittels eines PCR-Tests nicht länger als 48 Stunden oder
 c) mittels eines Tests mit einem alternativen Nukleinsäure-Amplifikationsverfahren nicht länger als 24 Stunden
 zurückliegen,
 17. sind Zugangsbeschränkungen die 3G-Zugangsbeschränkung nach Nummer 14, die 2G-Zugangsbeschränkung nach Nummer 15 und die 2G-Plus-Zugangsbeschränkung nach Nummer 16,
 (…)   

 § 18 Besondere Schutzmaßnahmen
 (1)   
 Die 3G-Zugangsbeschränkung gilt
 1. (…)
 2. in geschlossenen Räumen oder Fahrzeugen
 (…)   
 h) bei Versammlungen sowie religiösen, weltanschaulichen oder parteipolitischen Veranstaltungen nach § 19 Abs. 1,
 (…)   
 (2)   
 Die Anwendung der 2G-Zugangsbeschränkungen gilt verpflichtend:
 1. (…)
 (3) Die 2G-Plus-Zugangsbeschränkung gilt
 1. (…)
 2. in geschlossenen Räumen
 (…)   
 b) von Fitnessstudios, Tanzschulen und jeweils ähnlichen Einrichtungen; ausgenommen sind medizinisch notwendige Angebote der Rehabilitation,
 c) bei Angeboten des Freizeitsports,
 (…)   

 § 39 Inkrafttreten, Außerkrafttreten
 (1) Diese Verordnung tritt am 24. November 2021 um 23:59 Uhr in Kraft und mit Ablauf des 2. März 2022 außer Kraft.
 (…)“ 

Am 4. Januar 2022 hat die Antragstellerin beim Thüringer Oberverwaltungsgericht einen Normenkontrollantrag betreffend die in § 18 Abs. 3 ThürSARS-CoV-2-IfS-MaßnVO für Fitnessstudios und Angebote des Freizeitsports in geschlossenen Räumen geregelte 2G-Plus-Zugangsbeschränkung gestellt (Az. 3 N 1/22). Gleichzeitig hat sie um den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 47 Abs. 6 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – diese Regelungen betreffend nachgesucht.
Zur Begründung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beruft sie sich im Wesentlichen darauf, dass die streitgegenständliche 2G-Plus-Zugangsbeschränkung gegen die in Art. 12 Abs. 1 des Grundgesetzes – GG – geregelte Berufsfreiheit verstoße. Die Regelung sei nicht verhältnismäßig. Der Verordnungsgeber habe den ihm eingeräumten Einschätzungsspielraum bei der Wahl seiner Mittel überschritten, da weder aus der Begründung der angegriffenen Norm noch sonst ersichtlich sei, weshalb Fitnessstudios nicht unter 3G-Bedingungen öffnen dürften. Da mittlerweile bekannt sei, dass auch eine vollständige Impfung nicht vor der Weiterverbreitung des Virus schütze, biete der Zugang zu Fitnessstudios unter 3G-Bedingungen einen höheren Schutzvorteil. Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass das Infektionsrisiko in einem Fitnessstudio nach aktuellem Erkenntnisstand als gering einzustufen sei. Im Weiteren verstoße die streitgegenständliche 2G-Plus-Zugangsbeschränkung auch gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Es sei sachlich nicht zu rechtfertigen, ungeimpften Personen, die hinsichtlich der aktuellen Virusvarianten keinen geringeren Schutzstandard aufwiesen als Geimpfte und Genesene, den Zugang zu verwehren. Ebenso wenig sei es sachlich zu rechtfertigen, dass religiöse oder parteipolitische Veranstaltungen ohne Begrenzung einer Teilnehmerzahl unter 3G-Bedingungen möglich seien. Im Rahmen der Folgenabwägung müsse beachtet werden, dass im Falle einer Außervollzugsetzung der streitgegenständlichen Bestimmung die Wahrscheinlichkeit einer Infektion im Fitnessstudio und damit der potenzielle Gefährdungsbeitrag im Hinblick auf eine Überlastung des Gesundheitssystems verschwindend gering sei. Werde dagegen die begehrte einstweilige Anordnung versagt, drohten ihr schwerwiegende wirtschaftliche Nachteile in Gestalt von Umsatzeinbußen in Höhe von 25 Prozent.
Die Antragstellerin beantragt,
den Vollzug des § 18 Abs. 3 Nr. 1 und 2 ThürSARS-CoV-2-IfS-MaßnVO vom 24. November 2021 bis zur Entscheidung über den Normenkontrollantrag vorläufig auszusetzen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung führt er aus, die angegriffene 2G-Plus-Zugangsbeschränkung beruhe auf der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage des § 32 Satz 1 i. V. m. den §§ 28 Abs. 1 Satz 1 und 2, 28a Abs. 1 und 7 Satz 1 Nr. 4 IfSG und sei formell und materiell rechtmäßig. Der mit der 2G-Plus-Zugangsbeschränkung einhergehende Eingriff in die durch Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistete Berufsfreiheit finde eine ausreichende Rechtfertigung. Die Zugangsbeschränkung nach § 18 Abs. 3 ThürSARS-CoV-2-IfS-MaßnVO sei angesichts der damit einhergehenden Kontaktreduzierung zunächst zur Erreichung des Ziels, die Infektionslage kontrollieren und insbesondere der drohenden Überlastung des Gesundheitswesens entgegenwirken zu können, geeignet. Die Übertragung durch Tröpfchen und Aerosole spiele insbesondere bei der Sportausübung in geschlossenen Räumen eine besondere Rolle. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin werde die Geeignetheit der beanstandeten Maßnahme auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass geimpfte und genesene Personen sich infizieren und das Virus übertragen könnten. Maßgeblich sei, dass von geimpften und genesenen Personen auch weiterhin ein wesentlich geringeres Infektionsrisiko ausgehe und diese auch viel seltener Krankheitsverläufe hätten, die eine intensivmedizinische Behandlung erforderten. Für das Kriterium der Geeignetheit spiele es ferner keine Rolle, in welchem Umfang die Maßnahme den beabsichtigten Erfolg bewirke, sondern nur, dass die angeordnete Maßnahme auch dazu beitrage, das mit ihr verfolgte Ziel zu erreichen. Mildere, zur Erreichung der dargelegten Zielsetzung gleichermaßen geeignete Schutzmaßnahmen seien nicht ersichtlich. Insbesondere die von der Antragstellerin vorgeschlagene Anwendung einer 3G-Zugangsbeschränkung sei wegen der bei Schnelltests nicht unerheblichen Fehlerquote, der nicht immer ordnungsgemäßen Durchführung der Testungen und der Gefahr, dass sich eine negativ getestete Person noch kurz vor dem Zutritt infizieren könne, nicht gleichermaßen wirksam. Darüber hinaus könnten Ungeimpfte die Infektion aus den Fitnessstudios mit größerer Wahrscheinlich nach außen tragen. Die mit der Zugangsbeschränkung für die Antragstellerin verbundenen Nachteile seien im Hinblick auf die – insbesondere mit der Virusvariante Omikron zu erwartenden – Folgen eines weiteren Anstiegs von Ansteckungen und Erkrankungen einer Vielzahl Betroffener und im Hinblick auf die drohende Überlastung des Gesundheitswesens auch angemessen. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin folge aus der Vorschrift des § 18 Abs. 3 ThürSARS-CoV-2-IfS-MaßnVO auch keine sachwidrige Ungleichbehandlung. Den in der Verordnung geregelten Maßnahmen liege das legitime Differenzierungsziel zu Grunde, die nicht oder erheblich weniger auf das Pandemiegeschehen Einfluss nehmenden Personengruppen von den Verboten und Belastungen größtmöglich auszunehmen. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich eine vollständig geimpfte Person infiziere, sei durch die vollständige Impfung signifikant geringer. Durch weniger häufig schwere COVID-19-Erkrankungen unter geimpften Personen sei zudem das Gesundheitssystem weniger belastet. Ferner seien geimpfte Personen über einen wesentlich kürzeren Zeitraum ansteckend als dies bei ungeimpften Personen der Fall sei. Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass sich das Infektionsgeschehen durch einen infizierten Ungeimpften aufgrund der noch lange nicht erreichten Herdenimmunität wesentlich gravierender auswirke. Eine in diesem Zusammenhang ungerechtfertigte Privilegierung von Versammlungen und religiösen sowie parteipolitischen Veranstaltungen liege nicht vor. Angesichts deren Bedeutsamkeit für die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Lebens seien diese Bereiche in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise dem 3G-Konzept zugeordnet worden.
