Aktenzeichen 6 AZR 620/08
§ 16 Abs 2 S 2 TV-Ärzte
§ 1 TVG
TV-Ärzte/VKA
Art 3 Abs 1 GG
Verfahrensgang
vorgehend ArbG Magdeburg, 9. August 2007, Az: 6 Ca 944/07 E, Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt, 24. April 2008, Az: 9 Sa 475/07 E, Urteil
Tenor
1. Auf die Revision des beklagten Landes wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt vom 24. April 2008 – 9 Sa 475/07 E – aufgehoben.
2. Auf die Berufung des beklagten Landes wird das Urteil des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 9. August 2007 – 6 Ca 944/07 E – abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
3. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten darüber, ob die Beschäftigungszeit als Arzt im Praktikum(AiP) bei der Stufenzuordnung nach § 16 des Tarifvertrags für Ärztinnen und Ärzte an Universitätskliniken (TV-Ärzte/TdL) vom 30. Oktober 2006 zu berücksichtigen und der Kläger deshalb in den Monaten Juli 2006 bis Mai 2007 nach der Entgeltgruppe Ä 1, Stufe 5, TV-Ärzte/TdL zu vergüten war.
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Der Kläger war vom 1. Dezember 2001 bis 31. Mai 2003 als AiP für das beklagte Land tätig. Er war dabei am Klinikum der Medizinischen Fakultät der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg eingesetzt. Seit dem 1. Juni 2003 ist er bei dem beklagten Land als Assistenzarzt beschäftigt.
3
Mit Wirkung zum 1. Januar 2006 errichtete das beklagte Land das Universitätsklinikum der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg als rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts, die an die Stelle des bisherigen Universitätsklinikums getreten ist. Entsprechend den Vorschriften des Hochschulmedizingesetzes des Landes Sachsen-Anhalt(HMG LSA) vom 12. August 2005 (GVBl. LSA S. 508) verblieb der Kläger aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Medizinischen Fakultät der Universität im Arbeitsverhältnis mit dem beklagten Land. Soweit zu seinen Aufgaben auch Tätigkeiten in der Krankenversorgung gehören, ist er gemäß § 6 Abs. 4 HMG LSA verpflichtet, seine Dienste beim Universitätsklinikum zu erbringen. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass diese Zuordnung des Klägers zutreffend ist.
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Das Arbeitsverhältnis richtet sich aufgrund beiderseitiger Tarifgebundenheit seit dem 1. November 2006 nach dem TV-Ärzte/TdL. Das beklagte Land wendet entsprechend einem Beschluss der Mitgliederversammlung der TdL vom 8. Juni 2006 die neue Entgelttabelle bereits seit dem 1. Juli 2006 an. § 5 des Tarifvertrags zur Überleitung der Ärztinnen und Ärzte an Universitätskliniken (TVÜ-Ärzte/TdL) vom 30. Oktober 2006 lautet:
„Stufenzuordnung der Ärzte.
1Die Ärzte werden derjenigen Stufe der Entgeltgruppe (§ 12 TV-Ärzte) zugeordnet, die sie erreicht hätten, wenn die Entgelttabelle für Ärztinnen und Ärzte bereits seit Beginn ihrer Zugehörigkeit zu der für sie maßgebenden Entgeltgruppe gegolten hätte. 2Für die Stufenfindung bei der Überleitung zählen die Zeiten im jetzigen Arbeitsverhältnis zu demselben Arbeitgeber. 3Für die Berücksichtigung von Vorzeiten ärztlicher Tätigkeit bei der Stufenfindung gilt § 16 Absatz 2 TV-Ärzte.“
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In § 16 TV-Ärzte/TdL heißt es:
„Stufen der Entgelttabelle
(1) 1Die Entgeltgruppe Ä 1 umfasst fünf Stufen; die Entgeltgruppen Ä 2 bis Ä 4 umfassen drei Stufen. 2Die Ärzte erreichen die jeweils nächste Stufe nach den Zeiten ärztlicher (Ä 1), fachärztlicher (Ä 2), oberärztlicher (Ä 3) Tätigkeit beziehungsweise der Tätigkeit als ständiger Vertreter des leitenden Arztes (Chefarztes), die in den Tabellen (Anlagen A und B) angegeben sind.
