Aktenzeichen 30 W (pat) 802/15
§ 108 Abs 2 PatG
§ 33 Abs 1 Nr 1 GeschmMG 2004
§ 1 Nr 1 GeschmMG 2004
§ 1 Abs 3 GeschmMG 2004
§ 34 Buchst a GeschmMG 2004
§ 23 Abs 3 S 2 RVG
§ 33 Abs 1 RVG
Verfahrensgang
vorgehend BPatG München, 23. November 2017, Az: 30 W (pat) 802/15, Beschlussvorgehend BGH, 20. Dezember 2018, Az: I ZB 25/18, Beschluss
Tenor
In der Beschwerdesache
…
betreffend das Design …
(hier: Nichtigkeitsverfahren…)
hat der 30. Senat (Marken- und Design-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 12. Dezember 2019 10. Oktober 2019 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Hacker sowie der Richter Merzbach und Dr. Meiser
beschlossen:
Gründe
I.
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Für die Designinhaberin ist bei dem Deutschen Patent- und Markenamt seit dem 16. Juli 2008 das am 28. Februar 2008 angemeldete Design Nr. …
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als Einzeldesign eingetragen. Dafür sind folgende sieben Abbildungen als
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Schwarz-Weiß-Fotos hinterlegt:
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Abb. 1.1
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Abb. 1.2
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Abb. 1.3
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Abb. 1.4
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Abb. 1.5
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Abb. 1.6
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Abb. 1.7
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Für das Design sind folgende Erzeugnisse angegeben: Augenschutzschirme, Helmschirme, Helmvisier für Kopfbedeckungen, Kopfbedeckungen, Schutzhelme. Der Anmeldung war zur Erläuterung der Wiedergabe eine Beschreibung eines “Kinderhelms für Reiten, Ski und Radfahren” beigefügt. Dort ist unter anderem angegeben, dass der Helm formal aus vier Helmschalen bestehe und in verschiedenen Größen mit wechselbaren Schirm-, beziehungsweise Schildteilen und zum Beispiel Zusatzteilen wie einem Reiterknopf als Reit- beziehungsweise Skihelm oder Radhelm mit entsprechenden Farben und Grafikelementen ausgelegt sei.
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Die Antragstellerin hat am 20. Februar 2014 die Feststellung der Nichtigkeit dieses Designs mit der Begründung beantragt, ihm fehle die Schutzfähigkeit, weil es keinen einheitlichen Schutzgegenstand erkennen lasse.
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Das Deutsche Patent- und Markenamt hat diesen Antrag zurückgewiesen. Die dagegen gerichtete Beschwerde der Antragstellerin hat der Senat mit Beschluss vom 23. November 2017 zurückgewiesen (GRUR 2018, 725 = WRP 2018, 973).
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Auf die (zugelassene) Rechtsbeschwerde der Antragstellerin hat der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 20. Dezember 2018 (I ZB 25/18, GRUR 2019, 832 – Sporthelm) den vorgenannten Beschluss des Senats aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Bundespatentgericht zurückverwiesen. Die Entscheidung des Bundespatentgerichts könne keinen Bestand haben, da dem eingetragenen Design mangels Bestimmbarkeit des Schutzgegenstandes die Designfähigkeit gemäß § 1 Nr. 1 DesignG fehle. Da dem Bundesgerichtshof eine eigene Sachentscheidung verwehrt sei (§ 23 Abs. 5 DesignG in Verbindung mit § 108 Abs. 1 PatG), sei die Sache an das Bundespatentgericht zurückzuverweisen.
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Im wiedereröffneten Beschwerdeverfahren beantragt die Antragstellerin weiterhin sinngemäß,
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den Beschluss der Designabteilung 3.5 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 16. Juni 2015 aufzuheben und die Nichtigkeit des Designs … festzustellen.
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Die Antragsgegnerin beantragt weiterhin,
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die Beschwerde zurückzuweisen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
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Nachdem der Bundesgerichtshof die Entscheidung des erkennenden Senats vom 23. November 2017 auf die zugelassene Rechtsbeschwerde hin im Rechtsbeschwerdeverfahren mit Beschluss vom 20. Dezember 2018 aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen hat, hat der erkennende Senat unter Beachtung der Rechtsauffassung des Bundesgerichtshofs in der Sache erneut zu entscheiden (§ 23 Abs. 5 DesignG i. V. m. § 108, Abs. 2 PatG).
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Danach hat die zulässige Beschwerde der Antragstellerin auch in der Sache Erfolg. Das eingetragene Design … ist gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 1
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DesignG nichtig, weil ihm die Designfähigkeit gemäß § 1 Nr. 1 DesignG fehlt.
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A. Gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 1 DesignG ist ein Design nichtig, wenn die Erscheinungsform des Erzeugnisses kein Design im Sinne des § 1 Nr. 1 DesignG ist. Dies ist u.a. dann der Fall, wenn in der Anmeldung nicht die Erscheinungsform “eines” Erzeugnisses wiedergegeben wird, weil sich dann der Gegenstand des Designschutzes nicht bestimmen lässt. In diesem Fall gibt das eingetragene Design nicht eine (einheitliche) Erscheinungsform „eines“ Erzeugnisses wieder, was zu einer Nichtigkeit des eingetragenen Designs wegen fehlender Designfähigkeit nach § 33 Abs. 1 Nr.1 i. V. m. § 1 Nr. 1 DesignG führt (vgl. BGH a. a. O. Tz. 11).