II.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat keinen Erfolg.
1. Im Sinne der Gewährung eines effektiven und zügigen Rechtsschutzes bezieht der Senat die Novellierungen der Thüringer SARS-CoV-2-Infektionsschutz-Maßnahmenverordnung durch die Dritte und Vierte Änderungsverordnung vom 21. Januar und 4. Februar 2022 in das vorliegende Verfahren mit ein. Eine inhaltliche Änderung der angegriffenen Regelungen erfolgte durch die Änderungsverordnungen nicht. Der Verordnungsgeber hat die 2G-Plus-Zugangsbeschränkung in geschlossenen Räumen von Fitnessstudios und bei Angeboten des Freizeitsports mit der jüngsten Änderungsverordnung vom 4. Februar 2022 lediglich von § 18 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und 2 ThürSARS-CoV-2-IfS-MaßnVO auf § 18 Abs. 3 Nr. 2 b) und c) ThürSARS-CoV-2-IfS-MaßnVO – gesetzestechnisch – verschoben.
Der Antrag der Antragstellerin ist dementsprechend dahingehend auszulegen, dass er sich nunmehr auf eine vorläufige Außervollzugsetzung des § 18 Abs. 3 Nr. 2 b) und c) ThürSARS-CoV-2-IfS-MaßnVO bezieht.
2. Der so verstandene Antrag ist zulässig.
Die Statthaftigkeit des Antrags ergibt sich aus § 47 Abs. 6 VwGO in Verbindung mit § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO und § 4 ThürAGVwGO. Danach entscheidet das Oberverwaltungsgericht auch außerhalb des Anwendungsbereiches des § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO über die Gültigkeit von – wie hier – im Rang unter dem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschriften.
Die Antragstellerin ist als Inhaberin eines Fitnessstudios antragsbefugt im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 1 Var. 1 VwGO. Es ist jedenfalls nicht von vornherein ausgeschlossen, dass sie durch die in § 18 Abs. 3 Nr. 2 b) und c) ThürSARS-CoV-2-IfS-MaßnVO geregelte 2G-Plus-Zugangsbeschränkung in ihren Grundrechten aus Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 3 Abs. 1 GG betroffen ist, was sie gemäß Art. 19 Abs. 3 GG als Gesellschaft bürgerlichen Rechts auch geltend machen kann.
3. Der Antrag ist aber unbegründet.
Nach § 47 Abs. 6 VwGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist.
Ob dies der Fall ist, beurteilt sich in Anlehnung an die Regelung in § 32 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes – BVerfGG – (vgl. auch § 26 des Thüringer Verfassungsgerichtshofsgesetzes – ThürVerfGHG -). An die vorläufige Aussetzung einer bereits in Kraft gesetzten Norm, an deren Vollzug ein erhebliches Allgemeininteresse besteht, ist deshalb ein besonders strenger Maßstab anzulegen. Insoweit sind die Folgen, die einträten, wenn die einstweilige Anordnung nicht erginge, ein Normenkontrollantrag (§ 47 VwGO) aber später Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen abzuwägen, die aufträten, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Normenkontrollantrag aber erfolglos bliebe. Die Erfolgsaussichten in der Hauptsache sind bei der Entscheidung über den Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO nur dann als Bestandteil der Folgenabwägung in die Bewertung einzubeziehen, wenn sich schon bei summarischer Prüfung im Anordnungsverfahren mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit ergibt, dass ein Normenkontrollantrag unzulässig, offensichtlich unbegründet oder offensichtlich begründet ist (st. Rspr. des Senats, vgl. nur Beschluss vom 23. August 2011 – 3 EN 77/11 – LKV 2011, 472 m. w. N.).
Die begehrte einstweilige Anordnung ist bei allenfalls offenen Erfolgsaussichten der Normenkontrolle in der Hauptsache nicht auf Grund der nach den genannten Maßgaben erforderlichen Folgenabwägung geboten.
a. Die Erfolgsaussichten der in der Hauptsache erhobenen Normenkontrolle sind – allenfalls – offen.
aa. Rechtsgrundlage für die streitigen Verordnungsbestimmungen ist § 32 Satz 1 und 2 i. V. m. den §§ 28 Abs. 1 Satz 1, 28a Abs. 7 Satz 1 Nr. 4 i. V. m. § 28a Abs. 1 Nr. 6 und 8 IfSG in der Fassung vom 20. Juli 2000 (BGBl. I S. 1045), zuletzt geändert durch Gesetz zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes und weiterer Gesetze anlässlich der Aufhebung der Feststellung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 22. November 2021 (BGBl. I S. 4906).
Danach sind die Landesregierungen bzw. die von ihnen bestimmten Stellen ermächtigt, unter den Voraussetzungen, die für Maßnahmen nach den §§ 28, 28a und 29 bis 31 IfSG maßgebend sind, durch Rechtsverordnungen entsprechende Ge- und Verbote zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten zu erlassen. Werden Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt oder ergibt sich, dass ein Verstorbener krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider war, so trifft die zuständige Behörde nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 IfSG die notwendigen Schutzmaßnahmen, insbesondere die in § 28a und in den §§ 29 bis 31 IfSG genannten Schutzmaßnahmen, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist. Sie kann insbesondere Personen verpflichten, den Ort, an dem sie sich befinden, nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu verlassen oder von ihr bestimmte Orte oder öffentliche Orte nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu betreten.
Speziell zur Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) regelt ferner § 28a Abs. 1 IfSG, dass für die Dauer der Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite nach § 5 Abs. 1 Satz 1 IfSG durch den Deutschen Bundestag notwendige Schutzmaßnahmen im Sinne des § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 insbesondere auch die Untersagung oder Beschränkung des Betriebs von Einrichtungen, die der Freizeitgestaltung zuzurechnen sind (§ 28a Abs. 1 Nr. 6 IfSG), sowie die Untersagung oder Beschränkung von Sportveranstaltungen und der Sportausübung (§ 28a Abs. 1 Nr. 8 IfSG) sein können.
Nach § 28a Abs. 7 Nr. 4 IfSG können diese Beschränkungen des Zugangs auch unabhängig von einer durch den Deutschen Bundestag festgestellten epidemischen Lage von nationaler Tragweite angeordnet werden.
Durchgreifende evidente Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Rechtsgrundlage des § 32 Satz 1 und 2 i. V. m. den §§ 28 Abs. 1 Satz 1, 28a Abs. 7 Satz 1 Nr. 4 i. V. m. § 28a Abs. 1 Nr. 6, 8 IfSG drängen sich nicht auf und werden von der Antragstellerin auch nicht geltend gemacht.
bb. Für den Senat ergeben sich auch keine Bedenken hinsichtlich der formellen Rechtmäßigkeit des § 18 Abs. 3 Nr. 2 b) und c) ThürSARS-CoV-2-IfS-MaßnVO.
(1) Die Thüringer SARS-CoV-2-Infektionsschutz-Maßnahmenverordnung vom 24. November 2021 und ihre Änderungsverordnungen sind von den hierzu ordnungsgemäß ermächtigten Verordnungsgebern erlassen worden (vgl. ausführlich hierzu der Beschluss des Senats vom 30. Dezember 2021 – 3 EN 775/21 – juris Rn. 24 f.).
