Arbeitsrecht

Umgruppierung eines Fahrers von Flugzeugschleppern

Aktenzeichen  4 AZR 932/08

Datum:
19.5.2010
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BAG
Dokumenttyp:
Urteil
Normen:
§ 1 Abs 1 TVG
Art 3 Abs 1 GG
Art 12 Abs 1 GG
§ 551 Abs 3 S 1 Nr 2 ZPO
Spruchkörper:
4. Senat

Verfahrensgang

vorgehend ArbG Frankfurt, 8. November 2007, Az: 19/6 Ca 5309/07, Urteilvorgehend Hessisches Landesarbeitsgericht, 2. Juli 2008, Az: 6/17 Sa 1844/07, Urteil

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 2. Juli 2008 – 6/17 Sa 1844/07 – wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten über die zutreffende Umgruppierung des Klägers von der Entgeltordnung des Vergütungs-Rahmentarifvertrages Bodenpersonal vom 29. April 1989 (VRTV 1989) in die des Tarifvertrages Vergütungssystem Lufthansa Technik (LHT) / Informationstechnologie (IT) vom 9. Juli 2006 (TV VS Technik/IT 2006).
2
Die Beklagte, eine Tochtergesellschaft der Lufthansa Technik AG, ist ein Servicedienstleister für die Bodenabfertigung und Wartung von Flugzeugen.
3
Der Kläger ist seit dem 1. Mai 1985 bei verschiedenen Lufthansa-Konzerngesellschaften beschäftigt. Ab 1. Juli 1987 ist er als sog. Berufsschlepperfahrer tätig. Die Tätigkeit beinhaltet den Transport von Flugzeugen am Frankfurter Flughafen mit Schleppfahrzeugen, beispielsweise das Bereitstellen auf Gate- oder Vorfeldpositionen, das Umschleppen innerhalb verschiedener Positionen oder das sog. Eindocken auf Parkpositionen oder Wartungsdocks. Nach dem Arbeitsvertrag finden „die jeweils gültigen Tarifverträge“ Anwendung.
4
Die Tätigkeit des Klägers war bisher in der Arbeitsplatzbeschreibung „Berufsschlepperfahrer“ der Beklagten vom 7. Juni 2000 enthalten. Die Beklagte hat die Arbeitsplatzbeschreibung inzwischen geändert. Die streitgegenständliche Tätigkeit wird darin nun unter der Benennung „Schlepperfahrer/-in“ geführt und das Anforderungsprofil ist verändert. Laut der Arbeitsplatzbeschreibung „Berufsschlepperfahrer“ setzte die Beklagte ua. eine „abgeschlossene Berufsausbildung, vorzugsweise als Kfz-Mechaniker oder in einem vergleichbaren Metallberuf“, voraus. Nach der neuen Arbeitsplatzbeschreibung genügt ua. eine abgeschlossene Schulausbildung. Zwischen den Parteien ist dabei unstreitig, dass sich die Tätigkeit des Klägers mit Einführung der neuen Arbeitsplatzbeschreibung und seiner Umgruppierung in den TV VS Technik/IT 2006 nicht verändert hat.
5
Die Beklagte zahlte dem Kläger bis Dezember 2006 Vergütung nach Vergütungsgruppe 8 des VRTV 1989, der 17 Vergütungsgruppen vorsah, darunter die Gruppen 5, 6 und 7, die jeweils als Tätigkeitsbeispiel „Kraftfahrer, die als Fahrer von Flugzeugschleppern eingesetzt sind“ in unterschiedlicher Ausprägung enthielten, sowie die Gruppe 8 für Mitarbeiter der Gruppe 7, denen aufgrund der erworbenen Erfahrung in ihrem Aufgabengebiet ua. schwierige Aufgaben übertragen worden sind, die in begrenztem Umfang Entscheidungsbefugnis über die Aufgabendurchführung im eigenen Arbeitsbereich umfassen.
6
Der Tarifeinigung über den TV VS Technik/IT 2006 am 9. Juli 2006 war ein Schlichtungsabkommen der Tarifvertragsparteien vom 11. April 2006 und ein Schlichtungsverfahren vorangegangen. Nach § 7 Abs. 1 des Schlichtungsabkommens wird die Schlichtungsverhandlung mit der Schlichtungsschlussempfehlung beendet. Diese gilt gemäß § 8 Abs. 2 Satz 2 des Schlichtungsabkommens als angenommen, wenn beide Tarifpartner ihre Zustimmung erklären. In der Schlichtungsschlussempfehlung vom 8. Juli 2006 empfahl der Schlichter „die Zuordnung der Busfahrer und Schlepperfahrer in die Vergütungsgruppe 1B, wobei den Schlepperfahrern die Möglichkeit der Entwicklung in die Vergütungsgruppe 2A ermöglicht werden soll“. Beide Tarifvertragsparteien stimmten der Empfehlung zu.
7
Der dann am 9. Juli 2006 abgeschlossene TV VS Technik/IT 2006 enthält 14 Vergütungsgruppen (1A bis 4D), darunter die Gruppen 1B und 2A mit auf die Tätigkeit als „Schlepperfahrer“ bezogenen Tätigkeitsbeispielen.
8
Die ebenfalls am 9. Juli 2006 vereinbarte und zum 30. Dezember 2006 in Kraft getretene „Vereinbarung der Tarifpartner zur Überleitung in das neue Vergütungssystem Lufthansa Technik/IT“ regelt in Nr. I 1 und 2:
        