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1. Der Bundesgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 20. Dezember 2018 festgestellt, dass dem eingetragenen Design … auch nach Auslegung kein einheitlicher Schutzgegenstand und damit nicht die Erscheinungsform „eines“ Erzeugnisses im Sinne des § 1 Nr. 1 DesignG entnommen werden könne, so dass ihm mangels Bestimmbarkeit des Schutzgegenstandes die Designfähigkeit gemäß § 1 Nr. 1 DesignG fehle (BGH a. a. O., Tz. 24 aE).
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2. Aufgrund dieser für den Senat nach § 23 Abs. 5 DesignG in Verbindung mit § 108 Abs. 2 PatG bindenden Rechtsauffassung des Bundesgerichtshofs ist ohne weitere Sachprüfung die Nichtigkeit des angegriffenen Designs festzustellen (§ 33 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 1 Nr. 1, Abs. 3 DesignG).
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Eine entsprechende Feststellung seitens des Bundesgerichtshofs ist nur deshalb unterblieben, weil ihm nach § 23 Abs. 5 DesignG in Verbindung mit § 108 Abs. 1 PatG eine eigene Sachentscheidung verwehrt war (vgl. BGH a. a. O. Tz. 25). In diesem Fall bezieht sich die Bindungswirkung nach § 23 Abs. 5 DesignG in Verbindung mit § 108 Abs. 2 PatG nicht nur auf die Punkte, deren rechtsirrtümliche Würdigung die Aufhebung der ersten Entscheidung unmittelbar herbeigeführt haben, sondern umfasst jedenfalls dann, wenn – wie vorliegend – der zu beurteilende Sachverhalt und die Rechtslage unverändert bleiben bzw. hinsichtlich des Sachverhalts, nämlich des eingetragenen Designs, sogar unveränderlich ist, auch die Rechtsauffassung des Bundesgerichtshofs zur Nichtigkeit des verfahrensgegenständlichen Designs nach § 33 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 1 Nr. 1 DesignG.
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3. Der angefochtene Beschluss der Designabteilung 3.5 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 16. Juni 2015 ist daher aufzuheben und die Nichtigkeit des angegriffenen Designs … festzustellen (§ 33 Abs.3 DesignG).
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B. Die Kostenentscheidung folgt aus § 23 Abs. 4 Satz 5 DesignG i. V. m. § 84 Abs. 2 Satz 2 PatG, § 91 Abs. 1 ZPO.
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C. Der Gegenstandswert ist nach freiem Ermessen zu bestimmen (§ 34a Abs. 5 Satz 2 DesignG i. V. m. §§ 23 Abs. 3 Satz 2, 33 Abs. 1 RVG).
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Maßstab ist dabei im Hinblick auf den Popularcharakter des Nichtigkeitsantrages wie in Patentnichtigkeitsverfahren und Markenlöschungsverfahren grundsätzlich das Interesse der Allgemeinheit an der Nichtigkeitsfeststellung bzw. der Löschung, welches in der Regel dem gemeinen Wert des angegriffenen Designs entspricht (vgl. für die Nichtigkeitswiderklage BGH GRUR 1957, 79, 80; Eichmann/ v. Falckenstein/Kühne, DesignG, 5. Aufl. 2014, § 54 Rdnr. 7).
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In markenrechtlichen Löschungsverfahren wegen absoluter Schutzhindernisse nach §§ 50, 54 MarkenG – deren Gegenstandswert ebenfalls gemäß § 33 Abs. 1, § 23 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 1 RVG nach freiem Ermessen zu bestimmen ist – wird bei unbenutzten Marken bzw. Marken, zu deren Benutzung sich keine hinreichend zuverlässigen Feststellungen treffen lassen, ein Regelgegenstandswert von 50.000,- € als angemessen erachtet (vgl. BPatG 30 W (pat) 1/14 – Titanshield; 27 W (pat) 15/11 – KHR Trainer; 28 W (pat) 48/11 – kiel; 29 W (pat) 39/09 – Andernacher Geysir; 29 W (pat) 15/10 – Wasserkraft).
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Im vorliegenden Fall lassen sich ebenfalls keine hinreichend sicheren Feststellungen zu Art und Umfang einer Benutzung des gelöschten Designs treffen.
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Zu beachten ist jedoch, dass das von einem eingetragenen Design ausgehende Behinderungspotential gegenüber einer eingetragenen Marke grundsätzlich höher zu bewerten ist. Denn während Marken Waren und Dienstleistungen ihrer Herkunft aus einem bestimmten Unternehmen nach kennzeichnen, betrifft das eingetragene Design die Gestaltung eines Produkts bzw. einer Ware hinsichtlich seines optischen Erscheinungsbildes und seiner Benutzbarkeit und damit das Produkt/die Ware als solches und nicht nur dessen (betriebliche) Herkunftskennzeichnung. Der Gegenstandswert eines designrechtlichen Nichtigkeitsverfahrens nach § 34a DesignG ist dann aber deutlich höher zu bewerten als derjenige eines markenrechtlichen Löschungsverfahrens nach §§ 50, 54 MarkenG.
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Der Senat hält insoweit im designrechtlichen Nichtigkeitsverfahren nach § 34a DesignG bei Designs, die entweder unbenutzt sind oder bei denen sich zu Art und Umfang einer Benutzung keine Feststellungen treffen lassen, unter Abwägung aller Gesichtspunkte wie insbesondere der Restlaufzeit des verfahrensgegenständlichen Designs eine Verdoppelung des im markenrechtlichen Löschungsverfahren bei unbenutzten Marken allgemein angenommenen Gegenstandswerts von 50.000,- € und damit einen (Regel-)Gegenstandswert von
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100.000,- €
36
für angemessen, aber auch ausreichend (vgl. BPatG 30 W (pat) 801/16 – Tabaktopf, veröffentlicht in juris und auf der Internetseite des BPatG).