(2) Durch die Veröffentlichungen im Gesetz- und Verordnungsblatt sind die Thüringer SARS-CoV-2-Infektionsschutz-Maßnahmenverordnung vom 24. November 2021 und ihre Änderungsverordnungen vom 14. Dezember, 17. Dezember, 23. Dezember 2021 und 21. Januar 2022 auch ordnungsgemäß verkündet worden. Hinsichtlich der bislang lediglich – im Wege der Notveröffentlichung nach § 9 ThürVerkG – auf der amtlichen Internetseite des TMASGFF veröffentlichten Verordnung vom 4. Februar 2022 ist zu erwarten, dass der Antragsgegner die unverzügliche nachträgliche Verkündung im Thüringer Gesetz- und Verordnungsblatt – entsprechend seiner bisherigen Übung – kurzfristig veranlassen wird.
(3) Für den Senat bestehen auch keine Zweifel daran, dass die Verordnungen den Anforderungen des § 28a Abs. 5 IfSG entsprechen. Nach dieser Norm sind Rechtsverordnungen, die nach § 32 i. V. m. § 28 Abs. 1 und § 28a Abs. 1 IfSG erlassen werden, mit einer allgemeinen Begründung zu versehen und zeitlich grundsätzlich auf vier Wochen zu befristen.
Soweit die Antragstellerin rügt, der Verordnungsgeber habe nicht ausreichend begründet, warum gerade die sportliche Betätigung in Fitnessstudios unter eine 2G-Plus-Zugangsbeschränkung falle, verkennt sie, dass sich die Begründung nach § 28a Abs. 5 IfSG nicht nur aus den Ausführungen zu den einzelnen Paragraphen und Absätzen, sondern auch aus weiteren Teilen der Begründung, wie den einleitenden Anmerkungen zur Verordnung insgesamt oder zu den einzelnen Abschnitten, ergibt (vgl. hierzu bereits: Beschluss des Senats vom 30. Dezember 2021 – 3 EN 775/21 – juris Rn. 29). Bereits die einleitenden Anmerkungen der Verordnung lassen erkennen, dass den jeweiligen Maßnahmen eine umfangreiche Berücksichtigung und Auswertung von Erkenntnissen, insbesondere des Robert Koch-Instituts, sowie der gesellschaftlichen und politischen Erörterungen auf Bundes- und Landesebene zu Grunde lagen. Ob diese Begründung darüber hinaus inhaltlich zutreffend ist, ist keine Frage der formellen Begründung, sondern eine im Rahmen der Begründetheit des Normenkontrollantrags zu klärende Frage des materiellen Rechts.
cc. Nach der hier nur möglichen summarischen Prüfung liegen zudem weiterhin die zum Erlass der streitgegenständlichen Bestimmungen erforderlichen Tatbestandsvoraussetzungen des § 32 Satz 1 und 2 i. V. m. den §§ 28 Abs. 1 Satz 1, 28a Abs. 7 Satz 1 Nr. 4 i. V. m. § 28a Abs. 1 Nr. 6, 8 IfSG vor.
Es bestehen keine Zweifel daran, dass die Corona-Pandemie und damit die Gefahr der Verbreitung von COVID-19 trotz des Auslaufens der vom Bundestag festgestellten epidemischen Lage von nationaler Tragweite weiterhin bestehen. Zum gegenwärtigen Infektionsgeschehen führt das Robert Koch-Institut in seinem Wöchentlichen COVID-19-Lagebericht vom 3. Februar 2022 (https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Wochenbericht/Wochenbericht_2022-02-03.pdf?__blob=publicationFile) aus:
„In Deutschland hat mit der dominanten Zirkulation der Omikron-Variante die fünfte Welle der COVID-19-Pandemie an Fahrt gewonnen. In der 4. Kalenderwoche (KW) 2022 setzte sich der steigende Trend bei den wöchentlichen Fallzahlen fort. Mit Ausnahme von Hamburg und Schleswig-Holstein waren in allen anderen Bundesländern weiterhin deutliche Anstiege der Fallzahlen zu verzeichnen. Auch der Anteil positiv getesteter Proben (41 %, Vorwoche: 32 %) bei einer weiteren Steigerung der Anzahl der durchgeführten labordiagnostischen PCR-Untersuchungen zeigt den massiven Anstieg des Infektionsdrucks in der Bevölkerung. In der Gesamtbevölkerung ist die 7-Tage-Inzidenz im Vergleich zur Vorwoche um 34 % gestiegen und liegt nun in allen Altersgruppen bis 49 Jahren über 1.000 SARS-CoV-2-Infektionen pro 100.000 Einwohnerinnen und Einwohnern. Die 7-Tage-Inzidenz ist in der Gruppe der Kinder und Jugendlichen im Alter von 5 bis 19 Jahren weiterhin am höchsten doch ist sie auch in den älteren Altersgruppen teilweise wieder deutlich angestiegen.
Von schweren Krankheitsverläufen weiterhin am stärksten betroffen sind ungeimpfte Menschen in höheren Altersgruppen und Menschen mit vorbestehenden Erkrankungen, die das Immunsystem schwächen. Trotz der in den letzten Wochen sinkenden Hospitalisierungsinzidenz bei den über 80-Jährigen, weist diese Altersgruppe weiterhin die mit Abstand höchste Hospitalisierungsinzidenz auf. Die durch eine Adjustierung für den Meldeverzug (Nowcast-Verfahren) geschätzten Werte der Hospitalisierungsinzidenz bewegen sich weiterhin auf hohem Niveau und zeigen einen weiterhin leicht ansteigenden Trend.
Die Belastung der Intensivstationen hält durch die Vielzahl sehr schwer an COVID-19 erkrankter Personen, überwiegend aus der Delta-Welle, weiterhin an, zeigt aber gegenwärtig noch keinen durch die Omikron Welle verursachten steigenden Trend. Mit Datenstand vom 02.02.2022 werden 2.307 Personen mit einer COVID-19-Diagnose auf einer Intensivstation behandelt.
Der Anteil der gemäß IfSG gemeldeten Infektionen, welche durch die besorgniserregende Variante (Variant of Concern, VOC) Omikron (B.1.1.529) verursacht werden, liegt in KW 04/2022 bei 98 % aller übermittelten COVID-19-Fälle. Bis auf Brandenburg (66 %) und Berlin (88 %) lag der Anteil bei allen anderen Bundesländern bei über 90 %. Die Omikron-Variante ist auch bei Geimpften und Genesenen leichter übertragbar. Studien deuten darauf hin, dass die Omikron-Variante einen geringeren Anteil an Hospitalisierungen im Vergleich zu Infektionen mit der Delta-Variante bei Infizierten mit vollständiger Impfung bzw. Auffrischimpfung verursacht. Die Instrumente des RKI zur Überwachung akuter Atemwegsinfektionen (1.6 syndromische Surveillance) ermöglichen es, die infektionsepidemiologische Lage und die Krankheitslast auch bei hohem Infektionsdruck, also hohen Inzidenz-Werten gut abzubilden. Für eine abschließende Bewertung der Schwere der Erkrankungen durch die Omikron-Variante insbesondere bei der älteren Bevölkerung ist die Datenlage aber weiterhin nicht ausreichend.
Bis zum 01.02.2022 waren 76 % der Bevölkerung mindestens einmal und 74 % vollständig geimpft. Darüber hinaus erhielten 53 % der Bevölkerung bereits eine Auffrischimpfung. Aber weiterhin sind 21 % der Bevölkerung in der Altersgruppe 18-59 Jahre und 11 % in der Altersgruppe ab 60 Jahre noch nicht geimpft. Alle Impfstoffe, die zurzeit in Deutschland zur Verfügung stehen, schützen nach derzeitigem Erkenntnisstand bei vollständiger Impfung und insbesondere nach Auffrischimpfung die allermeisten geimpften Personen wirksam vor einer schweren Erkrankung.