„I.     
Überleitungsregelungen zum 30.12.2006           
        
        
1.       
Überleitung in die neuen Vergütungsgruppen           
        
        
Die Mitarbeiter werden mit ihrer bisherigen Grundvergütung der für ihre Tätigkeit zutreffenden Vergütungsgruppe des Tarifvertrages Vergütungssystem Technik/IT (TV VS Technik/IT) zugeordnet. Die Tarifpartner haben die Eingruppierung der Mitarbeiter anhand der Tätigkeitsbeispiele bzw. Oberbegriffe des TV VS Technik/IT abschließend vorgenommen. Die Überleitung aus der bisherigen Tätigkeit/Eingruppierung in die Vergütungsgruppe des neuen Systems erfolgte durch die Tarifpartner entsprechend der Zuordnungsmatrix.
        
        
Ab dem Zeitpunkt der Überleitung richtet sich die zukünftige Vergütungsentwicklung ausschließlich nach den Regelungen des TV VS Technik/IT und des VTV Technik/IT Nr. 1.
        
        
Liegt die bisherige Grundvergütung unter dem Eingangswert der zutreffenden Vergütungsgruppe im TV VS Technik/IT, so wird die Grundvergütung auf deren Eingangswert gemäß VTV Technik/IT Nr. 1 angepasst.
        
        
2.       
Überleitungszulage           
        
        
Übersteigt die bisherige Grundvergütung die Endvergütung der neuen Vergütungsgruppe, wird von der bisherigen Grundvergütung die neue Endvergütung subtrahiert und der Differenzbetrag in Form einer Überleitungszulage zur neuen Grundvergütung gezahlt. Die Überleitungszulage ist für folgende Tatbestände vergütungsrelevant: Sie ist schichtzulagen-, zeitzuschlags- und versorgungsfähig und wird auch bei der Berechnung des Urlaubs- und Weihnachtsgeldes voll berücksichtigt. Dies gilt auch für die Altersteilzeitberechnung. Die Überleitungszulage wird gegen Umgruppierungen aufgerechnet (Verfahren entsprechend § 7 Abs. 1 Tarifvertrag Schutzabkommen).
        
