Aktenzeichen VIII ZR 21/08
Art 3 Abs 5 Buchst b DBuchst ii EGV 1400/2002
Verfahrensgang
vorgehend OLG Köln, 7. Dezember 2007, Az: 19 U 59/07, Urteilvorgehend LG Köln, 15. März 2007, Az: 86 O 79/06
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 19. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 7. Dezember 2007 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
1
Die Klägerin betreibt ein Autohaus in S. und ist seit Jahren Vertragspartnerin der Beklagten, zuletzt aufgrund eines Nissan-Vertragshändlervertrages vom Oktober 2003 (im Folgenden: Händlervertrag). Art. XVII Nr. 1 dieses Vertrages lautet:
“Dieser Vertrag kann von jeder Vertragspartei unter Einhaltung einer Frist von 24 Monaten zum Ende eines Kalendermonats per Einschreiben/Rückschein gekündigt werden. Eine von NISSAN ausgesprochene Kündigung muss eine ausführliche Begründung enthalten, die objektiv und transparent ist und darf nicht auf Verhaltensweisen des Vertragshändlers gestützt werden, die nach der Verordnung (EG) Nr. 1400/2002 nicht eingeschränkt werden dürfen. Die Verordnung ist als Anlage XI diesem Vertrag angefügt. Darüber hinaus gelten, insbesondere bezüglich der Kündigung, die Regelungen des nationalen Rechtes.
Abweichend davon ist es NISSAN gestattet, diesen Vertrag mit einer Frist von 12 Monaten zu beenden, unter der Voraussetzung, dass
a) (…)
b) sich für NISSAN die Notwendigkeit ergibt, das Vertriebsnetz insgesamt oder zu einem wesentlichen Teil umzustrukturieren.”
2
Die Beklagte kündigte im Rahmen einer Netzkündigung, die sich auf sämtliche Händler- und Werkstattverträge erstreckte, mit Schreiben vom 11. Januar 2006 auch den Vertrag mit der Klägerin unter Berufung auf Art. XVII Nr. 1 Abs. 2 Buchst. b des Vertrages zum 31. Januar 2007. In dem Schreiben heißt es unter anderem:
“Das derzeitige NISSAN-Händlernetz setzt sich zusammen aus ca. 350 Vertragshändlern, mit denen die RENAULT NISSAN DEUTSCHLAND AG Vertragshändlerverträge abgeschlossen hat. Diese Vertragshändler haben ca. 80 Filialen eingerichtet und mit ca. 215 Sekundärnetzhändlern ihrerseits Händlerverträge abgeschlossen. Es besteht daher ein zweistufiges Händlernetz. (…)
Bedingt durch diese Konstellation ist ein Händlernetz entstanden, das weder den Bedürfnissen der regionalen Kaufgewohnheiten der potentiellen NISSAN-Kunden noch den Qualitätsanforderungen, die die potentiellen NISSAN-Kunden an einen modernen Kfz-Vertrieb stellen, gerecht wird. Mit dem bisherigen Händlernetz werden daher weder alle potentiellen NISSAN-Kunden in optimaler Weise erreicht noch werden unsere Produkte in einem Umfeld präsentiert, das dem Ansehen der Marke NISSAN gerecht wird.
Eine Neustrukturierung des NISSAN-Händlernetzes ist daher zwingend geboten. Vor diesem Hintergrund hat die RENAULT NISSAN DEUTSCHLAND AG sich nunmehr entschlossen, den Vertrieb von NISSAN-Neufahrzeugen in der Bundesrepublik Deutschland umfassend neu zu ordnen.
Im Zuge dieser Neuordnung wird das bisherige zweistufige Händlernetz aufgelöst. (…)
Aufgrund der Ergebnisse intensiver Beobachtungen und Untersuchungen des Käuferverhaltens und der Kaufgewohnheiten in der Bundesrepublik Deutschland in den vergangenen Jahren hat die RENAULT NISSAN DEUTSCHLAND AG ein völlig neu konzipiertes Händlernetz mit ca. 535 Standorten für Händlerbetriebe entwickelt. Diese Standorte sind so angeordnet, dass sie dem regionalen Käuferverhalten und den Kaufgewohnheiten der potentiellen NISSAN-Kunden in optimaler Weise gerecht werden. Mit dem bestehenden Händlernetz lassen sich die neu konzipierten ca. 535 Standorte nicht abdecken.
Darüber hinaus ist beabsichtigt, die Qualität und die Professionalität des Neufahrzeugvertriebs und der Serviceleistungen zu verbessern, um den Anforderungen an einen modernen Kfz-Vertrieb gerecht zu werden. Hierzu haben wir nach geografischen Gesichtspunkten unterschiedliche Qualitätskriterien für den Kfz-Vertrieb entwickelt. Die Händlerstandorte werden zukünftig nach regionalen Gesichtspunkten eingeteilt, und zwar in sog. Metro-Regionen (Großstädte ab 400.000 Einwohner), Urban-Regionen (Städte ab 100.000 Einwohner) und ländliche Gebiete. Gleichzeitig wurden auf die einzelnen Regionen abgestimmte Qualitätsstandards entwickelt, die für die jeweiligen Standorte zukünftig gelten.
Die vorstehend beschriebene vertriebspolitische Entscheidung erfordert zwingend eine vollständige Umstrukturierung des derzeit bestehenden Vertriebsnetzes. Deshalb ist es erforderlich, alle bestehenden Verträge zum gleichen Zeitpunkt zu kündigen, um uns die Möglichkeit zu eröffnen, mit Beendigung der jetzigen Verträge das neu strukturierte Vertriebsnetz zu etablieren.”
3
Die Klägerin hat mit ihrer Klage die Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung sowie die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zur Fortführung des Vertragsverhältnisses über den 31. Januar 2007 hinaus bis zum 31. Januar 2008 und zum Ersatz des ihr infolge der Kündigung entstehenden Schadens begehrt. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr auf Klageabweisung gerichtetes Begehren weiter.