Das Robert Koch-Institut schätzt die Gefährdung durch COVID-19 für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland insgesamt als sehr hoch ein. Ursächlich hierfür sind das Auftreten und die rasante Verbreitung der Omikron-Variante, die sich deutlich schneller und effektiver verbreitet als die bisherigen Virusvarianten. Durch den weiter schnellen Anstieg der Infektionsfälle kann eine Überlastung des Gesundheitssystems und ggf. weiterer Versorgungsbereiche noch nicht ausgeschlossen werden. Die Infektionsgefährdung wird für die Gruppe der Ungeimpften als sehr hoch, für die Gruppen der Genesenen und Geimpften mit Grundimmunisierung (zweimalige Impfung) als hoch und für die Gruppe der Geimpften mit Auffrischimpfung (dreimalige Impfung) als moderat eingeschätzt.“
Eine ähnliche Beurteilung des Infektionsgeschehens nimmt der ExptertInnenrat der Bundesregierung zu COVID-19 vor (vgl. 3. Stellungnahme des Expertenrates der Bundesregierung zu COVID-19 vom 22. Januar 2022, https://www.bundesregierung.de/resource/blob/974430/2000790/9d2b24aef2a1745548ba870166b64b7e/2022-01-22-nr-3-expertenrat-data.pdf?download=1):
„Der ExpertInnenrat erwartet einen weiteren Anstieg der Infektionszahlen, und es können in der Spitze 7-Tages-Inzidenzen von mehreren Tausend regional erreicht werden. Das Ausmaß der Krankenhausbelastung wird entscheidend von den Inzidenzen in der Gruppe der ungeimpften Erwachsenen und der über 50-Jährigen abhängen. Hier sind die Inzidenzen derzeit noch vergleichsweise niedrig, jedoch wurden in der Vergangenheit die Infektionen aus anderen Teilen der Bevölkerung in die Gruppe der Älteren eingetragen. Zudem besteht auch bei den über 50-Jährigen weiterhin eine zu große Impflücke. Die genauen Hospitalisierungsraten oder die Intensivpflichtigkeit bei Infektionen mit der Omikron-Variante sind in diesen Gruppen noch nicht bekannt. Die Hospitalisierungsrate wird niedriger als bei der Delta-Variante erwartet, müsste aber eine ganze Größenordnung (etwa Faktor 10) niedriger liegen als im vergangenen Winter, um die erwartete hohe Fallzahl zu kompensieren und das Gesundheitssystem nicht zu überlasten. Von einer derart starken Reduktion der Hospitalisierungsrate ist auf der Basis der aktuell verfügbaren Daten trotz Impfungen nicht auszugehen. Entsprechend sind bei weiter steigenden Inzidenzen sehr viele Krankenhausaufnahmen zu erwarten.
Zudem fallen regional in Deutschland bereits an einigen Kliniken viele MitarbeiterInnen durch Infektionen mit der Omikron-Variante und durch Quarantäne aus, und vereinzelt kommt es bereits zu Lieferengpässen bei medizinischen Gütern. Unter den aktuell geltenden Kontaktbeschränkungen steigen die Inzidenzen weiter, und es ist anzunehmen, dass die medizinische Versorgung zumindest regional eingeschränkt sein wird. Dies kann relevante Gefährdungen, z.B. bei der Versorgung von PatientInnen mit anderen Krankheiten, zur Folge haben. Auch in anderen Bereichen drohen durch einen hohen Krankenstand und Quarantäne erhebliche Personalausfälle oder sind bereits eingetreten.“
Nach der Rechtsgrundlage ist der Antragsgegner mithin berechtigt, Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie, wie hier die streitige 2G-Plus-Zugangsbeschränkung, zu erlassen.
dd. Der Senat vermag im Eilverfahren auch nicht zwingend die Unverhältnismäßigkeit dieser Maßnahme zu erkennen.
(1) Die Feststellung einer übertragbaren Krankheit bedingt, dass die zuständige Stelle – sei es die zuständige Behörde im Wege des Erlasses von Verwaltungsakten oder die Landesregierung bzw. die von ihr ermächtigte Stelle im Wege des Erlasses einer Rechtsverordnung – zum Handeln verpflichtet ist. Die Stelle hat lediglich ein Ermessen hinsichtlich der Auswahl der anzuwendenden Schutzmaßnahmen.
Die Bandbreite der Schutzmaßnahmen, die bei Auftreten einer übertragbaren Krankheit in Frage kommen können, lässt sich nicht im Vorfeld bestimmen. Der Gesetzgeber hat § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG daher als Generalklausel ausgestaltet und in § 28a IfSG bestimmte in Betracht kommende Schutzmaßnahmen benannt.
Die Entscheidung, welche Schutzmaßnahmen ergriffen werden, wird dadurch beschränkt, dass es sich um „notwendige“ Schutzmaßnahmen handeln muss, d. h. um Maßnahmen, „soweit“ sie zur Verhinderung der (Weiter-)Verbreitung der Krankheit „erforderlich“ sind. Weiterhin betont das Gesetz den zeitlichen Aspekt: Maßnahmen dürfen nur getroffen werden, „solange“ sie erforderlich sind. Insgesamt sind der Maßnahmenauswahl damit durch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Grenzen gesetzt (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. März 2012 – 3 C 16.11 – juris Rn. 24 unter Bezugnahme auf die Gesetzgebungsmaterialien: BT-Drs. 8/2468, S. 27).
Hierbei ist zu beachten, dass dem Verordnungsgeber des Landes – ähnlich wie dem Bundesgesetzgeber bei Erlass des Infektionsschutzgesetzes – ausgehend von der Bestimmung des legitimen Zwecks der Maßnahme hinsichtlich der Eignung, Erforderlichkeit und Angemessenheit der Maßnahme Entscheidungsspielräume zukommen (vgl. hierzu entsprechend BVerfG, Beschluss vom 19. November 2021 – 1 BvR 781/21 u. a. – juris Rn. 167 ff.).
(2) Es besteht für den Senat kein Zweifel daran, dass der Verordnungsgeber mit der 2G-Plus-Zugangsbeschränkung die legitimen Ziele des Gesundheitsschutzes sowie der Abwendung einer Überlastung des Gesundheitssystems und der weiteren kritischen Infrastrukturen verfolgt.
(a) Nach einer zuletzt rückläufigen COVID-19-Inzidenz ist die aktuelle Situation in Thüringen wieder von einem stark zunehmenden Infektionsgeschehen gekennzeichnet. Die 7-Tage-Inzidenz (Zahl der Neuerkrankungen je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen) lag am 9. Februar 2022 mit 823,8 zwar deutlich unter dem Bundesdurchschnitt von 1.450,8 (s. RKI, COVID-19-Trends im Überblick, https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/COVID-19-Trends/COVID-19-Trends.html?__blob=publicationFile#/home), aber dennoch weit oberhalb des in § 32 Abs. 3 Nr. 1 ThürSARS-CoV-2-IfS-MaßnVO normierten Schwellenwerts von 200,1. Zusätzlich ist zu berücksichtigen, dass sich die Virusvariante Omikron in Thüringen deutlich verzögerter als in anderen Bundesländern ausbreitet (siehe Wöchentlicher Lagebericht des RKI zur Coronavirus-Krankheit-2019 [COVID-19] vom 27. Januar 2022, S. 38). Nach Bewertung des Wissenschaftlichen Beirats der Thüringer Landesregierung ist nunmehr insbesondere in den Thüringer Ballungsräumen mit einer starken Infektionsausbreitung zu rechnen (s. Lageeinschätzung und Empfehlungen des Wissenschaftlichen Beirats vom 20. Januar 2022, https://www.landesregierung-thueringen.de/regierung/wissenschaftlicher-beirat).