        
Im Falle einer Rückgruppierung (ausgenommen Fälle, die nach TV Schutzabkommen zu behandeln sind) entfällt die Überleitungszulage.“
9
Die von den Tarifvertragsparteien paraphierte sog. Zuordnungsmatrix enthält auszugsweise folgende Tabellen:
        
„LEOS Hilfskräfte
        
LN    
Position/ Aufgabenfeld
Planstellen (ORGA)-/ISA Bezeichnung alt
HB VRTV
Planstellenbezeichnung Neu (Hilfskraft …)
VG NVBT
Anzahl Mitarbeiter (circa)
        
        
1       
76000000 KFZ-Fahrer
Fahrer/Crewbusfahrer
7       
Fahrer/Busfahrer
1B    
61    
        
        
2       
76490000 Schlepperfahrer
Berufsschlepperfahrer/Schlepperfahrer
8       
Schlepperfahrer
1B    
81    
        
        
        
        
        
        
        
        
142“   
        
        
        
        
        
        
        
        
        
        
        
„LEOS Fachkräfte
LN    
Planstellen (ORGA)-/ ISA Bezeichnung alt
VRTV Ist VG
VRTV HB
Bezeichnung neu TV VS Technik/IT
VG VS Technik/IT
HB VS Technik/IT
Anzahl Mitarbeiter (circa)
LEOS Laufbahnen
1       
FA Gerätewart/Schlepperfahrer
8       
9       
Fahrzeug- und Gerätemechaniker
2B    
2C    
10    
2       
FA Gerätewart/Schlepperfahrer
9       
9       
Fahrzeug- und Gerätemechaniker
2C    
2C    
3       
FA Gerätewart
9       
9       
Fahrzeug- und Gerätemechaniker
2C    
2C    
4       
4       
FA Gerätewart
10    
10    
Fahrzeug- und Gerätemechaniker
2C    
2C    
6       
5       
Kfz-Lackierer
7       
9       
Kfz-Lackierer
2B    
2C    
1“    
10
Der Name des Klägers befindet sich auf einer undatierten und nicht unterzeichneten oder paraphierten „Transferliste“. Darin ist als neue Vergütungsgruppe des Klägers die Gruppe 2A angegeben. Entsprechend wurde er in den TV VS Technik/IT 2006 übergeleitet.
11
Mit seiner Klage strebt der Kläger eine Vergütung nach der Vergütungsgruppe 2C TV VS Technik/IT 2006, hilfsweise nach der Gruppe 8 des VRTV 1989 an. Die in den Vergütungsgruppen 1B und 2A enthaltenen Tätigkeitsbeispiele des Schlepperfahrers erfassten seine Tätigkeit als Berufsschlepperfahrer nicht. Diese Tätigkeit sei nach den Oberbegriffen zu bewerten und von derjenigen des Schlepperfahrers zu unterscheiden. Hilfsweise komme für den Kläger auch künftig die Gruppe 8 des VRTV 1989 zur Anwendung. Der Betriebsrat habe den Umgruppierungen widersprochen, es sei deshalb fraglich, ob der TV VS Technik/IT 2006 Anwendung finde.
12
Der Kläger hat zuletzt beantragt
        
1.    
festzustellen, dass er ab dem 1. Januar 2007 in die Vergütungsgruppe 2C des Tarifvertrages Vergütungssystem Lufthansa Technik/IT einzugruppieren ist,
        
hilfsweise
        
2.    
festzustellen, dass er in die Vergütungsgruppe 8 des Vergütungstarifvertrags 40C1 zu gruppieren ist.
13
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie ist der Meinung, die Umgruppierung des Klägers in die Vergütungsgruppe 2A sei zutreffend. Der TV VS Technik/IT 2006 sehe den Schlepperfahrer nur in den Tätigkeitsbeispielen der Vergütungsgruppen 1B und 2A vor. Die Oberbegriffe seien nur dann maßgeblich, wenn die ausgeübte Tätigkeit nicht von einem Tätigkeitsbeispiel erfasst werde. Zudem unterscheide sich die Tätigkeit eines Berufsschlepperfahrers nicht von derjenigen des Schlepperfahrers. Die Tarifvertragsparteien hätten die Zuordnung der Tätigkeit in der Zuordnungsmatrix wirksam geregelt.
14
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision.

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