(2) 1Für die Anrechnung von Vorzeiten ärztlicher Tätigkeit gilt Folgendes: Bei der Stufenzuordnung werden Zeiten mit einschlägiger Berufserfahrung als förderliche Zeiten berücksichtigt. 2Zeiten von Berufserfahrung aus nichtärztlicher Tätigkeit können berücksichtigt werden.
…“
6
Das beklagte Land ordnete den Kläger ab dem 1. Juli 2006 der Stufe 4 der Entgeltgruppe Ä 1 zu. Die Zeit als AiP erkannte es nicht als Zeit einschlägiger Berufserfahrung an.
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Der Kläger hat die Ansicht vertreten, der AiP sei nach seinen Rechten und Pflichten einem vollapprobierten Arzt gleichgestellt gewesen. Die Begriffe „ärztliche Tätigkeit“ und „einschlägige Berufserfahrung“ könnten nicht gleichgesetzt werden. Die Rechtsprechung zum BAT könne auf den TV-Ärzte/TdL angesichts der veränderten gesetzlichen Bedeutungszusammenhänge und der veränderten tariflichen Begrifflichkeiten nicht übertragen werden. Die Tarifvertragsparteien seien bereits unmittelbar nach der Vereinbarung des Tarifergebnisses am 16. Juni 2006 uneinig über die Anerkennung von AiP-Zeiten als Zeiten einschlägiger Berufserfahrung gewesen.
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Der Kläger hat außerdem die Auffassung vertreten, er werde im Vergleich zu den Ärzten, die nach Abschaffung des AiP ab dem 1. Oktober 2004 sofort nach Beendigung des Studiums approbiert hätten werden können und die deshalb unmittelbar nach Beendigung des Studiums Zeiten einschlägiger Berufserfahrung hätten erwerben können, ungleich behandelt. Zudem liege eine Ungleichbehandlung mit den im Universitätsklinikum Magdeburg Anstalt öffentlichen Rechts beschäftigten Ärzten vor. Für diese Ärzte gilt der Vergütungstarifvertrag für Ärzte des Universitätsklinikums Magdeburg AöR(VTV-Ä UK MD). § 2 Ziff. 6 VTV-Ä UK MD sieht die Anrechnung der Zeiten ärztlicher Tätigkeit für Ärzte ohne Facharztanerkennung bei der Stufenzuordnung vor. Eine Tätigkeit als AiP gilt danach ausdrücklich als ärztliche Tätigkeit. Der Kläger hat darauf abgestellt, dass er mit den Ärzten des Klinikums Hand in Hand zusammenarbeite. Schließlich hat es der Kläger für treuwidrig gehalten, dass die zuständigen Ministerien, die im Aufsichtsrat des Universitätsklinikums vertreten seien, dem VTV-Ä UK MD zugestimmt hätten, als Rechtsaufsicht der Medizinischen Fakultät jedoch dem Kläger die Anerkennung der AiP-Zeiten versagten.
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Der Kläger hat zuletzt beantragt
festzustellen, dass der Kläger ab 1. Juli 2006 nach der Vergütungsgruppe Ä 1, Stufe 5, des TV-Ärzte/TdL zu vergüten ist.
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Dabei ergibt sich aus einem zwischen den Parteien am 9. August 2007 vor dem Arbeitsgericht geschlossenen Teilvergleich, dass die Feststellung nur für die Zeit bis 31. Mai 2007 begehrt wird.
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Das beklagte Land hat seinen Klageabweisungsantrag damit begründet, dass die Tarifvertragsparteien seit jeher die Bezeichnung „ärztliche Tätigkeiten“ für Tätigkeiten eines Arztes im Sinne des inländischen Medizinalrechts verwendet hätten. Ein AiP sei jedoch nicht vollapprobiert, übe nicht den Beruf des Arztes aus und könne deshalb keine einschlägige Berufserfahrung sammeln. Er sei vielmehr Auszubildender zum Arztberuf. Ein abweichender Wille der Tarifvertragsparteien habe keinen Niederschlag im Tarifvertrag gefunden.
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Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit seiner vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt das beklagte Land sein Begehren auf Klageabweisung weiter.