Ein ähnliches Bild zeigt sich im Hinblick auf die Zahl der schwer an COVID-19 Erkrankten, die im Krankenhaus aufgenommen und intensivmedizinisch behandelt werden müssen sowie im Hinblick auf damit im Zusammenhang stehende Todesfälle. Auch hier sind die Zahlen wieder stark steigend. Am 9. Februar 2022 betrug die 7-Tage-Inzidenz der hospitalisierten Fälle (Zahl der stationären COVID-19-Patienten je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen) 8,25, die ITS-Belegungsquote (Anteil der durch COVID-19-Patienten belegten Betten an der Gesamtzahl der betreibbaren Betten) 8,62 % und die Zahl der Todesfälle 305 je 100.000 Einwohner. Sowohl die 7-Tage-Inzidenz der hospitalisierten Fälle als auch die Todesfälle liegen damit deutlich über dem Bundesdurchschnitt (s. RKI, COVID-19-Trends im Überblick, https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/COVID-19-Trends/COVID-19-Trends.html?__blob=publicationFile#/home; RKI, Täglicher Lagebericht zur Coronavirus-Krankheit-2019 vom 9. Februar 2022; https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Feb_2022/2022-02-09-de.pdf?__blob=publicationFile). Hinzu kommt, dass eine starke Erhöhung der Infektionsfälle durch die Virusvariante Omikron voraussichtlich zu einer besonderen Belastung der Notaufnahmen und Normalstationen führen wird (s. Lageeinschätzung und Empfehlungen des Wissenschaftlichen Beirats der Thüringer Landesregierung vom 20. Januar 2022 https://www.landesregierung-thueringen.de/regierung/wissenschaftlicher-beirat).
Demgegenüber liegt die Impfquote in Thüringen weiterhin deutlich unter dem Bundesdurchschnitt. Am 9. Februar 2022 meldete das Robert Koch-Institut 1.476.777 (69,7 %) Erstimpfungen, 1.459.855 (68,9 %) Zweitimpfungen und 1.021.665 (48,2 %) Auffrischungsimpfungen (https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Daten/Impfquoten-Tab.html). Dabei überwiegt die Gefährdung von ungeimpften Personen die Gefährdung von geimpften Personen deutlich. So lag im Zeitraum 24. Januar bis 30. Januar 2022 die 7-Tage-Inzidenz bei ungeimpften Personen bei 254, bei vollständig geimpften Personen bei 123.
(b) Ausgehend von diesem Infektionsgeschehen ist die Entscheidung des Verordnungsgebers, in § 18 ThürSARS-CoV-2-IfS-MaßnVO differenziert nach der Bedeutung und jeweiligen infektionsschutzrechtlichen Besonderheit des jeweiligen Bereiches ein dreistufiges System von Zugangsbeschränkungen zu schaffen, nicht zu beanstanden (vgl. hierzu ausführlich der Beschluss des Senats vom 22. Dezember 2021 – 3 EN 752/21 – juris Rn. 46 ff.).
§ 18 Abs. 1 ThürSARS-CoV-2-IfS-MaßnVO regelt die Anwendung der 3G-Zugangsbeschränkung (§ 2 Nr. 14 ThürSARS-CoV-2-IfS-MaßnVO) in Bereichen, in denen eine Beschränkung auf geimpfte und genesene Personen aufgrund deren Bedeutsamkeit für die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Lebens nicht in Betracht kommt, andererseits jedoch ein Mindestmaß an Schutz durch die Vorlage negativer Testungen erforderlich ist.
§ 18 Abs. 2 ThürSARS-CoV-2-IfS-MaßnVO sieht angesichts des sowohl aktiv als auch passiv höheren Infektionsrisikos nicht immunisierter Personen für diese Personengruppe für zahlreiche Bereiche des öffentlichen und wirtschaftlichen Lebens eine 2G-Zugangsbeschränkung (§ 2 Nr. 15 ThürSARS-CoV-2-IfS-MaßnVO) vor.
Mit der in § 18 Abs. 3 ThürSARS-CoV-2-IfS-MaßnVO (§ 2 Nr. 16 ThürSARS-CoV-2-IfS-MaßnVO) vorgesehenen 2G-Plus-Zugangsbeschränkung soll darüber hinaus die Ausbreitung des Virus begrenzt werden, indem auch immunisierte Personen in besonders risikobehafteten Bereichen der Freizeitgestaltung (z. B. wegen einer großen räumlichen Nähe, geringen Kontrollmöglichkeiten oder einer besonders hohen Aerosolbildung) grundsätzlich einen zusätzlichen Testnachweis benötigen (s. die amtliche Begründung der Verordnung unter https://www.tmasgff.de/covid-19/rechtsgrundlage).
(3) Die streitgegenständliche 2G-Plus-Zugangsbeschränkung ist bei summarischer Bewertung zur Erreichung der vom Verordnungsgeber verfolgten Ziele geeignet.
Das Bundesverfassungsgericht (Beschluss vom 19. November 2021 – 1 BvR 781/21 – u. a. juris Rn. 185 f. m. w. N.) hat zu den verfassungsrechtlichen Maßstäben anknüpfend an seine ständige Rechtsprechung zuletzt ausgeführt, dass für die Eignung bereits die Möglichkeit genügt, durch die gesetzliche Regelung den Gesetzeszweck zu erreichen. Bei der Beurteilung der Eignung einer Regelung steht dem Gesetzgeber ein Spielraum zu, der sich auf die Einschätzung und Bewertung der tatsächlichen Verhältnisse, auf die etwa erforderliche Prognose und auf die Wahl der Mittel bezieht, um die Ziele des Gesetzes zu erreichen. Dieser Spielraum reicht nicht stets gleich weit. Insoweit hängt sein Umfang vielmehr einzelfallbezogen etwa von der Eigenart des in Rede stehenden Sachbereichs, den Möglichkeiten, sich ein hinreichend sicheres Urteil zu bilden, und der Bedeutung der auf dem Spiel stehenden Rechtsgüter ab. Für Letzteres kann auch das Eingriffsgewicht in Bezug auf die Eigenart des vom Eingriff betroffenen Rechts eine Rolle spielen. Auch hier gilt, dass bei schwerwiegenden Grundrechtseingriffen tatsächliche Unsicherheiten grundsätzlich nicht ohne weiteres zulasten der Grundrechtsträger gehen dürfen. Erfolgt aber der Eingriff zum Schutz gewichtiger verfassungsrechtlicher Güter und ist es dem Gesetzgeber angesichts der tatsächlichen Unsicherheiten nur begrenzt möglich, sich ein hinreichend sicheres Bild zu machen, ist die gerichtliche Prüfung auf die Vertretbarkeit der gesetzgeberischen Eignungsprognose beschränkt. Liegen der gesetzlichen Regelung prognostische Entscheidungen zugrunde, kann die Eignung nicht nach der tatsächlichen späteren Entwicklung, sondern lediglich danach beurteilt werden, ob der Gesetzgeber aus seiner Sicht davon ausgehen durfte, dass die Maßnahme zur Erreichung des gesetzten Ziels geeignet, ob seine Prognose also sachgerecht und vertretbar war. Erweist sich eine Prognose nachträglich als unrichtig, stellt dies jedenfalls die ursprüngliche Eignung des Gesetzes nicht in Frage. Die Eignung setzt also nicht voraus, dass es zweifelsfreie empirische Nachweise der Wirkung oder Wirksamkeit der Maßnahmen gibt. Allerdings kann eine zunächst verfassungskonforme Regelung später mit Wirkung für die Zukunft verfassungswidrig werden, wenn ursprüngliche Annahmen des Gesetzgebers nicht mehr tragen.
Ausgehend hiervon spricht viel dafür, dass der Verordnungsgeber die streitgegenständliche 2G-Plus-Zugangsbeschränkung als geeignet ansehen durfte.
Der Verordnungsgeber ist zunächst in nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen, dass die 2G-Plus-Zugangsbeschränkung zu einer Verringerung sowohl des Infektionsrisikos als auch der Belastung der kritischen Infrastrukturen führt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. November 2021 – 1 BvR 781/21 – u. a. juris Rn. 195 ff.).
Seine Annahme, dass Fitnessstudios und Angebote des Freizeitsports in geschlossenen Räumen in diesem Zusammenhang besonders gefährdete Bereiche darstellen, ist nicht ohne weiteres anzufechten. In diesen Einrichtungen kommen regelmäßig wechselnde Personen zusammen, die individuell oder zusammen Sport treiben. Hierbei kommt es auf Grund der körperlichen Anstrengung zu einem verstärkten Ausstoß virushaltiger Tröpfchen und Aerosole. Dies bringt in den geschlossenen Räumen sowohl für die Sportler selbst als auch für deren weiteres berufliches und privates Umfeld ein erhöhtes Infektionsrisiko mit sich (vgl. zu einer entsprechenden 2G-Plus-Zugangsbeschränkung in Spielhallen der Beschluss des Senats vom 22. Dezember 2021 – 3 EN 752/21 – juris Rn. 55).
Ferner durfte der Verordnungsgeber davon ausgehen, dass von geimpften Personen ein wesentlich geringeres Infektionsrisiko ausgeht. Wie bereits dargestellt bieten die in Deutschland zur Anwendung kommenden Impfstoffe zwar voraussichtlich einen geringeren Schutz vor der mittlerweile vorherrschenden Virusvariante Omikron. Nach ersten Erkenntnissen des Robert Koch-Instituts verfügen sie aber dennoch über eine gute Wirksamkeit. Schon eine Grundimmunisierung schützt nach bisherigen Schätzungen mit sehr hoher Effektivität vor schwersten Verläufen wie insbesondere solchen, die eine intensivstationäre Behandlung erfordern oder gar zum Tode führen. Eine Auffrischungsimpfung kann zudem auch mildere Verläufe wirksam verhindern (s. RKI, Wöchentlicher Lagebericht zur Coronavirus-Krankheit-2019 vom 3. Februar 2022, S. 23 ff.). Insgesamt spricht mithin viel dafür, dass auch im Hinblick auf die Virusvariante Omikron weiterhin eine deutlich höhere Infektionsgefährdung für die Gruppe der ungeimpften Personen besteht (s. Robert Koch-Institut, Wöchentlicher COVID-19-Lagebericht vom 3. Februar 2022 (https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Wochenbericht/Wochenbericht_2022-02-03.pdf?__blob=publicationFile). In der Folge fällt auch die Gefahr einer Überlastung des Gesundheitssystems oder der sonstigen kritischen Infrastrukturen bezogen auf diese Gruppe deutlich höher aus als in Bezug auf die Gruppe der immunisierten Personen.
Dass die Zugangsmöglichkeit für geimpfte und genesene Personen durch das Erfordernis der Testung wiederum eingeschränkt wird, stellt die Geeignetheit der Maßnahme nicht in Frage. Angesichts der bei dieser Personengruppe gleichwohl möglichen Ansteckung und Übertragung des Virus (s. Robert Koch-Institut, Wöchentlicher COVID-19-Lagebericht vom 3. Februar 2022 (https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Wochenbericht/Wochenbericht_2022-02-03.pdf?__blob=publicationFile) ist nicht erkennbar, dass der Verordnungsgeber mit der Anordnung dieser weitergehenden Schutzmaßnahme seinen Einschätzungsspielraum überschritten hat.
Für die Eignung der 2G-Plus-Zugangsbeschränkung zur Erreichung des angestrebten Ziels kommt es schließlich nicht darauf an, in welchem Umfang genau der Bereich der Freizeitsportausübung in geschlossenen Räumen zum Infektionsgeschehen beiträgt. Zutreffend geht der Antragsgegner davon aus, dass insoweit von entscheidender Bedeutung ist, dass sie zumindest einen Beitrag zur Kontaktbeschränkung ungeimpfter Personen und damit zur Eindämmung des Infektionsgeschehens leisten können. Abgesehen davon ist aber auch zu berücksichtigten, dass sich mittlerweile angesichts der stark steigenden Infektionszahlen ohnehin viele Infektionsketten nicht mehr nachvollziehen lassen (s. Risikobewertung des Robert Koch-Instituts mit Stand 14. Januar 2022, https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikobewertung.html).
(4) Dem Senat drängt sich ferner nicht die mangelnde Erforderlichkeit der angegriffenen 2G-Plus-Zugangsbeschränkung auf.
Nach der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung (BVerfG, Beschluss vom 19. November 2021 – 1 BvR 781/21 u. a. – juris Rn. 203 f. m. w. N.) ist das Merkmal der Erforderlichkeit so zu verstehen, dass Grundrechtseingriffe nicht weitergehen dürfen, als es der Schutz des Gemeinwohls erfordert. Daran fehlt es, wenn ein gleich wirksames Mittel zur Erreichung des Gemeinwohlziels zur Verfügung steht, das den Grundrechtsträger weniger und Dritte und die Allgemeinheit nicht stärker belastet. Die sachliche Gleichwertigkeit der alternativen Maßnahmen zur Zweckerreichung muss dafür in jeder Hinsicht eindeutig feststehen. Dem Gesetzgeber steht grundsätzlich auch für die Beurteilung der Erforderlichkeit ein Einschätzungsspielraum zu. Der Spielraum bezieht sich unter anderem darauf, die Wirkung der von ihm gewählten Maßnahmen auch im Vergleich zu anderen, weniger belastenden Maßnahmen zu prognostizieren. Der Spielraum kann sich wegen des betroffenen Grundrechts und der Intensität des Eingriffs verengen. Umgekehrt reicht er umso weiter, je höher die Komplexität der zu regelnden Materie ist. Auch hier gilt, dass bei schwerwiegenden Grundrechtseingriffen tatsächliche Unsicherheiten grundsätzlich nicht ohne weiteres zu Lasten der Grundrechtsträger gehen dürfen. Dient der Eingriff dem Schutz gewichtiger verfassungsrechtlicher Güter und ist es dem Gesetzgeber angesichts der tatsächlichen Unsicherheiten nur begrenzt möglich, sich ein hinreichend sicheres Bild zu machen, ist die gerichtliche Prüfung auf die Vertretbarkeit der gesetzgeberischen Eignungsprognose beschränkt.
Auch unter Berücksichtigung des Vorbringens der Antragstellerin ist bei der hier allein möglichen summarischen Prüfung nicht feststellbar, dass der Verordnungsgeber den ihm insoweit zustehenden Einschätzungsspielraum überschritten hat.
Insoweit sind die Ausführungen des Antragsgegners in seiner Antragserwiderung nicht anzufechten, dass die von der Antragstellerin vorgeschlagene Anwendung einer 3G-Zugangsbeschränkung bereits wegen der bei Schnelltests nicht unerheblichen Fehlerquote, der nicht immer ordnungsgemäßen Durchführung der Testungen und der Gefahr, dass sich eine negativ getestete Person noch kurz vor dem Zutritt infiziert hat, weniger geeignet als eine Zugangsbeschränkung für nicht immunisierte Personen ist (vgl. auch Beschluss des Senats vom 30. Dezember 2021 – 3 EN 775/21 – juris Rn. 77).
Abgesehen davon verkennt ein solcher Vorschlag aber auch die Zielrichtung der Maßnahme. Die Verordnung ist darauf ausgerichtet, in Zeiten eines erheblichen Infektionsgeschehens mit hohen Inzidenzwerten Kontakte ganz zu vermeiden oder, um sie überhaupt zu ermöglichen, dies auf einem möglichst hohen Schutzniveau zu gewährleisten. Dieses Schutzniveau wird jedoch in geschlossenen Räumen mit besonders infektionsträchtigem Verhalten allein durch die Anwendung der 3G-Regelung nicht effektiv erreicht. Eine 3G-Zugangsbeschränkung bleibt erkennbar hinter dem Schutzniveau eines Ausschlusses nicht immunisierter Personen bei gleichzeitig zusätzlich erforderlicher Testung zurück.
(5) Bei summarischer Prüfung ist auch nicht zwingend anzunehmen, dass die 2G-Plus-Zugangsbeschränkung unter Abwägung der gegenläufigen verfassungsrechtlichen Positionen unangemessen ist.
Die Angemessenheit und damit die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne erfordert, dass der mit der Maßnahme verfolgte Zweck und die zu erwartende Zweckerreichung nicht außer Verhältnis zu der Schwere des Eingriffs stehen (vgl. hierzu wie zum Folgenden: BVerfG, Beschluss vom 19. November 2021 – 1 BvR 781/21 – juris Rn. 216 f. m. w. N.). Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, in einer Abwägung Reichweite und Gewicht des Eingriffs in Grundrechte einerseits der Bedeutung der Regelung für die Erreichung legitimer Ziele andererseits gegenüberzustellen. Um dem Übermaßverbot zu genügen, müssen hierbei die Interessen des Gemeinwohls umso gewichtiger sein, je empfindlicher die Einzelnen in ihrer Freiheit beeinträchtigt werden. Umgekehrt wird gesetzgeberisches Handeln umso dringlicher, je größer die Nachteile und Gefahren sind, die bei gänzlich freier Grundrechtsausübung erwachsen können. Auch bei der Prüfung der Angemessenheit besteht grundsätzlich ein Einschätzungsspielraum des Gesetzgebers. Die verfassungsrechtliche Prüfung bezieht sich dann darauf, ob der Gesetzgeber seinen Einschätzungsspielraum in vertretbarer Weise gehandhabt hat. Bei der Kontrolle prognostischer Entscheidungen setzt dies wiederum voraus, dass die Prognose des Gesetzgebers auf einer hinreichend gesicherten Grundlage beruht.
Der Vortrag der Antragstellerin zeigt jedenfalls nicht auf, dass die von ihr angegriffene 2G-Plus-Zugangsbeschränkung offensichtlich außer Verhältnis zu der Schwere des Eingriffs steht.
Die Maßnahme führt zwar zu einer Beeinträchtigung des Grundrechts der Berufsfreiheit der Betreiber von Fitnessstudios und Angeboten des Freizeitsports (Art. 12 Abs. 1 GG) und des Grundrechts der allgemeinen Handlungsfreiheit von potenziellen, nicht immunisierten Besuchern sowie von immunisierten Besuchern, die der zusätzlichen Testpflicht unterliegen (Art. 2 Abs. 1 GG). Ferner können zugangsberechtigte, immunisierte Personen, die zur Vorlage des entsprechenden Immunitätsnachweises verpflichtet sind, in ihrem Recht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG betroffen sein.
Diese Eingriffe erscheinen jedoch vor dem Hintergrund des dargestellten Infektionsgeschehens zum Schutz der Gesundheit der Bevölkerung und der Aufrechterhaltung einer funktionsfähigen kritischen Infrastruktur als Gemeinwohlbelang von überragender Bedeutung als angemessen.
Soweit es Betreiber von Fitnessstudios und Angeboten des Freizeitsports betrifft, gilt dies insbesondere mit Blick auf den mittlerweile – angesichts der hohen Anzahl von geimpften Personen im Sinne des § 2 Abs. 3 Nr. 1 und 3 ThürSARS-CoV-2-IfS-MaßnVO und einer stark zunehmenden Anzahl von Genesenen im Sinne des § 2 Abs. 3 Nr. 2 ThürSARS-CoV-2-IfS-MaßnVO – nur kleineren Anteil der vom Besuch eines Fitnessstudios ausgeschlossenen Personen.
Überdies zeigt der Vortrag der Antragstellerin auch nicht auf, inwieweit ihr – wie auch anderen Betreibern von Fitnessstudios und Angeboten des Freizeitsports – staatliche Hilfsangebote aus Programmen des Bundes und der Länder, wie etwa die erweiterten Möglichkeiten der Gewährung von Kurzarbeitergeld, der Aussetzung von Insolvenzverfahren und von branchenspezifischen Hilfsprogrammen, zur wirtschaftlichen Bewältigung der Pandemiefolgen unzugänglich sind. Im Übrigen sind ihre Angaben zu möglichen Verlusten viel zu pauschal und unsubstantiiert, um nachvollzogen werden zu können; überdies fehlt jede im Rahmen der allgemeinen Normenkontrolle erforderliche branchenweite Betrachtungsweise und Bewertung.
Bezüglich der Besucher von Fitnessstudios ist zudem zu berücksichtigen, dass sie sich jederzeit testen bzw. impfen lassen können, was ihnen nach der auf wissenschaftlicher Expertise beruhenden Einschätzung des Verordnungsgebers auch zumutbar ist. Ferner sind die Beschränkungen nicht solcher Art, dass sie jede Aktivität im privaten wie im öffentlichen Bereich unterbinden. Insbesondere bleibt es ihnen unbenommen, weiterhin (außerhalb eines Fitnessstudios) Sport zu treiben. Darüber hinaus stehen ihnen diese Einrichtungen für medizinisch notwendige Angebote der Rehabilitation weiterhin offen.
ee. Auch ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG liegt voraussichtlich nicht vor.
(1) Hierbei ist schon zweifelhaft, ob und inwieweit der zu den benannten Bereichen erhobene Vorwurf gleichheitswidriger Behandlung überhaupt im Eilverfahren auf eine Außervollzugsetzung der angegriffenen Bestimmungen führen muss (Bayerischer VGH, Beschluss vom 27. April 2020 – 20 NE 20/793 – juris Rn. 26 ff.). Wird ein solcher Rechtsverstoß unterstellt, ist dem Verordnungsgeber – soweit nicht andere rechtserhebliche Gesichtspunkte Anderes gebieten (vgl. etwa: BVerwG, Urteil vom 11. Oktober 1996 – 3 C 29/96 – juris Rn. 36; auch: Beschluss des Senats vom 22. Mai 2020 – 3 EN 341/20 – juris) – dann nämlich erneut ein Entscheidungsspielraum eröffnet, den betreffenden Gleichheitsverstoß zu beseitigen. Dies würde vorliegend insbesondere nicht ausschließen, im Interesse des Infektionsschutzes und der Vermeidung weiterer Infektionen strengere Zugangsbeschränkungen auch für geimpfte und genesene Personen vorzusehen.
(2) Abgesehen davon kann der Senat aber auch keine Art. 3 Abs. 1 GG verletzende Ungleichbehandlung erkennen.
Der Thüringer Verfassungsgerichtshof hat zu den Anforderungen des insoweit im Bundes- und Landesrecht inhaltlich nicht wesentlich divergierenden allgemeinen Gleichheitssatzes im Hinblick auf infektionsschutzrechtliche Regelungen ausgeführt (Thüringer VerfGH, Urteil vom 1. März 2021 – 18/20 – juris Rn. 511 ff.):
„Der allgemeine Gleichheitssatz aus Art. 2 Abs. 1 ThürVerf gebietet dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Hierbei verbleibt ihm grundsätzlich ein weiter Gestaltungsspielraum, dessen Grenzen erst überschritten sind, wenn die vom Gesetzgeber getroffene Differenzierung nicht mehr auf sachlichen Erwägungen beruht und willkürlich ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Februar 1985 – 2 BvL 17/83 – BVerfGE 69, 150 [160] = juris Rn. 39). Es ist insoweit nicht Sache eines Verfassungsgerichts zu prüfen, ob der Gesetzgeber jeweils die gerechteste und zweckmäßigste Regelung getroffen hat, sondern lediglich, ob die äußersten Grenzen gewahrt sind (zur entsprechenden Beschränkung seines Prüfungsumfangs siehe auch BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 1981 – 2 BvR 1067/80, BVerfGE 58, 68 [79] = juris Rn. 27). Dieser aus Art. 2 Abs. 1 ThürVerf für den parlamentarischen Gesetzgeber resultierende Maßstab gilt für die normsetzende Exekutive entsprechend, allerdings ist der dem Verordnungsgeber zukommende Gestaltungsspielraum enger, da ein solcher von vornherein nur in dem von der gesetzlichen Ermächtigungsnorm abgesteckten Rahmen besteht (vgl. insoweit zu den Vorgaben des Art. 80 Abs. 1 GG: BVerfGE 58, 68 [79] = juris Rn. 27; BVerfGE 69, 150 [160] = juris Rn. 39). Der Verordnungsgeber darf keine Differenzierungen vornehmen, die über die Grenzen einer formell und materiell verfassungsmäßigen Ermächtigung hinaus eine Korrektur der Entscheidungen des Gesetzgebers bedeuten würden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Juli 1963 – 1 BvR 265/62 -, BVerfGE 16, 332 [339] = juris Rn. 22), sondern muss vielmehr den Zweckerwägungen folgen, die im ermächtigenden Gesetz angelegt sind (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 5. November 2020 1 S 3405/20, juris Rn. 18). In den Grenzen des ihm zustehenden Ermessens muss er nach dem Gleichheitssatz im wohlverstandenen Sinn der ihm erteilten Ermächtigung handeln und sich von sachfremden Erwägungen freihalten (vgl. BVerfGE 16, 332 [339] = juris Rn. 22; BVerfGE 58, 68 [79] = juris Rn. 27; BVerfGE 69, 150 [160] = juris Rn. 39).
Dies hat zur Folge, dass sich die Regelungen an den Zwecken dieser bundesgesetzlichen Verordnungsermächtigung auszurichten haben, wenn durch diese Ungleichbehandlungen erfolgen (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 5. November 2020 – 1 S 3405/20 – juris, Rn. 19). Ungleichbehandlungen dürfen somit grundsätzlich allein aus infektionsschutzrechtlichen Gründen erfolgen, da nur zu diesem Zweck die Verordnungsermächtigung erteilt ist (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 5. November 2020 1 S 3405/20, juris Rn. 19). Über diese infektionsschutzrechtlichen Gründe hinaus kommen allenfalls noch andere überragend wichtige Gründe des Gemeinwohls in Betracht, um Ungleichbehandlungen rechtfertigen zu können (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 5. November 2020 – 1 S 3405/20 -, juris Rn. 20).“
(3) Ausgehend von diesen Maßstäben dürfte die von der Antragstellerin benannte Ungleichbehandlung gegenüber Versammlungen und religiösen sowie parteipolitischen Veranstaltungen bereits deshalb nicht vorliegen, weil es sich insoweit um wesensverschiedene Sachverhalte handelt.
Im Übrigen wäre die vom Verordnungsgeber vorgenommene Differenzierung dieser Bereiche angesichts des in den Artikeln 4 Abs. 1 und 2, 5 Abs. 1, 8 Abs. 1 und 21 Abs. 1 GG verankerten besonderen Schutzes aber auch sachlich gerechtfertigt.
(4) Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ist auch die vom Verordnungsgeber vorgenommene Differenzierung zwischen immunisierten und nicht immunisierten Personen durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt. Wie oben und auch zutreffend vom Antragsgegner in seiner Antragserwiderung dargestellt leisten nicht immunisierte Personen auch unter der mittlerweile vorherrschenden Virusvariante Omikron einen deutlich größeren Beitrag zum Infektionsgeschehen und damit zur Gefährdung der Bevölkerungsgesundheit, des Gesundheitssystems und der sonstigen Versorgungsinfrastruktur als immunisierte Personen (vgl. u. a. Beschluss des Senats vom 24. Januar 2022 – 3 EN 804/21 -; Beschluss des Senats vom 13. Januar 2022 – 3 EN 764/21 – beide juris).
ff. An dieser Bewertung der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Regelungen ist auch angesichts der Entscheidung des OVG Nordrhein-Westfalen vom 8. Februar 2022 – Az. 13 B 1986/21.NE – (juris) festzuhalten.
Soweit mit dieser Entscheidung die in Nordrhein-Westfalen geltende 2G-Plus-Regelung für die gemeinsame Sportausübung in Innenräumen vorläufig außer Vollzug gesetzt wurde, beruht dies lediglich auf dem nicht frei von Widersprüchen und damit nicht hinreichend klar verwendeten Begriff der „gemeinsamen Sportausübung“ in § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 und § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der zum Zeitpunkt der Entscheidung geltenden Coronaschutzverordnung des Landes Nordrhein-Westfalen (vgl. juris Rn. 28 ff. der Entscheidung). Eine dieser Regelung zur gemeinsamen Sportausübung in Innenräumen vergleichbare Regelung liegt in Thüringen nicht vor.
b. Verbleibt es mithin bei allenfalls offenen Erfolgsaussichten, gebietet auch eine Folgenabwägung nicht, die einstweilige Anordnung zu erlassen. Dies legt weder der Vortrag der Antragstellerin nahe, noch ist dies ansonsten erkennbar. Bei der Folgenabwägung sind angesichts der Allgemeinverbindlichkeit der Entscheidung die Auswirkungen auf alle von der angegriffenen Regelung Betroffenen zu berücksichtigen, nicht nur die Folgen für die Antragstellerin.
Würde der Aussetzungsantrag im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes abgelehnt, erwiese sich im Ergebnis des Hauptsacheverfahrens die Verordnung aber als rechtswidrig, wären zwar sowohl die Betreiber von Fitnessstudios als auch deren Besucher in ihren Grundrechten beeinträchtigt. Dies wirkt umso schwerwiegender, als infolge der Dauer der Pandemie und deren wellenmäßigem Verlauf die betroffenen Fitnessstudiobetreiber bereits mehrfach wirtschaftlich belastet waren. Wie bereits zur Angemessenheit der streitgegenständlichen Maßnahme ausgeführt wären diese Beeinträchtigungen aber durch die mittlerweile sehr hohe Anzahl zugangsberechtigter Personen und die zumutbaren Möglichkeiten für einen Zugang stark abgemildert.
Würde hingegen dem Aussetzungsantrag stattgegeben, erwiesen sich die streitgegenständlichen Bestimmungen des § 18 Abs. 3 Nr. 2 b) und c) ThürSARS-CoV-2-IfS-MaßnVO im Hauptsacheverfahren aber als rechtmäßig, würde mit der 2G-Plus-Zugangsbeschränkung – insbesondere mit Blick auf die erheblich gesteigerte Ansteckungsgefahr durch die Virusvariante Omikron – ein wesentlicher Baustein der Pandemiebekämpfung wegfallen (vgl. zur Berücksichtigung dieses Aspekts in der Folgenabwägung: BVerfG, Beschluss vom 1. Mai 2020 – 1 BvQ 42/20 – juris Rn. 10). Die Möglichkeit, eine geeignete und erforderliche Schutzmaßnahme zu ergreifen und so die Verbreitung der Infektionskrankheit zum Schutz der Gesundheit der Bevölkerung, einem mit Blick auf Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG überragend wichtigen Gemeinwohlbelang, effektiver zu verhindern, bliebe zumindest zeitweise bis zu einer Reaktion des Verordnungsgebers (irreversibel) ungenutzt.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG. Eine Halbierung des Auffangstreitwertes ist wegen der faktischen Vorwegnahme der Hauptsache nicht angezeigt.
Hinweis:Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

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